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Veröffentlicht am 09.08.2021

Geschichten sind Geschenke - diese sind vom "Meister der Erzähler"!

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
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Vorneweg muss ich sagen, dass Rafik Schami seit vielen Jahren bzw. Jahrzehnten zu meinen Lieblingsautoren gehört: Seit dem Lesen von "Erzähler der Nacht" durfte ich so manches Werk von ihm kennen- und ...

Vorneweg muss ich sagen, dass Rafik Schami seit vielen Jahren bzw. Jahrzehnten zu meinen Lieblingsautoren gehört: Seit dem Lesen von "Erzähler der Nacht" durfte ich so manches Werk von ihm kennen- und schätzenlernen. Nicht anders erging es mir auch mit "Mein Sternzeichen ist der Regenbogen", dem neuen Roman des Autors. In dieser Anthologie versammeln sich viele Geschichten und Texte, die den Leser bewegen, zum Nachdenken anregen, betroffen machen - und ihn zum Schmunzeln bringen: Bei allem Ernst verlässt Rafik Schami nicht sein Humor, denn "das Lachen ist der beste Schmuggler für Gedanken".

Die Themen sind sehr vielfältig wie das Leben selbst; doch viele Geschichten handeln von Träumen, von Trennung und Tod, natürlich auch von der Liebe, von Flüchtlingen und Exil, vom Reisen, vom Lachen, von Geheimnissen und von der Sehnsucht, die der syrische Autor nach 50 Jahren Exil selbst gut kennt und immer wieder Geschichten über sie hört:
Schami beschreibt den komplexen Kern der menschlichen Sehnsucht, die sich auf eine Person, eine Landschaft, eine Zeit (die Zeit der Kindheit z.B.) beziehen kann. Bis heute gibt es keine eindeutige Definition und dieses Gefühl ist oftmals mit Leid und Schmerz verbunden.

In der Geschichte des "syrischen Klassentreffens" fragte ich mich wieder einmal, wie ein Mensch es aushält, seiner Heimat, seinem geliebten Geburtsort fernbleiben zu müssen, da er Gefahr läuft, bereits am Flughafen verhaftet zu werden; ich stelle mir dies sehr schwer vor.

Doch ich bin auch sehr froh darüber, dass der junge Rafik Schami den Rat eines Freundes ernst genommen hat, der ihm zur Ausreise riet und ihm klar machte, dass er der geborene Geschichtenerzähler sei!

"Meine" Lieblingsgeschichten sind "Geburtstag mit Nebenwirkungen", in dem man mit einem Verleger, Herrn Sander, dessen 60. Geburtstag feiert. Er sitzt über einer Grabrede für einen Freund nachsinnend bei seinem Lieblingsitaliener (alleine) und dieser Geburtstag verläuft vollkommen anders, als Herr Sander sich das wohl gewünscht hätte. Er muss sich dieses Mal seiner Vergangenheit (und sechs Frauen) stellen, es gibt dieses Mal kein Entkommen.

"Wie Herr Moritz die Welt bereiste" gehört ebenfalls zu meinen Lieblingsgeschichten und der Autor gibt uns in seiner unnachahmlichen Erzählkunst so manche Lebensweisheit mit auf den Weg. Hier geht es um Dialekte, um Nationalismus, um das Aufbrechen in ein neues Leben nach dem plötzlichen Tod des Lebenspartners, ums "Dazugehören" und um das "sich Aufmachen", das Herr Moritz auf eine Bank führt, auf der er nicht alleine bleibt. Eine Freundschaft schließt und Reisen unternimmt. Humorvoll weist der Autor darauf hin, dass das uralte Kulturvolk Iran "sein Lachen sehr geübt auf alle 52 Wochen verteilt, während das Lachen in der Pfalz (wo der Autor selbst wohnt) in nur 2 Wochen aufgebraucht wird" (auf der Kirchweih, Kerwe, Fastnacht). Und "dass die Iraner leichter lachen als wir, obwohl sie es schwerer haben" (S. 132) Diese Geschichte fand ich wunderschön, menschlich und sehr zu Herzen gehend.

