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Veröffentlicht am 29.09.2018

Alaska als Dreh- und Angelpunkt

Liebe und Verderben
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Ein Roman, in dem es um Familie und um Liebe geht und dennoch steht der U.S.-Bundesstaat Alaska an erster Stelle. Für mich ja, denn er ist hier viel, viel mehr als nur Kulisse eines Dramas, das sich über ...

Ein Roman, in dem es um Familie und um Liebe geht und dennoch steht der U.S.-Bundesstaat Alaska an erster Stelle. Für mich ja, denn er ist hier viel, viel mehr als nur Kulisse eines Dramas, das sich über Jahrzehnte hinweg entwickelt und seinesgleichen sucht. Es ist der Dreh- Angelpunkt aller Sehnsüchte ebenso wie vieler Emotionen.

Im Fokus steht die junge Leni, die mit ihren Eltern ein unstetes Leben führt. Seit ihr Vater mit diversen körperlichen und seelischen Narben aus vietnamesischer Gefangenschaft zurückgekehrt ist, haben sie und ihre Mutter unter seinen Launen zu leiden.

Überraschend erbt er von einem gefallenen Kameraden ein Grundstück in Alaska, wohin sich die Familie gleich begibt: in ein komplett ungewisses neues Leben mit einer Menge Herausforderungen. Sie alle lernen Alaska lieben, ganz besonders Leni, die mit dem Staat eins wird, verschmilzt sozusagen.

Das hat damit zu tun, dass die Familie warmherzig aufgenommen wird und auf unglaubliche Hilfsbereitschaft stößt. Leni kennt bald eine ganze Reihe von Erwachsenen, zu denen sie mit Sorgen und Nöten kommen kann. Und das wird für sie immer wichtiger, denn die düstere Einsamkeit und vor allem der in Mengen konsumierte Alkohol tun ihre Wirkung: mehr und mehr treten die negativen Eigenschaften ihres Vaters hervor, seine Launen lässt er an ihrer Mutter aus, der er wieder und wieder Gewalt antut.

Im Gegensatz zu Leni und ihrer Mutter fügt er sich nicht in die Gemeinschaft ein, die sich der Familie in Alaska geöffnet hat, sondern stellt sich gegen einige Nachbarn, vor allem aber gegen einen: Tom Walker, dessen Familie bereits seit mehreren Generationen in Alaska ansässig ist. Vergleichsweise wohlhabend ist er so etwas wie ein Primus inter Pares, also der Erste unter Gleichen. Und manchmal auch ein bisschen mehr.

Diese Position will ihm Ernt Allbright, Lenis Vater aus unterschiedlichen Gründen streitig machen. Und ausgerechnet Toms Sohn Matthew wird zu Lenis bestem Freund und dann zu ihrem Liebsten. Ihr Vater versucht, sie und ihre Mutter von der Außenwelt abzuschotten und irgendwann kommt es zum Äußersten.

Ein mitreißender Schmöker ist dies, der durch die Sprachgewalt der Autorin, die Tiefe der Charaktere und die kraftvolle Botschaft der Geschichte alles andere als ein anspruchsloses Familienromänchen ist. Nein, es ist eine Darstellung, die in mich als Leserin wie ein Blitz eingefahren ist, einer der sich in meinen Geist eingenistet hat. Ein Roman wie Orkan, den man nicht aus der Hand legen kann, bevor man das Buch zu Ende gelesen hat. Empfehlenswert in jeder Hinsicht!

Veröffentlicht am 29.09.2018

Eine Freundin in Not

Bluthaus
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Oder ist sie auf der Flucht?

Es geht um Jo, Fridas Freundin aus Schulzeiten: eines Tages steht sie auf dem Apfelhof von Fridas Eltern, auf dem sich Frida nun nach der Unfallverletzung ihres Vaters zu ...

Oder ist sie auf der Flucht?

Es geht um Jo, Fridas Freundin aus Schulzeiten: eines Tages steht sie auf dem Apfelhof von Fridas Eltern, auf dem sich Frida nun nach der Unfallverletzung ihres Vaters zu deren Unterstützung eingenistet hat: sie braucht Hilfe. Wenig später gibt es eine Leiche - eine ehemalige Polizistin. Jo wurde mit ihr zusammen gesehen und ist nun spurlos verschwunden. Ist sie möglicherweise eine Mörderin? Kennen sich die beiden von früher? Auch wenn Frida eigentlich gar nicht im Dienst ist, diesem Fall kann sie sich nicht entziehen.

