Asal Dardan (Übersetzer), Jan Schönherr (Übersetzer)
Vier Frauen, vier Leben und die Sehnsucht nach Sichtbarkeit, Liebe und Selbstbestimmung. Der lang erwartete neue Roman von Chimamanda Ngozi Adichie. Spiegel-Bestsellerautorin, literarischer Superstar und feministische Ikone.
Chiamaka ist Reiseschriftstellerin, navigiert zwischen ihrer nigerianischen Heimat und ihrem amerikanischen Zuhause und versucht, sich im Rückblick auf die Männer ihres Lebens zu erklären, wann genau ihr ihre Träume abhandengekommen sind.
Zikora ist Anwältin und lebt in Washington D. C. Sie hat Erfolg und sich schon vor langer Zeit von ihrer Mutter distanziert; bis sie - plötzlich selbst Mutter und alleinerziehend - merkt, wie nahe sie ihr in ihrer vermeintlichen Schwäche ist.
Omelogor lebt in Nigeria. Als Bankerin hilft sie, Korruption zu verschleiern, aus Idealismus versucht sie, Frauen und ihre Unternehmen zu fördern. Doch eines Tages kündigt sie ihren Job, um in den USA zu studieren.
Kadiatou ist Chiamakas Haushälterin. Außerdem arbeitet sie in einem Hotel, wo ein mächtiger Gast sie schwer belästigt. Ein entwürdigender Prozess von Beweisaufnahme und Verfahren beginnt, in dem alles im Zentrum steht, nur nicht Kadiatous Schicksal.
Mitreißend, dringlich und klug spannt Chimamanda Ngozi Adichie über Kontinente hinweg die Geschichten von vier Frauen, die einander immer wieder die Hand reichen, und erzählt wie keine andere von existentieller weiblicher Erfahrung, die oft in den ganz kleinen Augenblicken zutage tritt: im Schwangerschaftstest auf dem Badewannenrand, in Tagträumen nach einem Augenkontakt im Flugzeug, im Warten auf einen Anruf oder im Moment plötzlich zusammengenommenen Mutes. Ein wegweisender, gegenwärtiger Roman über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Frauen in einer Welt, die es immer noch schwer macht, sich zusammenzutun. Zehn Jahre nach dem Weltbestseller »Americanah« der neue große Roman von Chimamanda Ngozi Adichie.
Ich musste nach dem Lesen erstmal alles verarbeiten. Dieses Buch ist voller Themen, die Frau leider immer noch auf ihrem Lebensweg beeinflußen. Hier lernen wir eigentlich sehr starke und tatkräftige Frauen ...
Ich musste nach dem Lesen erstmal alles verarbeiten. Dieses Buch ist voller Themen, die Frau leider immer noch auf ihrem Lebensweg beeinflußen. Hier lernen wir eigentlich sehr starke und tatkräftige Frauen kennen. Die einen haben einen etwas leichteren Weg und andere müssen sehr stark kämpfen und erleben sogar körperliche Angriffe. Aber eins haben sie alle gemeinsam: sie werden noch immer nach alten Traditionen und Ansichten über das "richtige" Lebensziel von Frauen beurteilt. Hier geht es um vier Frauen aus afrikanischen Ländern, deren Lebensweg wir eine zeitlang begleiten. Sie haben sehr unterschiedliche Erfahrungen zu machen, aber eines eint sie: sie sind stark und haben es zu "etwas" gebracht. Sie sind erfolgreich in ihrem Beruf und in ihrer Lebenssituation. Denn da sie auch unterschiedlichen Lebenssituationen kommen, bedeutet das auch einen unterschiedlichen Anspruch an "erfolgreich". Aber sie könne für sich selber und im Falle von Kadiatou auch für ihre Tochter, sorgen. Sie setzen sich durch, auch wenn sie gegen viele Probleme ankämpfen müssen. Und ein Problem sind natürlich die Männer. Sie beherrschen die Arbeitswelt und die Frauen müssen sich viel mehr anstrengen, um ihre Postionen zu bekommen. Ich fand die Beschreibungen der Frauen sehr interessant und aufschlußreich. Sie haben viel geschafft, besonders Omelogor hat sich das herrschende System der Korruption in ihrem Land zur Hilfe genommen, um Unrecht wieder gut zu machen und