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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.08.2023

2,5 Sterne: Gute Ansätze, aber leider zu oberflächlich, unglaubwürdig und sexistisch!

Bruch: Ein dunkler Ort
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Achtung: Die Rezension enthält leichte Spoiler!

Inhalt

In der Nähe von Dresden wird ein 12-jähriges Mädchen vermisst. Der einzige Anhaltspunkt: Vor zwei Jahren ist das schon einmal geschehen, doch ...

Achtung: Die Rezension enthält leichte Spoiler!

Inhalt

In der Nähe von Dresden wird ein 12-jähriges Mädchen vermisst. Der einzige Anhaltspunkt: Vor zwei Jahren ist das schon einmal geschehen, doch nach zwei Wochen tauchte Linda, das andere Mädchen, augenscheinlich unversehrt wieder auf – und über das, was ihr passiert ist, schweigt sie noch immer. Für Nicole Schauer ist es der erste Fall nach der Versetzung. Ausgerechnet dem seltsamen, psychisch auffälligen Bruch wird sie zugeteilt, der vor kurzem bei einem Unfall seinen Partner verloren hat. Schnell wird allerdings klar, dass beide ihr Päckchen zu tragen haben…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1 von (aktuell) 2
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis sehr lang

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Leichen, Blut, (sexualisierte) Gewalt (bis Vergewaltigung, Verharmlosung von Vergewaltigung), Sexismus, Misogynie, psychische Krankheiten, Traumata, Drogenmissbrauch, Alkohol, Medikamente, Rassismus
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schl+mpe, Fo+++, Nu+++

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- dialoglastige Bücher
- knapper Schreibstil
- Fokus auf (psychische) Probleme und Innenleben der Ermittelnden
- Dorfsetting
- Herbst und Regenwetter
- vermisstes Kind
- Polizeiarbeit

Meine Rezension

„Doch [Bruch] starrte nur, als wäre er in Gedanken ganz woanders. Oder auf Stand-by, um Akku zu sparen.“ Seite 51

Bei „Bruch – Ein dunkler Ort“ (Band 1) haben mich die ersten Seiten der Leseprobe sofort angesprochen. Ohne viele Erwartungen und ohne eine einzige Rezension gesehen zu haben, wurde von mir schnell entschieden, diesen Krimi lesen zu müssen. Nun fragt ihr euch sicher: War das im Nachhinein betrachtet eine gute Entscheidung? Antwort: Leider nein, da mich das Buch insgesamt leider enttäuscht bzw. streckenweise sogar ziemlich aufgeregt hat.

Wie immer sollen zuerst die Stärken dieses Kriminalromans hervorgehoben werden. Prinzipiell gut gefallen (vor allem in der ersten Hälfte) hat mir der knappe, schnörkellose, ellipsenhafte Schreibstil, der sich wirklich nur auf die wichtigen Dinge fokussiert und jede Form von Ausschmückung konsequent weglässt. Das war einmal etwas anderes und hat durchaus einen gewissen Charme. Dabei ist die Sprache trotzdem noch anschaulich genug und enthält neben lebendigen, gelungenen Dialogen und einer Prise Humor auch die eine oder andere schöne, düstere Stelle – besonders wenn die psychischen Probleme von Bruch näher beschrieben werden. Auch die Grundidee (den Fall und die Auflösung) und den Fokus auf das Innenleben des ermittelnden Duos mochte ich. Noch ein Hinweis am Rande: Katzen bitte niemals alleine halten, das ist nicht artgerecht und macht sie unglücklich!

„Welches war seine wahre Natur, fragte er sich an guten Tagen. Die, die zutage kam, wenn er die Tablette ausließ, oder dieser Zustand, der eintrat, wenn er sie nahm?“ Seite 65

Leider hat mich das Buch auch in vielen Punkten enttäuscht. Vor allem die stümperhafte, schlechte Polizeiarbeit überzeugt nicht. Bruch, der immer wieder als eine Art „wahnsinniges Genie“ dargestellt wird, und Schauer stolpern zufällig von einer Situation und Befragung in die nächste – ein System oder einen Plan sucht man hier vergeblich. Jede Hobbydetektivin, jeder von uns Leser:innen, würde das besser machen als dieser inkompetente Haufen von Hauptkommissar:innen, Vorgesetzten (der Chef besitzt überhaupt keine Führungskompetenzen und lässt sich auf der Nase herumtanzen) und Beamt:innen. Man kann nur hoffen, dass man niemals im Leben auf DIESE Art von Polizei angewiesen ist…

Zum Beispiel wird von einer ganzen Gruppe Polizist:innen ein großes Gebäude DREIMAL durchsucht – scheinbar aber extrem schlampig, halbherzig und ohne Hunde, denn es wird nichts gefunden, OBWOHL es dort etwas Wichtiges etwas zu finden gibt. Zudem haben Schauer und Bruch, die Hauptfiguren, obwohl sie durchaus sympathisch sind, meiner Meinung nach im Polizeidienst nichts verloren (und das meine ich gar nicht böse), sondern würden eher in Krankenstand und Therapie gehören. Bruch ist traumatisiert, leidet (wahrscheinlich) unter Schizophrenie, nimmt Psychopharmaka (aber unregelmäßig), die ihm von einer unbekannten Person per Post zugeschickt werden (?), hat abwechselnd heftige Halluzinationen oder überhaupt keine Gefühle, hält sich nicht an Absprachen mit dem Chef, macht, was er will. Und Schauer hat ein Aggressionsproblem, fuchtelt ständig mit ihrer Pistole herum, schießt einfach drauflos, wenn sie im Dunkeln Angst bekommt, schlägt ständig Verdächtige und Zeugen. Bitte nicht falsch verstehen: Ich liebe es, wenn Ermittler:innen in Krimis Menschen mit Ecken und Kanten und ihren Problemen sind – aber das war einfach too much und dadurch unglaubwürdig!

