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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.01.2021

Ein gelungener Reihenauftakt

Debütantenball
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Man schreibt das Jahr 1814: Napoleon ist auf die Insel Elba verbannt und die Sieger versuchen auf dem Wiener Kongress (18.09.1814-09.06.1815), die alten Grenzen der Reiche wiederherzustellen. Die Hauptstadt ...

Man schreibt das Jahr 1814: Napoleon ist auf die Insel Elba verbannt und die Sieger versuchen auf dem Wiener Kongress (18.09.1814-09.06.1815), die alten Grenzen der Reiche wiederherzustellen. Die Hauptstadt des österreichischen Kaiserreiches ist voller gekrönter Häupter und ihrer Entouragen, in denen sich neben Ehefrauen auch Mätressen, Diener und Spione tummeln. Eine Figur, die zahlreiche Fäden in der Hand hält, ist die russische Fürstin Katharina Pawlowna Bagration. La Bagration spielt auch in diesem historischen Roman eine große Rolle.

Im Haus der Grafen Friedrich von Wohlleben herrscht gespannte Aufregung. Der fünfzehnjährigen Tochter Fanny steht das gesellschaftliche Debüt bevor. Fanny ist allerdings ein Wildfang und schert sich wenig um ihre Reputation. Um ihr vorab noch ein wenig Feinschliff zu verpassen, wird ihr eine bekannte Gesellschaftsdame zur Seite gestellt, ohne zu wissen, dass man damit den Bock zum Gärtner macht.
Auch ihre ältere Schwester Sophie, die ihren Verlobten auf einem, der zahlreichen Schlachtfeldern gefallen wähnt, muss sich ihren Gefühlen stellen.

Bruder Georg, ein schneidiger Offizier, der wenig anbrennen lässt, gerät in die Fänge der Bagration, mit ungeahnten Folgen für die Familie ...

Meine Meinung:

Autorin Michaela Baumgartner nimmt den Wiener Kongress als Kulisse für ihren historischen Roman im englischen Regency-Stil.

Das Buch lässt sich flüssig und locker lesen. Für manche Leser mag der politische Hintergrund des Wiener Kongress ein wenig komplex erscheinen, mir hat er gut gefallen. Ich hätte mir noch ein wenig mehr vom Intrigantenstadl gewünscht.

Der Autorin ist es gut gelungen historische Persönlichkeiten wie eben die Bagration bzw. historische Details wie den Brand des Palais Rasumofsky in der Silversternacht von 1814 in die Ereignisse rund um Fanny und Sophie einzuflechten.
Der Roman gibt Einblicke in die bigotte Welt der 19. Jahrhunderts. Gut verheiratet zu sein ist alles. Persönliche Vorlieben nebensächlich, denn, wenn man nur diskret genug vorgeht, sind standesgemäße Liebschaften auch für Ehefrauen möglich. Um Diskretion brauchen sich die Männer, vor allem die jungen Offiziere nicht zu scheren. Es gehört zum guten Ton, reihenweise Dienstmädchen zu verführen und anschließend fallen zu lassen.

Dieser historische Roman scheint als Reihe konzipiert zu sein. Schauen wir einmal, welche Überraschungen der nächste Teil bringt.

Fazit:

Wer sich gerne in die kapriziöse Welt des Wiener Adels begibt, ist hier richtig. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 31.01.2021

"Im Frieden gelten andere Regeln"

1946: In den Ruinen von Babylon
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„Im Frieden gelten andere Regeln.“ „Jetzt darf man töten wieder Mord nennen“

Carlo Feber, Autor zahlreicher historischer Roman entführt die Leser in das Berlin des Jahres 1946.

Die Stadt liegt in Trümmern, ...

„Im Frieden gelten andere Regeln.“ „Jetzt darf man töten wieder Mord nennen“

Carlo Feber, Autor zahlreicher historischer Roman entführt die Leser in das Berlin des Jahres 1946.

Die Stadt liegt in Trümmern, die Menschen sind teilweise demoralisiert, teilweise haben sie Hoffnung auf einen Neubeginn. Fast allen ist die Jagd nach Lebensmitteln und Gütern des täglichen Gebrauchs gemeinsam. Doch es ist kaum etwas auf Bezugsscheine erhältlich, weswegen der Schwarzmarkt floriert und sich große und kleine Gauner breit machen.

