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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.10.2022

Manipulation, Individuum und Politik.

Lektionen
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Nachdem ich im Urlaub den letzten “Schätzing” mit 727 Seiten gelesen hatte und häufig unbekannte technische Termini nachgoogeln mußte, erschien mir “ Lektionen” von Ian McEwan unkompliziert, obwohl dieses ...

Nachdem ich im Urlaub den letzten “Schätzing” mit 727 Seiten gelesen hatte und häufig unbekannte technische Termini nachgoogeln mußte, erschien mir “ Lektionen” von Ian McEwan unkompliziert, obwohl dieses Werk mit über 700 Seiten, eines mir bis dahin unbekannten Autors, durchaus eine Herausforderung darstellt.
Das Cover spielt wohl auf die Klavierstunden mit seiner Lehrerin, Miriam Cornell, an, die große Auswirkungen auf sein späteres Leben haben. Das Cover in schreienden Farben ist sehr passend zur Lektüre gewählt, also ein Hingucker.
Dieser Roman beschreibt die komplette Lebensgeschichte des Roland Baines, eines fiktiven Charakters, dessen privates Leben mit seinem häufigen Auf und Ab dem Leser dargelegt wird. Dabei nimmt der Autor auf das politische und gesellschaftliche Leben der letzten 80 Jahre Bezug. Das hat mir an diesem Roman besonders gut gefallen, denn ich mag Werke mit realhistorischen Bezügen, deren Rekapitulation einen wertvollen Bildungswert enthalten.
Roland Baines strebt als Erwachsener einen Idealzustand, ein unbeschreibliches Glücksgefühl, an, dass er durch Miriam kennengelernt hatte, und jetzt wieder erreichen will. Jedoch scheitert er immer wieder, bis er durch die Heirat mit Alissa am Ziel seiner Träume zu sein glaubt. Aber es folgt wieder eine Enttäuschung, da sie ihn verlässt und ihn mit dem gemeinsamen Baby zurücklässt, denn sie strebt nach beruflicher Selbstverwirklichung. McEwan verarbeitet hiermit auch das Motiv in der moralischen Verwerflichkeit eines Individuums aus persönlichen, egoistischen Lebenszielen.
Als Charakter wird Roland Bains sehr vielschichtig dargestellt. Der Leser erlebt seine Entwicklung in Rückblenden, die uns sein “Problem” und die daraus seine resultierende Zerrissenheit darlegen, welches im Verlauf der Geschichte immer mehr beschrieben wird. Sein innerer Bewußtwerdungsprozeß wird verdeutlicht und seine Selbstreflexionen über seinen psychischen Zustand.
Die Sprache ist sehr abwechslungsreich. Es wechseln sich Passagen mit philosophisch anmutenden Betrachtungen auf hohem intellektuellem Niveau mit einfacher Narration und Dialogen ab.
Dieses Werk hat mir gut gefallen. Es wendet sich an anspruchsvolle Leserinnen und Leser, die ein wenig literarische Vorbildung haben sollten, denn es wird häufig auf Schriftsteller, besonders aus dem englischen / irischen Sprachraum, Bezug genommen.

Veröffentlicht am 08.10.2022

Ist die Welt noch zu retten?

Die Welt kippt
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Der erste Roman von Heiko von Tschischwitz ist realitätsnah mit höchst interessanten und beängstigenden politischen Hintergründen, welche die sehr unterschiedlichen Interessen des Westens und Chinas hinsichtlich ...

Der erste Roman von Heiko von Tschischwitz ist realitätsnah mit höchst interessanten und beängstigenden politischen Hintergründen, welche die sehr unterschiedlichen Interessen des Westens und Chinas hinsichtlich der Klimakatastrophe deutlich machen.
Das Werk ist gut recherchiert und betrachtet die Umweltproblematik aus verschiedenen Blickwinkeln. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob alle ernsthaft versuchen, die Welt zu retten oder einige nur an ihren Profit denken.
Das tiefrote Cover stimmt perfekt mit seiner Farbwahl auf das Thema Hitze und Klimawandel ein. Ein Hingucker in jedem Buchladen!
Mal ganz abgesehen vom Inhalt ist dieser Text sprachlich überzeugend. Ein rasanter Start und ein tolles Ende! Der Spannungsbogen wird kontinuierlich aufgebaut, man ist beim Lesen sofort dicht an den Figuren dran und kann sich mit manchen identifizieren. Einige Figuren sind allerdings etwas flach.
Die Dialoge sind lebendig und authentisch, der Text entwickelt einen unglaublich starken Sog, und man will unbedingt wissen, wie es weitergeht.
Der Text ist nicht unnötig mit Nebensächlichkeiten aufgebläht, deshalb ist es leicht, am Ball zu bleiben.
Würze erhält dieser Roman durch plötzliche Wendungen, Überraschungseffekte und viel Unvorhergesehenes. Dieses brandaktuelle Thema hat mich in der hier ausgefertigten Fassung völlig überzeugt.