anderen Frauen dadurch zu helfen. Selbstlos und ohne davon für sich zu profitieren. Aber besonders Kadiatou hat unter den Bedingungen zu leiden. Ihr Fall nimmt einen besonders mit, denn hier kommt die Hilflosigkeit der Frauen in solchen Situationen besonders zum Tragen. Es war schrecklich zu lesen und der Gedanke, dass es ständig genauso "passiert" ist unglaublich und man wird schon sehr traurig dabei. Die Leben dieser Frauen sind alle miteinander verbunden und ihre Freundschaften sind schon ziemlich speziell, aber irgendwie doch gut nachvollziehbar. Wir erfahren ja viel über die Träume und Gedankenwelten dieser Frauen. Ihre Kämpfe im Bezug auf die verlangten Lebensziele durch ihre Familien und Verwandten. Das hat mich übrigens sehr getroffen, dass Frauen sogar von anderen Frauen doch noch so beeinflußt werden, um eine bestimmtes Ziel im Leben zu erreichen. Denn ohne diese Errungenschaften von Ehe und Kindern zählt ihr Leben wohl nicht viel. Unglaublich in der heutigen Zeit. Jede dieser hier dargestellen Frauen geht anders mit dieser Problematik um und das konnte die Autorin auch gut rüberbringen. Mich hat die Einsicht in dieses Innenleben der Frauen sehr beeindruckt. Man erlebt wirklich alles hautnah mit und kann sich zwar nicht immer in alles reinversetzen, aber man bleibt nahe an diesen authentischen Frauendarstellungen dran. Manches bleibt auch offen, aber ausgesprochen wird vieles und man kann sich so seine eigenen Gedanken darüber machen. Es ist lesenswert und ich bin jetzt auch sehr neugierig auf die anderen Werke von Ch.N. Adichie geworden.
Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, einen beim Lesen aufwühlt und man doch einiges wieder in Frage stellt, bei dem man gedacht hatte, soetwas spielte keine Rolle mehr. Mich hat das Buch jedenfalls nachdenklich zurückgelassen und lässt mich bestimmte Dinge wieder in einem anderen Licht sehen.
Ich kann das Buch mit einem guten Gewissen weiterempfehlen und ich hoffe, dass es gerade junge Frauen erreicht.
Ich habe recht lange gebraucht, um die Rezension zu schreiben, weil ich nicht wusste, wie ich dem Roman gerecht werden kann. „Dream Count“ ist kein Roman, der sich in eine einfache Kategorie einordnen ...
Ich habe recht lange gebraucht, um die Rezension zu schreiben, weil ich nicht wusste, wie ich dem Roman gerecht werden kann. „Dream Count“ ist kein Roman, der sich in eine einfache Kategorie einordnen lässt – und genau darin liegt seine literarische Kraft. Chimamanda Ngozi Adichie gelingt es, auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu erzählen: poetisch und politisch, zart und schonungslos, persönlich und universell.
Statt durch eine lineare Handlung entfaltet sich der Text in vier weibliche Stimmen, die miteinander verwoben sind, ohne sich gegenseitig zu erklären: Wir begleiten Chia, Zikora, Kadiatou und Omelogor bei ihrer Suche nach der großen Liebe, nach einem besseren Leben und dem eigenen Weg. Alle gehen mit den Herausforderungen von Frauen um, gehören aber unterschiedlichen Klassen an: Während Chia sich keine Gedanken um ein regelmäßiges Einkommen machen muss, muss Kadiatou neben ihrer Arbeit als Haushälterin von Chia noch in einem Hotel arbeiten. Zudem bewegen sich alle zwischen verschiedenen Welten: Chia und Zikora sind aus Nigeria in die USA gezogen, um dort zu studieren und zu arbeiten, Kadiatou hat aus Guinea kommend Asyl in den USA bekommen und Omelogor lebt nach einem kurzen Studienaufenthalt in den USA wieder in Nigeria. Und obwohl die Frauen sich alle in ganz anderen Lebenswelten bewegen, konnte ich immer wieder Situationen erkennen, die sicher viele Frauen schon erlebt haben.