Eine betroffen machende Geschichte ist "Zwei Reisen", in der so viel Wahrheit steckt und die auch zum Nachdenken anregt: Hier begleiten wir Frank Thalheimer, einem Professor für Geschichte aus München nach Udine. Dort will Thalheimer in einer Auszeit über sich und sein Leben nachdenken (und besonders darüber, weshalb ihn alle Frauen, die er je liebte, verlassen haben).
Auch Nadine, die Berichte aus fernen Ländern an Rafik Schami schreibt und auf die ihr eigene Weise die Welt bereist, fand ich sehr berührend.

In "Die alte Frau und der eigenwillige Geist" (die mich stark an eines meiner Lieblingsmärchen erinnerte, nämlich "Aladin und die Wunderlampe"), lernen wir Amar kennen. Diese verlor bereits in jungen Jahren ihren Ehemann und blieb allein, sich um ihren Garten und ihre Rosen kümmernd. Wir erfahren, dass "die Neugier die Geburtshelferin der Klugheit" ist und fragen uns mit dem Geist: "Was ist der Mensch?"

In vielen Geschichten, teils in Deutschland, aber auch in Damaskus und Syrien verortet, spielt der Tod oder eine Trennung eine wichtige Rolle, der das Leben der Hinterbliebenen nachhaltig verändert. Missgunst, so Schami, entsteht oft aus Langeweile und Einsamkeit: Mit scharfem Blick, aber auch viel Humor schreibt er über Geheimnisse, Geheimsprachen, auch über das Verhalten und die Einstellung der Menschen zu den Mitgeschöpfen, dem Tier: Einerseits wird es (Haustiere) verhätschelt, andererseits gequält (Nutztiere, Massentierhaltung). Hier geht es um die Lebensgier des Menschen, der sich über seine Mitgeschöpfe stellt (und hierzu kein Recht besitzt).

Rafik Schami liebt es, nach einer Lesung mit Freunden zusammenzusitzen. Hier bekommt er oft "Geschichten als Geschenke" wie z.B. "Das Protokoll" von dem 70jährigen Syrer Elias, die ebenfalls in den Roman eingeflossen ist und niemanden ob ihrer Aktualität kalt lassen kann. Auch gibt er einiges "Persönliches" preis: So wissen wir nun, dass er ein leidenschaftlicher Koch ist; Erich Kästner mag, Angst vor Hunden hat und eine unersättliche "Gier nach Geschichten".

Die Kunst des Erzählens beherrscht Rafik Schami par excellence, ich hatte vor Jahren die Freude, ihn bei einer "Lesung" in Darmstadt live zu erleben: Er transportiert viele Inhalte in seinen Geschichten, die auch im Sinne eines Lernens oder Verbessern interkultureller Fähigkeiten zu verstehen sind: Ich denke, dass dies das Ansinnen des Autors ist, ob in Kinder- und Jugendbüchern, Märchen oder seinen Romanen: Das Eintauchen (und verstehen lernen) in seine Geschichten empfinde ich stets als eine Bereicherung der literarischen und kulturellen Vielfalt. Für das Jahreshighlight und seine Erzählkunst danke ich Rafik Schami und vergebe demzufolge 5* prachtvolle Sterne!

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Veröffentlicht am 02.08.2021

Inspirationen und Rezepte zur nächsten Gartenparty

Willkommen beim Sommerfest!
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"Willkommen beim Sommerfest!" (hrsg. vom Reader's Digest Verlag, 2021, brosch.) lässt die nächste Gartenparty dank vieler toller Rezepte, Grill-Tipps sowie kreativer Deko-Ideen garantiert gelingen!

Der ...

"Willkommen beim Sommerfest!" (hrsg. vom Reader's Digest Verlag, 2021, brosch.) lässt die nächste Gartenparty dank vieler toller Rezepte, Grill-Tipps sowie kreativer Deko-Ideen garantiert gelingen!

Der gut strukturierte und toll illustrierte Bildband führt über Snacks & Fingerfood, Saucen und Marinaden, Salaten und Gewürzmischungen bis hin zu Grillvergnügen, Desserts & Gebäck sowie sommerlichen Getränken wie Punsch, Mai-Bowle, Melonen-Drink etc.).

Unsere Favoriten sind bisher:
- Mediterrane Blätterteig-Schnitten
- Würzige Puten-Spieße
- Hütchensalat mit Avocado (hmmmm)
- Caprese vom Grill
- Ananas-Kirsch-Kuchen mit Kokos

Die Rezepte (allesamt mit kurzer Zubereitungszeit und schnell nachzubereiten) sind gut beschrieben incl. Zutatenlisten, die je nach Gästezahl zu variieren ist. Auch schöne Deko-Ideen für's nächste Gartenfest beinhaltet dieser rundum gelungene Band, dessen Cover ein sommerlicher "Hingucker" ist. DIY-Projekte von Schwimmkerzen bis hin zu bunten Biertischen werden detailliert beschrieben und bildhaft in Szene gesetzt (hier hätte ich mir noch einige zusätzliche Ideen gewünscht).

