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Venatrix

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Von Yvonne zu Benjamin - ein langer Weg

Endlich Ben
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Benjamin Melzer ist als Yvonne geboren und weiß von klein auf, mit „Mädchenkram“ nichts anzufangen. Yvonne gilt als Wildfang. In der Pubertät wird dann klar, dass Yvonne im falschen Körper steckt.

In ...

Benjamin Melzer ist als Yvonne geboren und weiß von klein auf, mit „Mädchenkram“ nichts anzufangen. Yvonne gilt als Wildfang. In der Pubertät wird dann klar, dass Yvonne im falschen Körper steckt.

In diesem Buch beschreibt Ben den langen Weg zur Geschlechtsumwandlung. Von seinen Gefühlen, den Reaktionen seiner Familie und seiner Freunde sowie von den vielen Operationen, die ihn letztlich auch äußerlich zu Ben werden ließen.

Dabei verschweigt er nicht, wie steinig und schmerzhaft dieser Weg war.

Für mich ist „Endlich Ben“ das zweite Buch über eine Transgenderperson. Das erste Buch „Ich pfeif auf alles“ von Jeanette Schmid (1924-2005) schildert das Leben des Rudolf Schmid, der lieber Mädchenkleider trägt. Mit viel Glück überlebt er die Nazi-Zeit als Soldat der Wehrmacht und unterzieht sich 1964 der Geschlechtsumwandlung und ändert seinen Namen zu „Jeanette“. Jeanette feiert internationale Erfolge als Kunstpfeiferin. Ich durfte sie als Jugendliche kennenlernen.

https://www.lovelybooks.de/autor/Jeanette-Schmid/Ich-pfeif-auf-alles-Das-Leben-der-Kunstpfeiferin-Baronesse-Lips-von-Lipstrill-1550761201-w/

Benjamin Melzers Biografie ist ein Buch, das allen jenen Mut macht, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, auch den letzten Schritt zu wagen.

Während in Jeanette Schmids Biografie noch die Sensation der Geschlechtsumwandlung als „Kuriosität“, die ins Nachtleben gehört, mitschwingt, scheint die heutige Gesellschaft Transgender akzeptiert zu haben.

Für Betroffene und deren Angehörige zeigt Benjamin Melzer die Schritte auf, die nötig sind, deren Weg zu erleichtern.

Fazit:

„Endlich Ben“ erklärt anschaulich, worum es geht und macht Mut. Dafür gebe ich sehr gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 23.08.2020

Hat noch Luft nach oben

Fräulein Gold: Schatten und Licht
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„Licht und Schatten“ ist der erste Teil der Trilogie „Fräulein Gold“.
Hulda, wie Fräulein Gold mit Vornamen heißt, ist eine freie Hebamme im Bülowbogen, einem der vielen Viertel von Berlin, in denen es ...

„Licht und Schatten“ ist der erste Teil der Trilogie „Fräulein Gold“.
Hulda, wie Fräulein Gold mit Vornamen heißt, ist eine freie Hebamme im Bülowbogen, einem der vielen Viertel von Berlin, in denen es an allem mangelt, außer an Kindern und Verbrechen.

So fischt man die Leiche einer alternden Prostituierten, die man die „fixe Rita“ nennt, aus dem Kanal. Der Ermittler Karl North schwankt, ob er den Tod als Selbstmord oder Mord einstufen soll. Bei Ersterem hätte er weniger Arbeit.

Hulda eilt zu einer jungen Erstgebärenden, deren Nachbarin jene Tote war. Die junge Mutter glaubt weder an einen Unfall, noch an Selbstmord und bittet Hulda sich umzuhören. Dabei trifft sie immer wieder auf Karl North. Die beiden fühlen sich zwar voneinander angezogen, aber beide haben so ihre Geheimnisse, sodass die Begegnungen meist wenig harmonisch ablaufen.


Meine Meinung:

Ich lese gerne historische Romane bzw. Historische Krimis. Dieses Buch kann sich noch nicht entscheiden, welchem Genre es zugeordnet werden soll.
Der Schauplatz, das Berlin der 1920er Jahre, mit seinen Bars, Varietés und Kinos ist gut beschrieben. Auch das soziale Umfeld, in dem Hulda arbeitet, ist gut recherchiert. Einiges erinnert allerdings stark an Volker Kutschers „Gedeon Rath-Reihe“. Der Ermittler mit einer geheimnisvollen Vergangenheit, Drogensucht, das „Aschinger“, Halbweltdamen und Unterweltbosse - aber, wahrscheinlich waren die wirklich so präsent.

Als freie Hebamme hat es Hulda nicht so leicht, in die sogenannten „besseren Kreise“ hineinzukommen. So lebt sie selbst hart an der Armutsgrenze. Allerdings gibt sie ihr Geld für kurzzeitige Vergnügungen aus. Dass sie, wie viele Menschen dieser Zeit, harte Drogen nimmt, gefällt mir nicht so gut.

