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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.01.2022

Zeitreise in die 70er Jahre

Unser kostbares Leben
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Wir lesen hier die Geschichte von vier Kindern in einer hessischen Kleinstadt in den 70er Jahren. Ihr Leben und das ihrer Familien ändert sich von Grund auf, als einer von ihnen einen folgenschweren ...

Wir lesen hier die Geschichte von vier Kindern in einer hessischen Kleinstadt in den 70er Jahren. Ihr Leben und das ihrer Familien ändert sich von Grund auf, als einer von ihnen einen folgenschweren Unfall hat. Gleichzeitig lesen wir über Küngelei und Korruption, Umweltzerstörung und grausame Versuche an Tieren und Menschen. Auch die Politik der 70er kommt nicht zu kurz.

Das Cover passt perfekt in die Zeit und zeigt nicht nur das 70er -Jahre Idyll, sondern im Hintergrund auch rauchende Fabrikschlote - die Zerstörung der Umwelt. Der Schreibstil ist sehr sachlich, erinnert fast schon an eine Dokumentation. Emotionen kommen leider zu kurz, so kommt zum Beispiel der Zorn, der Minka antreiben muss, um gegen Umweltzerstörung und Tierversuche zu protestieren, gar nicht beim Leser an. Ebenso wenig empfindet man Claires Resignation bezüglich ihrer im Kinderheim antrainierten Medikamentensucht nach. Diese kühle Distanz hat mich sehr gestört, denn es dreht sich doch um hochemotionale Themen. Andererseits fand ich es hochinteressant, über den Ursprung unserer heutigen Umweltprobleme zu lesen. Wären wir damals sensibler gewesen, hätten wir heute nicht mit den enormen Folgen zu kämpfen.

Ich habe diese Zeit selbst als Jugendliche erlebt und empfinde die Schilderung der damaligen Lebensumstände als sehr authentisch und nahe an den Tatsachen, wenn auch wie gesagt zu emotionslos. Trotzdem hat mich die Geschichte aufgewühlt und nachdenklich gemacht. Meine Generation, zu der auch die Hauptfiguren des Buchs gehören, hat viele Fehler gemacht. Das wird mir hier krass vor Augen geführt und das ist vielleicht auch der Zweck der Geschichte.

Den Epilog empfinde ich als überflüssig, er wirkt fast so, als hätte die Autorin noch unbedingt ein paar Worte über die aktuelle Situation unterbringen wollen.

Insgesamt fand ich das Buch durchaus lesenswert. Es bringt den Leser zum Nachdenken über vergangene Fehler und sensibilisiert für Probleme, die auch heute noch aktuell sind. Also gibt es von mir an dieser Stelle eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 04.01.2022

Macht Lust auf die Fortsetzung

Der Friesenhof
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Wir lesen hier den Auftakt zu einer neuen Reihe historischer Romane von Fenja Lüders. Nach der in Hamburg spielenden Speicherstadt-Saga ist Fenja Lüders weitergezogen aufs platte Land. Der Roman spielt ...

Wir lesen hier den Auftakt zu einer neuen Reihe historischer Romane von Fenja Lüders. Nach der in Hamburg spielenden Speicherstadt-Saga ist Fenja Lüders weitergezogen aufs platte Land. Der Roman spielt in Ostfriesland, kurz nach Ende des 2. Weltkrieges. Der Friesenhof der Familie deFries hat seinen Bauern verloren. Henrike und ihre Töchter Helga, Gesa und Hanna müssen Vater Onno begraben. Durch diesen Verlust kommt der Hof in finanzielle Bedrängnis, besonders weil Günther als Ehemann von Tochter Helga auf der Auszahlung des Erbes besteht. Unterstützt von Tanti, der jüngeren Schwester von Henrike und den Knechten Tomek und Dierk, nehmen die drei Frauen den Kampf um die Zukunft des Friesenhofes auf.

Mir hat die Geschichte unheimlich gut gefallen. Es gelingt Fenja Lüders meisterhaft, die fiktive Geschichte der Familie deFries mit historischen Begebenheiten und dem herrschenden Zeitgeist zu verknüpfen. Sie schildert die Personen und ihr Umfeld so detailliert und einfühlsam, dass man als Leser das Gefühl hat, mitten im Geschehen zu sein. Besonders gut gefallen hat mir die Entwicklung von Mutter Henrike, die anfangs sehr passiv und blass wirkte, später aber sehr stark und selbstbewusst agiert hat. Mein absoluter Liebling aber ist Tanti, mit dem Herz am rechten Fleck und einer für die damalige Zeit revolutionären Lebenseinstellung findet sie in jeder Situation die richtigen Worte und ist eine wichtige Ratgeberin für Gesa und Hanna. Unsympathischer Gegenpol ist Günther, Helgas Mann. Habgierig und rechthaberisch fordert er das Erbe seiner Frau ein, ohne Rücksicht auf den Fortbestand des Hofes und die Existenz der Familie. Es passt zu seinem Charakter, dass er im Krieg zur SS gehörte. Diese Vergangenheit wird ihm hoffentlich noch auf die Füße fallen.