Auch Kriminalhauptkommissar Bjarne Haverkorn, der Frida bereits als Jugendliche im Rahmen von Ermittlungen kennengelernt hat und auch im "Totenweg" eine Rolle spielte, tritt wieder auf den Plan - wieder als Fridas Kollege, auch wenn sie ja eigentlich nicht "richtig" im Dienst ist..

Auch diesmal ermitteln Bjarne Haverkorn und Frida Paulsen sowohl gemeinsam als auch getrennt voneinander. Auf beiden lastet die Vergangenheit - sowohl privat als auch beruflich, wobei es vor allem bei Bjarne vollkommen neue Entwicklungen gibt.. Werden sie es schaffen? Hat Frida neben ihrer Arbeit auf dem Apfelhof überhaupt Zeit? Kann sie ihrer Freundin Jo helfen oder muss sie diese verhaften.

Inhaltlich dicht und sehr atmosphärisch und auch der Stil von Romy Fölck gefällt mir sehr, aber daran habe ich auch nicht gezweifelt, weil ich bereits mehrere Krimis von ihr gelesen hatte. Dabei war "Totenweg" der bisherige Höhepunkt - das "Bluthaus" steht ihm aber nur wenig nach und ist es allemal wert, gelesen zu werden.

Denn wieder ist Romy Fölck ein atmosphärischer Krimi mit regionalen Akzenten und interessanten Charakterengelungen, der sich zu einem mitreißenden Whodunnit entwickelt. Abgesehen von einigen Kleinigkeiten - manches kam mir ein wenig unlogisch vor, einige Erzählstränge wurden nicht so ausgeführt, wie ich es mir erhofft hatte- hat mir das Buch wirklich gut gefallen und ich habe es mit Spannung und Vergnügen gelesen und kaum aus der Hand legen können.

Romy Fölck, eine Autorin, an der ich dranbleiben werde. Ich freue mich schon jetzt auf einen möglichen dritten Band mit Frida und Bjarne und hoffe sehr, dass alle anderen Akteure aus ihrem privaten Umfeld, die für sie selbst von Bedeutung sind, auch weiterhin eine Rolle spielen werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Spannung
  • Charaktere
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 29.09.2018

Spannend wie ein Krimi

Queen Victoria
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ist Julia Bairds Biographie der Königin Victoria von England, nein, natürlich der Königin des British Empire, war sie doch Herrscherin über ein ganzes Imperium. Immerhin fällt ihr Regiment in ...

ist Julia Bairds Biographie der Königin Victoria von England, nein, natürlich der Königin des British Empire, war sie doch Herrscherin über ein ganzes Imperium. Immerhin fällt ihr Regiment in die Zeit des Imperialismus und Kolonialismus.

Victoria war Königin in einer Zeit, in der eigentlich nur Männer das Zepter in der Hand hielten - sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinne. Und auch, wenn ihr Vater bereits bei ihrer Geburt Visionen von ihr als Königin hatte, war sie für die britische Thronfolge doch keineswegs gesetzt. Bei ihrer Geburt die Nummer fünf, wuchs sie ohne ihren ehrgeizigen Vater, den sie - um vieles älter als ihre Mutter Victoire von Sachsen-Anhalt - bereits im Alter von einem Jahr verlor. Die eingeheiratete Deutsche war nicht unbedingt beliebt und hatte bei Hofe vor allem keine Lobby.

Wie es doch dazu kam, dass das Mädchen Victoria zur Herrscherin über ein Riesenreich, das aus vielen verschiedenen Staaten bestand, schildert die australische Historikerin Julia Baird in ihrer ausführlichen Biographie aufs Eindrucksvollste. Ihr unterhaltsamer, eindringlicher Stil, was die Angelsachsen für ein unglaubliches Talent haben, Spannung und Pep in Sachbücher hineinzubringen. Natürlich, auch ohne einen Hauch der Wissenschaftlichkeit einzubüßen!

Was für eine unglaublich spannende, vielschichtige Person Königin Victoria war, das erfährt man bereits in der sehr anschaulichen Einführung, die mir große Lust gemacht hat, weiterzulesen. Die Darstellungen sind garniert mit zahlreichen eindrucksvollen Bildern, zunächst sind es Zeichnungen und Gemälde, dann mehr und mehr Fotos - ja, es war auch die Zeit der Industrialisierung, die während des langen Regiments der Herrscherin - über 63 Jahre war sie im Amt - in voller Blüte stand und viele, viele ganz neuartige Probleme sozialer Art mit sich brachte, die man so nicht erwartet hatte.

