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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.05.2022

Lustig und überraschend feministisch, aber auch klischeehaft und kitschig!

The Secret Book Club – Ein fast perfekter Liebesroman
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Achtung! Die Rezension enthält Spoiler!

Inhalt

Die Ehe von Profisportler Gavin ist am Ende, seine Frau Thea verlangt die Scheidung. Unerwartete Hilfe kommt von seinem besten Freund, der Gavin mit ...

Achtung! Die Rezension enthält Spoiler!

Inhalt

Die Ehe von Profisportler Gavin ist am Ende, seine Frau Thea verlangt die Scheidung. Unerwartete Hilfe kommt von seinem besten Freund, der Gavin mit zu einem Treffen eines geheimen Buchclubs nimmt. Gemeinsam lesen die Männer Liebesromane (die sie Handbücher nennen), um Frauen besser zu verstehen. Auf diese Weise versuchen sie gemeinsam, Gavins Ehe zu retten. Das Problem: Ehefrau Thea will das eigentlich gar nicht…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Reihe (aktuell 5 Bände, ein weiterer ist in Arbeit)
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche & männliche Perspektive im Wechsel
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Bitch (im positiven Sinne verwendet), Hu+++sohn
Feministisch? Ja.

Warum dieses Buch?

Ich lese ja eigentlich selten und eher ungern Liebesromane, aber hier fand ich die Grundidee so lustig, dass ich das Buch unbedingt lesen musste!


Kurzrezension


Das hat mir gefallen…

Humor (5 Lilien ♥):

Die größte Stärke des Buches ist für mich ganz klar der Humor: Hier werden uns herrlich witzige Dialoge und grandiose Situationskomik, die mich nicht nur einmal zum Schmunzeln oder Lachen gebracht hat, serviert. Dafür gibt es von mir ein großes Lob!

Schreibstil (4 Lilien):

Mit ihrem flüssig lesbaren, locker-leichten und angenehmen Schreibstil konnte mich die Autorin überzeugen. Man fliegt nur so durch die Seiten! Lediglich ein bisschen atmosphärischer und anschaulicher hätten die Beschreibungen manchmal sein dürfen.

„‘Ihr lest Liebesromane?‘
‘Wir nennen Sie Handbücher‘, antwortete der Russe.“ Seite 42

Figuren (4 Lilien):

Das Figurenensemble hat mir richtig gut gefallen. Besonders die Mitglieder des geheimen Buchclubs fand ich als Gruppe sehr charmant, lustig und liebenswürdig (auch wenn das eine oder andere Klischee vorhanden war). Die Protagonistin Thea und ihre beschützerische Schwester Liz mochte ich (offensichtlich im Gegensatz zu vielen anderen Leser·innen) ebenfalls sehr. Als Feministin konnte ich Theas Frustration und Unzufriedenheit sehr gut nachvollziehen, immerhin hat sie ihre Karriere für Gavin aufgegeben und musste sich jahrelang alleine um Haushalt und Kinder kümmern – ohne dafür Dankbarkeit und Wertschätzung zu erhalten.

Feminismus (4 Lilien):

Dieser Liebesroman enthält überraschend viel Feminismus: Wir treffen auf starke weibliche Figuren, feministische Themen werden diskutiert (zum Beispiel die Mental Load und die Rolle des Mannes in der heutigen Gesellschaft) und den Bechdel-Test besteht dieser Auftakt ebenfalls problemlos. Auch die Mitglieder des Buchclubs sind zum Glück moderne Männer und keine Chauvinisten. Einen Punkt Abzug gibt es für die vereinzelt vorkommenden Rollenklischees.

„‘Die Abwertung des Pumpkin Spice Latte ist ein perfektes Beispiel dafür, wie toxische Männlichkeit unser Leben bis in die banalsten Alltagsdetails durchdringt. Wenn Frauen etwas mögen, macht sich unsere Gesellschaft automatisch darüber lustig. Wie über Liebesromane.‘" Seite 68


Das lässt mich zwiegespalten zurück…

Geschichte / Themen (3 Lilien):

Ich bin ja eigentlich kein großer Liebesroman-Fan, aber hin und wieder kann ich nicht widerstehen. Bereut habe ich die Lektüre nicht, trotzdem habe ich mir von der großartigen Grundidee mehr erwartet. Der geheime Buchclub und die literarischen Analysen spielen nämlich leider eine viel kleinere Rolle als erhofft. Erfrischend ist bei diesem Werk dafür, dass es einmal nicht um eine neu aufkeimende Liebe geht, sondern um eine bestehende Ehe, die gerettet werden soll. Das genretypische Beziehungsdrama steht trotzdem auch hier im Mittelpunkt. Streckenweise hätte ich mir bei der Behandlung von Themen wie Beziehungskrisen, Selbstverwirklichung und Elternschaft etwas mehr Tiefe gewünscht. Trotzdem hat mich das Buch einige Stunden lang ganz gut unterhalten.