Das eine oder andere Geheimnis rund um Karl North wird in diesem ersten Teil gelüftet, doch einiges ist noch nicht aufgedeckt.

Geschickt sind historische Tatsachen in die Geschichte eingeflochten wie der Röhm-Putsch, die Ermordung Walter Rathaus und der Umgang mit den traumatisierten Soldaten aus dem „Großen Krieg“, wie man den Ersten Weltkrieg damals nannte. Barbarische Anwendungen wie Dunkelhaft, eiskalte Wasserbäder oder Elektroschocks gehörten zum Standardrepertoire der Mediziner. Das Verhungern lassen der ohnehin schon geschwächten Kranken geben einen Vorgeschmack, was knapp zwanzig Jahre später mit Menschen passieren wird, die als „lebensunwert“ bezeichnet werden. Dieser Begriff schleicht bereits in den 1920er herum. Der latente Antisemitismus wird durch die „Dolchstoßlegende“ und die aufkommenden Nationalsozialisten geschürt. Die schleichende Inflation macht auch vor Hulda nicht Halt.

Vieles aus dem Leben von Hulda oder Karl wird nur angedeutet und lässt die Leser ein wenig frustriert zurück, denn das Kopfkino will sich nicht so recht einstellen. Und welches Schicksal hat Bert, der Zeitungskioskbesitzer, erlitten? Und ist das Geheimnis der fixen Rita schon zur Gänze gelüftet?

Die Idee hat mir gut gefallen, die Umsetzung schwächelt ein wenig. Die Recherchen sind penibel durchgeführt und der Schreibstil ist durchaus angenehm. Hin und wieder verzettelt sich die Autorin, kehrt aber wieder zum roten faden zurück.

Fazit:

Ein weiteres Buch, das die Zeit der Zwanziger Jahre, dem Tanz auf dem Vulkan, gut beschreibt. Allerdings gibt es noch Luft nach oben, weswegen ich hier nur 3 Sterne geben kann.

Veröffentlicht am 22.08.2020

Vom Aufstieg und Fall der Diktatoren

Diktator werden
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Frank Dikötter ist Zeithistoriker und lehrt chinesische Geschichte an der Universität von Hongkong.

Anhand der (Kurz)Biografien von

Mussolini
Hitler
Stalin
Mao
Kim Il-Sung
Ceauşescu
Mengistu
Duvalier

Schildert ...

Frank Dikötter ist Zeithistoriker und lehrt chinesische Geschichte an der Universität von Hongkong.

Anhand der (Kurz)Biografien von

Mussolini
Hitler
Stalin
Mao
Kim Il-Sung
Ceauşescu
Mengistu
Duvalier

Schildert er den Aufstieg der Diktatoren und die Mechanismen, die dazu führten, dass ein Einzelner so viel Macht über Millionen Menschen erreichen konnte.

Über die drei Erstgenannten braucht man wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Deren Aufstieg und Fall ist doch durch zahlreiche Bücher bekannt.

Über Mao habe ich dann doch einige Neuigkeiten erfahren. Dass es einen Kriterienkatalog gab, nachdem Belohnungen verteilt wurden, überrascht mich jetzt nicht wirklich. Interessant finde ich, dass aufgrund des hohen Materialverbrauchs für Anstecker (Aluminium), die „Mao-Bibel“ (Kunststoff), rote Farbe etc. Dinge des täglichen Gebrauchs wie Schuhe oder Kochtöpfe nicht in ausreichender Menge produziert werden konnten.

Über Kim Il-Sung (Nordkorea), Ceauşescu (Rumänien), Mengistu (Äthiopien) und Duvalier (Haiti) hätte ich noch gerne mehr erfahren.

Als Leserin, die sich mit Propaganda und deren Mechanismen schon mehrfach auseinandergesetzt hat, sind viele Begriffe bekannt. Für Leser, die solche Vorkenntnisse nicht aufweisen, wäre eine Zusammenfassung wünschenswert. Vor allem im Hinblick darauf, diesen Psychotricks etwas entgegenzuhalten.

Diktatoren fallen ja nicht vom Himmel, sondern - wie das eine oder andere Beispiel aus der Gegenwart zeigt, ist die Verwandlung vom „liberalen“ Politiker zum alles kontrollierenden Staatschef ein langsamer, aber stetiger Prozess.

Wie sagte schon „Papa Doc“ François Duvalier?
„Als Führer braucht man eine Doktrin. Ohne Doktrin kann man Menschen nicht leiten.“ Das allein genügt allerdings meist nicht.
Einschränkung der Pressefreiheit, Aufrüsten des Militärs bzw. der Polizei, Aufhebung der Gewaltentrennung, Austausch von unabhängigen Richtern etc. sind so die sichtbaren Zeichen, dass die Demokratie ausgehebelt wird.
Und natürlich das Verbreiten von Angst ist ein probates Mittel, die Bevölkerung klein und duckmäuserisch zu halten.