Atze und Günni, zwei Kinder, finden auf einer ihrer Suche nach brauchbaren Resten die Leiche von Margarete Döring, einer Apothekerin und angehenden Politikerin. Sie klauen deren Ohrringe, melden aber die Tote bei der Polizei. Damit setzen sie eine Ermittlung in Gang, deren Dimension nicht abschätzbar ist.

Kommissar Oskar Brenner beauftragt Curt Lanke und Hajo Steinert, zwei Kommissaranwärter, mit den Ermittlungen. Schnell stoßen sie auf zahlreiche Ungereimtheiten im Leben der Apothekerin. Warum interessiert sich die Polizei der französischen Besatzer für den Fall? Was hat es mit der chemischen Analyse der Tabletten „Cibazol“ auf sich? Will die Apothekerin in den Handel mit gefälschten Medikamenten einsteigen? Hat sie deswegen eine große Menge Devisen in ihrem Tresor?

Lanke und Steinert sind nicht die Einzigen, die in diesem Mordfall Nachforschungen anstellen. Da ist neben Günni, noch die Näherin Hella, die das Abendkleid für Margarete Döring genäht hat. Als sie entdeckt, dass ihre Chefin das eine oder andere Geheimnis hat, beginnt sie Nachforschungen anzustellen, die sie in große Gefahr bringen.

Meine Meinung:

Das zerstörte Berlin, wenige Monate nach Kriegsende, bietet eine ideale Kulisse für diesen Krimi. Die vier Besatzungsmächte müssen erst die Strukturen wieder errichten, was angesichts der Trümmer nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Es ist schwierig, Menschen zu finden, die keine Anhänger des Regimes waren. Zu den wenigen gehören Lanke und Steinert, die nun in die neue Kriminalpolizei aufgenommen werden sollen.

Die Charaktere sind gut gelungen und die Atmosphäre wirkt authentisch.

Wir lernen zahlreiche Menschen kennen, die unterschiedlicher nicht sein können. Lanke und Steinert, die Jungs Atze und Günni, die nichts anderes als HJ, Parolen, Bombenhagel kennen und vaterlos aufwachsen müssen, Sigrid und Hella, die neben ihrer Arbeit in der Schneiderei als Tänzerinnen auftreten.

Eine schillernde Figur ist die ermordete Pharmazeutin: Man versucht ihre Reputation zu untergraben und dichtet ihr an, die Apotheke auf unredliche Art erworben zu haben, um ihre Kandidatur zu verhindern.

Wir Leser bekommen einen guten Eindruck vom Leben der Menschen im Berlin des Jahres 1946. Jeder ist sich selbst der Nächste und viele versuchen rücksichtslos, Vorteile zu lukrieren. Wir begleiten Atze und Günni bei ihrer Jagd nach braubaren Gütern aus den Trümmern, die sie auf dem Schwarzmarkt eintauschen und dürfen Sigrid und Hella bei ihren Auftritten als Tänzerinnen zusehen.

Die Ermittlungen der beiden Kommissar-Anwärter gestalten sich komplex. Mehrmals werden sie nicht ernst genommen. Durch den krankheitsbedingten Ausfall von Oskar Brenner, sind sie auf sich allein gestellt und müssen improvisieren. Sie ermitteln in verschiedene Richtungen. Autor Carlo Feber schickt nicht nur seine Ermittler in diverse Sackgassen, sondern auch die Leser, denn nichts ist, wie es scheint.

Fazit:

Ein gut gelungener, spannender Reihenauftakt aus dem Berlin 1946, wo das Alte nicht mehr gilt und das Neue noch nicht etabliert ist. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 31.01.2021

Glück um jeden Preis?

Die Frau vom Strand
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Rebecca lebt mit Greta, ihrer 5 Monate alten Tochter in einem Traumhaus an der Ostsee. Sie führt eine glückliche Ehe mit Lucy. Das Glück des Frauenhaushaltes wird nur dadurch getrübt, dass die erfolgreiche ...