„‘Liebesromane werden hauptsächlich von Frauen für Frauen geschrieben, und darin geht es vor allem darum, wie sie behandelt werden wollen und was sie vom Leben und in einer Beziehung erwarten.‘“ Seite 44

Spannung (3 Lilien):

Typisch für einen Liebesroman hielt sich auch hier die Spannung in Grenzen, vor allem da die Geschichte auch recht vorhersehbar auf ein Happy End zusteuert. Als Thrillerleserin bin ich da natürlich anderes gewohnt und hatte wieder den Eindruck, dass man das Buch gut hätte kürzen können. Trotzdem habe ich mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt – und das schafft nicht jedes Romance-Buch!


Das hat mochte ich nicht…

Kitsch-Level (hoch)

Kitschige Szenen führen bei mir leider nicht zu romantischen Gefühlen, sondern zu akutem Augenrollen während der Lektüre. Dieses Buch kommt zum Glück über weite Strecken ohne Kitsch aus – aber am Ende konnte sich die Autorin wohl nicht mehr zurückhalten und hat noch alles an Kitsch in die letzten Seiten gestopft, was noch irgendwie Platz hatte. Da das wirklich nur das Ende betrifft, war es für mich aber erträglich.


Mein Fazit

„The Secret Book Club“ ist ein überraschend feministischer, moderner Liebesroman, der mich nicht nur einmal zum Lachen gebracht hat und der mich einige Stunden ganz gut unterhalten konnte. Punkteabzug gibt es für das eine oder andere Klischee, den Mangel an Spannung und den übertriebenen Kitsch am Ende. Fans des Genres (zu denen ich ja leider nicht gehöre) können mit diesem Buch aber sicher nichts falsch machen, sondern hier bedenkenlos zugreifen!


Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 3,5 Lilien
Umsetzung: 3,5 Lilie
Worldbuilding: 3 Lilien
Einstieg: 3 Lilien
Ende: 2 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Protagonist·innen: 4 Lilien
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 3 Lilien
Wendungen: 2 Lilien
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 3,5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit: 3 Lilien


Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.05.2022

Wollt ihr wirklich meine Sicht? Dann lest mein Rezensionsgedicht!

Someday, Someday
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Ihre Bücher findet man auf vielen Blogs und Online-Portalen,
und auch im Buchgeschäft: Emma Scott auf allen Regalen!
Ich wollte wissen: Was ist an dem Hype dran?
Ich musste ihr Buch lesen, damit ich endlich ...

Ihre Bücher findet man auf vielen Blogs und Online-Portalen,
und auch im Buchgeschäft: Emma Scott auf allen Regalen!
Ich wollte wissen: Was ist an dem Hype dran?
Ich musste ihr Buch lesen, damit ich endlich mitreden kann.
Doch alleine ging das nicht, wer stand mir bei?
Julia @seiten_hieb! Besser als ein Romance-Grinch sind nämlich zwei!

Dass ich keine Liebesromane mag, kann ich mir einfach nicht eingestehen,
und wer kann diesen pastellfarbenen Covern schon widerstehen?
Vom Verlag finde ich dieses verführerische Buchdesign gemein,
aber ich kann diesen Verkaufsgenies einfach nicht böse sein!

Ich startete ins Buch, war recht motiviert –
es ist unglaublich, wie schnell man das Interesse verliert!
Ein Plot ist da, man kann ihn auch sehen,
aber vorher solltet ihr eine Lupe holen gehen!
Das Cringe-Level war hoch, da hat mich die Erkenntnis getroffen:
Ah, nicht nur die Richter-Skala ist nach oben hin offen!

Schreiben kann Emma Scott wirklich sehr gut,
auch wenn der Kitsch manchmal körperlich weh tut.
Die Autorin findet auch seltsame Dinge heiß,
Rennpferde, Attentäter – und das ist nur das, was ich bis jetzt weiß.
Eine Sache möchte ich gerne noch beklagen:
Man muss nicht immer alles 100x sagen!

Die Themen sind wichtig und ernst, das find‘ ich gut,
nur hätte ich mir gewünscht, dass sich auch emotional etwas bei mir tut.
Wie formulier‘ ich das jetzt? Ich bin lieber nicht zu direkt…
Sagen wir einfach, in diesem Buch ist ALLES sehr groß und perfekt.
Wo sind die Menschlichkeit, die Missgeschicke, die Kanten und Ecken?
Was will man mit so viel Perfektion bezwecken?

Silas Reichtum kann man ja durchaus beschreiben,
aber muss man es mir ständig unter die Nase reiben?
Jede Schuhmarke, jedes teure Parfum wird aufgezählt kleinlich,
sogar Christian Grey wäre so etwas peinlich!

Die Figuren sind ganz nett, die Lovestory OK,
aber hat sie mich vom Hocker gehauen? Hm, nee.
Max und Silas waren recht süß, meinem Herz waren sie aber schnuppe,
sie berührten mich emotional wie eine Schaufensterpuppe.

Die Own-Voice-Problematik zu verstehen, das habe ich oft probiert,
hier wurden mir neue Erkenntnisse auf einem Silbertablett serviert.
Obwohl ich es versuchte, konnte ich beim Lesen nie vergessen:
Jap, eine heterosexuelle Frau hat an diesem Buch gesessen.