Fazit:

Auf über 150 Seiten gibt es hier in anschaulicher und gut beschriebener Art in Wort und Bild schnelle Rezeptideen und einige Deko-Tipps für alle Gartenparty-, Sommerfest-, Freiluftköche und Frischluftfans!

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Veröffentlicht am 19.07.2021

Beatrice

Mohnblumentod
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Vorausschicken möchte ich, dass Kriminalromane und (Psycho)thriller eines meiner Lieblingsgenres ist: Mit einiger Erwartung ging ich daher ans Lesen von "Mohnblumentod" (Bd. 3 der Charlie-Lager-Reihe) ...

Vorausschicken möchte ich, dass Kriminalromane und (Psycho)thriller eines meiner Lieblingsgenres ist: Mit einiger Erwartung ging ich daher ans Lesen von "Mohnblumentod" (Bd. 3 der Charlie-Lager-Reihe) der mir bis dato unbekannten schwedischen Autorin Lina Bengtsdotter. Nach meiner Meinung handelt es sich hier um einen (wie ich finde sehr mäßig spannenden) Kriminalroman, nicht um einen Thriller, wenn auch das Cover sehr gelungen ist.
Erschienen ist das Buch bei Penguin (Randomhouse), TB brosch, 2021.

Im schwedischen Karlstad wird vor der Haustüre bzw. auf der Hausterrasse die 9 Monate alte Beatrice entführt: Die Eltern sind sehr reiche Unternehmer und haben sich nach einem Jahr in Russland wieder in Schweden niedergelassen. Befreundet sind sie mit den Jolanders; David Jolander ist auch Teilhaber an der gemeinsamen Firma. Ein dritter Geschäftsmann wurde anfangs ausgebootet; die Abfindung war nicht sehr hoch und seine Entwicklung ist daher nicht sehr positiv: Ein mögliches Motiv der Entführung?

Charlie Lager, ermittelnde Kommissarin, wird zu Hilfe von der ortsansässigen Polizei gerufen und verfolgt mit Anders, ihrem Teamkollegen, jede Spur. Es wird ein Wettlauf mit der Zeit: Wo liegt das Motiv? Dazwischen liest man kleine Einschübe des Kidnappers, die jedoch (sollten sie auch nicht) natürlich nicht sehr viel Aufschluss geben, die Person des Entführers betreffend.

Meine Meinung:

Nach kurzer Zeit wird klar, dass die Eltern nicht alles mitgeteilt haben, was für die Lösung des Falles relevant sein könnte. Charlie, selbst aus schwierigen Verhältnissen stammend; nicht gerne alleine, so dass sie immer wieder in alkoholisiertem Zustand irgendwelche Männer mit nach Hause schleppt, vertraut nur sich selbst (und muss im Buch so manchen Filmriss hinnehmen, die auf recht starke Alkoholprobleme hindeuten). Je nun, es gibt so einige ErmittlerInnen, die einem Drink nicht abgeneigt sind, aber Charlies Alkoholkonsum ist dann doch sehr grenzwertig, wenn auch positiv, dass die Autorin Alkoholabhängigkeit - auch bei Polizisten und Kommissaren - nicht ausspart.

Bengtsdotter legt einige falsche Fährten, schreibt auch sehr flüssig, jedoch fehlte mir leider komplett die Spannung! Die Handlung plätscherte so dahin und es gab auch m.E. Stigmatisierungen, die Heime, Fremdplatzierung, Machtmissbrauch etc. in der Fremderziehung betreffen. Ich kenne die schwedischen Verhältnisse in dieser Beziehung nicht, habe jedoch selbst in diesem Bereich gearbeitet und denke, dies ist eine Stigmatisierung, wenn auch zutreffend, was die Vergangenheit bis weit in die 1970er Jahre betrifft. Darüber gibt es Studien und Dokumentationen. Auch Pflegefamilien kommen schlecht weg und manches scheint für mich etwas an den Haaren herbeigezogen, die Handlung betreffend: Sowohl für Heime als auch für Pflegefamilien gibt es Aufsichtsgremien, die genau nachschauen, was in dieser Einrichtung oder in jener Familie abläuft.

