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Veröffentlicht am 01.04.2021

Absolut lesenswert!

Wenn die Toten sprechen
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Claas Buschmann ist mittlerweile leitender Oberarzt für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Schleswig Holstein und hilft unter anderem im Auftrag der Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung von Tötungsdelikten. ...

Claas Buschmann ist mittlerweile leitender Oberarzt für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Schleswig Holstein und hilft unter anderem im Auftrag der Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung von Tötungsdelikten. In diesem Buch erzählt er über 12 Fälle seiner Laufbahn, die sich hauptsächlich in seiner Zeit an der Berliner Charitè, zeitweise an der Seite von Michael Tsokos, so zugetragen haben.

Zitat S. 15:
"Jeden Tag untersuchen wir Tote - große, kleine, junge, alte, auch verstümmelte, zerstückelt oder stark fäulnisveränderte Leichen. Ich empfinde Obduktionen trotzdem überhaupt nicht als belastend. Warum? (...) Weil die Toten es schon hinter sich haben. Weil sie frei sind von Leid und Schmerz."

Die Erklärung zu dieser Einstellung liefert direkt die erste Geschichte, die einen traumatisierenden Einsatz aus älteren Tagen thematisiert, als Buschmann noch als Rettungssanitäter arbeitete. Ich bekam Gänsehaut bei dem Gedanken daran, wie hilflos man sich in so einer Situation fühlen muss und wie viel Druck und Verantwortung auf einem liegt. Buschmann erklärt ergreifend, wie schwierig und belastend dieser Beruf sein kann, und zeigt auf, dass man diesen seelischen Stress und die hektischen Entscheidungen über Leben und Tod als Rechtsmediziner eben nicht mehr treffen muss.

In Fall 2 wird dann aber deutlich, dass man natürlich trotzdem mit Gewalt und Grausamkeit zu tun hat. Es ist interessant zu lesen, anhand welcher Merkmale Vorfälle rekonstruiert werden können und in welchem Umfang ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Auflösung eines Tötungsdeliktes beitragen kann oder auch oft Indizien für Tathergänge liefert.

Dieses Buch strotzt vor interessanten Informationen und Geschichten, die man fast nicht glauben mag, und gibt auch Einblicke in Buschmanns persönliche Meinungen. Obwohl ich in diesem Bereich schon das Eine oder Andere gelesen und mich generell viel mit True Crime auseinandergesetzt habe, war doch viel Neues und Wissenswertes für mich dabei.

Persönliches Fazit: Eine anschauliche Beschreibung aus dem Alltag eines Rechtsmediziners - ohne Übertreibungen und fiktive Horrorszenarien, denn das Leben ist ohnehin grausam genug.
Absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Ein sehr interessanter Fall

Tief in der Erde
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Dieser Roman thematisiert die Entführung mit Todesfolge der damals 10-jährigen Ursula Herrmann in den frühen 80er Jahren, die die gesamte Bundesrepublik erschütterte. Im Buch wird sie Annika Schön genannt.

Die ...

Dieser Roman thematisiert die Entführung mit Todesfolge der damals 10-jährigen Ursula Herrmann in den frühen 80er Jahren, die die gesamte Bundesrepublik erschütterte. Im Buch wird sie Annika Schön genannt.

Die Autorin, die auch als Journalistin tätig ist, bringt viele Fakten ein, erwähnt aber explizit, dass sie Unterhaltungslektüre schreiben wollte und geschrieben hat. So sind viele Behauptungen rein spekulativ, aber dennoch denkbar und befassen sich zum Großteil mit der Identität der Täter. Bis heute glauben viele Beteiligte, darunter auch der Bruder des Opfers, dass 2010 der Falsche verurteilt wurde.

Julia Neubacher, die Protagonistin in diesem Roman, nimmt 2010 als Gerichtsjournalistin an der Verhandlung des Tatverdächtigen Karl Leitmeier zum Cold Case Annika Schön teil.

Zitat S. 12:
"Im Gegensatz zu Annika durfte ich erwachsen werden, Liebe, Erfolg, Angst, Frust, Glück, Kummer und Ärger erfahren, Die Welt sehen in all ihrer Schönen, Durchtriebenheit, Großartigkeit und Schrecklichkeit."

In drei Teilen verfolgt man als Leser die verschiedenen Etappen dieses Kriminalfalles. Teil 1 beschreibt einen möglichen Ablauf des Tathergangs 1981 und Mutmaßungen darüber, warum die Täter sich irgendwann nicht mehr meldeten. Aber auch über die Eltern, Geschwister und alle Beteiligten dieser furchtbaren Geschichte. Es folgen Fehler auf Seiten der Polizei und Spuren, denen nicht nachgegangen wird, so dass der Fall zu den Akten gelegt wird.
Erst nach 29 Jahren hat man einen Täter: Karl Leitmeir. Da Entführung nach 30 Jahren verjährt, hatte man es mit der Aufklärung und Verurteilung in einem reinen Indizienprozess sehr eilig.

