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Veröffentlicht am 04.03.2023

Liebe und der Kunst in New York sehr überfrachtet dargestellt

Uns bleibt immer New York
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Die Pariserin Lorraine arbeitet erfolgreich in der Werbebranche und möchte bald eine Tochterfirma in ihrer Geburtsstadt New York eröffnen. Dort ist sie bei ihrem Vater, einem reichen Galeristen, aufgewachsen ...

Die Pariserin Lorraine arbeitet erfolgreich in der Werbebranche und möchte bald eine Tochterfirma in ihrer Geburtsstadt New York eröffnen. Dort ist sie bei ihrem Vater, einem reichen Galeristen, aufgewachsen und hier hat sich auch ihre Leidenschaft für Kunst herausgebildet. Aktuell steht in New York das Lieblingsbild ihres vor vielen Jahren ermordeten Vaters, „La Sentinelle“ zum Verkauf. Lorraine ersteigert es, wird nach der Auktion aber brutal auf dem Heimweg überfallen. Handelt es sich dabei um den Stalker, der behauptet der Mörder ihres Vaters zu sein und der sie bereits in Paris belästigt hat? Glücklicherweise greift der Maler Léo in den Überfall ein und kann den Angreifer in die Flucht schlagen. Zwischen ihm und Lorraine ist es Liebe auf den ersten Blick doch Léo hat ein Geheimnis, dass er Lorraine unmöglich erzählen kann.

„Uns bleibt immer New York“ ist ein Buch, das ich schlecht in ein bestimmtes Genre einordnen kann. Es hat sowohl Elemente von Lovestory, Familiendrama, Krimi bzw. Thriller, Reiseliteratur und Sachbuch bezüglich moderner Kunst. Also leider ein bisschen alles und nichts. Dementsprechend überfrachtet und verwirrend hat das Buch an vielen Stellen auf mich gewirkt, ein klarer Fokus oder roter Faden war nicht erkennbar. Es gab neben der eigentlichen Story unheimlich viele Nebenschauplätze, die teilweise unnötig, teilweise mehr oder weniger geschickt eingebaut wurden, um den Leser auf die falsche Fährte zu führen. Dies hat an vielen Stellen ungelenk gewirkt und mich die eigentliche Geschichte fast vergessen lassen. Inhaltlich was es für meinen Geschmack einfach viel zu viel, was der Autor hier unterbringen wollte.

Dennoch ging die Geschichte gemächlich los und hat sich in Teilen sogar gezogen, während sich am Ende die Ereignisse überstürzt haben. Die Auflösung hat mich persönlich dann enttäuscht, ich hätte mir gewünscht, dass die einzelnen Handlungsstränge mehr zusammenhängen und sich ineinander verweben. Dies war nur in Teilen der Fall und somit einige Nebenstränge eher verwirrend. Des Weiteren wirkte die Auflösung am Ende auf mich etwas weit hergeholt und sehr konstruiert.

Gut gefallen hat mir indes der Bezug zur Stadt New York, die ich wirklich vor meinem inneren Auge sah.
Das Cover lässt auch sofort erkennen, in welcher Stadt das Buch spielt. Es gefällt mir sehr gut, hat aber zugegebenermaßen mit der Geschichte an sich wenig zu tun. Auch konnten einige Nebenfiguren überzeugen, während die beiden Protagonisten etwas stereotyp und unnahbar wirkten. Auch hat sich ihre Liebesgeschichte sehr schnell und somit für mich in dieser Intensität nicht nachvollziehbar entwickelt.

Der Erzählstil war einfach gehalten und somit hat sich das Buch sehr schnell lesen lassen. Eine gute Idee war die New-York-angelehnte Playlist mit Musik aus verschiedenen Genres, die genannten realen Kunstwerke als Kapiteleinteiler und die Zitate aus den Songs. Leider hat mir aber auch hier wieder der Bezug zur Story gefehlt, so waren sie nur ein nettes Begleitelement ohne wirklichen Mehrwert.

Insgesamt fand ich das Buch ganz angenehm zu lesen, aber nicht das Highlight, das ich mir davon versprochen hatte. Es laufen einfach zu viele Stories parallel auf einmal, die für meinen Geschmack auch noch unbefriedigend geendet haben, da sie nicht wirklich geschickt miteinander verwoben werden konnten. Auch blieben mir die Protagonisten fremd. Die Idee hatte großes Potenzial, welches leider in meinen Augen aber nicht komplett ausgeschöpft werden konnte. Schade.