„Diese unnötigen Worte und Handlungen, als besteige er jede Stunde einen steilen Berg, der nichts bot außer Kälte und Nebel, keine Aussicht, keine Erholung.“ Seite 200

Durch den knappen Schreibstil bleibt die ganze Geschichte zudem sehr an der Oberfläche, was man aber erst nach und nach bemerkt. Einerseits stehen die psychischen Probleme der zwei Hauptfiguren total im Fokus, wodurch der Fall an sich in den Hintergrund gerät, was sich wiederum negativ auf Spannung und Tempo auswirkt. Andererseits wird einem das ganze Buch über die Karotte vor die Nase gehalten, was Bruchs Geheimnisse betrifft, Antworten gibt es aber bis zum Ende trotzdem so gut wie keine. Das fand ich sehr frustrierend. Die bekommt man dann wohl erst in Band 2, was wohl als Anreiz dienen soll – ja… nein, danke.

„Die alten Geräte und Traktoren, am Tag nichts als Rosthaufen, wirkten bedrohlich, als lauerte etwas in ihnen, als bewegten sie sich selbst, veränderten ihre Position.“ Seite 138

Mein Hauptproblem waren aber die verinnerlichte Misogynie und der mal mehr, mal weniger subtile Sexismus, die das ganze Buch durchziehen, was dem Autor scheinbar aber überhaupt nicht bewusst ist! Die starke Hauptfigur Schauer, die mit ihrem aggressiven Verhalten immer wieder Geschlechterstereotype bricht, kann diese Schwächen leider nicht aufwiegen. Nur ein paar Beispiele: Da wird gesagt, eine Jugendliche (!) sei wie ein Flittchen angezogen, es wird angedeutet, dass sie eine Mitschuld an der Täterschaft eines anderen Schülers trüge, weil sie ihm einen „lockeren Umgang mit dem weiblichen Geschlecht“ vermittle, eine klare Vergewaltigung (mit Penetration durch Finger) wird als s+xuelle Belästigung verharmlost, statt den Missbrauch eines Kindes so zu nennen, wird von einer Mutter gesagt, das Mädchen werde von seinem Vater gef+ckt, eine Polizistin (!) fragt, ob eine 12-Jährige den möglichen Täter nicht vielleicht doch „gei+ gemacht“ hätte.

Dazu kommt, dass es hier in einer Szene so dargestellt wird, als wären ihre Brüste alles, was eine Frau ausmacht, alles, was zählt. So entscheidet sich eine Brustkrebsüberlebende gegen eine Amputation, weil es für sie unvorstellbar ist, dass irgendein normaler Mann (außer einem „Ökoweltversteher“ natürlich) sie s+xuell anziehend finden könnte, wenn sie „keine Ti++en“ habe. Welches Bild vermittelt diese unsensible Szene denn bitte? Wie müssen sich Frauen, denen ihre Brüste abgenommen wurden, beim Lesen dieser Sätze fühlen? Man merkt einfach, dass es dem männlichen Autor hier überhaupt nicht gelingt, sich in die Lebensrealität einer Frau hineinzuversetzen. Von Frank Goldammer würde ich mir wünschen, dass er mal seine männlichen Privilegien hinterfragt und sich bis zu Band 3 (sollte es einen geben) mehr Bewusstsein für verinnerlichte Misogynie und Sexismus aneignet. Dass psychisch Kranke immer wieder als „Irre“ bezeichnet werden, die „Tabletten fressen“, ist übrigens ganz nebenbei auch nicht gerade nett und wertschätzend. Für mich endet hier jedenfalls der Ausflug in Goldammers Welt – auf noch mehr davon habe ich nämlich überhaupt keine Lust!

Mein Fazit

Trotz der guten Grundidee, des interessanten Falls und des flüssigen Schreibstils hat mich der Reihenauftakt „Bruch – Ein dunkler Ort“ insgesamt leider enttäuscht. Das lag vor allem an der unglaubwürdigen, schlechten Polizeiarbeit, den von zu vielen und zu starken Problemen betroffenen Ermittler:innen (wodurch die Spannung und der Fall an sich zu kurz kommen) und dem Sexismus und der Misogynie, die das ganze Buch mehr oder weniger subtil durchziehen. Eine Leseempfehlung gibt es deshalb nicht von mir. Da draußen gibt es nicht nur bessere, sondern auch zeitgemäßere, feministischere Krimis – lest lieber die!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 2,5 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 3,5 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonist:innen: 3,5 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 2 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

☆★,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zweieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.08.2023

Richtig gut geschriebene, mitreißende Sci-Fi-Jugenddystopie, die Spaß macht! Jahreshighlight! ♥

Neon Birds
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Zukunft: Ein Virus verwandelt Menschen in zombieartige Cyborgs. Um die Menschheit vor ihnen zu schützen, wurden riesige Sperrzonen hinter hohen Mauern errichtet. ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die Zukunft: Ein Virus verwandelt Menschen in zombieartige Cyborgs. Um die Menschheit vor ihnen zu schützen, wurden riesige Sperrzonen hinter hohen Mauern errichtet. Wissenschaftler:innen forschen Tag und Nacht daran, wie man sie bekämpfen kann. Doch es kommt immer wieder zu Ausbrüchen, die Sperrzonen werden immer größere und die Cyborgs entwickeln sich weiter, werden immer stärker und gefährlicher. Ist die Welt dem Untergang geweiht?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1 von 3
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis etwas länger

