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Veröffentlicht am 16.05.2023

Kurios, intelligent und unvorhersehbar

Wenn Worte töten
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Der britische Autor Anthony Horowitz schreibt eine Krimireihe, in der der britische Autor Anthony Horowitz der Ich-Erzähler ist – schon das ist so kurios, dass es mich sehr neugierig gemacht hat. Ich habe ...

Der britische Autor Anthony Horowitz schreibt eine Krimireihe, in der der britische Autor Anthony Horowitz der Ich-Erzähler ist – schon das ist so kurios, dass es mich sehr neugierig gemacht hat. Ich habe allerdings erst durch den dritten Band davon erfahren und kann nun aus eigener Erfahrung sagen, dass man diesen unabhängig von den Vorgängerbüchern lesen kann, das aber so viel Spaß macht, dass man sich Band eins und zwei nach der Lektüre eh besorgen will.

In „Wenn Worte töten“ ist Hauptfigur Anthony Horowitz zu einem neuen, kleinen Literaturfestival auf der Kanalinsel Alderney eingeladen – zusammen mit Privatermittler Daniel Hawthorne, der ihn beauftragt hat, als Biograf über ihn zu schreiben. Obwohl die beiden schon eine längere Arbeitsbeziehung hinter sich haben, ist keine größere Vertrautheit oder gar Freundschaft bemerkbar. Horowitz ist allerdings sehr zufrieden, dass er diesmal nicht den Detektiv begleitet, sondern ein Heimspiel hat – mit Literaturfestivals kennt er sich aus, für Hawthorne sind sie unbekanntes Terrain. Als jedoch der Sponsor des Summer Festivals ermordet wird, ändert sich das schlagartig. Hawthorne hört sich um, scheint nebenbei jedoch auch noch eine ganz eigene Agenda zu verfolgen. Horowitz dagegen stellt wilde Überlegungen in alle Richtungen an und findet dabei vieles verdächtig, was mir als Leserin auch aufgefallen war. Überflüssig zu erwähnen, dass wir beide oft der gleichen falschen Fährte folgten.

Mir hat „Wenn Worte töten“ großen Spaß gemacht – die Selbstironie des Autors, der sich selbst als etwas tapsige, nur mittelmäßig erfolgreiche Hauptfigur eingesetzt hat, die Darstellung der anderen Schriftsteller und des Literaturbetriebs und letztendlich natürlich auch der Fall. Leicht irritiert hat mich nur, dass Hawthorne Horowitz beständig „Sportsfreund“ nennt. Ich musste jedes Mal an einen älteren Landadeligen denken, dabei ist der Privatermittler erst 39 Jahre alt und der Krimi spielt in der Gegenwart – dieser antiquierte Ausdruck passt da einfach nicht. Das englische „Pal“, was hier vermutlich übersetzt wurde, klingt in der Originalausgabe sicherlich geläufiger. Abgesehen von dieser Kleinigkeit liest sich „Wenn Worte töten“ wunderbar und ist ein intelligenter, literarischer Krimi mit unvorhersehbaren Wendungen.

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Veröffentlicht am 28.04.2023

Beste Spannungs-Unterhaltung

One of the Girls
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Sechs Frauen verbringen vier Tage in einer Strandvilla auf einer griechischen Insel – das könnte ein launiger Sommerroman sein. Lucy Clarkes „One of the girls“ ist allerdings eher in Richtung Thriller ...

Sechs Frauen verbringen vier Tage in einer Strandvilla auf einer griechischen Insel – das könnte ein launiger Sommerroman sein. Lucy Clarkes „One of the girls“ ist allerdings eher in Richtung Thriller anzusiedeln: spannend, unvorhersehbar und voller Plot Twists.

Bella, Fen, Robyn, Eleanor und Ana kennen sich gar nicht alle untereinander, sind jedoch zur Feier des Junggesellinnenabschieds ihrer Freundin Lexi nach Griechenland gereist. Trauzeugin Bella will das perfekte Partywochenende organisieren, doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Zwar geben sich Lexi zuliebe alle Mühe, doch unter der Oberfläche brodelt es: Gut gehütete Geheimnisse drohen, ans Licht zu kommen, eigene Pläne werden verfolgt. Und dass die Hen Party mit einem Todesfall endet, wird schon auf den ersten Seiten angeteasert. Eine vielversprechende Ausgangsbasis!

Die britische Autorin Lucy Clarke lässt in kurzen Kapiteln alle sechs Protagonistinnen zu Wort kommen, wodurch schnell klar wird, dass Außendarstellung und Gefühlsleben längst nicht immer übereinstimmen. Was sie jedoch voneinander verbergen, bleibt lange im Unklaren und die kursiven Einschübe, die das Wochenende im Rückblick bewerten, ohne etwas zu verraten, tun ihr Übriges. „One of the girls“ ist ein Pageturner, der sich kaum aus der Hand legen lässt. Die Gruppendynamik scheint sich stetig zu verändern und mit jeder Enthüllung rückt die angeteaserte Katastrophe ein Stück näher. Nebenbei geht es um Freundschaft, Versöhnung, Liebe, Rache und Reue. Und dann kam doch vieles ganz anders, als ich vermutet hatte. Ein absolut gelungener Spannungsroman!