Veröffentlicht am 26.08.2022

Kleines Glück auf Umwegen

New Hope - Das Funkeln der Sehnsucht
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“ New Hope - Das Funkeln der Sehnsucht” ist Band 4 der “New Hope Reihe” der Autorin Rose Bloom.
Ich hatte schon viel von den Vorgängerbänden gehört, jedoch ist dieser gefühlvolle Liebesroman, gespickt ...

“ New Hope - Das Funkeln der Sehnsucht” ist Band 4 der “New Hope Reihe” der Autorin Rose Bloom.
Ich hatte schon viel von den Vorgängerbänden gehört, jedoch ist dieser gefühlvolle Liebesroman, gespickt mit Kritik am amerikanischen Schulsystem, das erste Werk, welches ich von dieser Autorin mit Begeisterung in kurzer Zeit verschlungen habe.
Das helle Blau des Covers wirkt beruhigend und die Haptik birgt einen Überraschungseffekt. Es passt perfekt zu dieser Handlung.
Das Setting ist die fiktive Kleinstadt New Hope in den USA, die gut vorstellbar beschrieben wurde.
Die Charaktere sind der Autorin prima gelungen.
Besonders in den Protagonisten Jackson, ein Arzt, konnte ich mich gut hineinversetzen. Während seiner Schulzeit war er ein Mobbingopfer und er hat den Ort verlassen. Jetzt ist er notgedrungenermaßen zurückgekehrt, da er dort von seiner Tante, bei der er aufgewachsen ist, eine kleine Pension in diesem Ort geerbt hat. Aber es überfallen ihn all die schlechten Erinnerungen an seine Schulzeit dort.
Die weibliche Protagonistin ist Cassie, die Jackson von früher kennt. Der Roman wird aus den Sichtweisen der beiden Hauptprotagonisten geschildert. Rückblenden dienen der besseren Beleuchtung des Seelenzustandes von Jackson, der Handlung generell. Diese Liebesgeschichte ist gespickt mit vielen Gefühlen und Emotionen, ohne kitschig zu wirken. Deshalb habe ich das Werk sehr gerne gelesen, zumal der locker zu lesende Schreibstil eine zügige Lektüre ermöglicht.
Ich habe große Lust, auch die 3 Vorgängerbände zu lesen. Generell leichte Sommerlektüre, aber auch mit Tiefgang, die ich jeder romantisch angehauchten Leserin empfehlen kann.

Veröffentlicht am 20.08.2022

Natur in der Elbmarsch

Die Rückkehr der Kraniche
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Dieser Familienroman mit seiner norddeutschen Atmosphäre hat alle meine Erwartungen erfüllt. Bereits das Cover vermittelt eine entschleunigende Atmosphäre voller Romantik und Melancholie. Die wunderschön ...

Dieser Familienroman mit seiner norddeutschen Atmosphäre hat alle meine Erwartungen erfüllt. Bereits das Cover vermittelt eine entschleunigende Atmosphäre voller Romantik und Melancholie. Die wunderschön beschriebene Natur im Hamburger Elbumland, mit allen dort lebenden Tieren, lässt den Leser in eine fremde Welt eintauchen. So ist auch die Dorfatmosphäre, die jeden diskreiminiert, der sich nicht genau spurgenau verhält, sehr realistisch beschrieben.
Das alte Haus inmitten der Elbmarsch ist das Zuhause der 50-jährigen Vogelwartin Greta und Wilhelmine, Wilhelmine, ihrer sehr herrischen, alten, Mutter die immer schwächer wird. Ihre Schwester Freya, die sich dem bedrückenden Dorfleben entziehen konnte und Karriere in Berlin gemacht hat, kommt zu Besuch, ebenso wie Anne, ihre in Bremen dauerstudierende Tochter. Sie wollen Wilhelmine in ihrer vermutlich letzten Zeit beistehen.
Alle Frauen hatten völlig verschiedene Lebensentwürfe, teils gewählt, teils aus der Not heraus geboren. Sie werden sehr authentisch beschrieben. Besonders gut gefällt mir die Beschreibung von Wilhelmine, die ihre Töchter allein durchbringen musste. Sie steht für viele Frauen auf dem Lande in der Nachkriegszeit, die niemals die Chance hatten, sich selbst zu verwirklichen, geschweige denn ihr Dorf zu verlassen. Zu Arbeit von früh bis spät waren sie verdammt.
Der Perspektivwechsel gibt einen guten Einblick in das jeweilige Seelenleben der vier Hansen - Frauen. Wird Greta noch ungelebte Träume verwirklichen können? Auch sie hat immer in dem abgeschiedenen Dorf gelebt und hat den Resthof in Schuss gehalten. Die Themen sind auch das Älterwerden, der unerfüllte Kinderwunsch, ein unterdrücktes Liebesleben, das Verlassenwerden und Neuorientierung.
In allen Frauen stecken viele Geheimnisse. Aber werden sie ihr Leben verändern können, zumal das Reden miteinander schwerfällt?
Allen ist auf ihre jeweilige Weise die Natur wichtig Grete als Vogelwartin, Freya verkauft grüne nachhaltige Produkte, Anne studiert Umweltfragen, Wilhelmine ist nur in dieser grünen Landschaft glücklich.
Der ruhige sehr bildhafte Erzählstil ist Balsam für die Seele, ohne langweilig zu sein, denn man ist immer auf den Fortgang der Erzählung gespannt und wartet auf die sich sehr langsam anbahnende emotionale Annäherung der Frauen, die teilweise unnahbar wirken. Also typisch norddeutsch?
Ich kann dieses Werk Jedem empfehlen, der an komplizierten Familiengeschichten interessiert ist und einen Einblick in die Natur der norddeutschen Elbmarsch schätzt. Mich hat dieser Roman sehr begeistert, daher 5 Punkte