Und am Ende der Geschichte konnte ich nicht glauben, was ich seh‘:
Was?! Noch 50 Seiten? Och, neee!
Emma Scott so: Du willst einen Epilog, deine Augen sprechen Bände!
Ich so: Mein Gott, komm doch endlich zum Ende!
Jede Träne, jede Emotion muss man im Epilog noch ausloten –
ich dachte, Folter wäre in diesem Land verboten?

Julia war längst mit dem Buch durch, sie trieb mich zur Eile,
doch ich konnte nicht schneller, ich hatte Langeweile!
Dieses Werk ist echt magisch, es hat nur 480 Seiten,
doch die fühlen sich an wie ganze Ewigkeiten.
Ich wollte es abbrechen, das Buch drohte, mich niederzuringen,
doch schlussendlich konnte ich es doch noch bezwingen!

Mein Fazit

Alles, was mir bleibt, ist dieses Buch zu verreißen,
ich kann ja nur schlecht meinen E-Reader an die Wand schmeißen!
Dass ich keine Liebesromane mag, wurde mir endlich klar –
und zumindest für diese Erkenntnis bin ich „Someday, Someday“ dankbar.
Am Ende dieses Rezension will ich höflich sein,
deshalb mein Fazit: Emma Scott? Danke, nein!

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Lilien
Umsetzung: 2 Lilien
Worldbuilding: 2 Lilien
Einstieg: 3 Lilien
Ende: 1 Lilie
Schreibstil: 5 Lilien
Protagonisten: 3 Lilien
Figuren: 2 Lilien
Spannung: 1 Lilie
Wendungen: 2 Lilien
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 2 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 2 ernüchterte Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.05.2022

Fesselnde, berührende, überraschend tiefgründige Dystopie! Herzensbuch! ♥

Das Licht der letzten Tage
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Ein tödliches Virus hat den Großteil der Menschheit dahingerafft. 20 Jahre später haben sich Musiker·innen und Schauspieler·innen zu einer Gruppe zusammengeschlossen, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Ein tödliches Virus hat den Großteil der Menschheit dahingerafft. 20 Jahre später haben sich Musiker·innen und Schauspieler·innen zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die sich die „Symphonie“ nennt. Gemeinsam reisen sie durch eine leere, verwüstete Welt, erinnern sich an all die Dinge zurück, die damals so wunderschön und selbstverständlich waren, und versuchen, mit ihren Shakespeare-Aufführungen den verbliebenen Menschen etwas Hoffnung und Menschlichkeit zurückzugeben. Denn: „Überleben allein ist unzureichend.“

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Allwissender Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: + Im Buch werden Tiere für Nahrung getötet (Rehe, Fische), aber es gibt keine genauen Beschreibungen. Es werden keine Tiere gequält.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Tod von Kindern, Tod von Tieren, Pandemie, Krankheit, Blut, (sexualisierte) Gewalt, Suizid, psychische Krankheiten
Gegenderte Beleidigungen:
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!

Warum dieses Buch?

Dieses Buch verstaubte jahrelang in meinem Regal, bis ich es im Jänner endlich begann (weil es dazu jetzt auch eine Serie gibt) – und es nach wenigen Seiten wieder abbrach. Als ich sah, dass eine Bloggerkollegin das Buch im April lesen wollte, hatte ich die Hoffnung, dass mich eine gemeinsame Leserunde dazu motivieren würde, es endlich durchzuziehen. Und das hat dann ganz wunderbar geklappt!

Meine Meinung

Ruhig, eindringlich, wunderschön (Schreibstil: 5 Lilien ♥)

„Und in diesem Moment hatte Jeevan plötzlich das todsichere Gefühl, dass dies hier, diese Krankheit, die Hua ihm beschrieben hatte, eine Trennlinie zwischen einem ‚Vorher‘ und einem ‚Nachher‘ bedeuten würde, eine Linie, die durch sein Leben lief.“ Seite 31

Wahrscheinlich war es das Cover, das mich einen eher seichten Endzeitroman erwarten ließ. Von der ruhigen Eindringlichkeit, der Komplexität, den authentischen Dialogen und der berührenden Schönheit der Sprache mit ihren unvergesslichen Metaphern wurde ich daher vollkommen überrascht! Es hat nur ein paar Seiten gedauert, bis ich mich in den Schreibstil verliebte und merkte: Diese Frau kann erzählen – und wie!