Am Ende dieses ersten Bandes bleiben einige Fragen offen. Es gilt, die losen Fäden in einer Fortsetzung, die im Juni 2022 erscheinen soll, zu verknüpfen. Darauf freue ich mich jetzt schon.

Mein Fazit: Ein historischer Roman genauso wie er sein soll. Hier kann ich nur eine 100%-ige Leseempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 31.12.2021

Eher schwach

Der Gräber
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Jedes Jahr am 6. November schlägt der Gräber zu - er gräbt sich durch den Keller in ein Haus und verschleppt sein Opfer unter die Erde. Dabei hinterlässt er eine Spur der Verwüstung, aber keine ...

Jedes Jahr am 6. November schlägt der Gräber zu - er gräbt sich durch den Keller in ein Haus und verschleppt sein Opfer unter die Erde. Dabei hinterlässt er eine Spur der Verwüstung, aber keine verwertbaren Spuren. Ermittlerin Cecilia und ihr Team tappen im Dunkeln. Unterdessen findet Verlagslektorin Annika ein Manuskript - scheinbar von einem ihrer Autoren, der seit Jahren verschwunden ist - welches sich mit dem Gräber befasst. Sie sorgt dafür, dass das Manuskript veröffentlicht wird. Damit nimmt das Unheil seinen Lauf.

Ich liebe Krimis, vor allem skandinavische, und habe mir von diesem sehr viel versprochen. Die Story gibt auch eigentlich einiges her, wurde aber meiner Erachtens nur mangelhaft umgesetzt. Der Schreibstil ist sehr distanziert, er holt mich nicht wirklich in die Geschichte hinein. Die Kapitel sind kurz, mehrere Handlungsstränge und Zeitebenen wechseln sich ab. Das ist an sich nicht nicht schlecht, jedoch sind jedem Kapitel einige Zeilen aus Tätersicht vorangestellt, aus welchen sich sehr schnell erraten lässt, wer der Gräber ist. Das macht zu einem sehr frühen Zeitpunkt einen Spannungsaufbau fast unmöglich.

Zu einem gelungenen Krimi oder Thriller gehört es für mich dazu, die Ermittler bei ihrer Arbeit zu begleiten und ihnen quasi in die Köpfe zu schauen. Hier darf ich die ermittelnde Kommissarin Cecilia Wreede leider nur bei ihren Joggingrunden begleiten, denn sie ermittelt fast gar nicht. Im wesentlichen dreht sich das Buch um die privaten und beruflichen Probleme der Lektorin Annika Granlund, die am Ende entscheidend zur Aufklärung des Gräber-Falles beiträgt. Endgültig verleidet wurde mir dieses Buch durch das Auftauchen der mysteriösen Erdwesen, hier driftet die Geschichte zu einem dürftigen Horrorroman ab. Offenbar konnte sich der Autor nicht entscheiden, ob er eine Horrorstory oder einen Krimi schreiben will. Der entstandene Mix ist leider misslungen.

Mein Fazit: Thema leider verfehlt, zu meinem Bedauern kann ich keine Leseempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 28.12.2021

Ein heißes Thema

Strahlentod
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Im Verlauf einer Widerstandsaktion gegen die Castor-Transporte wird im Knüllwald ein Polizist von einem Steinewerfer getötet, ein Fall in dem Ralph Angersbach ermittelt. Neun Jahre später - ...

Im Verlauf einer Widerstandsaktion gegen die Castor-Transporte wird im Knüllwald ein Polizist von einem Steinewerfer getötet, ein Fall in dem Ralph Angersbach ermittelt. Neun Jahre später - der Castor rollt immer noch durch Hessen - wird am Rand der Demonstrationen ein Sprengstoffanschlag auf einen VW-Bus verübt, der Ralphs Vater gehören könnte. Trotz familiärer Verstrickung, auch wenn das Opfer nicht sein Vater ist, übernimmt Ralph gemeinsam mit seiner ehemaligen Kollegin Sabine, die jetzt für das LKA arbeitet, den Fall. Die Spuren im familiären Umfeld des Toten verlaufen ebenso im Sand wie die Ermittlungen im Umfeld der Castor-Gegner. Erst als zwei weitere Leichen auftauchen, gelingt den Ermittlern ein Durchbruch.