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Wichtiges Thema unzureichend umgesetzt

Die Rache der Schwabenkinder
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Das Schicksal der sogenannten „Schwabenkinder“ blieb lange Zeit im Verborgenen – bis sich der junge Schweizer Johannes zum Ziel nimmt, diese zu rächen! Fanatisch steigert sich in die Begleichung alter ...

Das Schicksal der sogenannten „Schwabenkinder“ blieb lange Zeit im Verborgenen – bis sich der junge Schweizer Johannes zum Ziel nimmt, diese zu rächen! Fanatisch steigert sich in die Begleichung alter Schulden hinein und sammelt eine Gruppe radikaler Aktivisten um sich, die in Oberschwaben immer mehr Straftaten gegen die Erben der damaligen Bauern verhängen. Kommissar Steven Plodowski und sein Team ermitteln gegen die Aktivistengruppe – wird es ihnen gelingen, Johannes bis zum großen Showdown an St. Martin aufzuhalten?

„Die Rache der Schwabenkinder“ ist der zweite Band um Kommissar Steven Plodowski. Er beschäftigt sich mit der historischen Gegebenheit der Schwabengänger, leider aber nur sehr oberflächlich. Ich persönlich hätte mir mehr historische Hintergrunddetails zu diesem traurigen Kapitel gewünscht und nicht nur den Fakt, dass es die Schwabenkinder gab. Dann wären für mich vielleicht auch Johannes Beweggründe nachvollziehbarer gewesen, so konnte ich leider überhaupt nicht erfassen, was ihn antreibt. Die Erklärungen über generationenübergreifende Traumata fand ich wenig glaubwürdig.

Auch die Sprache des Krimis hat mich nicht besonders angesprochen, ich fand sie des Öfteren umständlich und zäh zu lesen. Die Dialoge wirken sehr konstruiert, im realen Leben würde niemand so sprechen. Gerade die Gespräche zwischen Andrea-Domenica (was für ein umständlicher Name, über den ich jedes Mal erneut gestolpert bin) und Steven wirken absolut unecht und extrem kitschig und haben mich des Öfteren mit den Augen rollen lassen. Auch insgesamt ging mir die Geschichte für einen Kriminalfall zu langsam voran und ein wirklicher Spannungsbogen war für mich ebenfalls nicht ersichtlich. Auch gab es viele Verweise auf einen vorherigen Fall, bei denen ich mich als Leser oftmals ausgeschlossen gefühlt habe, z.B. wenn auf die Zeit in Bogota verwiesen wurde oder Personen auftauchten, die mir nichts sagten und die auch nicht zum Fortgang der Geschichte beigetragen haben. Steven selbst fand ich auch wenig authentisch, seine Beziehung zu Andrea-Domenica einfach nur seltsam – erst hatten sie ewig keinen Kontakt, um dann teenagerhaft vor sich hin zu Turteln und ständig peinliche Koseworte füreinander zu finden. Das habe ich als vollkommen übertrieben empfunden.

Inhaltlich gestört hat mich, dass die Geschichte auf sehr vielen Zufällen beruht, ohne die keine Lösung möglich gewesen wäre. Beispielsweise begegnen sich die männlichen Kontrahenten mehrmalig, am riesengroßen Stuttgarter Bahnhof läuft Steven gleich zweimal Bekannten über den Weg, den Aktivisten gelingt immer wieder die Flucht, die Ermittlungen bei den teilweise dilettantisch ausgeführten Taten verlaufen absolut schleppend – warum ist niemand auf die Idee gekommen, Fingerabdrücke z.B. bei den Münzen zu nehmen? Auch gab es neben diesen „zufälligen“ Begegnungen einige unrealistische Begebenheiten (wo kamen am Ende die Schweizer her? Warum wussten sie – im Gegensatz zur Polizei – wo Johannes zu finden ist? Warum haben sie das der Polizei nicht gesagt? Und warum hatten sie überhaupt einen Auftritt, wo sie doch letztendlich nichts bewirkt haben?), die mir den Lesespaß leider genommen haben. Ich war ehrlich gesagt froh, als ich mit dem Buch durch war. Am Ende hätte ich mir noch ein Nachwort zur realen Historie der Schwabenkinder gewünscht. So ist dieses sehr wichtige historische Thema leider komplett unter gegangen. Auch wäre eine Landkarte in diesem Fall sehr praktisch gewesen bei den vielen Reisen zwischen Deutschland und der Schweiz. Fazit: Ich fand es sehr schade, dass dieses wichtige Thema leider eher unpassend und nur unzureichend umgesetzt wurde. Mir hat das Buch leider überhaupt keinen Spaß bereitet.