Schönheit, Grauen & Hoffnung (Inhalt & Themen: 5 Lilien ♥)

„Beim Zusammenbruch verloren ging: So gut wie alles, so gut wie alle, aber es ist immer noch so viel Schönheit geblieben.“ Seite 73

Als Dystopie-Fan habe ich schon viele Bücher über den Weltuntergang gelesen, aber noch keine Endzeitgeschichte hat mich so eiskalt erwischt wie „Das Licht der letzten Tage“. Emily St. John Mandel beschreibt die Apokalypse, das Unaussprechliche, so realistisch, so greifbar, so bildhaft, dass man beim Lesen unweigerlich eine Gänsehaut bekommt – besonders in Pandemiezeiten. Obwohl ich schon viele Dystopien gelesen habe, hatte ich bei dieser zum ersten Mal das Gefühl, wirklich zu BEGREIFEN, was es heißt, sich in einem Hochhaus zu verbarrikadieren, während draußen die Welt untergeht, und was es heißt, alleine und frierend durch die Wildnis zu stapfen und dabei panische Angst vor anderen Menschen zu haben, weil man nicht weiß, ob sie einem etwas antun wollen. Viele Leute sind so traumatisiert von diesem ersten, sehr schlimmen Jahr, dass sie sich später nicht einmal mehr daran erinnern können. Faszinierenderweise entstehen das Grauen und der Horror in „Das Licht der letzten Tage“ oft zwischen den Zeilen, nämlich in unserer Fantasie – und das ist effektiver als es detaillierte Beschreibungen von Blut und Gewalt je sein könnten.

Ein Bild, das mir wohl nie wieder aus dem Kopf gehen wird, ist jenes des Air-Gradia-Flugzeugs, das Infizierte an Bord hat. Nach der Landung bleibt das Flugzeug ganz am Ende der Landebahn stehen. Es kommt NIE jemand heraus. Was sich in den letzten Stunden wohl im Flieger abgespielt haben mag – was wohl notwendig war, um die Türen geschlossen zu halten – die Leser·innen dürfen es sich selbst (in aller Grausamkeit) ausmalen. Neben dem Grauen und den Gefahren der neuen Welt ist – und das ist das Besondere an „Das Licht der letzten Tage“ – aber auch Platz für Schönheit, Kunst, Menschlichkeit und Hoffnung in Form von wilder Natur, Lost Places, Kameradschaft, Freundschaft, Musik und Shakespeare-Aufführungen.

Erzählt wird die Geschichte dabei aus vielen verschiedenen Perspektiven und mithilfe von unzähligen Zeitsprüngen und Rückblenden. Wer das nicht mag und auch das gelegentliche Aufblitzen von Langatmigkeit nicht so leicht (wie ich in diesem Fall) verzeiht, wird mit dem „Licht der letzten Tage“ nicht viel Freude haben. Mich aber hat dieses tiefgründige Buch aufgewühlt, berührt und begeistert und ich habe es absolut geliebt! Und falls ihr euch jetzt fragt, ob ich beim Lesen auch Tränen vergossen habe: Nein, aber ich war oft seitenlang auf der Kippe, ich war seitenlang ganz kurz davor, loszuheulen. Das hatte ich bis jetzt noch bei keinem Buch. Dass „Das Licht der letzten Tage“ von der Kritik in den Himmel gelobt wurde und sogar für einige Preise nominiert war bzw. diese sogar gewonnen hat (was ich erst während der Lektüre erfahren habe), wundert mich überhaupt nicht. Für mich ist „Das Licht der letzten Tage“ ein absolutes Jahreshighlight und unvergessliches Herzensbuch – und vielleicht sogar das beste Buch des Jahres!

Zog mich vollkommen in seinen Bann (Atmosphäre & Spannung: 5 Lilien ♥)

„Von allen Personen, die in der dieser Nacht in der Bar gewesen waren, war der Barkeeper derjenige, noch am längsten leben sollte. Er starb drei Wochen später auf der Straße, über die er die Stadt verlassen wollte.“ Seite 24

Eigentlich wollte ich dieses Buch mit einer Kollegin gemütlich den ganzen April hindurch lesen. Das war aber ab einem gewissen Punkt (kämpft euch unbedingt durch die ersten, etwas schwerfälligen Kapitel, es lohnt sich!) nicht mehr möglich – die Geschichte hat mich mit ihrer dichten Atmosphäre einer leeren, verwüsteten Welt so gefesselt und in ihren Bann gezogen, dass ich sie kaum noch weglegen konnte. Und wenn ich es doch tat, musste ich die ganze Zeit daran denken.

Vielschichtig & authentisch (Figuren: 4 Lilien)

Auch die vielschichtigen, authentischen Figuren (die oft nicht mit ihrem Namen, sondern ihrem Instrument bezeichnet werden, z. B. die „fünfte Gitarre“) sind gut gelungen, was vor allem daran liegt, dass sich die Autorin viel Zeit für ihre Ausarbeitung nimmt. Die vielen Perspektiven erlauben es den Leser·innen, sich ein Gesamtbild von der Situation kurz nach dem Ausbruch der Krankheit zu machen. Die meisten der Figuren mochte ich sehr, einige hätte ich gerne noch näher kennengelernt und nur zu wenigen fand ich keinen richtigen Zugang. Besonders gut gefallen hat mir, dass wir es in der Post-Apokalypse weder mit Heiligen noch mit eindeutigen Bösewichten zu tun haben. Alle Figuren sind ein Produkt ihrer schwierigen Vergangenheit, niemand ist frei von Schuld. Wer bis zu diesem Punkt überlebt hat, hat das nur geschafft, weil er bereit war, sein Leben kompromisslos zu verteidigen.