Der Showdown auf der "Irrenklippe" und die Verbindung zu zwei Mädchen, Sara und Lo, deren traurige Geschichten ebenfalls eine Rolle spielen, kann die Spannung dann auch nicht mehr retten: Positiv ist lediglich die Perspektive, die sich für eines der jungen Mädchen ergibt und dass die Autorin gewissermaßen durchaus Sozialkritik in ihrem "Thriller" zum Ausdruck bringt.

Fazit:

Mir fehlte, wie gesagt komplett die Spannung und daher kann ich "Mohnblumentod" im Grunde nicht empfehlen. Da der Plot jedoch schlüssig und der Stil gut zu lesen ist, gebe ich knappe 3* in meiner Bewertung. Doch in diesem Genre gibt es weitaus Besseres - und auch Spannenderes!

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Veröffentlicht am 16.07.2021

Vom Ende einer Kindheit

Vom Ende eines Sommers
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"Vom Ende eines Sommers" von Melissa Harrison erschien (HC, 2021) im Dumont-Verlag und präsentiert sich in einem etwas nostalgisch anmutenden, landschaftlich passenden und wunderschönen Cover, das in der ...

"Vom Ende eines Sommers" von Melissa Harrison erschien (HC, 2021) im Dumont-Verlag und präsentiert sich in einem etwas nostalgisch anmutenden, landschaftlich passenden und wunderschönen Cover, das in der Originalvorlage aus dem Jahre 1961 stammt.

Suffolk, 1934

Die 14jährige Edith June Mather, genannt Edie wächst mit ihren drei Geschwistern auf der Wych Farm auf. Da die Schatten des 1. Weltkrieges ihre Spuren im Lande hinterließen und Männer für die schwere landwirtschaftliche Arbeit überall fehlen, werden die Kinder jeder Farmerfamilie zum Helfen auf Äcker und Wiesen sowie bei der Ernte herangezogen. Ihr Vater regiert, behaftet mit allen Sorgen um das Fortbestehen der Farm (Weltwirtschaftskrise, Preisverfall für Gerste u.a.m.) patriarchalisch die Familie und es gibt Auseinandersetzungen der Eltern, wenn es um das Wahlrecht geht und Ada, Edies Mutter etwas anderes wählt als von ihrem konservativen Mann vorgeschlagen. Unterstützt wird die Familie von dem fast 70jährigen Doble und John, einem Kriegsheimkehrer und Gewerkschafter, der sich in hervorragender Weise um die Pferdehaltung kümmert.

Die Autorin gibt sehr intensive Einblicke in die Welt einer Farm und der Landwirtschaft im südenglischen Suffolk vor 100 Jahren, die den Menschen viel Handarbeit abverlangt und Pferde noch den Pflug durch die Äcker ziehen. Edith ist ein eher seltsames, introvertiertes Mädchen, das Bücher dem Spielen mit Gleichaltrigen vorzieht und Bäume zu ihren besten Freunden zählt: So besucht sie die Eichen im Winter, die nahe der Farm stehen, was Melissa Harrison wunderschön erzählt. Auch den Pferden fühlt sie sich sehr nahe. Wir begleiten Edith auch an den seltenen freien Tagen, als sie mit ihrem Bruder Frank, der etwas älter ist als sie, zum Fluß wandert und schwimmen geht sowie bei Besuchen der Mutter bei den Großeltern, um Mary, die verheiratete Schwester mit ihrem Baby zu treffen, die die Familie niemals auf dem Hof besucht und die Edie schmerzlich vermisst, da sie sich als Kinder sehr nahestanden.

Eines Tages taucht eine Journalistin aus London auf, die ob ihrer burschikosen Kleidung, ihres Charmes und ihrer Glamourösität sehr viel Eindruck auf die heranwachsende Edith macht: Constanze FitzAllen möchte eine Kolumne über das Landleben schreiben und sucht daher Kontakt zu allen Familienmitgliedern und Angestellten, um mehr von Bräuchen, Handwerk, Erntearbeiten, aber auch Folklore und Dialekten zu erfahren; wie sich später herausstellt, will sie nicht nur unter der These, "altes Wissen bewahren zu wollen", alte Werte zu bewahren und weiterzugeben, journalistisch tätig sein, sondern auch ihre politische Meinung transportieren.