Inhaltswarnung: Tod von Menschen (auch Kindern), (viel!) Blut, Gewalt, Leichen, psychische Krankheiten, Suizidgedanken, Folter, Tod von Tieren, Krieg, Schusswaffen, Trauer, toxische Eltern-Kind-Beziehung, Narzissmus
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Cyborgs (Mischung aus Mensch und Maschine)
- Klima-Utopie & Umweltschutz
- unheilvolle, düstere Grundstimmung
- Actionszenen im Wechsel mit ruhigen Passagen
- überzeugendes, aber nicht zu komplexes Worldbuilding
- Blut und Brutalität
- starke Frauenfiguren, Diversität


Meine Rezension


„Außerhalb der Mauern erzählen die Menschen einander eine Geschichte.“ Seite 7

„Neon Birds“ stand erst jahrelang auf meiner Wunschliste und lag danach noch einmal eine kleine Ewigkeit auf meinem E-Book-SUB. Es war für mich immer ein „Klingt-interessant-lese-ich-irgendwann-mal-Buch“. Vom SUB befreit wurde es dann auch nur durch Zufall: weil ich mit einer Bookstagram-Kollegin zusammen etwas lesen wollte und wir es zufällig beide schon in der Bibliothek hatten – und es dann auch noch die Community-Abstimmung gewann. Jetzt fragt ihr euch bestimmt: Hatte „Neon Birds“ diese leicht stiefmütterliche Behandlung denn verdient? Ganz und gar nicht! Denn das Debüt von Marie Graßhoff ist ein Buch das super unterhält, fesselt und einfach richtig viel Spaß macht!

„Ich habe sie gesehen, die Untergründe ihrer Megametropolen. Die Gassen, in denen sich die Lichter der flackernden Neonröhren in Rinnsalen aus Blut und Erbrochenem spiegeln. […] Die Mülldeponien von der Größe ganzer Kontinente an den Rändern der Wüsten.
Eine Zivilisation, erbaut auf Plastik und Leichen.“ Seite 7

Manchmal weiß man schon auf der ersten Seite, dass man etwas ganz Besonderes, richtig Gutes in der Hand hält – so war es auch bei „Neon Birds“. Schon nach den ersten spannenden und stimmungsvollen Sätzen hatte mich die Autorin um den Finger gewickelt. Marie Graßhoff schreibt nämlich anschaulich, extrem atmosphärisch und sehr flüssig, sodass man nur so durch die Seiten fliegt. Auch in den ruhigen, emotionalen Momenten weiß ihre Sprache zu überzeugen, aber sie brilliert erst richtig bei den atemlos spannenden Action-Szenen, die ich unheimlich gerne gelesen habe. Dabei wird es stellenweise für eine Jugend-Dystopie (Altersempfehlung: ab 16) erstaunlich erwachsen und sehr blutig, düster und brutal – da trifft man schon einmal auf abgetrennte Köpfe, mit Blut beschmierte Wände und Wege, die mit Leichen gepflastert sind. Über allem liegt dabei eine intensive unheilvolle Grundstimmung und die dunkle Gewissheit: Die Welt ist dem Untergang geweiht! Sensible Teens mit empfindlichen Mägen sollten hier Vorsicht walten lassen – aber ich als Erwachsene mochte es sehr!

Auf ganzer Linie überzeugt haben mich auch die glaubwürdigen, lebendigen Dialoge und die liebevolle Figurenzeichnung, für die die Autorin sich viel Zeit nimmt, sodass man die Charaktere schnell gut kennen und lieben lernt. Gnade solltet ihr deshalb von Marie Graßhoff aber nicht erwarten – im Gegenteil, hier wird gemeinerweise schon in den ersten 100 Seiten schonungslos und tragisch und mit einer Portion Galgenhumor, die einen gleichzeitig bitter auflachen lässt und einem die Tränen in die Augen treibt, gestorben und uns Leser:innen schön das Messer ins Herz gerammt. Böse sein kann ihr deshalb allerdings nicht, denn insgeheim lieben wir das ja… Aus feministischer Sicht ist dieses Buch übrigens auch ein Träumchen, da wir auf unzählige mächtige, intelligente, erfolgreiche Frauen (z. B. auf Soldatinnen, Hackerinnen und Herrscherinnen) treffen und Geschlechterstereotype ganz beiläufig immer wieder gebrochen werden. Auch LGBT-Themen werden leicht gestreift. Dazu natürlich keine einzige sexistische Beleidigung – ich liebe es!

„Die Älteste sagte, dass das, was hinter den Mauern schlummerte, das Kind und gleichzeitig der Untergang der Menschheit sei. Geschöpfe, von ihnen selbst erschaffen, gekommen, um über sie zu richten.“ Seite 53

Auch thematisch konnte mich „Neon Birds“ mit seinem Fokus auf Freundschaft, Trauer, ethische Fragen, tiefgehende menschliche Beziehungen, psychische Krankheiten, Umweltschutz, Klimawandel (ein Buch am Puls der Zeit!) und Technik begeistern. Die unerwarteten Wendungen und das gelungene, aber nicht ZU komplexe Worldbuilding machen es einem leicht, ganz in die aus mehreren Perspektiven erzählte Geschichte einzutauchen. Der einzige kleine Schönheitsfehler waren für mich das Tempo und der Spannungsabfall im Mittelteil – hier war es mir stellenweise doch etwas zu ruhig. Aber das ist natürlich Kritik auf ganz hohem Niveau. Band 2 und 3 werden deshalb auf jeden Fall auch noch inhaliert! Noch einen Hinweis am Rande: Hühner bitte niemals (wie im Buch) alleine halten, sie brauchen Gesellschaft!