Diese Vielstimmigkeit habe ich auch als Form von literarischem Widerstand gegen die Vereinfachung weiblicher Lebenserfahrung gelesen. Was hier verhandelt wird – Sexismus, Migration, Rassismus, soziale Ungleichheit, Begehren, Körper, Freundschaft, Arbeit, Gewalt – wird niemals mit dem moralischen Zeigefinger vermittelt, niemals vereinfachend, sondern immer so, dass Verbindungen, Widersprüche und Ambivalenzen deutlich werden. Über Menschen, die meinen, die Welt verstanden zu haben, wird sich stattdessen lustig gemacht und sie werden als scheinheilig entlarvt. Dabei liest sich der Text dennoch leicht, flüssig und unterhaltsam. Es gibt außerdem immer wieder Momente der Komik und Situationen, in denen sich Frauen gegenseitig unterstützen und fördern. Ein Nachwort der Autorin, in der sie ihre Geschichte in einen aktuellen Kontext einordnet, hat die Lektüre für mich perfekt abgerundet.
Für alle, die sich für Literatur interessieren, die Einblicke in vielfältige Perspektiven gibt – formal, inhaltlich, emotional – ist „Dream Count“ eine dringende Leseempfehlung. Ein vielstimmiger, eindringlicher Roman über weibliche Erfahrung, Macht und Verletzlichkeit!
"Dream Count", das neue Buch von Chimamanda Ngozi Adichie, ist ein faszinierendes Buch, das zu vielseitigen Diskussionen einlädt, in dem ich viel über Nigeria gelernt habe und das eine unglaubliche Fülle ...
"Dream Count", das neue Buch von Chimamanda Ngozi Adichie, ist ein faszinierendes Buch, das zu vielseitigen Diskussionen einlädt, in dem ich viel über Nigeria gelernt habe und das eine unglaubliche Fülle an Themen in spannende Geschichten vier afrikanischer Frauen verpackt, die miteinander verwoben sind.
Eingerahmt wird die Geschichte und auch das Frauengespann von Chiamaka: Tochter reicher Eltern aus Nigeria, sehr privilegiert aufgewachsen, lebt in großen Villen, hat eine Hausangestellte, reist um die Welt und träumt von der Selbstverwirklichung als erfolgreiche Reiseautorin... und von dem einen perfekten Mann, mit dem sie die perfekte Beziehung führen könnte, in der sie sich wirklich gesehen und erkannt fühlen würde. Von ihr und ihren Träumen leitet sich auch der Titel des Buches ab: Dream Count statt Body Count, jeder neue Mann, auf den sie sich einlässt, verkörpert einen Traum von ihr, dass sie nun den Richtigen gefunden haben könnte.
Nahbar aus der Ich-Perspektive geschrieben, lernen wir Chiamakas Leben und Sicht der Dinge in einem langen Kapitel am Anfang und einem kürzeren am Ende ausgiebig kennen und begleiten sie durch ihre Zeit zwischen ihren frühen 20ern bis etwa Anfang 40 durch verschiedene, nicht immer chronologisch erzählte, Episoden mit unterschiedlichen Männern, die die verschiedensten Hintergründe in Bezug auf geografische Herkunft und Race haben, und Chia mehr oder weniger gut behandeln. Deutlich wird dabei auch, wie stark die gesellschaftlichen sozialen Erwartungen, einen guten Mann zu finden, zu heiraten und Kinder zu kriegen, in Nigeria auch heutzutage noch sind, auch für eine privilegierte Frau, und wie Chia diese internalisiert hat und zu verwirklichen versucht.
Auf die eine oder andere Weise nah mit Chia verbunden sind auch die anderen drei Frauen, deren Leben ausführlich porträtiert wird. Da gibt es die Anwältin Zikora, zwei Jahre älter als Chia und in der Nähe dieser in Nigeria aufgewachsen, lebt sie nun auch in den USA, wo die beiden Frauen enge Freundinnen geworden sind. Leider erfährt man im Roman so gut wie nichts über Zikoras praktische Anwaltstätigkeit, auch in diesem Kapitel liegt der Schwerpunkt auf Zikoras Wunsch nach Familie. Dieser erfüllt sich, wenn auch anders als geplant und mit einer großen Enttäuschung verbunden... am Ende steht Zikora als Single-Mutter alleine da, nähert sich dafür aber ihrer eigenen Mutter wieder an. Ausführlich und authentisch wird auch Zikoras Erfahrung bei der Geburt ihres Sohnes geschildert. Dieses Kapitel ist interessanterweise nicht aus der Ich-Perspektive, sondern aus der dritten Person geschrieben und macht sehr nachdenklich über die Einschränkungen und inneren Zwänge, denen auch sehr gebildete und beruflich erfolgreiche Frauen noch unterliegen können.
