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Venatrix

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Veröffentlicht am 19.12.2019

Fesselnd bis zur letzten Seite

Tod in der Speicherstadt
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Hauke Sötje, Polizist in Kiel, verschlägt es wegen seiner Ermittlungen zu Schmugglerbanden, die einen Kollegen getötet haben, nach Hamburg. Das trifft sich gut, denn seine Verlobte Sophie arbeitet seit ...

Hauke Sötje, Polizist in Kiel, verschlägt es wegen seiner Ermittlungen zu Schmugglerbanden, die einen Kollegen getötet haben, nach Hamburg. Das trifft sich gut, denn seine Verlobte Sophie arbeitet seit geraumer Zeit im Haushalt des Kaufmannes Winter als Gesellschafterin für dessen Tochter Clara.

Noch bevor Hauke seine Recherchen weiterverfolgen kann, geht ein Ewer in Flammen auf und die verkohlte Leiche wird an Hand des Siegelringes als Johann Bellingrodt, Sohn eines mächtigen Hamburger Kaufmannes identifiziert. Hauke wird in die Ermittlungen einbezogen und schnell wird klar, dass nichts so ist, wie es scheint. Egal wohin sich der Kommissar wendet, der Name Bellingrodt ist allgegenwärtig.

Im zweiten Handlungsstrang schauen wir Sophie über die Schulter, die der bislang extra behüteten Clara ein wenig vom echten Leben erklärt. Ohne es zu wollen, gerät Sophie in die Machtsphäre der Bellingrodts und damit in akute Lebensgefahr.

Meine Meinung:

Der Autorin ist wieder ein fesselnder historischer Krimi gelungen, der die Vormachtstellung einzelner Kaufleute deutlich macht. Dass dies nicht immer mit rechten Dingen vor sich geht, ist klar.

Der bildhafte Schreibstil von Anja Marschall lässt uns tief in das Hamburg der Kaiserzeit eintauchen. Die Bedrohung durch Armut und Krankheit ist deutlich spürbar. Die Arbeiter werden ausgebeutet und sind der Willkür ihrer Arbeitgeber hilflos ausgesetzt. So entpuppt sich manche angebliche Wohltat als Danaer-Geschenk und dem einen oder anderen bleibt nur mehr der Selbstmord.
Sehr gut gelungen ist auch die Darstellung der Frauen dieser Zeit: Entweder reich und hilflos oder arm, ausgebeutet und auch hilflos. Beide den Konventionen der Zeit unterworfen. Kein Wunder, dass Figuren wie Sophie hier herausragen.

Immer wieder sind historische Ereignisse und Personen in die Handlung eingeflochten. So sammeln sich die Hafenarbeiter zu Streiks und die berüchtigte Engelmacherin von St. Pauli Elisabeth Wiese steht Patin für die Gertrud Wiesner. Auch das erwähnte Kaufhaus Tietz gab es wirklich.

Um sich im historischen Hamburg zurecht zu finden, gibt es zu Beginn des Buches einen alten Stadtplan.

Fazit:

Wieder ein gut gelungener, fesselnder historischer Krimi aus der Feder von Anja Marschall, dem ich gerne 5 Sterne und einer Leseempfehlung gebe.

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Veröffentlicht am 19.12.2019

Mehr offene als beantwortete Fragen

Die Zeit der vergessenen Kinder
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"An einem Morgen im November 1976, kurz nach meinem elften Geburtstag, nahm meine Mutter mich zu einem Ausflug mit in den Wald oberhalb des Möhnesees und kehrte allein wieder zurück" mit diesem Satz beginnt ...

"An einem Morgen im November 1976, kurz nach meinem elften Geburtstag, nahm meine Mutter mich zu einem Ausflug mit in den Wald oberhalb des Möhnesees und kehrte allein wieder zurück" mit diesem Satz beginnt der Debütrooman von Charlott Kliemann.

Dieses Kind ist Martin, den dieses Ereignis schwer traumatisiert. Was muss das für eine Mutter sein, die ihrem Kind so etwas antut? Und wie verkraftet das ein Kind?
Genauso wie Claudia, deren Lebensgeschichte Martin auf einem Laptop aus einer Verlassenschaft liest, schleppt Martin seine Belastungen mit sich herum. Zwei Traumatisierte, die versuchen, so etwas wie eine Beziehung einzugehen.
Der Roman spielt auf drei Zeitebenen, 1941 und folgende Jahre, 1976 und 2008. Das macht ihn interessant und zugleich ein wenig unübersichtlich.
Leider bin ich den Figuren nicht näher gekommen. Zwischen der Kindheit von Rubina (Martins Mutter), die als Angehörige der Roma in der Nazi-Zeit der Verfolgung ausgesetzt war, und der Episode im Wald, klaffen Lücken, die nicht geschlossen werden. Um Verständnis für Rubina, die nun in der Psychiatrie lebt, zu entwickeln, hätten diese geschlossen werden müssen.
Auch Claudias Herkunft, der Vater ist ein strammer Nazi, die Mutter eine Jüdin, ist problematisch. Die Mutter hat Claudia verlassen als diese ein Kind war und leitet in Indien ein Waisenhaus. Claudia kann nicht verstehen, warum die Mutter ein Kind, nämlich sie, Claudia verlassen hat, um fremde Kinder zu betreuen. Ich kann diese Beweggründe ehrlich gesagt auch nicht nachvollziehen. Alles mit den Kriegsereignissen erklären zu wollen, erscheint mir nicht stichhaltig.