Mein Fazit

Manchmal ist es gut, mit nicht allzu hohen Erwartungen an ein Buch heranzugehen, dann gibt es nämlich die Chance, eine positive Überraschung zu erleben. So ging es mir mit „Neon Birds“ – für mich eine rundum gelungene, spannende, emotional mitreißende Jugend-Dystopie, die wunderbar unterhält und großen Spaß macht! Ganz klar ein Jahreshighlight! Am Ende bleibt nur eine Frage: Warum habe ich es nicht schon viel früher gelesen? Von mir gibt es deshalb eine große Leseempfehlung!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 4,5 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 5 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonist:innen: 4,5 Sterne
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 4 Sterne
Tempo: 4 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

☆★☆★☆♥ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir fünf Sterne und ein Herz und somit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2023

Geniale Grundidee, aber man hätte so viel mehr daraus machen können!

Die Gabe
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Auf der ganzen Welt entwickeln Mädchen und Frauen plötzlich die „Gabe“, sie können mit ihren Händen starke Stromstöße abgeben und sind auf einmal das körperlich stärkere ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Auf der ganzen Welt entwickeln Mädchen und Frauen plötzlich die „Gabe“, sie können mit ihren Händen starke Stromstöße abgeben und sind auf einmal das körperlich stärkere Geschlecht. Wie wird das die Welt, die Gesellschaften und die Machtverhältnisse verändern?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, explizite Gewalt, Blut, Drogenmissbrauch, sexualisierte Gewalt (bis Vergew+ltigung, Missbrauch von Minderjährigen), Tod von Tieren, Tierversuche, Tierquälerei, Menschenhandel, Sexismus, Misogynie, Operationen
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schl+mpe, Fo+++ (mehrmals), H+re,

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Feminismus
- Gesellschaftskritik
- historical fiction (= fiktive Geschichte)
- Gedankenexperimente
- viele verschiedene POVs (dt. Perspektiven / Sicht)
- schonungslose Brutalität
- nüchterner Schreibstil

Meine Rezension

„Abertausende von Lichtpunkten senden eine neue Botschaft aus. Wenn sich die Menschen verändern, kann der Palast nicht standhalten. Denn so steht es geschrieben: ‚Der Blitz ruht in ihrer Hand, und sie befiehlt ihm einzuschlagen.‘“ Seite 7

Als ich vor vielen Jahren den Klappentext von „Die Gabe“ gesehen habe, wusste ich sofort, dass ich es lesen musste. Beim ersten Versuch habe ich das Buch schon nach wenigen Seiten weggelegt, weil ich einfach nicht reingekommen bin. Doch da es mir immer wieder mit einem gewissen Nachdruck empfohlen wurde und auch vor kurzem die dazugehörige Serie auf Prime erschienen ist, war diesen Sommer der perfekte Zeitpunkt für eine zweite Chance. Dieses Mal habe ich es dann auch wirklich durchgezogen. Doch hat sich das denn gelohnt? Von mir gibt es ein klares… JEIN.

Was hat mir denn gefallen? Begeistert haben mich hier die kreative Grundidee, das Worldbuilding und die philosophischen Fragen, die immer wieder gestellt werden und mich zum Nachdenken gebracht haben: Wie würde es Gesellschaften auf der ganzen Welt verändern, wenn plötzlich Frauen durch die Gabe, starke Stromstöße abgeben zu können, das körperlich stärkere Geschlecht wären? Wenn Frauen plötzlich Rache nehmen könnten für all das, was ihnen angetan wird? Wenn sie es plötzlich wären, die herrschen würden? Wäre die Welt eine bessere, eine friedlichere – oder wäre sie genau wie die heutige, nur mit umgekehrten Geschlechterrollen? Autorin Naomi Alderman, die in Margaret Adwood eine Mentorin gefunden hat, zeichnet jedenfalls ein düsteres, dystopisches Bild dieser neuen Weltordnung. Themen wie Macht und ihr Missbrauch, Rache, Ungerechtigkeiten, Fraussein, Sexismus, Gewalt gegen Frauen (und Männer), Religion und Politik werden tiefgründig behandelt.

„‘Jetzt werden sie wissen‘, brüllt eine Frau in Tundes Kamera, ‚dass sie nachts nicht mehr allein aus dem Haus gehen sollten. Dass sie es jetzt sind, die Angst haben sollten.“ Seite 195

Plötzlich sind es Burschen und Männer, die abends nicht mehr alleine das Haus verlassen sollen, plötzlich werden sie vergewaltigt, überfallen, getötet, plötzlich werden ihre Genitalien verstümmelt. Nicht nur einmal habe ich mir hier beim Lesen gedacht: „Wie grausam, wie schrecklich, wie krank, wie gestört wäre das, wenn wir als Gesellschaft DAS mit Männern machen würden?“ – bis mir dann wieder eingefallen ist, dass ja GENAU das bereits gemacht wird. Nur halt mit Frauen. Nur, dass wir so daran gewöhnt sind, dass wir so abgestumpft sind, dass es für uns traurigerweise in gewisser Weise NORMAL geworden ist und wir gar nicht mehr sehen, was für ein Wahnsinn das eigentlich ist. Immer wieder hält Naomi Alderman so unserer Gesellschaft auf oft schmerzhafte Weise den Spiegel vor. Stellenweise fühlte es sich aber ehrlicherweise auch wie eine Form von Katharsis an, zu lesen, wie sich Zwangsprostituierte an ihren Tätern rächen, wie Frauen sich gegen das Unrecht, das ihnen widerfährt, endlich wehren.