Zitat S. 131:
"Sie wissen, dass es keine Beweise gibt. Die wird es auch in Zukunft nicht geben." (...) "Es gibt so viel, was für die Schuld Leitmeirs spricht. Aber bei Weitem nicht alles."

Christa von Bernuth erklärt in Teil 2 anschaulich, wie der Prozess ablief und auf welchen Hintergründen die Verurteilung beruht. Aber auch, wo etwaige Fehler passiert sein könnten und vielleicht sogar unterschlagen wurden. Trotz zahlreicher Zweifel am Täter kam es zur Verurteilung.

Teil 3 findet dann erst 2019 statt, als neue Indizien zu einem anderen Täter entdeckt werden und auch Julia eine neue Rolle einnimmt. Hoffnung auf ein Neuaufrollen des Falles kommt auf, wird jedoch wegen Verjährung und unzureichender Beweise abgelehnt. Alles in allem ein ungeheuerlicher Skandal. Doch was davon wirklich stimmt, wird wohl niemals bewiesen werden können.

Persönliches Fazit: Ein sehr interessanter Fall, der vor Fehlern, mangelnden Beweisen und Merkwürdigkeiten strotzt. Unheimlich beklemmend und traurig. Mein Vertrauen in die Justiz wurde jedenfalls erschüttert. Ein must-read für alle Liebhaber von True Crime.

/RO, Dani

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Veröffentlicht am 31.03.2021

Gelungene Unterhaltung

Blütengrab
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Wussnitz, August 1975. Ulrike und Christa sind eng befreundet. Während eines Zeltausfluges versteckt sich Christa. Ulrike sucht sie verzweifelt. Immer näher kommt sie dem militärischen Sperrgebiet, das ...

Wussnitz, August 1975. Ulrike und Christa sind eng befreundet. Während eines Zeltausfluges versteckt sich Christa. Ulrike sucht sie verzweifelt. Immer näher kommt sie dem militärischen Sperrgebiet, das sie auf keinen Fall betreten darf. Sie wartet, doch nichts passiert ... und plötzlich sieht sie etwas Merkwürdiges.

Wussnitz, Mai 1993. Ulrike ist inzwischen bei der Polizei und hat noch etwas mit der Umstellung durch die Grenzöffnung zu kämpfen, da werden sie und ihr neuer Teamkollege Ingo zu einem Tatort gerufen. Dort angekommen werden sie mit der schrecklich zugerichteten Leiche eines jungen Mädchens konfrontiert.

Die Ermittlungen führen Ulrike zu Christa, zu der sie seit 17 Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Was ist damals passiert? Nach und nach, auch mit Hilfe ihrer Mutter, erinnert sich Ulrike an die damalige Zeit. Als ein zweites Mädchen als vermisst gemeldet wird, nimmt die Story so richtig an Fahrt auf. Schreckliche Dinge der Vergangenheit kommen ans Licht: Nazis, Vergewaltigung - alles wurde in der damaligen DDR vertuscht.

Mich hat „Blütengrab“ wunderbar unterhalten. Die Ermittlungen sowie die historischen Begebenheiten in der DDR schildert Fink spannend und realistisch. Einiges habe ich damals hautnah mitbekommen. So konnte ich einige Szenen noch einmal mit ganz anderen Augen sehen und fühlte mich sofort in der Zeit zurückversetzt. Freude und Leid hielten sich damals die Waage, zum Glück ist vieles inzwischen Geschichte.
Lange Zeit habe ich mitgerätselt, was es wohl mit den ganzen alten Geheimnissen auf sich haben mag und wer auf welche Weise in die Geschehnisse verwickelt ist. Doch schlussendlich löst Fink die Story wirklich gelungen auf, sodass keine Fragen offen blieben.

Persönliches Fazit: Mit „Blütengrab“ hat Ada Fink einen überaus gelungenen Thriller veröffentlicht, den ich allen Krimileser*innen nur wärmstens empfehlen kann. Die Story ist absolut lesenswert, und ich hoffe schon jetzt auf einen zweiten Teil.

/RO, Susi

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Veröffentlicht am 26.03.2021

Spannungsgeladen!

Mörderfinder – Die Spur der Mädchen
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Bischoff hat dem Polizeidienst abgeschworen, doch als ein verzweifelter Vater ihn um Hilfe bei der Suche nach seiner vor Jahren verschwundenen Tochter bittet, dauert es nicht lange, bis Bischoffs Jagdinstinkt ...

Bischoff hat dem Polizeidienst abgeschworen, doch als ein verzweifelter Vater ihn um Hilfe bei der Suche nach seiner vor Jahren verschwundenen Tochter bittet, dauert es nicht lange, bis Bischoffs Jagdinstinkt geweckt wird. Wie schon vor sechs Jahren verschwinden wieder Mädchen. Und niemand ahnt, welch abartige Verbrechen sich hinter den Vermisstenfällen verbergen. Max Bischoff begibt sich auf eine nervenaufreibende Jagd im Kampf gegen die Zeit.