Den beiden Autoren ist es brillant gelungen, diesen Kriminalfall in das leider immer noch brandaktuelle Geschehen rund um die Atommüll-Endlagerung einzubinden. Der Schreibstil ist modern und schnörkellos und hat mich direkt mitgenommen ins Geschehen. Die Entwicklung der Geschichte ist schlüssig und nachvollziehbar, die Auflösung für mich trotzdem überraschend.

Obwohl ich die vorhergehenden Fälle rund um das Ermittler-Team Angersbach/Kauffmann nicht gelesen habe, konnte ich der Geschichte von Anfang an gut folgen. Dieser sechste Band kann also gut für sich alleine stehen.

Trotz zahlreicher Wiederholungen z.B. bei den Personenbeschreibungen (die Schönheit und Eleganz der Bürgermeistersgattin wurde z.B. mehrfach sehr ausschweifend erwähnt) blieb die Spannung weitgehend erhalten. Gestört hat allerdings die ausführliche, ebenfalls mit zahlreichen Wiederholungen geschilderte verkorkste Liebesgeschichte zwischen Ralph und Sabine. Zeitweise habe ich mich gefragt, ob ich einen Krimi oder einen Liebesroman lese. Es ist zwar schön, wenn auch die menschliche Seite der Ermittler zur Geltung kommt, aber das war entschieden zu viel.

Mein Fazit: Ein solider Regionalkrimi mit einer schlüssigen Story und trotz einiger Schwächen durchaus lesenswert.

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Veröffentlicht am 06.12.2021

Spannend und lehrreich

Die Mission des Kreuzritters
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Wir lesen hier die Geschichte der Königstochter Melisende im Jerusalem des 12. Jahrhunderts, inmitten der Kreuzzüge. Sie ist als Thronerbin erzogen worden, soll nun jedoch mit dem Grafen Foulqes verheiratet ...

Wir lesen hier die Geschichte der Königstochter Melisende im Jerusalem des 12. Jahrhunderts, inmitten der Kreuzzüge. Sie ist als Thronerbin erzogen worden, soll nun jedoch mit dem Grafen Foulqes verheiratet werden, der später König werden soll. Um dieser Ehe zu entgehen macht sie sich heimlich auf den Weg zu ihrer Schwester nach Antiochia. Dort wird sie aber nicht ankommen, denn sie wird von Seldschuken gefangen genommen und verschleppt. Ihr Vater schickt den Tempelritter Raol de Montalban mit dem Lösegeld zu ihrer Befreiung. Zusammen erleben die beiden eine abenteuerliche Heimreise nach Jerusalem.

Schon das Cover hat mich sehr angesprochen. Es passt sehr gut zur Geschichte. Der Schreibstil von Ulf Schiewe ist sehr mitreißend und man merkt sehr schnell, dass die historischen Fakten sehr akribisch recherchiert wurden. Manche Szenen waren mir fast ein wenig zu bildhaft beschrieben, die zu dieser Zeit üblichen Grausamkeiten hätte ich nicht ganz so deutlich vor Augen haben müssen. Sehr einfühlsam beschrieben ist die Annäherung zweier so unterschiedlicher Charaktere wie Raol und Melisende, die sich anfangs so gar nicht verstehen. Im Laufe ihrer gefährlichen Reise lernen sie sich durch tiefsinnige Gespräche über Religion, Krieg und ihrer beider Leben jedoch sehr viel besser kennen und machen beide eine beachtliche Persönlichkeitsentwicklung durch. Diese Gespräche sind es, die den Einblick in das Leben und Denken der Menschen im Heiligen Land zu dieser Zeit anschaulich gemacht und mir an diesem Buch am besten gefallen haben.
Melisende ist eine der historisch verbrieften Personen, ebenso wie ihr Vater Baudouin und ihr Bräutigam Foulques und noch einige andere Protagonisten. Es ist Ulf Schiewe perfekt gelungen, historische Personen und Begebenheiten mit fiktiven Ereignissen zu verknüpfen. Dabei bringt er seinen LeserInnen das Heilige Land und seine Bewohner in den wirren Zeiten der Kreuzzüge auf unterhaltsame und spannende Weise sehr nahe.
Ulf Schiewe ist hier nicht nur ein mitreißender historischer Roman gelungen, sondern auch ein leidenschaftliches Plädoyer für Verständigung und Frieden zwischen den Religionen. Leider zeigt es auch, dass es der Menschheit nicht gelungen ist, auf diesem Gebiet innerhalb von tausend Jahren auch nur das Geringste dazu zu lernen.

Fazit: Geschichte spannend und unterhaltsam verpackt – ein historischer Roman der Extraklasse und unbedingt empfehlenswert. Ich hoffe sehr auf eine Fortsetzung.

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