Rebecca lebt mit Greta, ihrer 5 Monate alten Tochter in einem Traumhaus an der Ostsee. Sie führt eine glückliche Ehe mit Lucy. Das Glück des Frauenhaushaltes wird nur dadurch getrübt, dass die erfolgreiche Lucy beruflich in Hamburg ziemlich eingespannt ist und nicht täglich hier sein kann. Daher fühlt sich Rebecca einsam und verbringt ihre Zeit mit langen Strandspaziergängen.

Auf einem solchen lernt sie dann Julia kennen. Man freundet sich binnen weniger Stunden an. Als Rebecca ihre neue Freundin den anderen Freunden vorstellen will, verschwindet die Frau so plötzlich, wie sie gekommen ist. Rebecca beginnt nach Julia zu suchen, und muss entdecken, dass sie einem Phantom nachjagt.

Wenig später wird Lucy tot am Strand aufgefunden. Ist sie abgestürzt oder hat jemand nachgeholfen? Und wenn ja, wer?

Diese und viele andere Fragen stellt sich Kriminalkommissarin Edda Timm, die mit den Ermittlungen betraut ist.

Meine Meinung:

Zu Beginn ist mir die Idylle fast zu süßlich. Lucy ist zu perfekt in ihrem Altruismus. Das irritiert auch Edda Timm, die lange nur vermuten kann, dass hier Fremdverschulden vorliegt.

Nach und nach kratzt sie Lackschicht für Lackschicht von der Beziehung Lucy/Rebecca ab. Lucy scheint Rebecca fast hörig zu sein, denn sie tut alles für ihre Frau.

Edda wirkt durch ihr analytisches Vorgehen manchmal wenig empathisch. Doch als Vorgesetzte kann sie ihre Mitarbeiter ihren Stärken und Schwächen entsprechend gut einsetzen.

Die mehrfachen Perspektivenwechsel erhöhen die Spannung. Der Leser erhält Einblick in die Psyche der Beteiligten. So erkennt man in Rebecca eine egozentrische und besitzergreifende Person, die um ihr Ziel zu erreichen, auch vor Manipulationen nicht zurückschreckt. Die Obsession, mit der sie die kleine Greta buchstäblich nicht aus der Hand gibt, hat einen vagen Verdacht bei mir aufkommen lassen, der sich letzten Endes bestätigt hat. Ich habe recht bald den richtigen Riecher für die Zusammenhänge gehabt, was meinen Lesespaß nicht gemindert hat. Mich interessiert immer, wie löst die Autorin/der Autor die Geschichte auf.

Jedenfalls haben zahlreiche Personen aus dem Umkreis von Rebecca ihre Geheimnisse. Bis alle enthüllt sind, haben die Ermittler rund um Edda Timm jede Menge Arbeit.

Fazit:

Ein spannendes Familiendrama, bei dem wenig so ist, wie es scheint. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 18.01.2021

Verborgener Machtkampf zwischen zwei Gründungsvätern der Bundesrepublik

Kampf ums Kanzleramt
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Ludwig Erhard (1897- 1977) und Konrad Adenauer (1876-1967) sind zwei Politiker, die gegensätzlicher nicht sein konnten. Dennoch prägten sie gemeinsam die Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland nach ...

Ludwig Erhard (1897- 1977) und Konrad Adenauer (1876-1967) sind zwei Politiker, die gegensätzlicher nicht sein konnten. Dennoch prägten sie gemeinsam die Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland nach dem NS-Regime. Allerdings ist der Name Konrad Adenauer den meisten ein (fast) verklärter Begriff, während Ludwig Erhards Name in den Hintergrund tritt und kaum mehr präsent ist.

Warum ist das so? Immerhin waren die beiden Weggefährten, um ein neues wirtschaftlich starkes Deutschland zu errichten. Und außerdem war Erhard ja Adenauers Nachfolger.

Historiker Daniel Koerfer legt mit dieser erweiterten Neuauflage seines Buches aus dem Jahr 1967 zahlreiche neue Fakten auf den Tisch. Vor allem Erhards Tätigkeit in der NS-Diktatur wird durch neu entdeckte, fundierte Quellen erläutert. Diese Zeit am Nürnberger Institut ist wohl nicht ganz ungefährlich für Erhard, denn durch geschickte Schachzüge rettet er zahlreiche seiner Mitarbeiter vor einem Fronteinsatz. Es zeigt sich, dass Ludwig Erhard, der häufig farblos erscheint, recht gut vernetzt ist.