Veröffentlicht am 03.08.2022

Ich lebe wie es mir gefällt

Susanna
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“Susanna” ist mein erstes Werk von Alex Capus. Da es sich bei ihm um einen Schweizer handelt, entsprechen etliche Ausdrücke nicht dem Hochdeutschen, können aber aus dem Zusammenhang entschlüsselt werden.
Das ...

“Susanna” ist mein erstes Werk von Alex Capus. Da es sich bei ihm um einen Schweizer handelt, entsprechen etliche Ausdrücke nicht dem Hochdeutschen, können aber aus dem Zusammenhang entschlüsselt werden.
Das Cover gefällt mir gut, denn die dargestellte Brooklyn Bridge symbolisiert den Fortschritt in der Neuen Welt. Neben Dampfmaschinen und Glühbirnen wird die maschinelle Industrialisierung als Motor für das veränderte Leben der Bevölkerung dargestellt. Die “First Nations” jedoch kämpfen ums Überleben, werden ihrer Kultur beraubt und leben in Reservaten. Auflehnung ist kaum machbar, da die Kavallerie zur Unterdrückung bereitsteht. Die Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens wird aber nirgendwo im Roman hinterfragt.
Capus zeichnet die Lebensgeschichte von Susanna Carolina Faesch, die als Malerin Caroline Weldon bekannt wurde, allerdings werden erst Fakt und Fiktion zu diesem Werk.
Als Kind einer wohlhabenden Familie kann sich die Protagonistin des Romans bereits stark durchsetzen. Ihre Mutter bedrückt die kleinbürgerliche Enge ihrer Ehe, und sie beschließt nach New York zu Karl Valentiny auszuwandern, in den sie bereits vorher verliebt war. Dort wächst Susanna in Brooklyn auf, kann bereits als Jugendliche ihr künstlerisches Talent entwickeln und eigenes Geld durch Portraitmalerei verdienen. Sie heiratet einen Arztkollegen ihres Stiefvaters, aber die Ehe bleibt kinderlos. Nach einer Affäre wird sie schwanger, jedoch verlässt sie ihr Ehemann daraufhin.Sowohl Christy, ihr Sohn, als auch Susanna sind fasziniert von den Ureinwohnern. Auch er ist sehr durchsetzungsstark. So fahren Mutter und Sohn, als er 13 Jahre alt ist, zu Sitting Bull im Dakota Territorium. Aber im Anschluss an diese Begegnung endet das Buch unvermittelt, was mich sehr verwundert und enttäuscht hat.
Es wird deutlich, dass Susanna, aufgrund einer Erbschaft, ihrem Leben freien Lauf lassen kann. Auch kann der Leser verfolgen, wie sie, aufgrund ihres sehr unabhängigen Lebensstils, in Brooklyn nicht diskriminiert wird. Wir haben immerhin die erzkonservative Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts!
Die Protagonistin ist sehr detailliert und individuell gezeichnet und somit als außergewöhnlich dargestellt. Aber auch die meisten anderen Figuren sind authentisch und gut beschrieben. Dieser Stoff ist mal etwas Anderes!
Die gewählte Erzählweise ist flüssig, sehr bildhaft und fördert den Lesefluss. Allerdings gibt Capus oft eine zu detaillierte Beschreibung der Personen und besonders der Landschaft, dem Setting generell. Bei “schlüpfrigen” Themen hingegen macht er nur Andeutungen.
Er liefert einen guten Einblick in die damalige Zeit, jedoch sind die die Detailbeschreibungen, besonders im ersten Teil, für mich zu langatmig. Das geht zu Ungunsten der Handlung. Daher ein Punkteabzug.
4 Punkte