Perfekte Symbiose aus Text und Lesung
Kaffee und ZigarettenBislang habe ich mit Ferdinand von Schirach nur gute Erfahrungen gemacht - mir gefällt seine unaufregte, fast lakonisch-kühle Art des Erzählens sehr. Der Trend setzt sich auch bei "Kaffee und Zigaretten" ...
Bislang habe ich mit Ferdinand von Schirach nur gute Erfahrungen gemacht - mir gefällt seine unaufregte, fast lakonisch-kühle Art des Erzählens sehr. Der Trend setzt sich auch bei "Kaffee und Zigaretten" fort, seinem bisher wohl persönlichsten Werk. Die über 40 teils sehr kurzen, teils etwas längeren Kapitel bestehen aus Anekdoten, Alltagsbeobachtungem und -überlegungen, Gedankenspielen, Vergleichen und persönliche Erinnerungen. Es gibt Hintergründiges zur Familie derer von Schirach (mit denen man schon selbst sicher ein gutes Buch füllen könnte), Erzählungen aus vergangenen Gerichtsfällen und anderen Ereignissen undundund. Es ist eine Art philosophierende Biographie - oder ein Zustandsbericht mit biografischen Hintergrund. Es lässt sich schwer in eine Form pressen, aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig: es ist einfach sehr gut, unterhaltsam und gedankenanregend so, wie es ist.
Es hat keine sechs Prozent des Hörbuchs gebraucht, da war ich schon so geflasht, dass ich gar nicht wusste, wohin mit mir. Nach einem kurzen biografischen Ausflug in die Kindheit gab es ein unaufgeregtes Cameo von Mick Jagger im Kino (bei Indiana Jones, no less) einen Vergleich der Filmadaptionen von "Swimming Pool" (Schneider/Delon) und "A Bigger Splash" (Swinton/Fiennes) und ein zeitgeschichtliches Gedankenstück über die raf-Anwälte Schily, Ströbele und Mahler. Allein diese drei popkulturellen bzw. jüngergeschichtlichen Themen haben mich total fasziniert, und auch wenn dieses fulminante Auftaktfeuerwerk im Folgenden etwas abnahm (kann der Autor ja nicht ahnen, dass er damit drei Treffer bei mir in Folge erzielt) blieben auch die weiteren Kapitel durchgängig interessant, teils faszinierend und immer hörenswert.
(Da ich kurz zuvor Aus dem Dachsbau gehört habe, drängte sich der Vergleich für mich geradezu auf, und alles das, was ich bei von Lotzow kritisiert, habe, setzt von Schirach weit, weit gekonnter um. Zwei Werke mit einer ähnlichen Intention, doch nur eines trifft das Ziel.)
Was auch für den Vortrag des Hörbuchs gilt: Lars Eidinger liest den Schirach so wunderbar, so passend melancholisch-bittersweet, ich feiere seine Genialität und diese perfekte Symbiose aus Text und Lesung.