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Veröffentlicht am 22.01.2023

Wem kannst du trauen?

Northern Spy – Die Jagd
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Tessa ist Redakteurin der BBC im nordirischen Belfast und alleinerziehende Mutter des kleinen Finn. An das Leben in einer Stadt, in der die Menschen ständig mit Attentaten und Anschlägen rechnen müssen, ...

Tessa ist Redakteurin der BBC im nordirischen Belfast und alleinerziehende Mutter des kleinen Finn. An das Leben in einer Stadt, in der die Menschen ständig mit Attentaten und Anschlägen rechnen müssen, hat sie sich gewöhnt und auch die tägliche Berichterstattung als Journalistin ist für sie alltäglich. Bis eines Tages ein bekanntes Gesicht auf dem Bildschirm der Redaktion erscheint: Ihre Schwester Marian soll am Überfall auf eine Tankstelle beteiligt sein. Viel schlimmer noch, sie scheint Mitglied der IRA zu sein. Tessa weiß nicht mehr was sie glauben soll und gerät immer tiefer in den Strudel aus politischen Entscheidungen, Misstrauen und konkurrierender Mächte.

„Northern Spy – Die Jagd“ von Flynn Berry wurde mit dem Edgar Award prämiert und von der „Washington Post“ als einer der besten Thriller des Jahres bezeichnet. Für meinen Geschmack weckt dies etwas falsche Erwartungen, da ich das Buch nicht als klassischen Thriller eingestuft hätte. Natürlich hat es seine spannenden Momente, für diese Bezeichnung fehlt es mir aber an permanenter Hochspannung und aufregender Elemente. „Northern Spy“ hingegen ist eine interessante und unterhaltsame Erzählung, aber der Spannungsbogen hielt sich meines Dafürhaltens in Grenzen.

Das Cover zeigt ein Haus auf einem grünen Hügel vor dem Meer. Es wirkt idyllisch, doch der verschwimmende Titel impliziert bereits, dass diese Idylle trügt. Es wird auf den ersten Blick deutlich, dass Irland der Schauplatz des Geschehens ist.

Inhaltlich ist das Buch in drei Teile unterteilt, die einzelnen Kapitel sind meist eher kurz. Der Schreibstil ist einfach gehalten, so dass es sich schnell und flüssig lesen lässt. Es wird aus Tessas Perspektive in der "Ich"-Form erzählt, so dass ihre Gedanken, Sorgen, Emotionen und Beweggründe intensiv geschildert werden. Dennoch konnte ich manche Handlungen und Entscheidungen der Protagonistin nicht wirklich nachvollziehen, so dass ich nur eingeschränkt Zugang zu ihr gefunden habe. Große Teile des Buches widmen sich ihrem Alltag als Mutter und der Beziehung zu ihrem Sohn Finn. Für meinen Geschmack hat dieser Teil sehr viel Raum eingenommen und war teilweise etwas zu ausführlich und detailliert, was zudem den spannenden Teil der Geschichte ausgebremst hat. Dieser hat meiner Meinung nach in Tessas Zwiespalt zwischen ihren Idealen, dem Wunsch etwas zu verändern und dem Schutz ihres Sohnes gelegen. Ihre Zerrissenheit, dass sie nie weiß was real ist, wer auf welcher Seite steht und wem sie wirklich vertrauen kann wurde gut geschildert. Die im Klappentext geschilderte Entscheidung zwischen ihrer Schwester und ihrem Sohn hab ich allerdings so nicht wahrgenommen. Auch das Ende konnte mich nicht überzeugen, da es sich die Autorin hier etwas zu einfach gemacht hat: Ich empfand es als schnell abgehandelt und weich gespült.