Ohne zu viel zu verraten, möchte ich doch eines vorwegnehmen: Dieses Buch wird sicherlich so einige Leserinnen triggern. In seinem neuen Thriller stellt Strobel ein sensibles Thema in den Mittelpunkt, welches in mir jedes Mal wieder vollkommenes Entsetzen hervorruft. Aber er versteht es, feinfühlig durch die Handlung zu führen und verzichtet dabei komplett auf sensationsheischende Darstellungen, die hier, für meinen Geschmack, tatsächlich auch fehl am Platz wären. Ganz im Gegenteil dazu setzt er auf eine nüchterne, zurückhaltende Erzählweise und lässt genug Spielraum, die eigene Vorstellungskraft zu fordern, ohne uns dabei zu überfordern.

Von der ersten Seite an fährt Strobel das Spannungsniveau nach ganz oben und hält es konsequent hoch. Dabei sorgen die ständigen Wechsel zwischen der Ermittlungsarbeit und den parallel davon losgelöst geschilderten Szenen aus der Täter-/Opfersicht für die nötige Abwechslung.

Die Story ist von vorn bis hinten intelligent durchdacht und schlüssig. Seine Figuren zeichnet Strobel realistisch, mit allen Ecken und Kanten, die ein Mensch nur haben kann. Selbst vom Leben gezeichnet, wird das Ermittlerteam, allen voran natürlich Max, schnell zu den Sympathieträgern der Handlung. Aber auch alle anderen Figuren tragen ihren Teil dazu bei, dem Buch die nötige Glaubwürdigkeit zu verpassen.

Persönliches Fazit: Trommelwirbel, Applaus und Hochachtung! Ich habe nichts anderes erwartet: Die Vorfreude war riesig und es hat sich, wie immer, gelohnt. Arno Strobel liefert einen spannungsgeladenen Thriller, den man einfach so inhaliert. Für Strobel-Fans ist dieses Buch sowieso ein Muss. Aber auch allen anderen Leser
innen lege ich es wärmstens ans Herz. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

/RO, Franzi

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Veröffentlicht am 26.03.2021

Keine leichte Lektüre

Winter Traffic
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Uff! Das beschreibt so ziemlich genau, wie ich mich während des Lesens und nach Beenden des Buches gefühlt habe. Erwartet hatte ich eine unterhaltsame Lektüre, die ich nach Feierabend genießen und bei ...

Uff! Das beschreibt so ziemlich genau, wie ich mich während des Lesens und nach Beenden des Buches gefühlt habe. Erwartet hatte ich eine unterhaltsame Lektüre, die ich nach Feierabend genießen und bei der ich mich entspannen kann. Weit gefehlt! Tatsächlich hat mir dieses Buch einiges an Konzentration abverlangt. Das soll bitte nicht negativ bewertet werden, denn es spricht auch für eine Geschichte, wenn man sich mit dieser mehr als mit anderen auseinandersetzen muss. Oder sagen wir: darf. Erinnerte mich ein bisschen an meine Schulzeit, wenn wir im Deutschunterricht bestimmte Bücher lasen und diese anschließend besprachen. Auch hier musste ich Sätze mehrmals lesen, über das nachdenken, was ich glaube, dass mir der Autor mitteilen wollte. Klingt kompliziert? War es auch irgendwie. Beispiel gefällig?

Zitat Seite 16:
Die Tragweite lastete schwer. Nicht sichtbar: die Größe übertragen auf interne synoptische Karten, ein Überdruck in ihrer Schläfe, den kein Meteorologe je verzeichnen könnte. Die übersinnliche Gabe, Kristys beinahe willkommener Fremder. Vielleicht wieder am Aufflackern.

Ich kann mich nur wiederholen: uff! Ich habe bewusst ein Zitat von Seite 16 genommen, weil ich damit sagen möchte, dass das direkt so losgeht und sich bis zur letzten Seite durchzieht. Wer mit diesem Stil also nicht klarkommt, sollte tunlichst die Finger von diesem Buch lassen! Alle anderen erleben eine lyrische, fast schon poetische Geschichte, die im Sydney der 90er angesiedelt ist und nicht nur im Plot vor rhythmischer Wildheit strotzt, sondern auch wesentliches Merkmal der Protagonisten ist. Sie sind komplex und doch unaufgeregt, wirken stellenweise der Prosa überdrüssig. Trotzdem schafft es Greenall, ein gewisses Tempo beizubehalten, was nicht zuletzt an der originellen Handlung liegt, die er geschaffen hat. Wendungen hat er glaubwürdig und pointiert inszeniert.

Persönliches Fazit: "Winter Traffic" ist eine Geschichte, die man gut und gerne als literary crime bezeichnen könnte. Drama, stellenweise schwarzer Humor und ein außergewöhnlicher Schreibstil machen dieses Buch zu einer keineswegs leichten Lektüre, aber zu einer, die man garantiert nicht mehr vergisst.

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