Fazit:

Eine gelungene Zusammenfassung vom Aufstieg und Ende von acht Diktatoren, die Appetit macht, sich mit den einzelnen Personen zu beschäftigen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 22.08.2020

Eine Bestandsaufnahme

Die Herrschaft der Rotzlöffel
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Das Autoren-Duo Susanne Schnieder und Carsten Tergast zeigen schonungslos die aktuelle Situation in Kindergärten, Schulen und Familien auf.

Wie konnte es passieren, dass die Rotzlöffel die Herrschaft ...

Das Autoren-Duo Susanne Schnieder und Carsten Tergast zeigen schonungslos die aktuelle Situation in Kindergärten, Schulen und Familien auf.

Wie konnte es passieren, dass die Rotzlöffel die Herrschaft übernahmen? Oder, ist dieser plakative Titel falsch? Oder haben sich vielmehr zahlreiche Eltern aus der Verantwortung gestohlen und lassen ihre Kinder vom „externen Personal“ betreuen?

Anhand zahlreicher Beispiele wird aufgezeigt, was der Gesetzgeber so alles von Kindergartenpädagoginnen verlangt und wie wenig ihm diese Arbeit wert ist. Von fehlendem Unterstützungspersonal, mangelnder Infrastruktur, verzogenen Kindern und maßlos fordernden Eltern ist hier die Rede.

Über das eine oder andere Beispiel müsste man fast lachen, wenn es nicht so abstrus wäre. Wochenlange Eingewöhnungszeiten für Kinder oder eher für die Eltern? Ein Vater, der trotzdem in den Kindergarten zum Eingewöhnen kommt, obwohl der dazugehörende Fortpflanz in häuslicher Pflege weilt? Wer tickt da nicht richtig?

Kinder, die bislang nie ihre Grenzen erfahren haben und das erste Mal mit Struktur und dem Wort „NEIN“ in Berührung kommen, machen es den Pädagoginnen nicht leicht. Oftmals scheinen die Eltern die „Rotzlöffel“ zu sein und nicht die Kinder.

Die Autoren beschreiben die ernsten Zustände dennoch launig und das Buch lässt sich leicht lesen. Außerdem bieten sie Anregungen, wie man einen passenden Kindergarten findet, und zeigen auch Lösungsansätze, um aus diesem Dilemma herauszukommen.

Fazit:

Ein Buch, das die nach wie vor angespannte bis dramatische Situation in den Kindergärten beleuchtet. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.08.2020

Hat mich nicht vollends überzeugt

Ein abgezockter Sauhund
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Samson Simek, ein Kleinkrimineller, ist wieder einmal mehr als pleite. In der Autowerkstatt seines Onkels zu arbeiten, ist unter seiner Würde (obwohl, da werden Autos auffrisiert, was ja auch nicht immer ...

Samson Simek, ein Kleinkrimineller, ist wieder einmal mehr als pleite. In der Autowerkstatt seines Onkels zu arbeiten, ist unter seiner Würde (obwohl, da werden Autos auffrisiert, was ja auch nicht immer ganz dem Gesetz entspricht). Da kommt ihm der scheinbar einfache Auftrag des Halbweltbosses Stani, seinen Freund Pauli zu suchen und vor allem zu finden gerade recht. Blöderweise wird Pauli tot aus der Isar gezogen und Paulis Beute aus dem letzte Bruch, Stanis Begehr ist leider verschwunden.

Was dann folgt, ist ein fast schon Slapstick-artiges Kaleidsokop, in dem Samson, einen Verfolger durch einen wohl gesetzten Pfeilschuss durchs Auge tötet, und dann nicht nur von Stani sondern auch von der Polizei und der zwielichtigen Thyla, mit der so gar nicht zu spaßen ist, gejagt wird.

Der Showdown am Ende mischt die Karten dann nochmals neu.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist der erste des Münchener Autors im Emons-Verlag. Schon Klappentext und Leseprobe verheißen einen schrägen Kriminalroman.

Warum dann doch nur drei Sterne?

Das liegt zum größten Teil am Schreibstil, der mir so gar nicht gefallen hat. Kurze, abgehackte Sätze, oft nur Satzfragmente wechseln sich mit einigen Klischees ab: kriminelle Russen, Polen, Polen und Araber sowie in der Prostitution tätige Thailänder(innen) und korrupte Polizisten. Die Charaktere finde ich jetzt nicht so gut getroffen, denn es gibt (außer Samson natürlich) nur „Schwachmaten“ und Freaks. Es wird geprügelt, gedealt, Drogen konsumiert und gesoffen, was das Zeug hält. So mancher Ganove hält das eben nicht aus und landet in der Leichenhalle.
Die Sprache ist ziemlich derb, passt aber sehr gut zum Milieu, obwohl sich Stani manchmal fast zu gewählt ausdrückt, wenn er den korrekten Konjunktiv verwendet.

Fazit:

Ich bin weder mit Samson noch mit dem Schreibstil so wirklich warm geworden. Es gibt bestimmt Leser, denen der Krimi sehr gut gefällt. Mich hat das Buch nicht überzeugt, daher nur 3 Sterne.