„Man streitet darüber, ob dieses neue Organ schon immer im menschlichen Genom versteckt war und jetzt zum Leben erweckt wurde, oder ob es sich hier um eine Mutation handelt, eine schreckliche Deformierung.“ Seite 26

Stellenweise war ich aber auch schockiert und entsetzt von der Grausamkeit, mit der manche Frauen im Buch agieren, mit der sie ihre neu gewonnene Macht missbrauchen. Ob ein weltweites Matriarchat wirklich genauso schlimm wie das aktuell vorherrschende Patriarchat wäre, können wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, wohl aber zeichnen Berichte von Menschen, die matriarchalische Dörfer oder Städte besucht haben, ein anderes, friedlicheres Bild. (Hier ist aber natürlich auch wieder die Frage zu stellen, wie sich Frauen verändern würden, wenn die Machtverhältnisse über Generationen vertauscht wären, wenn sie eine ganz andere Erziehung bekämen.) Deshalb gehe ich bei Aldermans Zukunftsvision voller brutaler Schilderungen und Gewaltexzesse (bitte nicht unterschätzen!) nicht ganz mit, was mich aber nicht weiter gestört hat, weil ich mich gerne auf ihren Weltenentwurf eingelassen habe. Großartig fand ich übrigens die aus Briefen bestehende Rahmenhandlung (die in einer matriarchalischen Zukunft spielt) und das Ende, bei dem dann alle vier Handlungsstränge meisterhaft und spannend und mit einem großen Knall zusammengeführt werden. Das hat mich für vieles entschädigt!

Denn leider habe ich auch einige Kritikpunkte. Das größte Problem hatte ich von Anfang an mit dem sehr nüchternen, distanzierten Schreibstil – der wohl auch dazu geführt hat, dass ich wie beim ersten Versuch wieder sehr schwer ins Buch gefunden habe. Stellenweise finden sich im Text wirklich schöne Sätze und tiefgründige Passagen, aber die meiste Zeit blieben für mich leider die Gefühle vollkommen auf der Strecke. Und ein Buch, das mich emotional kaltlässt, kann niemals ein Lieblingsbuch sein. Das führte auch zu meinem nächsten Problem: den Figuren. Meiner Meinung nach blieben sie zu farblos, ich konnte zu ihnen einfach keine Verbindung aufbauen, nicht mit ihnen mitfühlen und mitfiebern, habe ihr Handeln eher neutral von einem Beobachtungsposten aus verfolgt. Dazu kommt, dass das Buch aus so vielen verschiedenen Perspektiven geschrieben ist, dass es irgendwann unübersichtlich wird. Der Gedanke dahinter ist mir klar, man wollte besonders viele Einzelschicksale zeigen und einen Überblick geben, was überall auf der Welt passiert, aber mir war es hier einfach irgendwann zu viel.

Der dritte Punkt, der mich gestört hat, waren das zu langsame Tempo mit den ungünstig platzierten Zeitsprüngen und der (einzelne Szenen sind ausgenommen) absolute Mangel an Spannung. Die Ereignisse an sich wären hochspannend und dramatisch gewesen, aber hier passieren sie eben so unspektakulär „vor sich hin“ – hier ein bisschen was, dort ein bisschen was –, dass einen das Buch einfach nicht fesselt. Stellenweise habe ich mich wirklich durchgequält und war dann auch froh, als ich das Ende erreicht hatte. Jetzt kann ich zumindest mitreden, wenn es um dieses immerhin oft als feministisch gefeierte, hochgelobte und auch prämierte Werk geht. Meiner Meinung nach hätte man SO viel mehr aus dieser grandiosen Grundidee machen können – hier wurde so viel Potential verschenkt, was ich unglaublich schade finde. Da fand ich „The Handmaid’s Tale“ (dt. Der Report der Magd) von Atwood, mit dem „Die Gabe“ ja immer wieder verglichen wird, schon deutlich stärker und überzeugender.

Mein Fazit

„Die Gabe“ ist ein Buch, über das ich im Vorfeld unglaublich viel Gutes gehört hatte. Mit dementsprechend hohen Erwartungen bin ich an die Lektüre herangegangen. Leider konnten diese trotz vieler guter Ansätze und einer grandiosen Grundidee nicht erfüllt werden, dafür sind mir die Emotionen einfach zu sehr auf der Strecke geblieben. Froh bin ich trotzdem, diese tiefgründige feministische Dystopie gelesen zu haben, weil sie mich stellenweise doch zum Nachdenken bringen konnte und ich jetzt endlich mitreden kann. Eine klare Leseempfehlung gibt es von mir dieses Mal nicht, ich verweise stattdessen auf die Leseprobe. Wenn die euch überzeugt, dann go for it!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonist:innen: 3 Sterne
Figuren: 2,5 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.07.2023