Zum Schreibstil: Mit dem konnte ich mich nicht so recht anfreunden. An manchen Stellen soll er wohl poetisch sein, klingt aber ein wenig seltsam.

„Ich suchte nach Claudias Geruch, dem Geruch nach gerösteten Mandeln, auf den ich gestoßen war, nachdem das Tutti-Frutt-Aroma ihres Parfums dem intensiven Gebrauch ihrer Leiblichkeit nicht standgehalten hatte, gewissermaßen abgewischt worden war.“
„Intensiver Gebrauch der Leiblichkeit“? denkt so ein liebender Mann nach einer Nacht voller Zärtlichkeiten?

Sowohl Martin als auch Claudia scheinen sich wie Ertrinkende aneinander zu klammern und den jeweils anderen in den eigenen Abgrund zu ziehen. Vielleicht wäre professionelle Hilfe eine Lösung?

Von den Charakteren bin ich am ehesten Rubina nahe gekommen. Die Geschichte ihrer Kindheit ist für mich gut nachvollziehbar. Letztlich bleiben mehr Fragen offen als beantwortet werden. Daher kann ich leider nur 2 Sterne vergeben.

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Veröffentlicht am 16.12.2019

NIcht nur eine Biografie sondern ein Stück Zeitgeschichte

Gerd Müller
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Wer kennt ihn nicht, den Gerd Müller, den „Bomber der Nation“? Das legendäre Doppelpassspiel „Beckenbauer zu Müller, Müller zu Beckenbauer, zurück zu Müller, Toooooooooor“ ist uns wohl allen bekannt.
Wer, ...

Wer kennt ihn nicht, den Gerd Müller, den „Bomber der Nation“? Das legendäre Doppelpassspiel „Beckenbauer zu Müller, Müller zu Beckenbauer, zurück zu Müller, Toooooooooor“ ist uns wohl allen bekannt.
Wer, so wie ich schon ein wenig älter als 30 Jahre ist, kann sich an den stämmigen Fußballer, der, so hat es für die Zuschauer den Anschein, stets vor dem gegnerischen Tor herumlungerte und in einem unbeobachteten Moment den Ball in eben diesem Tor versenkte, erinnern.

Historiker Hans Wollner hat einen etwas anderen Blick auf das runde Leder und nimmt neben Gerd Müller auch das Umfeld in Augenschein. Er beschreibt nicht nur den Fußballer sondern auch den Menschen, der hinter ihm steht. Woller nähert sich ihm behutsam, taktvoll und dennoch offen an. Der Autor recherchiert und recherchiert, führt Interviews und ist erstaunt, dass manche Interviewpartner nicht öffentlich zitiert werden wollen. Genauso wenig öffnet der FC Bayern seine Archive. Die Vermutung, dass das alles mit der Verstrickung des Fußballs mit den diversen Geldflüssen und Steuervermeidungsstrategien, die von der Politik Bayern geduldet, wenn nicht sogar gefördert wurde, zusammenhängt, liegt nahe. Der Finanzskandal rund um den Fußballklub hat ja einst hohe Wellen geschlagen. Nicht, dass der FC Bayern der einzige Verein wäre, der solche Tricks auf Lager hat(te). Doch es scheint, als wäre er die Spitze des Eisbergs, was eine getürkte Einnahmen/Ausgaben-Rechung und Steuervermeidung mit Politikbeteiligung betrifft.

Der Fokus dieses Buches liegt streckenweise eher auf den Malversationen des FC Bayern München und die Verstrickung von Politik, Managern und den Umgang mit der Presse denn auf dem Fußballstar. Obwohl, Star, so scheint es, wollte Gerd Müller keiner sein. Natürlich haben er und seine Frau Uschi die Annehmlichkeiten des Ruhmes genossen, die Schattenseiten der Popularität sind dann umso härter ausgefallen. Müller wird hier als ein schüchterner Mensch beschrieben, der das Rampenlicht lieber Franz Beckenbauer oder Uli Hoeneß überlassen hat. Doch ausgerechnet die sind es dann, als Gerd Müller nahezu pleite und alkoholkrank aus Amerika zurückkehrt, die ihn auffangen und ihm Halt geben. Aus schlechtem Gewissen oder doch Nächstenliebe? Gerd Müller erhält einen Trainerjob im Stab der zweiten Mannschaft der Bayern, den er von 1992 bis 2014 inne hat. 2015 gibt der FC Bayern bekannt, dass ihr einstiger Topstar an Demenz erkrankt ist, und in einer entsprechenden Einrichtung betreut werden muss. Uschi Müller besucht ihn jeden Tag.
Das Buch gibt überraschende und weniger überraschende Einblicke in den Alltag des Fußballs und speziell dem des FC Bayern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Für mich neu war, dass die Fußballer ununterbrochen Freundschaftsspiele absolvierten, um Geld in die leeren Kassen der Vereine zu spie(ü)len. Der „Präse“ hat dies ohne Rücksicht auf die Spieler einfach angeordnet - Regenerationszeit gleich null. Das Fehlen von Ärzten, Masseuren und sonstigen, heute üblichen Helferleins hat mich auch ein wenig irritiert. Wenn man sich ansieht, über welchen Betreuerstab die einzelnen Mannschaften heute
verfügen, wundert es fast ein wenig, wie die Fußballer früher erfolgreich sein konnten.