Victoria erfüllt in vielerlei Hinsicht die Klischees, die man mit ihr in Verbindung bringt - doch in weitaus mehr Fällen tut sie es eben nicht! Es gibt viel, viel Überraschendes, was man erfährt, sowohl über ihre Ehe mit Albert von Sachsen Coburg und über anderweitige familiäre Zusammenhänge als auch über das politisch-gesellschaftliche Gefüge jener Zeit.

Der Leser muss sich einmal vor Augen halten, was die 1819 geborene Victoria alles miterlebt hat und was sie geprägt hat. Das betrifft nicht nur mannigfaltige historische Ereignisse, sondern auch ihre zu ganz überwiegenden Teilen deutsche Herkunft und Prägung, die durch die Heirat noch gefestigt wurde. Warum sie trotzdem für England steht wie kaum ein(e) andere(r) - nun, lesen Sie selbst, sie werden es nicht bereuen.

Denn Julia Baird verfügt über eine große erzählerische Kraft, durch die sie aus ihren akribischen Recherchen gepaart mit klugen Analysen und Überlegungen die Biographie einer zentralen Herrscherfigur des 19. Jahrhunderts geschaffen hat, die zu einem der wegweisenden Werke zur Europäischen Geschichte insgesamt werden könnte. Auf jeden Fall ein Meilenstein, aber kein belastender, sondern ein stilistisch so leichtfüßig tänzelnd daherkommender, dass man gar nicht merkt, wie flüssig sie sich lesen lässt - bis man feststellen muss, dass man bereits durch ist. Und auf einen ausführlichen Anhang mit zahlreichen Belegen stößt, bei dem ich nur eine Zeitleiste mit Überblicksdaten zu Victorias Leben vermisst habe.

Veröffentlicht am 28.09.2018

Weihnachtsleckereien aus Schweden

Julgodis - Weihnachtsbäckerei aus Schweden
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Das Schweden ein oder sogar DAS Weihnachtsland ist, das ist bekannt. Nicht umsonst haben sie viele eigene, damit verbundene Rituale, die anders sind als überall sonst. So zum Beispiel das Lucia-Fest, das ...

Das Schweden ein oder sogar DAS Weihnachtsland ist, das ist bekannt. Nicht umsonst haben sie viele eigene, damit verbundene Rituale, die anders sind als überall sonst. So zum Beispiel das Lucia-Fest, das Lichterfest am 13. Dezember: dann wird in der dunklen Jahreszeit dem Licht gehuldigt. Mit speziellen Liedern und mit ganz viel Licht vor allem in Form von Kerzen, die die zur Lucia ernannte Maid - blond muss sie sein - sogar auf ihrem Haupte trägt.

Meine Eltern hatten schwedische Freunde und wir wurden jedes Jahr in der Weihnachtszeit zu ihnen eingeladen. Uns erwartete ein üppig gedeckter Tisch, auf dem klassischerweise sieben Sorten Plätzchen nicht fehlen durften. Natürlich neben Unmengen von herzhaften Gerichten - hungrig musste niemand nach Hause gehen.

In diesem prallen und bunten Buch liegt der Akzent definitiv auf den süßen Weihnachtsleckereien und ich kann gar nicht sagen, ob nun die Rezepte oder die Ausstattung im Vordergrund stehen. Verlockend Süßes und verlockend Buntes in verführerischen Fotografien gibt es jedenfalls zuhauf! Ich glaube, ich habe schon vom Anschauen allein mindestens fünf Kilo zugenommen, aber da es ja um Weihnachten geht, ist das unwichtig.

Gottseidank - denn Kalorienzähler sollten dieses Buch gleich wegpacken. Zu groß die Auswahl an süßen Pralinen, Kuchen und Kleingebäck. Die von mir erwarteten Rezepte für klassische schwedische Weihnachtsbäckerei nehmen allerdings nur einen kleinen Teil ein - zu meiner Enttäuschung, muss ich sagen! Nach langem Suchen habe ich Finnische Weihnachtssterne und Safrankuchen gefunden - das passte so in etwa in mein Beuteschema. Aber mehr auch nicht, nicht einmal klassische Pfefferkuchen werden angeboten, sondern nur aus fertigen Pfefferkuchen zubereitete Leckereien.