Knisternde Slow-Burn-Liebesgeschichte, aber zu wenig Handlung…

A Crown of Fangs and Fury
0

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Prinzessin Élèntine wird von ihrem Vater nach einem langen Krieg mit dem König der Werwölfe verheiratet, um den Frieden zu sichern. Für Élèntine, die als Kind schwer ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Prinzessin Élèntine wird von ihrem Vater nach einem langen Krieg mit dem König der Werwölfe verheiratet, um den Frieden zu sichern. Für Élèntine, die als Kind schwer von einer solchen Kreatur verletzt wurde, ist es nicht leicht, sich in ihrem neuen Leben mit ihrem unterkühlten, abweisenden Ehemann und einem Volk, das sie nicht will, zurechtzufinden…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt, sexualisierte Gewalt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schl+mpe (1x)

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Werwölfe
- Slow-Burn-Liebesgeschichten (= dt. sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte)
- Enemies-to-Lovers (= dt. Feindschaft verwandelt sich in Liebe)
- zartes Love Triangle (dt. Liebesdreieck)
- Arranged Marriage (= dt. arrangierte Heirat)
- starke weibliche Hauptfigur
- Liebesgeschichte im Fokus, Handlung als Beiwerk
- mittelalterlich angehauchte Fantasy-Welt

Meine Rezension

„Seine Stimme war tief und samtig weich, wie ein Kissen, auf das ich mich fallen lassen wollte.“ Seite 136

„A Crown of Fangs and Fury” wurde mir von einer Bookstagram-Kollegin empfohlen und mit einigen geschickt platzierten Sätzen wärmstens ans Herz gelegt. Obwohl mich die letzten Geschichten, die im Selfpublishing erschienen sind, alle auf die eine oder andere Weise enttäuscht hatten, war ich mal wieder bereit, der Sparte eine neue Chance zu geben. So zog das Buch mit dem wunderschönen Cover auch schnell bei mir ein.

Nun gleich zur wichtigsten Frage: Hält meine Pechsträne an? Reiht sich „A Crown of Fangs and Fury” ein in die lange Reihe von SP-Enttäuschungen? Hier kann ich Entwarnung geben: Nein, Ursa Jaumanns Debüt hat mich durchaus positiv überrascht, mir gefallen und mich ein paar Stunden ganz gut unterhalten. Ein Jahreshighlight war es für mich aber auch nicht, dazu gleich mehr.

„Mir blieb nur ein kurzer Blick über die Schulter zu Floréane, die wie eingefroren in ihrem wunderschönen, roten Kleid auf dem eingeschneiten Waldweg stand. Ein Spritzer Blut auf weißem Samt.“ Seite 15

Zuerst möchte ich aber auf die Stärken dieses Romans eingehen. Ganz zentral ist für mich hier die überzeugende Liebesgeschichte, die mich wirklich begeistert und berührt hat. Die Autorin lässt ihren zwei Hauptfiguren viel Zeit, sich gegenseitig kennen- und (nach der anfänglichen Abneigung = enemies to lovers) lieben zu lernen. Ein Werwolfkönig, der langsam auftaut, Gespräche über Consent, knisternde Momente, tiefe Blicke und eine ausgezeichnete Chemie zwischen den beiden machten es mir als Leserin leicht, mit Élèntine und Cayden mitzufühlen und auf den ersten Kuss usw. hinzufiebern. Und wenn die Liebesgeschichte bei einem Romantasy-Buch stimmt (die ja im Mittelpunkt steht), dann stimmt schon einmal sehr viel!

Aus feministischer Sicht haben mir die immer stärker und selbstbewusster werdende Hauptfigur, die unaufgeregte Einbindung von LGBT-Themen und die relativ gleichberechtigte Gesellschaftsform der Werwölfe gefallen. So ist es im (mittelalterlich angehauchten) Königreich Darington im Gegensatz zu Élèntines Heimat üblich, dass Frauen praktische Hosen tragen und dass ein Volk von je einem weiblichen und einem männlichen Werwolf gemeinsam angeführt wird, damit die Interessen aller Geschlechter vertreten werden. Die letzten Seiten und den Schluss fand ich besonders stark, weil alle vorher sorgsam ausgelegte Puzzle-Teile plötzlich an ihren Platz fallen und die Geschichte zu einem sehr gelungenen, runden Ende geführt wird – inklusive Drama, unerwarteter Wendungen, großer Emotionen und eines spannenden Showdowns.

„Die Türme aus dunklem Stein reckten sich wie eine Schattenhand der untergehenden Sonne entgegen, als wollten sie sie vom Horizont reißen.“ Seite 16

Es gab allerdings auch ein paar Dinge, die mir nicht so gut gefallen haben. Insgesamt mochte ich den flüssigen, anschaulichen Schreibstil zwar und das Korrektorat hat sich ohne Zweifel bezahlt gemacht, aber nach einer Weile sind mit doch ein paar Wiederholungen und „Lieblingsformulierungen“ aufgefallen, die mich zunehmend gestört haben. Ich bin mir nicht mehr sicher, wie oft die Protagonistin ihre Fingernägel in irgendetwas gekrallt oder gebohrt hat (oft!), aber zumindest weiß ich dank der Kindle-Suchfunktion, dass ganze 68 Mal im Buch gegrinst wird – das ist einfach zu viel (vor allem, da es auch noch gehäuft bei manchen Figuren oder in manchen Kapiteln auftaucht). Solche Dinge hätte man noch rauslektorieren können – und auch sollen.