Keine Beschwerden (Feminismus: 4 Lilien)

Aus feministischer Sicht gibt es nicht viel auszusetzen. In der Geschichte treffen wir auf viel Diversität (alte, junge, schwule, heterosexuelle Charaktere und verschiedene Hautfarben) und viele starke weibliche Figuren (zum Beispiel auf eine exzellente Messerwerferin und eine Dirigentin, die eine Gruppe anführt), was ich toll finde. Vereinzelte Geschlechterstereotype und Klischees fallen da nicht ins Gewicht.

Nicht wiederzuerkennen (Serie: 2 Lilien)

Gerade weil mir das Buch so gut gefallen hat, wollte ich mir im Anschluss daran sofort die Serie anschauen. Auf hohe Erwartungen folgte große Enttäuschung. Es wurden so unglaublich viele Dinge verändert – und zwar nicht Kleinigkeiten, sondern ganz zentrale Elemente (Handlung, Motivationen, Wendungen, ganze Figuren, mehr Drama, mehr Action), sodass ich die Geschichte und Figuren, die ich so geliebt hatte, leider kaum wiedererkannt habe. Es gab zwar durchaus ein paar starke Momente, ich mochte die Diversität und der Soundtrack ist wundervoll – aber für mich fühlte sich die Serie beim Schauen einfach falsch an. Die Dialoge sind zudem belanglos und prätentiös und in der zweiten Hälfte der Staffel wurde es dann so langweilig und teilweise absurd, dass ich mich durch die restlichen Folgen nur noch durchgequält habe. Es hat sich leider nicht gelohnt. Deshalb meine Empfehlung: Haltet euch lieber ans großartige Buch und verzichtet auf diese Verfilmung!

Mein Fazit

Selten zuvor habe ich ein Buch gelesen, das mich so emotional aufgewühlt, berührt und gefesselt hat wie „Das Licht der letzten Tage“. Und nie zuvor habe ich eine Dystopie gelesen, die auf so einzigartige, tiefgründige Weise Schönheit, Hoffnung und Grauen verbindet. „Das Licht der letzten Tage“ ist ein Buch, das lange nachhallt und das man wahrscheinlich nie vergisst. Für mich ist dieser Roman jedenfalls ein absolutes Herzensbuch – und vielleicht sogar das beste Buch des Jahres. Unbedingt lesen!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 3 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 5 Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.05.2022

4,5 Sterne: Philosophisch, tiefgründig, originell – und für mich das richtige Buch zur richtigen Zeit! ♥

Die Mitternachtsbibliothek
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nora ist zutiefst unglücklich und depressiv, bereut sehr viele Lebensentscheidungen. Der Tod ihrer geliebten Katze bringt das Fass zum Überlaufen. Doch als sie sich ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nora ist zutiefst unglücklich und depressiv, bereut sehr viele Lebensentscheidungen. Der Tod ihrer geliebten Katze bringt das Fass zum Überlaufen. Doch als sie sich das Leben nimmt, ist sie nicht einfach tot, sondern wacht in einem Zwischenreich auf: in der Mitternachtsbibliothek. Jedes Leben, das sie führen hätte können, darf sie hier ausprobieren wie ein Kleidungsstück. Nora wird zur gefeierten Olympiasportlerin, berühmten Sängerin, ehrgeizigen Gletscherforscherin. Aber nur wenn sie ein Leben findet, das sie glücklich macht, kann sie darin bleiben. Und die Zeit drängt – bald ist es vielleicht zu spät für Nora, sich zu entscheiden…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: sehr kurz (Hörbuch)
Tiere im Buch: -/+ Im Buch stirbt eine Katze, die von ihrer Besitzerin sehr geliebt wurde. Ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Tod von Menschen, psychische Krankheiten (Depression), Suizidgedanken, Suizid, Trauer
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Warum dieses Buch?

Der Klappentext versprach eine besondere, ungewöhnliche und vor allem einzigartige Geschichte. Das hat mich neugierig gemacht! Trotzdem habe ich das Hörbuch lange vor mir hergeschoben, weil es auch sehr traurig klang. Im April kam dann der richtige Zeitpunkt (dazu gleich mehr).

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

… der Schreibstil. Matt Haig schreibt zwar relativ einfach und schnörkellos, schafft es dabei aber trotzdem, in die Tiefe zu gehen. Bisweilen wird es sogar überraschend philosophisch! Ich fand den Schreibstil sehr anschaulich, flüssig und angenehm – auch als Hörbuch. Den natürlich wirkenden, lebendigen Dialogen habe ich ebenfalls gerne gelauscht. (Schreibstil: 5 Lilien ♥)

"'Zwischen Leben und Tod liegt eine Bibliothek'", sagte sie, "'und diese Bibliothek besteht aus endlosen Regalen. Jedes Buch bietet dir die Chance, ein anderes Leben auszuprobieren, das du hättest leben können.'" Hörbuch, 10%