Für diese Zeit fast unvorstellbar, akzeptiert der Vater von Edith Constanze und die Dorfbevölkerung ebenfalls. Bis eines Tages ein Streit nach einer Versammlung im Pub vom Zaune bricht, der das Leben der gesamten Familie Mather für immer verändern wird....

Meine Meinung:

Ich empfand das Lesen dieses Romans, der historischen Bezug hat wie auch ein coming-of-age Roman ist, als sehr genussvoll, da er Ediths Leben auf der Wych Farm sehr fein nachzeichnet und auch ein Spiegel der damaligen Zeit im ländlichen England ist: Großgrundbesitzer verpachten noch immer ihr Land und die Bauern haben es mehr als schwer, über die Runden zu kommen und ihre Familien zu ernähren. Ediths Zukunft scheint auch vorgezeichnet zu sein; jeder nimmt an, dass sie wohl eines Tages die Frau von Alf Rose, einem Freund ihres Bruders wird. Doch Edith, die Literatur liebt und Gedichte lieber mag als Filme, scheint sich diesem Bild ihrer Zukunft nicht anpassen zu wollen. Sie ist ein kluges und zugleich sensibles Mädchen, eine Einzelgängerin, die zeitweise in Constanze ihr Vorbild zu finden scheint. Bis auch sie merkt, dass "Connie" nicht die ist, die sie zu sein vorgibt.

Melissa Harrison gelingt es in magischer Weise und auf sehr atmosphärische Art, die Landschaft (und die damals betriebene Landwirtschaft) so detailliert zu beschreiben, dass man meinen könnte, die Hasen über die Felder hoppeln zu sehen, die Eulen und Vögel darüber hinwegfliegen zu sehen und das Gebrumm der Bienen zu hören. Fasziniert hat mich auch der kleine Wachtelkönig "Edmund", ein kleiner Vogel, den Edie von einer Henne ausbrüten ließ und der hier für Stärke und Lebenswille, (Un)abhängigkeit, aber auch für Zerbrechlichkeit stehen könnte.

Auch die Figuren, besonders die von Edith und ihrer Familie, auch von Constanze sind sehr fein gezeichnet: Einzig John scheint hinter den wahren Charakter dieser Frau zu blicken und stellt sich gegen Ende des Romans gegen sie: Hierbei geht es auch um die Themen Antisemitismus und Faschismus in England dieser Zeit (wobei einem als Leserin wieder einmal bewusst wird, dass es diesen in vielen europäischen Ländern bereits vor dem 2. Weltkrieg gab und später einen furchtbaren Flächenbrand auslösen sollte....). Am meisten imponierten mir Edith selbst und auch John, der aufgrund seiner eigenen politischen Gesinnung und der Gewerkschaftsarbeit eine andere politische Meinung vertritt.

Edith erzählt in der Ich-Form die Geschichte ihres Lebens auf der Farm ca. 50 Jahre später: Einiges sollte ihr erst später in ihrem Leben klar werden. Der Epilog beschreibt kurz Ediths wechselvolle Geschichte, als sie älter geworden war, diesen empfand ich etwas verstörend, ohne an dieser Stelle genauer werden zu wollen. Das Landleben hingegen und das (Er)leben auf der Wych Farm habe ich sehr genossen, da ich sicher bin, dass auch meine Mutter, Tochter eines Landwirts, in jener Zeit ein sehr ähnliches Leben hatte (wovon sie mir teils auch berichtete).

Fazit:

Ein atmosphärischer, wundervoll und fast magisch erzählter coming-of-age Roman über das Heranwachsen und Erwachsen werden eines sensiblen, klugen Mädchens im englischen Suffolk vor fast 100 Jahren, das zeitlebens eher am Rande stehen sollte. Sehr atmosphärisch und bildstark, ist dieser Roman einer der "leisen Töne", den es sich absolut zu lesen lohnt! Von mir erhält er sehr gute 4* und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 13.07.2021

Frauen, - Wohlfühl- und Liebesroman. Für mich leider zu seicht....

Highland Hope 1 - Ein Bed & Breakfast für Kirkby
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"Highland Hope" (Ein B&B für Kirkby) von Charlotte McGregor (Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Carin Müller) ist der Auftakt einer geplanten vierteiligen Liebesromanreihe, die im fiktiven Ort Kirkby ...