Fazit:

Ein fundiert recherchiertes Sachbuch, das einen etwas anderen Blickwinkel auf Deutschlands liebste Sportart hat. Ich kann das Buch als Geschenk für Fußballfans empfehlen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Ein humorvoller Rückblich auf die Schule

Schreibe 100 Mal: "Ich darf nicht ..."
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Ein humoristischer Streifzug in die schulische Vergangenheit, die manchem als wunderbar und verklärt erscheint. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch damals nicht alles Gold war, was glänzte.

Beispiele ...

Ein humoristischer Streifzug in die schulische Vergangenheit, die manchem als wunderbar und verklärt erscheint. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch damals nicht alles Gold war, was glänzte.

Beispiele gefällig?

Klassenzimmer mit einem Kohleofen und mehr als 40 Schülern - habe ich 1970 im Gymnasium selbst noch erlebt und habe nichts Glamouröses daran gefunden.

Handgranaten werfen mussten wir nicht, aber für eine Lehrkraft, die ein Haus bauen wollte, Ziegel stehlen. Pädagogisch wertvoll?

Ok, die Streiche, die man (auch wir) den Lehrern gespielt hat, haben (uns) meistens amüsiert und zu keinen Gerichtsverhandlungen geführt. Heute, aus der Entfernung muss ich sagen, dass wir ganz schöne „G’fraster“ (Böse Buben + Mädchen) waren.

Das Naturgeschichte-Kabinett unserer Schule ähnelte dem hier Beschriebenen: von Motten zerfressene Tierpräparate (Brr)

Fazit:

Ein Büchlein, das man eventuell heutigen Lehrern schenken sollte, die behaupten, die Schüler früherer Jahre (sie mit eingeschlossen) waren viel braver.

Veröffentlicht am 15.12.2019

Mein erster Fall von Lena Lorenzen

Die Frau auf Nordstrand
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Dieser Krimi ist der 5. aus der Reihe rund um die KHK Lena Lorenzen, für mich allerdings der erste. Ich blicke daher völlig unbefangen Lorenzen über die Schulter und habe auch nicht das Gefühl etwas zu ...

Dieser Krimi ist der 5. aus der Reihe rund um die KHK Lena Lorenzen, für mich allerdings der erste. Ich blicke daher völlig unbefangen Lorenzen über die Schulter und habe auch nicht das Gefühl etwas zu vermissen.

Worum geht’s?

Eine Frauenleiche wird gefunden und recht bald ist klar, dass es sich um Lawan Yao Yun, die thailändische Ehefrau des Bauern Elbo Theisen, handelt. Während Ole Kotten, Lenas Kollege an eine Beziehungstat glaubt, ist Lene nicht ganz davon überzeugt. Deshalb nimmt sie das Leben der Toten besonders genau unter die Lupe. Dabei trifft sie auf die üblichen Vorurteile, wenn europäische Männer junge Thailänderinnen heiraten.


Meine Meinung:

Der Krimi lässt leicht und locker lesen. Er ist unblutig und in eher nüchternem Schreibstil gehalten, was aber nicht störend ist.

Neben der Krimihandlung sind auch die Privatleben von Lorenzen bzw. Kotten gut eingeflochten ohne überhand zu nehmen. Schön ist auch, dass die Landschaft eine gewisse Rolle spielt.

Sehr interessant habe die Darstellung der Toten und ihrem Umfeld gefunden. Einerseits hat Elbo seine Frau nahezu vergöttert und ihre in Thailand zurückgebliebene Familie mit monatlichen Zahlungen unterstützt und andererseits haben die beiden doch ziemlich sprachlos miteinander gelebt.
Hier bin ich versucht, Heimito von Doderer zu zitieren: "Wer sich in Familie begibt, kommt darin um."

Die Auflösung überrascht mit interessanten Wendungen, ist aber plausibel.

Nebenbei erfahren wir, dass ein Wechsel bei Lorenzens Vorgesetztem ansteht, der einiges an Konfliktpotenzial für den nächsten Band birgt.

Fazit:

Dieser Krimi wird nicht mein letzter dieser Reihe sein. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

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