Die dritte Frau, Kadiatou, stammt nicht wie die drei anderen aus einer Igbo-Familie aus Nigeria, sondern ist aus Guinea. Doch das ist nicht der einzige Unterschied: außerdem ist sie in bitterer Armut aufgewachsen, hat schon früh Vater und Schwester verloren, bald nach ihrer Hochzeit auch den Ehemann, wurde als Kind beschnitten, später Opfer von sexuellen Übergriffen und hat es schließlich geschafft, gemeinsam mit ihrer Tochter Asyl in den USA zu bekommen, wo sie fleißig als Chias Hausangestellte sowie in einem Hotel als Zimmermädchen arbeitet. Die offene, herzliche Chia sieht Kadia als Freundin an, während letztere sich der Ungleichheit der Positionen beider deutlich bewusster ist. Das stellt die interessante Frage nach der Möglichkeit und Gestaltung von Freundschaft bei so unterschiedlich privilegierten Ausgangspositionen. Kadiatou wird bei der Arbeit im Hotel Opfer eines sexuellen Übergriffs eines sehr mächtigen Mannes, und von Arbeitskollegen dazu gedrängt, ein Gerichtsverfahren gegen diesen anzustreben, was sie auch macht, und wobei sie von Chia und den anderen beiden Frauen unterstützt wird. Auch dieses Kapitel ist aus der 3.-Person-Perspektive geschrieben.
Die vierte Frau, Omelogor, ist Chias Cousine, und sie lebt überwiegend in Nigeria, wo sie im Bankenbereich tätig ist, dabei zwiespältige Geschäfte unterstützt, in moralische Konflikte gerät und versucht, diese zu bewältigen, indem sie von den Reichen Geld abzweigt und dieses armen Frauen für Mikrozuschüsse für ihre Geschäfte zukommen lässt. Omelogor ist, neben der benachteiligten Kadiatou, eine der interessantesten Personen dieses Romans: sie ist hochintelligent, unabhängig, gestaltet ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen, kann sich in einer rauen Männergeschäftswelt ausgezeichnet behaupten und hat dabei aber immer noch eigene ethische Vorstellungen, die sie nicht komplett über Bord wirft. Zwar wird auch sie immer wieder von ihrer Verwandtschaft unter Druck gesetzt, ein Kind zu bekommen, oder, wenn sie irgendwann zu alt dafür sei, zumindest eines zu adoptieren, doch gelingt es ihr letztlich sehr gut, wieder zu sich zurückzufinden und zu spüren, was sie wirklich von ihrem Leben will. Ihr Kapitel ist wiederum aus der Ich-Perspektive geschrieben.
Sehr interessant an dem Buch sind die verschiedenen Stimmen und wie wir die Leben und Freundschaften der Frauen aus unterschiedlichen Perspektiven kennen lernen. Dabei zeigt sich zum Beispiel, dass etwa Chia zum Romantisieren und Verklären neigt - nicht nur in Bezug auf ihre Männerbekanntschaften, sondern auch auf die Natur der Freundschaft des Viererfrauengespanns. Zikora und Omelogor wiederum können sich eigentlich gegenseitig gar nicht so gut leiden und werden nur durch Chia lose miteinander verbunden. Und in Bezug auf Kadiatou spielt eben der sehr unterschiedliche soziale Hintergrund und die Tatsache, dass diese Chias Hausangestellte ist, ebenfalls eine prägende Rolle in der Beziehung.
Das Buch regt also zum Nachdenken über Frauenfreundschaften, Partnerschaften, Kinder-Kriegen oder nicht, Emanzipation, Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung, Träume, Privilegien, Klassenunterschiede, Race, Rassismus und vieles mehr an, und behandelt damit überraschend universale Themen, die so nicht nur im nigerianischen Umfeld, sondern überall auf der Welt eine Rolle spielen. Damit zeigt es die Universalität der grundlegenden Menschheitserfahrung an, und wirkt damit auch empathieschaffend und verbindend. Gleichzeitig sind aber in die Geschichten auch viele Hintergrundinformationen über Nigeria eingebunden und ich habe bei der Lektüre wie nebenbei viel über die dort herrschende Gesellschaftsstruktur mit ihren vielfältigen Ethnien und Religionen gelernt.