… die Geschichte und die Themen. Nach längerer Zeit habe ich mit „Die Mitternachtsbibliothek“ wieder einmal ein richtig kreatives, originelles Buch erwischt! Matt Haig kann das Potential seiner Geschichte zum Glück auch nutzen. Thematisch wird es stellenweise sehr düster (Suizid, Depression, Tod, Trauer), aber auch für Hoffnung und tiefgründige, philosophische Gedanken über das Leben ist genug Platz. Das Buch regt auf jeden Fall zum Nachdenken an und lädt dazu ein, seine eigenen Lebensentscheidungen (besonders die, die man bereut) einmal von einer anderen Perspektive zu betrachten. Aber Achtung: Wer psychisch gerade sehr labil ist und selbst unter Depressionen oder sogar Suizidgedanken leidet, sollte auf diese Lektüre lieber verzichten oder sie zumindest auf einen späteren Zeitpunkt verschieben! Vor allem der Anfang der Geschichte kann einen schon ziemlich runterziehen. Das Buch beginnt damit, dass die geliebte Katze der Protagonistin stirbt. Einen ähnlichen Verlust habe auch ich vor wenigen Tagen erlitten, weshalb mich das Buch total abgeholt hat und ich mich ganz darauf einlassen und vollkommen darin versinken konnte. Manchmal braucht es schlicht das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt. „Die Mitternachtsbibliothek“ war dieses Buch für mich. Es ließ mich einige tröstliche Stunden lang der Realität entfliehen bzw. eröffnete mir eine andere, hoffnungsvollere Sicht auf das Leben. Dass die Geschichte im Mittelteil ein paar Kapitel lang auf der Stelle tritt, verzeihe ich da gerne.

Von einigen Leser·innen wurde kritsiert, dass der Autor – der ja selbst unter Depressionen leidet/litt – es in der Geschichte so darstelle, als könnten psychische Krankheiten mit dem richtigen Mindset einfach geheilt werden. Diesen Kritikpunkt kann ich sehr gut nachvollziehen! Meine Betrachtungsweise ist jedoch ein wenig anders: Meiner Meinung nach können Noras Aufenthalt in der Mitternachtsbibliothek und die vielen Leben, die sie ausprobiert, in denen sie viele neue Dinge über sich selbst lernt und in denen sie an sich arbeitet, auch als eine Art (von der Bibliothekarin Mrs. Elm angeleitete) phantastische Therapie betrachtet werden. Deshalb empfinde ich persönlich „Die Mitternachtsbibliothek“ nicht als problematisch, sondern als eine gelungene und kreative literarische Auseinandersetzung mit dem Thema „Depression“. (Geschichte: 4,5 Lilien)

… die Protagonistin und Figuren. Ich mochte Nora als Heldin sehr und fand sie von der ersten Seite an sehr sympathisch. Zudem gelingt es nur wenigen männlichen Autoren, sich so gut in eine weibliche Figur hineinzufühlen und ihr Innenleben so authentisch und nachvollziehbar zu beschreiben. Dafür gibt es von mir ein großes Lob! Jeder Mensch hat wohl die eine oder andere Entscheidung in seinem Leben getroffen, die er bereut oder die ihm keine Ruhe lässt, weil man sich immer fragt: Was wäre gewesen, wenn? Deshalb konnte ich mich sehr gut mit Nora identifizieren und mit ihr mitfühlen. Die anderen Figuren spielen alle nur kleine Nebenrollen, deshalb ist es schwer, sie zu bewerten. Zumindest ist mir hier nichts negativ aufgefallen. (Progonistin: 5 Lilien ♥, Figuren: 4 Lilien).

… die Spannung und die Atmosphäre. Besonders am Anfang, als es einen Countdown bis zum Tod von Nora gibt, fand ich das Buch sehr spannend und mitreißend! In der Mitte bricht der Spannungsbogen einmal kurz ein (nicht so schlimm), bis dann ein paar Wendungen folgen und das Buch wieder spannender wird. Ein wenig atmosphärischer hätten die Beschreibungen an manchen Stellen vielleicht noch sein können, aber das ist wirklich Kritik auf hohem Niveau. (Spannung und Atmosphäre: 4 Lilien)

… die Sprecherin. Dass ich die Sprecherin vorher schon in Filmen gesehen hatte, wurde mir erst bewusst, als ich sie googelte. Jedenfalls war mir vorher nie bewusst gewesen, dass Anette Frier so eine angenehme, tiefe und wohlklingende Stimme hat und so fesselnd und atmosphärisch vorlesen kann! Mein Highlight waren die Dialoge, die sie mit verschiedenen Stimmen, viel Persönlichkeit und sehr lebendig und emotional vorgetragen hat. Meiner Meinung nach hat ihr Vortrag das Buch noch besser gemacht! Kurz: Es wird sicher nicht mein letztes Hörbuch von Anette Frier bleiben! (Sprecherin: 5 Lilien ♥)

… der Feminismus. Auch eine feministische Analyse lässt mich zufrieden zurück: Das Buch besteht den Bechdel-Test, es gibt keine gegenderten Beleidigungen und Nora ist eine intelligente, talentierte, starke Protagonistin und übt in den verschiedenen Leben auch eine große Bandbreite von Berufen aus: Von der ehrgeizigen Sportlerin und der selbstbewussten Sängerin bis hin zur kompetenten Gletscherforscherin ist wirklich alles dabei! Insgesamt ist auch das Geschlechterverhältnis sehr ausgeglichen. (Feminismus: 5 Lilien ♥)