Sehr genervt hat mich auch, dass sich die Heldin (und teilweise auch andere Figuren) immer wieder nicht nachvollziehbar, ja, sogar teilweise richtig dumm verhält und dabei nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Freund:innen praktisch grundlos in Gefahr bringt. Aber dann ist sie am Boden zerstört, wenn eine Mission, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war (und das ist einem als Leser:in so etwas von sonnenklar!), auch wirklich schiefgeht. Tja, mein Mitleid hielt sich da beim Lesen in Grenzen. Versteht mich bitte nicht falsch – ich liebe eigenwillige Frauenfiguren, die sich von der Männerwelt nichts vorschreiben lassen, aber dann bitte doch mit Sinn und Verstand! Nach einer Weile hat mir Cayden, ihr Ehemann, wirklich leidgetan, der alle Hände voll damit zu tun hat, seine scheinbar völlig lebensmüde Gemahlin immer wieder vor sich selbst und ihren „guten“ Ideen zu schützen.

Außerdem war der Plot den Großteil des Buches über doch recht dünn – hier hätte ich mir mehr Handlung, mehr Worldbuilding (Gesellschaftssystem), Spannung und Tiefe gewünscht. Wenn der Plot nur Beiwerk ist, dann reicht mir das nicht – ich bin aber sicher auch nicht die typische Romantasy-Leserin. Und: Auch wenn die zwei Liebenden wunderbar ausgearbeitet sind, so bleiben viele Nebenfiguren doch etwas blass – sie hätten noch mehr Farbe vertragen. Auf manche Formulierungen hätte ich zudem verzichten können – ich weiß, es geht hier um ein Wolfsrudel usw., aber wenn ich Worte wie „er ist der Alpha“ lese, MUSS ich einfach an diese selbsternannten Flirt-Coaches denken und meine Augen verdrehen. Keine Ahnung, warum ich euch das erzähle, das soll nämlich gar keine Kritik am Buch sein – ich schätze, ich wollte es mir einfach nur von der Seele schreiben! ;)

Mein Fazit

Was die Enemies-to-Lovers-Liebesgeschichte angeht, hat Ursa Jaumann bei ihrem Debüt alles richtig gemacht – und das sage ich selten über Liebesgeschichten! Die Schwächen (wenig Handlung, fehlende Spannung, unlogisches Verhalten, Wiederholungen) haben mich zwar gestört, vermiesen konnten sie mir mein Leseerlebnis aber zum Glück nicht. So hat mich „A Crown of Fangs and Fury“ doch einige Stunden lang ganz gut unterhalten und konnte mich emotional abholen. Ich sehe jedenfalls Potential und greife sicher gerne wieder einmal zu einem Buch von dieser Autorin. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung gibt es von mir nicht, aber für Fans von sich langsam entwickelnden Liebesgeschichten mit Fantasy-Setting ist dieser Roman sicher einen Blick wert!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 3 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3,5 Sterne
Umsetzung: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 3,5 Sterne
Liebesgeschichte: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Tempo: 3,5 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.07.2023

Wie man richtig gute Fantasy schreibt… Jahreshighlight!

Wie man einen Prinzen tötet
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eine Prinzessin will ihre Schwester vor einem gewalttätigen Prinzen (ihrem Ehemann) retten, indem sie ihn tötet. Werden Marra und ihre nur mittelmäßig kompetente Reisegruppe ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eine Prinzessin will ihre Schwester vor einem gewalttätigen Prinzen (ihrem Ehemann) retten, indem sie ihn tötet. Werden Marra und ihre nur mittelmäßig kompetente Reisegruppe ihr Ziel gemeinsam erreichen?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang

Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Gewalt gegen Frauen, Gewalt, Blut, Krankheit, Geburt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- Found Family (dt. Wahlfamilie) / bunte Reisetruppe
- lange Reise
- düstere Fantasy
- Märchen
- untypische Prinzessin als Heldin
- Rettungsmission
- David-gegen-Goliath-Story
- Slow-Burn-Liebesgeschichte
- Unvorhersehbarkeit

Meine Rezension

„[…] und ihr wurde klar, dass sie noch nie zuvor gehasst hatte. DAS musste dieses neue Gefühl sein. Es nahm so viel Platz in ihrer Brust ein, dass sie nicht wusste, ob sie noch um es herum atmen konnte.“ Seite 80

Als ich das deutsche Cover und den coolen Titel gesehen habe (eines der wenigen Male, bei denen der übersetzte Titel besser ist als der des Originals), habe ich mich sofort in dieses Buch verliebt! Die positiven Rezensionen auf Bookstagram und die Tatsache, dass die Protagonistin schon 30 Jahre alt ist (endlich mal keine Jugendprobleme!) haben den Rest erledigt. Ich MUSSTE es lesen – und zwar am besten sofort. Die Erwartungen waren also wieder einmal unverschämt hoch, das konnte ja nur schiefgehen – oder?

Lasst und gleich am Anfang die wichtigste Frage klären: Ist das Buch so gut wie erhofft? JA! Seit „Bird Box“ im Jänner hatte ich leider kein einziges Jahreshighlight mehr, nur mittelmäßige bis gute Bücher – doch nun scheint der „Fluch“ endlich gebrochen! Denn „Wie man einen Prinzen tötet“ konnte mich auf ganzer Linie überzeugen.