Als Österreicherin habe ich natürlich von den geheim und öffentlich ausgetragenen Kämpfen um und später im Kanzleramt wenig mitbekommen. Daher finde ich dieses Buch recht aufschlussreich. Sehr spannend und interessant ist, dass Erhard rund 20 Jahre die Nachbarländer Ostdeutschland und Österreich sowie das Rheinland penibel wissenschaftlich untersucht hat.

Was zum Sturz zuerst von Adenauer und später zu seinem eigenen beigetragen hat? Adenauer war in seiner autoritären Art vielen suspekt, Erhard hingegen fast zu weich. Dass er wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten Deutschlands in Misskredit gerät, ist wohl eine Ironie des Schicksals.

Der Konflikt ums Kanzleramt ist wohl auch ein Generationenkonflikt. Adenauer ist knapp 20 Jahre älter als Erhard und gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe, was er immer wieder vertuscht haben soll.

Fazit:

Ein penibel recherchiertes Buch über zwei Politiker, die unterschiedlicher nicht sein konnten, aber als Väter des deutschen Wirtschaftswunders und der neuen Bundesrepublik gelten. Wen die 992 Seiten, die zahlreiche Ausschnitte aus Briefen und Reden enthalten sowie die manchmal trockenen Fakten nicht abschrecken, findet hier eine ausgezeichnete Darstellung der deutschen Nachkriegsära. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 17.01.2021

Ein weihnachtlier Krimi - very british

Das Geheimnis von Dower House
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Dieser Krimi ist ein englischer Krimi-Klassiker, der vom Klett-Cott-Verlag in ansprechender Ausführung neu aufgelegt wurde.

Nigel Strangeways ist ein Hobby-Detektiv aus der besseren Gesellschaft und wird ...

Dieser Krimi ist ein englischer Krimi-Klassiker, der vom Klett-Cott-Verlag in ansprechender Ausführung neu aufgelegt wurde.

Nigel Strangeways ist ein Hobby-Detektiv aus der besseren Gesellschaft und wird von seinem Onkel, dem stellvertretenden Polizeichef Londons gebeten, ganz privat und sehr diskret einige Drohbriefen nachzugehen. Ein Unbekannter droht Fergus O‘Brien, einem hoch dekorierten Fliegerass aus dem Großen Krieg, mit dessen Ermordung am zweiten Weihnachtstag.

O’Brien, ganz Kriegsheld, will seinem zukünftigen Mörder ins Gesicht sehen und lädt alle dafür infrage kommenden in das Dower House ein. Als neutrale Beobachter soll auch Nigel anwesend sein.

Es kommt, wie es kommen muss, und O’Brien wird wie angekündigt tot aufgefunden. Was zunächst wie ein Selbstmord aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als gefinkelter Kriminalfall, bei dem allerdings ein handfestes Motiv zu fehlen scheint.

Meine Meinung:

Wer die typischen „closed room“-Krimis aus England mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Alle sind verdächtig, selbst das Spülmädchen und die calvinistische Köchin. Die Rangordnung in der Liste der Verdächtigen ändert sich mehrfach und es dauert eine geraume Weile und ein weiteres Todesopfer, bis Nigel die Vorgänge so richtig durchschaut.

Wie in diesen englischen Krimiklassikern üblich ist, gibt es exaltierte Ex-Geliebte des Opfers, beinahe bankrotte Snobs, ehemalige Militärs, die den Kommandoton noch immer nicht abgelegt haben und einen unerschütterlichen Butler.

Mir gefällt diese Art Krimis, weil man so herrlich miträtseln kann. Auch die heute übliche hektische Betriebsamkeit und „Action“ fehlt, was durch ausgefeilte Sprache durchaus wettgemacht wird. Der Schreibstil ist gehoben und mit zahlreichen lateinischen Zitaten gespickt.

Nicholas Blake ist das Pseudonym von Cecil Day-Lewis (1904–1972), der von der Queen zum Hofdichter ernannt wurde. Wie viele britische Gelehrte hat er zahlreiche Krimis geschrieben.

Fazit:

Ein ruhiger englischer Krimi-Klassiker, dem ich gerne 4 Sterne gebe.