Besonders interessant war für mich der "Blick von außen" auf so einige scheinbare Gewissheiten, die wir im globalen Norden und in westlich sozialisierten Ländern zu haben scheinen, etwa, wenn Omelogor für einige Zeit in die USA zieht, um dort ein Masterstudium zu machen und Pornographie zu untersuchen, und die sehr starren und einheitlichen Vorstellungen der liberalen, aber wenig lebenserfahrenen, jungen amerikanischen Studierenden kritisch hinterfragt. Da wird so einiger Scheinheiligkeit ein Spiegel vorgehalten, wie auch an so manchen anderen Stellen im Buch.
Sprachlich ist das Buch sehr unterhaltsam, dabei aber auf durchaus hohem sprachlichem Niveau, geschrieben und ich habe immer gerne und mit Spannung weitergelesen, mit den Frauen mitgefiebert und war neugierig, wie es weitergeht. Auf mehr als 500 Seiten habe ich mich nie gelangweilt.
Chimamanda Ngozi Adichie gehört für mich insgesamt zu den großen Stimmen der Literatur und ich schätze es besonders, wie sie mir einen für mich sehr unbekannten Kulturkreis mit ihren Romanen nahebringt. Große Leseempfehlung, und ich möchte demnächst alle weiteren Bücher von ihr lesen!
„Dream Count“, der neue Roman von Chimamanda Ngozi Adichie, erschienen 2025 im S. Fischer Verlag, ist eine beeindruckende Erzählung über vier Frauen, die sich jede auf ihre Art in ihren Träumen verloren ...
„Dream Count“, der neue Roman von Chimamanda Ngozi Adichie, erschienen 2025 im S. Fischer Verlag, ist eine beeindruckende Erzählung über vier Frauen, die sich jede auf ihre Art in ihren Träumen verloren haben und dadurch das Träumen immer mehr verlernt haben, gebremst von einer nach wie vor zutiefst rassistischen und kolonialen Realität.
Chimamanda Ngozi Adichie schreibt gleichermaßen flüssig und hochkomplex, sieh scheut sich nicht davor, ihren Leser:innen eine Menge Inhalt zuzumuten, holt einen aber auch mit einer klaren und schwungvollen Prosa ab. Sie schreibt spannende Figuren, die es schwer als Lesende bleibt mensch ein bisschen draußen in der beobachtenden Position, was dem Gefüge sehr gut tut, da es nie gefühlig wird. Die vier Frauen, denen wir folgen, sind Chiamaka, Zikora, Kadiatou und Omelogor. Die Handlung spielt primär in Amerika, wichtig für alle Personen ist aber ein nigerianischer Hintergrund. Adichie positioniert alle Frauen zwischen Tradition und Emanzipation, zwischen Individualität und Zugehörigkeit, zeigt ihren Kampf um Autonomie und ihre Sehnsucht nach Gemeinsamkeit. Sie legt den Finger in die Wunde von toxischen Beziehungen und Alltagsrassismus, Unterdrückung und Ausbeutung der Frau, sexuelle Gewalt und Statuskampf, hinterfragt Wurzeln und Stempel, die Menschen aufgedrückt werden. Die vier Frauen sind miteinander verknüpft, auch wenn jeder ein eigener Abschnitt gehört, am Ende steht aber jede für sich allein.
Der Dream Count des Titels klingt nicht zufällig nach Body Count. Wo die einen Körper zählen, die sie berühren, zählen andere Träume, die sich ins Nichts auflösen. Was tun, wenn frau beim letzten Traum angekommen ist? Sehr verdichtet zeigt die Autorin wie patriarchale Strukturen im Großen und Kleinen wirken. Gleichzeitig lässt uns Adichie auch in komplexere, intersektionale Verbindungen blicken. Ihr Feminismus ist nicht. Sie zeigt die patriarchalen Strukturen so unaufgeregt auf, wie sie uns im Alltag begegnen.
Die Autorin reißt in ihrem Roman jedoch noch sehr viel mehr Themen an, die alle interessant sind, leider fehlt dem Roman insgesamt dadurch aber Fokus. Hier wäre weniger doch mehr gewesen, denn so bleiben Facetten der einzelnen Geschichten am Wegesrand liegen und gehen nicht in die Tiefe. So verliert sich das Buch nach vier interessanten Frauengeschichten im fünften Teil leider ein bisschen im Nirgendwo. Dennoch absolut lesenswert, wegen vier so verschiedenen Frauenfiguren, die alle auf ihre Art stumpf geworden sind an einem Leben, das sie täglich in Frage stellt – und wegen viel Learning über die Perspektive von People of Color.