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Nicht komplett stimmiger Pageturner

Stranded - Die Insel
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Eine Katastrophe führt fast zum Ende der Menschheit. Vier Frauen und vier Männer stranden auf einer einsamen Insel und versuchen, dort zu überleben. Alles, was sie brauchen, müssen sie mit ihren eigenen ...

Eine Katastrophe führt fast zum Ende der Menschheit. Vier Frauen und vier Männer stranden auf einer einsamen Insel und versuchen, dort zu überleben. Alles, was sie brauchen, müssen sie mit ihren eigenen Händen sammeln, jagen oder erbauen … na ja, fast alles. Denn die TV-Produktionsfirma, die sich diese Ausgangssituation für ihre neue Show ausgedacht hat, hat einige Vorräte und Hilfsmittel auf der ansonsten verlassenen schottischen Insel Buidseach Isle deponiert.

Ich-Erzählerin Maddy nimmt aufgrund einer persönlichen Krise an der Show teil, um elf Monate aus ihrem Leben zu flüchten – so lange soll das Fernsehexperiment dauern. Die Endzwanzigerin ist auf Pflanzenkunde spezialisiert. Ein anderer Teilnehmer angelt, einer geht in Richtung Prepper. Theoretisch sind die acht als Team gut aufgestellt, um über die Runden zu kommen. Wie es ihnen gelingt, dokumentieren über die Insel verteilte Kameras sowie die Body-Cams, die jeder der acht ständig trägt.
Zunächst scheint alles wie erwartet zu laufen: Eine Behausung entsteht und Vorräte werden angelegt. Maddy fühlt sich jedoch bald unwohl und hat den Eindruck, dass nicht alle gleich viel zum gemeinsamen Leben beitragen – und dass mehrere Leute speziell sie auf dem Kieker haben. Langsam aber sicher findet sie sich in einer Außenseiterrolle wieder. Aber es geht ja nicht wirklich um Leben und Tod, also kann eigentlich nichts passieren … Doch dann kommt nach Ende der Produktionszeit kein Boot, um die Teilnehmenden wieder abzuholen. Und als sie feststellen, dass sie tatsächlich auf sich allein gestellt sind, eskaliert die Situation in einem mörderischen Tempo …

Goodwin hält ihre Leserinnen und Leser bei der Stange und lässt sie dabei lange im Dunkeln tappen. Gleich zu Beginn des Buches ist klar, dass Maddy die Flucht von Buidseach Isle geglückt ist – mit einem Gewehr. Ihre Berichte vom Inselleben wechseln sich mit Szenen aus einem Fernsehinterview ab, das sie offensichtlich nach den Geschehnissen gibt. Was jedoch auf der Insel passiert ist, kommt erst nach und nach ans Licht … oder ist es doch nur Maddys Version von den Geschehnissen?

„Stranded – Die Insel“ liest sich spannend und gleichzeitig beklemmend. Die Gruppendynamik, die Einzelgängerin Maddy nicht wirklich versteht, entwickelt sich rasant und die Situation scheint immer bedrohlicher zu werden. Einige Charaktere bleiben dabei recht blass. Ich-Erzählerin Maddy scheint mit ihnen wenig zu tun zu haben, was bei insgesamt nur acht Gruppenmitgliedern allerdings verwundert. Es hat mich beim Lesen jedoch kaum gestört. Teile der Auflösung haben mich dagegen etwas enttäuscht, da ich sie einfach nicht komplett plausibel finde. Egal wie spannend ein Thriller ist – am Ende muss er auch stimmig sein, und das ist Goodwin leider nicht hundertprozentig gelungen. Dennoch war es für mich ein fesselndes Leseerlebnis.

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Veröffentlicht am 27.03.2023

Alltagsabenteuer niedlich erzählt

Bildergeschichten zum Mitmachen: Hier kommt Finni Fuchs
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Mit Finni Fuchs werden sich kleine Buchangucker wunderbar identifizieren können: Morgens ist das fröhliche Fuchskind noch vor seinen Eltern wach und sorgt dafür, dass das nicht lange so bleibt. Finni und ...