„Als junges Mädchen hätte sie das wohl nicht verstanden, doch Marra war nicht mehr das Mädchen von früher. Sie war dreißig Jahre alt, und alles, was von jenem Mädchen übrig geblieben war, waren die Knochen.“ Seite 13

Schon die ersten Seiten voller Eiter-Metaphern, Verwesung und Kannibalismus, in denen eine unglaublich düstere Welt beschrieben wird, haben mein Leserinnen-Herz höher schlagen lassen! T. Kingfisher schreibt sehr angenehm, nuanciert (besonders, wenn es um Gefühle geht), anschaulich, aber nicht zu ausufernd, und an manchen Stellen echt zum Niederknien schön! Die Dialoge wirken zudem lebendig und fühlen sich sehr natürlich und authentisch an. Außerdem wird man als Leserin immer wieder mit kreativen Ideen und neuartigen Wesen überrascht, sodass einem nie langweilig wird und es großen Spaß macht, die magische Welt dieses „Anti-Märchens“ zu entdecken. Tatsächlich spielt T. Kingfisher nämlich immer wieder mit typischen Märchentropen – nur um diese dann im nächsten Satz zu brechen oder ins Gegenteil zu verkehren. Das mochte ich sehr!

„Beobachte einen Mörder, der durch die Welt geht, und du wirst sehen, wie all seine Opfer an schwarzen Schnüren hinter ihm herlaufen, wie Geister, die auf ihre Chance warten.“ Seite 110

So steht im Mittelpunkt der Geschichte auch keine Prinzessin der Kategorie „Jungfrau in Nöten“, sondern eine Adelstochter, die sich aufmacht, um – allen Widrigkeiten zum Trotz – ihre Schwester aus den Fängen ihres gewalttätigen Ehemannes, dem titelgebenden Prinzen, zu retten. Schnell steht fest: Der Prinz muss sterben! Aber wie? Begleitet wird sie hierbei von einer leicht inkompetenten, aber unglaublich charmanten, bunten Reisetruppe – ihrer neuen „Found Family“. Man fühlt und fiebert mit und fliegt nur so durchs Buch, weil man unbedingt wissen will, wie diese gänzlich unvorhersehbare, wendungsreiche „Quest“ am Ende aus- und wie es den liebgewonnenen Figuren (neben Marra habe ich vor allem Agnes, das Küken und den Knochenhund echt ins ♥ geschlossen) am Ende ergeht. Deshalb war „Wie man einen Prinzen tötet“ für mich auch ein absoluter Wohlfühlroman, zu dem ich nach einem anstrengenden Tag immer gerne zurückgekehrt bin.

„WENN WIR MÄNNER WÄREN… […] Sie waren keine, und die Geschichte der Welt wurde in den Bäuchen von Frauen und mit ihrem Blut geschrieben, und niemals würde ihr erlaubt werden, etwas daran zu ändern.“ Seite 92

Zwischendurch wird die scheinbar zum Scheitern verurteilte Mission immer wieder durch humorvolle Passagen aufgelockert, die mich das eine oder andere Mal zum Schmunzeln gebracht haben. Auch aus feministischer Sicht gibt es hier ganz und gar nichts auszusetzen, da wir im Buch auf viele starke, intelligente, mächtige Frauen treffen und schwierige Themen wie die Unterdrückung von Frauen, ihre Abhängigkeit von ihren Ehemännern und Gewalt gegen Frauen angesprochen und kritisiert werden. Die sanftmütige Marra (aber auch die anderen Figuren) bricht immer wieder Geschlechterstereotype, zum Beispiel, indem sie gleich auf den ersten Seiten klarstellt, dass SIE keinen Prinzen haben wolle (nein, sie nicht!), und zeigt, wie wenig sie mit neugeborenen Babys anfangen kann. Als Frau ohne Kinderwunsch konnte ich mich deshalb sehr gut mit ihr identifizieren und fand ihre Ansichten sehr erfrischend!

Große Kritikpunkte habe ich glücklicherweise nicht, einen gibt es aber schon (mehr als einen halben Stern kann und will ich aber dafür nicht abziehen): beim Erzähltempo ist noch etwas Luft nach oben. In manchen Momenten schritt mir die Handlung zu schnell voran, hier hätte ich mir gewünscht, dass nicht so viel übersprungen wird bzw. manche Szenen genauer auserzählt worden wären. In anderen Momenten hingegen (vor allem im zweiten Viertel) hätte ich mir wiederum etwas mehr Tempo und Spannung gewünscht. Außerdem hätte ich gerne noch mehr über die eitrige Welt der ersten Kapitel erfahren – schade, dass sie nur so kurz zum Schauplatz gemacht wurde. Vielleicht ist das ja dann Stoff für ein anderes Buch – ich würde mich jedenfalls freuen. Die letzte Geschichte von T. Kingfisher wird es für mich nämlich definitiv nicht bleiben!

Mein Fazit

Meine Erwartungen an „Wie man einen Prinzen tötet“ waren unverschämt hoch, zum Glück hat das Buch dann aber auch abgeliefert – und wie! Von der märchenhaften Erzählweise über die liebevolle Figurenzeichnung, die starken Frauenrollen und den Humor bis hin zum kreativen Worldbuilding konnte mich dieser erfrischende Fantasy-Roman auf ganzer Linie überzeugen und mit seinen unerwarteten Wendungen immer wieder überraschen. SO geht gute Fantasy! Bitte mehr davon! Und an euch: Unbedingt lesen!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 4,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Humor: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 4 Sterne
Tempo: 3 Sterne
Wendungen: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb begeisterte Sterne!

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