Diese sind allerdings ungewöhnlich und innovativ und mit solch besonderen Zutaten wie Dulce de Leche und Himbeerpulver - für die es auch Anleitungen gibt - zubereitet. Der Fokus liegt auf Pralinen und opulenten Nachtischen wie Eisbomben - das alles ist zwar wirklich schick, gehört für mich aber nicht unbedingt zu Weihnachten.

Dennoch ein tolles Buch - vor allem für Leute, die ein Faible für Optik haben und gerne Neues ausprobieren. Davon ist für die nächsten Jahre auf jeden Fall genug vorhanden!

Veröffentlicht am 27.09.2018

Warum ist es am Rhein so schön?

Die vergessene Burg
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Dieser Frage gingen viele Engländer schon im 19. Jahrhundert nach und bereisten das Rheinland. Vielen davon gefiel es dort so gut, dass sie sich dort, vorzugsweise in Bonn, niederließen. Das war damals ...

Dieser Frage gingen viele Engländer schon im 19. Jahrhundert nach und bereisten das Rheinland. Vielen davon gefiel es dort so gut, dass sie sich dort, vorzugsweise in Bonn, niederließen. Das war damals eine gemütliche Stadt mit viel Lokalkolorit und herrlichen Ausblicken auf Rhein und den Drachenfels (an denen sich im Übrigen bis zum heutigen Tage nicht allzuviel geändert hat). Doch auch Kultur und Bildung spielten bereits eine Rolle: just im Jahre 1818 hatte der preußische König Friedrich III. dort eine Universität im Humboldtschen Geiste begründet - also in der Tat ein anregendes und für viele verlockendes Pflaster.

Im Jahre 1868 zieht es auch Paula Cooper, die ein zurückgezogenes Leben als Gesellschafterin einer kränklichen Verwandten führt, dorthin. Doch ihre Gründe sind ganz andere: Sie erhält einen Brief von ihrem dort lebenden Onkel Rudy, dem Bruder ihres längst verstorbenen Vaters, von dessen Existenz sie bislang gar nichts wusste. Rudy ist leider schwer erkrankt und möchte sie vor seinem Tode kennenlernen. Warum will Paulas Mutter, die kühle Margaret, diesen Besuch verhindern?

Paula jedoch lässt sich nicht aufhalten und in Bonn angekommen, offenbart sich ihr eine vollkommen neue Welt, die nicht nur das Kennen- und Schätzenlernen ihres bezaubernden Onkels, sondern auch die Begegnung mit einem für sie ganz neuen Lebensstil, einer fremden, aber auch sehr offenen Kultur und vielen faszinierenden Menschen umfasst. Und sie stellt fest, dass sie bisher fast nichts über ihre Herkunft und die Familiengeschichte wusste und dass es noch so einige Geheimnisse zu ergründen gibt, deren Auflösung sie merkwürdigerweise in Deutschland, genauer gesagt: am Rheinufer näher zu kommen scheint.

Susanne Goga hat schon durch ihre historischen Krimis um Kommissar Leo Wechsler im Berlin der 1920er Jahre ihr großartiges Talent in Sachen historische Romane unter Beweis gestellt: auf der einen Seite recherchiert sie akribisch und integriert fundierte, oft wenig bekannte Fakten in ihre Handlung, auf der anderen Seite bietet sie eine fiktive Geschichte mit jeder Menge Spannung und Emotionen - aber ohne jeglichen Kitschfaktor.

Auch hier ist ihr dies wieder aufs Trefflichste gelungen: "Die vergessene Burg" ist ein ebenso packender wie dramatischer und kluger Roman um das Schicksal einer nicht mehr ganz jungen Engländerin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nicht nur gelingt es ihr, das Porträt einer ebenso typischen wie untypischen Frau des 19. Jahrhunderts zu zeichnen, nein, sie bettet diese auch elegant und gekonnt in die historischen Gegebenheiten ein und zeichnet so ein faszinierendes Bild vom Leben vor allem der gehobenen Mittelschicht in England und Deutschland in dieser Zeit.

Ein ganz großartiges Leseerlebnis ist es, das Ihnen mit diesem wunderbaren Buch geboten wird. Susanne Goga bleibt ihrem gewohnt eloquenten und eindringlichen Stil, der stets von Humor begleitet wird, treu. Für mich als Rheinländerin ein ganz besonderer literarischer Genuss, der lange nachhallen wird und dazu einlädt, sich auch weiterhin mit der Geschichte Deutschlands, Englands, Frankreichs und weiterer Länder, vor allem aber: mit der Geschichte der Frauen zu beschäftigen. Definitiv eines meiner literarischen Highlights in den letzten Monaten!