Mit Finni Fuchs werden sich kleine Buchangucker wunderbar identifizieren können: Morgens ist das fröhliche Fuchskind noch vor seinen Eltern wach und sorgt dafür, dass das nicht lange so bleibt. Finni und sein Papa machen dann das Frühstück und dann geht’s für Finni auch schon in den Kindergarten. In der darauffolgenden Geschichte wird eingekauft, danach backen Finni und seine Mama einen Kuchen, weil Oma und Opa zu Besuch kommen. Und in der letzten Kurzgeschichte ist es dann auch schon Zeit, schlafen zu gehen.

Alle Alltagssituationen sind liebevoll und detailreich illustriert. Besonders die Mimik des kleinen Fuchses ist äußerst niedlich. Ab und zu gibt es Fragen zu den Bildern, wenn Finni beispielsweise seine Lieblingstasse vermisst. So lässt sich beim Vorlesen gleich ins Gespräch kommen. Erzählt werden Finnis Erlebnisse mit einem Augenzwinkern und amüsieren so auch größere Leserinnen und Leser – wenn Finni z.B. seinem Vater beim Einkaufstaschen tragen hilft, der Vater aber wiederum Finni tragen muss.

Ob es die Finni-Anziehfigur mit drei verschiedenen Outfits am Ende wirklich gebraucht hätte, weiß ich nicht, aber auch diese ist auf jeden Fall niedlich. Ein schönes Vorlesebuch für die Kleinsten, um sich über Finnis und den eigenen Alltag zu unterhalten.

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Veröffentlicht am 12.03.2023

Skurril, originell, authentisch

Das glückliche Geheimnis
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Manche Rezensent*innen erwähnen zuerst die Sprache, wenn sie über ihre Lektüren reden. Ich bin dagegen „Team Inhalt“ – wenn mich die Geschichte nicht packt, können Stil und Sprache für mich auch nichts ...

Manche Rezensent*innen erwähnen zuerst die Sprache, wenn sie über ihre Lektüren reden. Ich bin dagegen „Team Inhalt“ – wenn mich die Geschichte nicht packt, können Stil und Sprache für mich auch nichts mehr retten. Dachte ich bisher, aber was Arno Geiger angeht, würde ich wohl eine Ausnahme machen. Seine Sätze sind so elegant, klar und prägnant, dass ich immer wieder das Bedürfnis hatte, sie zu markieren (was ich mir allerdings verkniffen habe und was bei der Fülle von schönen Sätzen auch wenig Sinn machen würde).

Und der Inhalt? „Das glückliche Geheimnis“ handelt vom Doppelleben von Arno Geiger, der 2005 den ersten Deutschen Buchpreis gewonnen hat. Schriftstellerisch tätig war er zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren. Dass er außerdem noch einer anderen Tätigkeit regelmäßig nachging, verheimlichte er jedoch bis jetzt erfolgreich: Arno Geiger hat jahrzehntelang containert. Und zwar speziell in Wiener Papiercontainern. Seine Runden hat er systematisch bei Wind und Wetter am frühen Morgen gedreht und dabei Bücher, Briefe, Fotos gefunden – und vieles mehr, oftmals nichts davon von Wert oder Bedeutung. Es waren aber auch immer wieder alte oder seltene Ausgaben dabei, die er zu Geld machen konnte und die an der Finanzierung seines Schriftstellerlebens grundlegenden Anteil hatten. Und Briefsammlungen, die Einblicke in Seelenleben gaben, die ihm sonst verwehrt geblieben wären. Eindrucksvoll beschreibt Geiger, wie er Briefwechsel so lange seziert hat, bis quasi nichts mehr vom Original übrig war – und wie er die so herausgearbeitete Essenz dann wieder in seine Bücher einfließen lassen konnte. Generell fand ich diese Passagen am stärksten, in denen der Autor über den Schreibprozess oder auch den Literaturbetrieb an sich berichtet. Die Beziehung zu seinen Eltern nimmt keinen größeren Raum an, liest sich aber anrührend, zumal einem Geigers Vater aus seinem Buch „Der alte König in seinem Exil“ bereits bekannt ist. Weniger interessiert haben mich Geigers Liebesbeziehungen und die für meinen Geschmack etwas zu ausführlich beschriebenen, mit ihnen verbundenen Irrungen und Wirrungen, aber vermutlich waren sie in den jeweiligen Phasen seines Lebens so wichtig und prägend, dass er sie auch nicht weglassen konnte.

„Das glückliche Geheimnis“ ist ein besonderes Buch; mir fällt nichts Vergleichbares ein. Dass der Autor sein lange gehütetes Doppelleben hier enthüllt, hat auch mich tatsächlich ein bisschen glücklich gemacht – er verdeutlicht originell und authentisch, wie Schein und Sein auseinanderklaffen können. Und dass das nicht das Schlechteste ist, wenn man etwas hat, was einen erdet – selbst wenn es ein skurriles, geheimes Hobby ist. Sein glückliches Geheimnis hat Arno Geigers Leben bereichert; wie schön, dass er es jetzt teilt.

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