Was mir insgesamt gut gefallen hat war die realitätsnahe Darstellung des Nordirland-Konflikts und dessen Auswirkungen auf den Alltag der Menschen vor Ort. Auch wenn ich nicht komplett durchgeblickt habe fand ich die vermittelten Informationen sehr interessant und Lehrreich. Etwas mehr Hintergrundgeschichte oder ein entsprechender Anhang wäre wünschenswert gewesen.

Insgesamt war „Northern Spy – Die Jagd“ für mich ein unterhaltsames, wenn auch nicht hochspannendes Buch. Obwohl es ein wichtiges Thema behandelt konnte es mich leider nicht wirklich emotional erreichen, was ich sehr schade fand.

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Veröffentlicht am 15.01.2023

Tolles Buch, enttäuschender Schluss

Verschwiegen
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Nach einigen Jahren in der Landeshauptstadt Reykjavik kehrt Polizistin Elma zurück in ihre ländliche Heimatstadt Akranes. Hier kennt jeder jeden und auf den ersten Blick scheint hier eine heile Welt zu ...

Nach einigen Jahren in der Landeshauptstadt Reykjavik kehrt Polizistin Elma zurück in ihre ländliche Heimatstadt Akranes. Hier kennt jeder jeden und auf den ersten Blick scheint hier eine heile Welt zu herrschen. Doch dann passiert, was hier eigentlich nie passiert: Es geschieht ein Mord. Elma und ihre neuen Kollegen werden zum alten Leuchtturm gerufen, eine unbekannte Frau treibt tot im Wasser. Elma beginnt nachzuforschen und deckt die Identität der Toten auf. Eine Suche nach dem Mordmotiv und Schuldigen beginnt, der die Polizisten von Akranes tief in die Vergangenheit führt und Geheimnisse der verschwiegenen Gemeinschaft des Örtchens ans Licht holt.

„Verschwiegen“ ist das Roman-Debüt der isländischen Autorin Eva Björg Ægisdóttir, welcher direkt auf den Bestseller-Listen landete und mit dem Blackbird-Award ausgezeichnet wurde. Der Titel des Buches passt sehr gut zum Inhalt der Geschichte und auch die auf dem Cover abgebildeten Leuchttürme spielen dort eine zentrale Rolle. Mir gefällt das Schwarz-Weiß des Titelbildes vor der blutroten Schrift sehr gut, es lässt sofort auf einen Kriminalroman schließen. Ebenfalls toll an der Aufmachung fand ich die Karten von Island in den inneren Buchdeckeln. So konnte ich die Geschehnisse auch gleich räumlich verorten und mir ein Bild der Geographie machen.

Der Schreibstil der Autorin lässt sich gut verfolgen, die Geschichte hat es nach und nach geschafft mich mit ihrer düsteren Atmosphäre und dem durchdachten Plot zu fesseln. Leider war der Anfang für mich etwas beschwerlich, da sehr schnell sehr viele Personen ohne scheinbaren Zusammenhang zueinander aufgetaucht sind und ich auch Schwierigkeiten mit den unbekannten isländischen Namen hatte. Dies war zu Beginn sehr verwirrend, hat sich aber mit Fortlauf der Geschichte geändert. Spannend fand ich die zwischengeschobenen Rückblicke in die Vergangenheit, die mit der Geschichte immer mehr an Brisanz gewinnen. Authentisch beschrieben fand ich auch die Landschaften vor Ort, die sehr mühselige und kleinteilige Polizeiarbeit und das soziale Gefüge der Gesellschaft einer Kleinstadt mit all seinen Vor- und Nachteilen. Für mich hätte es an manchen Stellen etwas schneller voran gehen können, die Polizei tappte doch recht lange im Dunkeln. Gegen Ende nimmt die Story hingegen an Fahrt auf, die losen Fäden führen zusammen und die Ereignisse sowie Erkenntnisse überschlagen sich. Leider war ich mit dem Ende überhaupt nicht konform, es hat sich für mich einfach nicht wie das Ende angefühlt. Es kam sehr überraschend und wurde schnell abgehandelt. Zahlreiche Andeutungen lassen vermuten, dass der Schuldige es doch nicht gewesen sein könnte und andere Personen auch noch mit involviert sind, aber davonkommen. Ich fand das Ende unglaubwürdig und unbefriedigend, was mir im Nachhinein ein wenig das ansonsten spannende Buch ruiniert hat.