Das lässt mich zwiegespalten zurück:

---

Das hat mir nicht gefallen:

---

Mein Fazit

Für mich war „Die Mitternachtsbibliothek“ das richtige Hörbuch zur richtigen Zeit. Die philosophische, tiefgründige, originelle Geschichte hat mich absolut abgeholt, zum Nachdenken gebracht und einige Stunden lang sehr gut unterhalten. Besonders gut gefallen haben mir neben der kreativen Auseinandersetzung mit den Themen „Depression“ und „Bereuen“ der flüssige Schreibstil, die sympathische Protagonistin und die wunderbare Sprecherin. Von mir gibt es deshalb eine große Leseempfehlung!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 4,5 Lilie
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 5 Lilien ♥
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 3,5 Lilien
Wendungen: 4 Lilien
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb zufriedene Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.04.2022

Mitreißend, tiefgründig, emotional – und noch besser als Band 1! Jahreshighlight!

Wir Verstoßenen
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In einer dystopischen Welt sucht eine verzweifelte junge Frau ihre geliebte kleine Schwester (9), die von der Gruppe weggelaufen ist und nun alleine in einer Welt voller ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In einer dystopischen Welt sucht eine verzweifelte junge Frau ihre geliebte kleine Schwester (9), die von der Gruppe weggelaufen ist und nun alleine in einer Welt voller Gefahren herumirrt. Smilla weiß nur eine Sache: Sie muss Jera finden – bevor es jemand anderes tut und koste es, was es wolle…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #2 einer Trilogie
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Im Buch werden Tiere verletzt und getötet. Es werden keine Tiere absichtlich gequält. Krähen, Hühner, Ratten werden für Nahrung getötet (keine genauen Beschreibungen), ein Hund wird nach einer tödlichen Verletzung erlöst.
Triggerwarnung: Gewalt, sexualisierte Gewalt, Gewalt gegen Kinder, psychische Krankheiten, Drogen, Alkohol, Blut, Tod von Tieren und Menschen, Trauma
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Warum dieses Buch?

„Wir Verlorenen“ war nach langer Zeit wieder einmal eine richtig gute, mitreißende deutsche Dystopie! Deshalb stand für eine Freundin von mir und mich gleich nach der gemeinsamen Lektüre fest: Band 2 müssen wir unbedingt auch wieder zusammen lesen! Deshalb führte an diesem Buch natürlich kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Fesselnd & berührend (Schreibstil: 5 Lilien ♥)

Ich mochte ja den Schreibstil in Band 1 schon, aber in der Fortsetzung hat sich die Autorin noch einmal selbst übertroffen! Sie erzählt so flüssig, so anschaulich, so fesselnd und emotional mitreißend! Das Buch liest sich deshalb fast von selbst. Unglaublich, aber wahr: Früher hat sich Jana Taysen einmal mit einem Text fürs Studium „Kreatives Schreiben“ beworben. In einer vernichtenden Rückmeldung wurde ihr von irgendeinem empathielosen Menschen „kein Talent“ bescheinigt. Ich hoffe, diese Person bekommt irgendwann dieses Buch in die Finger und liest es. Ich hoffe, sie sitzt dann zu Hause auf ihrem Sofa und schämt sich.

„Jera war das Einzige, das ihr die Plage nicht genommen hatte, und Smilla war für sie verantwortlich. Sie musste sie wiederfinden. Sie ‚musste‘ einfach.“ E-Book, Position 350

Emotionale Achterbahnfahrt (Geschichte, Plot & Themen: 5 Lilien ♥)

Band 1 hat mich damals absolut positiv überrascht – trotzdem war ich zuerst skeptisch, als ich von der Fortsetzung erfahren habe, denn schwache 2. Bände gibt es viele. Doch diese Bedenken war schon nach dem gelungenen Prolog wie fortgewischt – und von da an wurde es nur noch besser! Erneut behandelt die Autorin Themen wie Erwachsenwerden, Überleben in einer postpandemischen Welt, Trauma, Geschwisterliebe, Vertrauen und Hoffnung tiefgründig und stellt auch dieses Mal interessante philosophische und moralische Fragen wie: Wem kann man in einer zerstörten Welt noch vertrauen? Wie viel Platz ist da noch für Mitgefühl? Und: Was ist man bereit zu opfern, um in Sicherheit leben zu können?

Da mein einziger damaliger Kritikpunkt (bei Band 1) in der Fortsetzung keine Rolle mehr spielt, fand ich Band 2 sogar noch besser als den Auftakt. Einige Stunden lang hat mich das Buch bestens unterhalten und nicht mehr losgelassen. Die Geschichte ist wirklich eine emotionale Achterbahnfahrt, während der ich so ziemlich alle Gefühle durchlebt habe, die es gibt: Freude, Erleichterung, Sorge, Traurigkeit, Wut, Angst, Mitgefühl. Ich habe beim Lesen jedenfalls bis zum atemlos spannenden Showdown jede Sekunde genossen und geliebt! Wo bleibt der verdiente Hype? Für mich ist „Wir Verstoßenen“ ein absolutes Jahreshighlight und Lieblingsbuch! Jetzt kommt der schwierige Teil: das Warten auf Band 3.

