Spannend und informativ!
Der WestenJosephine Quinn hat mit "Der Westen: Eine Erfindung der globalen Welt. 4000 Jahre Geschichte" ein Werk abgeliefert, das seine LeserInnen unglaublich detailreich, spannend und informativ auf eine Reise ...
Josephine Quinn hat mit "Der Westen: Eine Erfindung der globalen Welt. 4000 Jahre Geschichte" ein Werk abgeliefert, das seine LeserInnen unglaublich detailreich, spannend und informativ auf eine Reise nimmt, die von der Bronzezeit an ca. 4000 Jahre Geschichte rekonstruiert und einordnet. Ich habe es geliebt!
Zunächst einmal: Der Detailreichtum und damit einhergehend die Informationsfülle sind anfangs ziemlich einschüchternd. Ich habe aber schnell festgestellt, dass der Aufbau des Buches so gestaltet wurde, dass die LeserInnen nach jedem Kapitel durchatmen, reflektieren und das Geschriebene verinnerlichen können. Das führt zwar dazu, dass es in meinem Fall etwas länger dauerte, das Buch komplett zu lesen, aber dafür war trotz der Fülle die Lektüre entspannt. So macht Geschichte Spaß!
Josephine Quinn nimmt als Aufhänger die im 19. Jahrhundert erfundene "westliche Zivilisation", deren Wurzeln das antike Griechenland und Rom seien. Ich weiß nicht, wie es euch geht: aber, ja, das ist mir so tatsächlich seit der Grundschule eingebläut worden. Dass es sich dabei um eine Erfindung des 19. Jahrhunderts handelt, dass das antike Griechenland und Rom vor allem deshalb gewählt wurden, um von dort Geschichte so darzustellen, dass unweigerlich am Ende das weiße Großbritannien als Krönung der Entwicklung dastehen würde, das wiederum wurde mir natürlich nicht beigebracht (wie so vieles andere nicht, aber das steht auf einem anderen Blatt Papier).
Wie dem auch sei: Frau Quinn - ihres Zeichens anerkannte Althistorikerin - nimmt also diesen Aufhänger und seziert ihn nach und nach. Sie beginnt, indem sie erst einmal ausführt, warum und wie "der Westen" samt seiner angeblich römischen und griechischen Wurzeln überhaupt erfunden wurde. Sie geht auch kurz und sehr erhellend darauf ein, inwieweit zum Beispiel Ausgrabungen durch diese Sicht beeinflusst wurden. Allein der Teil ist schon unglaublich interessant.
Noch besser wird es aber, wenn Quinn anfängt, ausgehend von der Bronzezeit nach und nach die vielen verschiedenen tatsächlichen Einflüsse aufzudröseln. Das liest sich dermaßen spannend, dass ich trotz der vielen Informationen, die auf mich eingeprasselt sind, schlicht und ergreifend Spaß hatte, "Der Westen" zu lesen. Ja, ich habe oft Pausen eingelegt, aber nicht, weil das Buch dröge war, sondern um durchzuatmen, mir so viel wie möglich zu merken und dann erfrischt weiterzulesen. Dafür bin ich wahnsinnig dankbar: dass "Der Westen" so geschrieben ist, dass ich weiterlesen wollte, dass ich an dieser Wissensvermittlung nicht verzweifelt bin, sondern vielmehr das Gefühl hatte, nicht nur informiert, sondern auch unterhalten zu werden!
Egal, ob man nun am Ende der Meinung Quinns ist oder der Idee einer "westlichen Zivilisation" anhängt, bereichernd ist das Buch allemal, denn selbst wenn man das Römische Reich oder das antike Griechenland als Wurzel der "westlichen Zivilisation" ansieht, so ist es doch interessant, all die anderen Einflüsse detailreich, spannend und vor allem kundig präsentiert zu bekommen.