Insgesamt finde ich „Verschwiegen“ einen spannenden Nordic Noir voller authentischer Charaktere und Lokalkolorit, das offene (oder nicht offene?) Ende hat mich leider aber sehr gestört.

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Veröffentlicht am 08.01.2023

Konnte mich trotz oder aufgrund seiner Ungewöhnlichkeit nicht packen

Milchmann
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Eine namenlose Erzählerin, genannt Mittelschwester, zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines einflussreichen älteren Mannes, genannt Milchmann, auf sich. Milchmann beginnt sie zu stalken und abzufangen, ...

Eine namenlose Erzählerin, genannt Mittelschwester, zieht ungewollt die Aufmerksamkeit eines einflussreichen älteren Mannes, genannt Milchmann, auf sich. Milchmann beginnt sie zu stalken und abzufangen, was auch den Menschen im Umfeld nicht verborgen bleibt. Schnell entspinnt das Gerücht, die junge Frau hätte eine Affäre. Aus ihrer Unauffälligkeit vertrieben findet sie sich in der unangenehmen Situation wieder, an den Rand der sozialen Gesellschaft gedrängt worden zu sein, ohne Möglichkeit dem zu entfliehen.

„Milchmann“ von Anna Burns hat 2018 den Booker Prize for Fiction als bester Roman gewonnen und dementsprechend hoch waren meine Erwartungen. Leider konnten diese nicht erfüllt werden, da ich das Buch primär als langweilig und anstrengend empfunden habe. Ich hatte große Probleme mit dem gewöhnungsbedürftigen Schreibstil der Autorin: Die junge Frau erzählt kühl, nüchtern, eintönig und voller Monotonie. Sie verwendet lange Schachtelsätze und schweift häufig ab. Das Lesen erfordert höchste Konzentration und trotzdem wusste ich am Ende eines der langen Kapitel häufig nicht, um was genau es eigentlich ging. Die Gedankenwelt der Erzählerin empfand ich als sehr verwirrend. So konnte sich bei mir kein wirklicher Lesefluss einstellen.
Des Weiteren hat es mich gestört, dass die komplette Geschichte so abstrakt geblieben ist: Es werden weder Orte noch Namen genannt, nur Bezeichnungen. Natürlich ist dies ein absichtlicher Kunstgriff der Autorin um zu verdeutlichen, dass die Geschehnisse jedem und überall zu jeder Zeit passieren könnten, ich persönlich habe aber keinen Zugang zu Figuren mit Namen „Mittelschwester“, „Schwager 1-3“ oder „Vielleicht-Freund“ aufbauen können.

Ähnlich zäh wie der Schreibstil habe ich das Leben der Protagonistin empfunden, da es wenig Handlung gab. Das Buch lebt eher von der bedrückenden Stimmung und bedrohlichen Atmosphäre sowie den strikten gesellschaftlichen Konventionen, denen sich insbesondere Frauen zu unterwerfen haben. Die angesprochenen Themen fand ich an sich gut und wichtig, sie lassen sich auf Gesellschaften verschiedener Krisenherde projizieren und liefern somit eine Milieustudie, die an Aktualität nichts einzubüßen hat. Wann und wo genau „Milchmann“ spielt bleibt offen, erst durch Hintergrundrecherche klärt sich auf, dass wir uns im Nordirlandkonflikt der 70er Jahre befinden. In Teilen konnte ich mir das schon zusammenreimen, hätte mir aber an irgendeiner Stelle Aufklärung gewünscht.

Insgesamt war mir alles in „Milchmann“ zu abstrakt und wenn ich ehrlich bin musste mich regelrecht dazu durchringen, das Buch bis zum Ende zu lesen. Das empfand ich als eine echte Herausforderung. Ich kann in dem Buch durchaus Tiefgründigkeit, Vielschichtigkeit und künstlerische Poesie erkennen, aber für mich persönlich war wirklich keinerlei Lesegenuss dabei. Das Buch polarisiert. Ich kann es also nur LeserInnen empfehlen, die schwere, anspruchsvolle Literatur mögen.

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