„Fast niemand hatte mehr eine richtige Familie, weil so viele Menschen an der Plage gestorben, verhungert oder von anderen Überlebenden getötet worden waren.“ E-Book, Position 113

Wenn alles andere warten muss… (Atmosphäre & Spannung: 5 Lilien ♥)

Das Besondere an dieser Dystopie ist, dass sie sich ganz bodenständig und unaufgeregt präsentiert: Es gibt keine innovative neue Weltordnung, kein ausgefallenes Setting, keine Actionszenen an jeder Ecke. Trotzdem ist gelingt es der Autorin, eine unglaublich dichte Atmosphäre und eine atemlose Spannung zu kreieren. Man hat das Gefühl, man ist wirklich dort; der Körper sitzt vielleicht noch im Lesesessel, aber der Geist streift bereits mit der hungrigen Smilla durch die herbstlichen, feucht-kalten Wälder in einem apokalyptischen Deutschland. Vor allem in der zweiten Hälfte konnte ich das Buch nicht mehr weglegen. Alles andere musste warten, denn ich wollte nicht nur wissen, wie es weitergeht – ich MUSSTE es wissen! Und zwar nicht am Abend oder am nächsten Tag oder am Wochenende, sondern JETZT SOFORT! Genau so muss das bei einer Dystopie sein!

„Mit ihm zusammen im ‚Davor‘ zu schwelgen, war etwas Wertvolles gewesen. Kleine glänzende Erinnerungen an eine andere Ära, wie goldene Harztropfen, die urzeitliche Insekten umschlossen. “ E-Book, Position 1496

Ans Herz gewachsen (Protagonistin: 5 Lilien ♥, Figuren: 5 Lilien ♥)

Es war total schön für mich, sowohl liebgewonnene Figuren aus dem ersten Band wiederzutreffen als auch neue interessante und vielschichtige Charaktere kennenzulernen (in Julius hab ich mich vielleicht ein bisschen verliebt ♥). Smilla gefiel mir als Protagonistin wieder sehr gut: Sie ist empathisch und neugierig, vielleicht etwas zu naiv und gut für diese gefährliche Welt, doch wenn es darauf ankommt, entwickelt sie oft ungeahnten Mut und wächst über sich hinaus. Nach den Ereignissen im ersten Band hat sie noch daran zu knabbern, was passiert ist. Die Auswirkungen ihres Traumas, das sie noch nicht verarbeiten konnte, werden realistisch und glaubwürdig geschildert. Ich konnte mich jedenfalls wieder super in Smilla hineinversetzen und ihre Gedanken und Gefühle sehr gut nachvollziehen.

Die innige Beziehung zwischen Smilla und ihrer kleinen Schwester Jera, die nicht ohne Reibungspunkte ist, fand ich auch äußerst authentisch und gelungen beschrieben. Viele Figuren sind mir wirklich ans Herz gewachsen, sodass ich sehr mit ihnen mitgefühlt und mitgefiebert und um ihr Schicksal gebangt habe. Ich freue mich schon sehr darauf, einige davon in Band 3 wiederzutreffen!

„‘Früher oder später wirst du auf jemanden treffen, dem du körperlich nicht gewachsen bist. Dann musst du wissen, wie man jemanden gezielt und schnell verletzt.‘“ E-Book, Position 289

Weiter so! (Feminismus: 5 Lilien ♥)

Auch aus feministischer Sicht gibt es wieder nichts auszusetzen. Es gibt in diesem Buch viele starke Frauen (zum Beispiel nüchterne Überlebenskünstlerinnen und eloquente Anführerinnen), sensible Männer und sogar einen alleinerziehenden Vater. Die Auswirkungen der sexualisierten Gewalt, die Smilla in Band 1 widerfahren ist, werden zudem sehr feinfühlig, realistisch und überzeugend thematisiert – das ist etwas, das ich in anderen Büchern oft vermisse. Von meiner Seite gibt es jedenfalls ein großes Lob. Bitte weiter so!

Mein Fazit

Trotz anfänglicher Skepsis (weil ein 2. Band) konnte mich „Wir Verstoßenen“ absolut begeistern und auf ganzer Linie überzeugen. Ich fand es sogar noch besser als den Auftakt. Es ist so fesselnd, mitreißend, tiefgründig und emotional geschrieben, dass ich es ab einem gewissen Punkt nicht mehr weglegen konnte. Ich liebe den Schreibstil, ich liebe die Figuren, ich liebe dieses Buch, ich liebe diese Reihe – und ihr werdet das bestimmt auch! Also: Unbedingt lesen!

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 5 Lilien ♥
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 5 Lilien ♥
Ende: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 5 Lilien ♥
Wendungen: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: sehr hoch

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 5 Lilien und ein Herz – und damit den Lieblingsbuchstatus!

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