"Highland Hope" (Ein B&B für Kirkby) von Charlotte McGregor (Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Carin Müller) ist der Auftakt einer geplanten vierteiligen Liebesromanreihe, die im fiktiven Ort Kirkby in Schottland angesiedelt ist. Der Roman erschien (2021, TB brosch.) im Heyne-Verlag, München (Penguin Random House Verlagsgruppe).

Worum geht's?

Der Vater von Colleen Murray (33), einst geboren in Kirkby, hat eine gutgehende Anwaltskanzlei in Boston/USA. Als er erfährt, dass er unheilbar krank ist, haben er und seine Tochter Colleen noch ein wenig gemeinsame Zeit, in der er sie bittet, seine Urne nach seinem Tod nach Schottland zu bringen, um ihn in Kirkby zu bestatten. So fliegt Colleen , die ihren Job in der Hochzeitsplanungsagentur ihrer geschäftstüchtigen, aber kalten Mutter gekündigt hat, ins unbekannte Schottland - zu den Wurzeln ihres Vaters und beschließt, für eine Weile dort zu bleiben, bis sie weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen will....

Sie quartiert sich im recht luxuriösen B&B der Familie Fraser bei Alexander Fraser (37) ein; ein alleinerziehender Vater, dessen Sohn Aidan bei ihm lebt und dessen Familienclan der Frasers recht aktiv im Dorf ist; seine Schwester Isla betreibt ein Sterne-Restaurant, sein Vater Marlin ist Dorfschmied und Tante Alice sowie die Cousinen helfen in der Anlage der Cottages wie auch im Restaurant mit, während Onkel Rupert sich um die Pferde kümmert.
Die Ankunft von Colleen ist anders, als sie es sich vorstellte, doch trotz Verspätung von Alex, der mit seinem Sohn Aidan zum Arzt musste, sind sich beide Hauptprotagonisten auf Anhieb sympathisch und die Geschichte des "sich-findens" nimmt in der spektakulären (und von der Autorin gut gewählten) Kulisse der schottischen Highlands seinen Verlauf...
Eine zwingend erforderliche Reise nach Boston wird zur Belastungsprobe der jungen Beziehung: Werden Colleen und Alex dieser stand halten - und hat ihre Liebe eine Zukunft?

Meine Meinung:

Mich hat das sehr ansprechende Cover und ein literarischer Ausflug in Pandemiezeiten in die schottischen Highlands (die ich 2018 endlich selbst einmal besuchen konnte) sehr gereizt und ich hatte mich auf einen Liebesroman eingestellt. Der Roman ist ein ausgesprochener Frauen- und Wohlfühlroman, der flüssig und leicht lesbar geschrieben wurde: Die Dialoge zwischen Colleen und Alex fand ich recht gelungen (wie auch die Handlungsverläufe bezüglich der Nebenfiguren); auch das Setting und Ausflüge sowie viele Ausritte sind natürlich sehr schön zu lesen. Allerdings fehlte mir persönlich (trotz recht sympathischen Figuren, besonders vielleicht Colleen) ein gewisser Tiefgang: Die Handlung plätscherte so vor sich hin; das Ziel war absehbar und alles wirkte auf mich etwas zu konstruiert. Waren die Dialoge oftmals recht gelungen, hatte ich meine Probleme, den (teils sehr naiven und nicht zum Alter der 33 und 37 passen wollenden) Gedankengängen etwas abgewinnen zu können, die einen recht großen Raum im Roman ausnehmen: Sie nervten mich und "Highland Hope" hätte für mich eher gewonnen, wenn man die teils abstrusen Gedanken von Alex, der hier auch das Klischee des typischen Highlanders verkörpert (sehr attraktiv und anziehend, muskulös), getrost beiseite gelassen hätte.

Fazit:

Ein unterhaltsamer, jedoch meines Erachtens eher seichter Frauen-, Wohlfühl- und Liebesroman, der den Auftakt einer Reihe im fiktiven schottischen Kirkby gibt: Ich bin sicher, dass er seine Leserschaft finden wird, ich werde jedoch eher nicht dazugehören: Mir persönlich jedoch ist er teilweise zu klischeehaft und wenig tiefgründig; ich lese durchaus (auch mal) Liebesromane, aber dieser gehört beim besten Willen leider nicht dazu. Daher vergebe ich knappe 3 Sterne.

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