weibliche Träume
Dream CountDie in Nigeria geborene Autorin Chimamanda Ngozi Adichie gehört zu den großen, wirklich bekannten Schriftstellerinnen unserer Zeit. Mehrfach mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, ist sie für ihre feministischen ...
Die in Nigeria geborene Autorin Chimamanda Ngozi Adichie gehört zu den großen, wirklich bekannten Schriftstellerinnen unserer Zeit. Mehrfach mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, ist sie für ihre feministischen Werke bekannt. Auch in Deutschland erfreut sie sich immer größerer Beliebtheit, spätestens seit ihrem Werk „Americanah“ wird sie hier gefeiert.
„Dream Count“ ist mein erster Roman der Autorin Adichie. Natürlich waren meine Erwartungen entsprechend hoch. Bereits das interessante Cover und der Titel haben mich angesprochen. Trotz der eher schlichten Gestaltung wirkt das Cover kraftvoll und interpretativ.
In diesem Roman geht es um vier verschiedene Frauen, deren Leben durch ein zartes Band der Freundschaft, Solidarität und der Suche nach Erfüllung ihrer ganz eigenen Träume miteinander verbunden sind. Sie streben nach dem perfekten Partner, einer Traumfamilie, möchten benachteiligten Frauen helfen, ein eigenes Restaurant führen oder einfach nur in Frieden leben.
Obwohl die Beziehungen zwischen ihnen nicht immer harmonisch verlaufen, sind sie dennoch eng miteinander verbunden. Die Protagonistinnen schaffen eine lebendige und authentische Atmosphäre, sodass man fast das Gefühl hat, Teil ihrer Gemeinschaft zu sein.
Im Gegensatz dazu fällt vor allem die Darstellung des Patriarchats und der Männer im Roman auf, allerdings nur bei oberflächlicher Betrachtung. Zwar gibt es die brutalen, misogynen männlichen Figuren, doch es existieren auch solche, die sich aufgrund mangelnder Aufklärung, fehlender Eigeninitiative oder schlechter Kommunikation falsch verhalten haben. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, doch es verdeutlicht, dass Respektlosigkeit oder Missachtung nicht ausschließlich aus absichtlichem, schlechtem Verhalten entstehen kann.
Adichie verwebt die losen Geschichten der Frauen, die teilweise wie unabhängige Kurzgeschichten wirken, mit ihrer einfühlsamen Sprache und ihrem scharfen Blick für Details. Das hat mich sehr überzeugt.
Mit scheinbarer Leichtigkeit werden dabei auch intensive Themen wie toxische Beziehungen, häusliche Gewalt, Missbrauch, internalisierte Misogynie, Fehlgeburten, Abtreibung, Genitalverstümmelung, Kriege und Armut in Afrika, aber auch dessen Schönheit in die Geschichte eingearbeitet.
Besonders schätze ich, dass das Buch auf viele kleine Probleme eingeht, ohne dabei belehrend zu wirken. Es fordert die Leserschaft auf, selbst nachzudenken und eigene Schlüsse zu ziehen.
Hierbei ist auch hervorzuheben, dass ein Austausch in einem Buchclub, einer Leserunde oder einfach im Gespräch mit Freund*innen sehr hilfreich sein kann.
Ohne die Diskussionen hätte ich sicherlich einiges übersehen.
Ein kleiner Abzug gibt es für Passagen, die mir etwas zu langatmig erschienen.
Außerdem hätte ich mir ein Glossar gewünscht, da die Autorin häufig auf afrikanische Gebräuche, Gerichte und Riten Bezug nimmt. Natürlich soll und darf ein Buch auch zur eigenen Recherche anregen, was „Dream Count“ zweifellos tut, dennoch fehlt mir einfach manchmal die Geduld, um jedes Essen oder jede Frisur nachzuschlagen.
„Dream Count“ ist eine lohnende Lektüre für alle, die sich mit feministischer Literatur beschäftigen möchten und bereit sind, sich eigenständig noch tiefer in die Materie einzuarbeiten. Zwar bietet das Buch einen leichten Einstieg, der vieles umreißt, doch im Nachhinein erfordert es umfangreiche Recherchen, wenn man sich wirklich auf das Thema einlassen möchte.
Für mich hat Chimamanda Ngozi Adichie bewiesen, warum sie zu den wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen Literatur gehört.