Die in Nigeria geborene Autorin Chimamanda Ngozi Adichie gehört zu den großen, wirklich bekannten Schriftstellerinnen unserer Zeit. Mehrfach mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, ist sie für ihre feministischen ...
Die in Nigeria geborene Autorin Chimamanda Ngozi Adichie gehört zu den großen, wirklich bekannten Schriftstellerinnen unserer Zeit. Mehrfach mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, ist sie für ihre feministischen Werke bekannt. Auch in Deutschland erfreut sie sich immer größerer Beliebtheit, spätestens seit ihrem Werk „Americanah“ wird sie hier gefeiert.
„Dream Count“ ist mein erster Roman der Autorin Adichie. Natürlich waren meine Erwartungen entsprechend hoch. Bereits das interessante Cover und der Titel haben mich angesprochen. Trotz der eher schlichten Gestaltung wirkt das Cover kraftvoll und interpretativ.
In diesem Roman geht es um vier verschiedene Frauen, deren Leben durch ein zartes Band der Freundschaft, Solidarität und der Suche nach Erfüllung ihrer ganz eigenen Träume miteinander verbunden sind. Sie streben nach dem perfekten Partner, einer Traumfamilie, möchten benachteiligten Frauen helfen, ein eigenes Restaurant führen oder einfach nur in Frieden leben.
Obwohl die Beziehungen zwischen ihnen nicht immer harmonisch verlaufen, sind sie dennoch eng miteinander verbunden. Die Protagonistinnen schaffen eine lebendige und authentische Atmosphäre, sodass man fast das Gefühl hat, Teil ihrer Gemeinschaft zu sein.
Im Gegensatz dazu fällt vor allem die Darstellung des Patriarchats und der Männer im Roman auf, allerdings nur bei oberflächlicher Betrachtung. Zwar gibt es die brutalen, misogynen männlichen Figuren, doch es existieren auch solche, die sich aufgrund mangelnder Aufklärung, fehlender Eigeninitiative oder schlechter Kommunikation falsch verhalten haben. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, doch es verdeutlicht, dass Respektlosigkeit oder Missachtung nicht ausschließlich aus absichtlichem, schlechtem Verhalten entstehen kann.
Adichie verwebt die losen Geschichten der Frauen, die teilweise wie unabhängige Kurzgeschichten wirken, mit ihrer einfühlsamen Sprache und ihrem scharfen Blick für Details. Das hat mich sehr überzeugt.
Mit scheinbarer Leichtigkeit werden dabei auch intensive Themen wie toxische Beziehungen, häusliche Gewalt, Missbrauch, internalisierte Misogynie, Fehlgeburten, Abtreibung, Genitalverstümmelung, Kriege und Armut in Afrika, aber auch dessen Schönheit in die Geschichte eingearbeitet.
Besonders schätze ich, dass das Buch auf viele kleine Probleme eingeht, ohne dabei belehrend zu wirken. Es fordert die Leserschaft auf, selbst nachzudenken und eigene Schlüsse zu ziehen.
Hierbei ist auch hervorzuheben, dass ein Austausch in einem Buchclub, einer Leserunde oder einfach im Gespräch mit Freund*innen sehr hilfreich sein kann.
Ohne die Diskussionen hätte ich sicherlich einiges übersehen.
Ein kleiner Abzug gibt es für Passagen, die mir etwas zu langatmig erschienen.
Außerdem hätte ich mir ein Glossar gewünscht, da die Autorin häufig auf afrikanische Gebräuche, Gerichte und Riten Bezug nimmt. Natürlich soll und darf ein Buch auch zur eigenen Recherche anregen, was „Dream Count“ zweifellos tut, dennoch fehlt mir einfach manchmal die Geduld, um jedes Essen oder jede Frisur nachzuschlagen.
„Dream Count“ ist eine lohnende Lektüre für alle, die sich mit feministischer Literatur beschäftigen möchten und bereit sind, sich eigenständig noch tiefer in die Materie einzuarbeiten. Zwar bietet das Buch einen leichten Einstieg, der vieles umreißt, doch im Nachhinein erfordert es umfangreiche Recherchen, wenn man sich wirklich auf das Thema einlassen möchte.
Für mich hat Chimamanda Ngozi Adichie bewiesen, warum sie zu den wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen Literatur gehört.