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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.03.2018

Eine vergangene Liebe

Eine Liebe, in Gedanken
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Dies ist ein berührender, aber nie kitschiger Roman, in dem zum Einen eine Tochter versucht, sich nach dem Tod ihrer Mutter vorzustellen, was für ein Mensch sie war. Und zum Andern eine Liebesgeschichte, ...

Dies ist ein berührender, aber nie kitschiger Roman, in dem zum Einen eine Tochter versucht, sich nach dem Tod ihrer Mutter vorzustellen, was für ein Mensch sie war. Und zum Andern eine Liebesgeschichte, die schon lange zurückliegt.

Als die Mutter stirbt, bleibt ihre Tochter mit schlechtem Gewissen zurück. Viel zu wenig Zeit verbrachte man in den letzten Wochen, Monaten, Jahren miteinander. Was weiß sie überhaupt von ihr? Wie war sie als junge Frau? Wie war das mit ihrer großen Liebe, damals, mit der sie sich in Hongkong ein gemeinsames Leben aufbauen wollte?
Abwechselnd liest man, wie die Tochter mit dem Verlust klar kommt und die Auflösung des Haushalts die Erinnerungen an ihre Mutter hervorbringt sowie das, was damals tatsächlich geschah. Die Liebesgeschichte zwischen ihr, Toni, und Edgar, Mitte der Sechziger Jahre. Die Geschichte einer lebenslustigen, intelligenten und selbstbewussten jungen Frau, die die Welt kennenlernen wollte, aber nicht um jeden Preis. Den Preis ihres selbst bestimmten Lebens zum Beispiel, wofür sie auch Entscheidungen traf, die ihr ganzes Leben änderten.

Kristine Bilkau gelingt es gut, den Tonfall der trauernden Tochter so wiederzugeben, dass man auch ohne Klagen und Jammern die Liebe und den Verlust spürt, den diese empfindet. Aber auch die Stimme der jungen Toni ist gut getroffen: ein bisschen frech, neugierig auf die Welt und trotz mancher Zweifel durchaus selbstbewusst. Ein gelungenes Porträt wie auch eine überzeugend wirkende Darstellung der damaligen Verhältnisse in den Sechzigern.

Veröffentlicht am 11.03.2018

Nichts ist so, wie es gewesen sein wird

Idaho
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Ann, eine junge Klavierlehrerin, heiratet Wade, der ein Jahr zuvor auf dramatische Weise seine Töchter verlor, während seine Exfrau im Gefängnis sitzt. Doch damit nicht genug, leidet er wie sein Vater ...

Ann, eine junge Klavierlehrerin, heiratet Wade, der ein Jahr zuvor auf dramatische Weise seine Töchter verlor, während seine Exfrau im Gefängnis sitzt. Doch damit nicht genug, leidet er wie sein Vater und Großvater an Demenz, die ihn bereits im vergleichsweise jungen Alter befällt. Einerseits ein Segen angesichts der schrecklichen Vorkommnisse, andererseits wird ihm immer wieder schmerzlich bewusst, wie nach und nach seine Töchter in Vergessenheit geraten. Ann versucht derweil anhand der Fundstücke im Haus (Fotos, Kleinigkeiten wie Spielzeug, Haargummis etc.), sich selbst ein Bild von dem damaligen Geschehen zu machen.
Auch wenn die Geschichte zu Beginn wie ein Krimi erscheinen mag, ist es alles andere als das. Zwar wird eine unglaubliche Spannung im Hinblick auf die tatsächlichen Ereignisse am Berg aufgebaut, denen man sich langsam aus unterschiedlichen Richtungen nähert. Doch tatsächlich wird damit (wie auch mit anderen Geschehnissen) deutlich gemacht, wie sehr Vorstellung und Phantasie die Vergangenheit bestimmen, die sich wiederum auf die Gegenwart auswirken können. Ann ist beispielsweise immer mehr davon überzeugt, eine Mitschuld an diesem Unglück zu haben, was sie in große Gewissensbisse stürzt.
Das Buch verlangt ein aufmerksames Lesen, denn die Perspektiven wechseln häufig zwischen verschiedenen Personen, sodass man bei einer gewissen Achtlosigkeit schnell die Übersicht verlieren kann, was Realität und was Imagination ist. Zudem ist die Sprache trotz der überaus düsteren Atmosphäre sehr poetisch, für die man sich Zeit nehmen sollte. Die Autorin hat ein Gefühl für gelungene Beschreibungen wie beispielsweise beim Thema Briefe '..., zum Verschließen angeleckt von den Zungen der Vergangenheit.' (S. 73) oder 'Morgen früh, wenn Gott will, wirst Du wieder geweckt. Man kann es singen, so sanft man will, die Worte fletschen trotzdem die Zähne. Gott will nicht immer.' (S.101).
Gewiss ist es kein Gute-Laune-Buch oder lockere Unterhaltung für die Strandliege. Dafür aber eine spannende Lektüre, die Anregungen zum Umgang mit der eigenen Vergangenheit und den Erinnerungen daran liefert.

Veröffentlicht am 08.03.2018

Wunderbar die Mischung aus Humor und rührenden Momenten

Bis zum Himmel und zurück
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Diesem Zitat auf Seite 316 des Buches kann ich nur zustimmen.

Katja, die Protagonistin, hat noch immer schwer mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Ein großes Unglück, an dem sie sich die Schuld gibt, führte ...

Diesem Zitat auf Seite 316 des Buches kann ich nur zustimmen.

Katja, die Protagonistin, hat noch immer schwer mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Ein großes Unglück, an dem sie sich die Schuld gibt, führte dazu, dass ihr Vater die Familie verließ und ihre Mutter zur Alkoholikerin wurde. Nachdem sie miterleben musste, wie ihre Mutter immer mehr dem Alkohol verfiel, flüchtete sie mit 18 Jahren und baute sich ein eigenes Leben auf - ohne Familie und jedem Gefühl aus dem Wege gehend. Sie könnte ja verletzt werden. Doch die Schuld nagt noch immer an ihr und als plötzlich eine ihr unbekannte Halbschwester vor der Tür steht, bricht ihre mühsam aufgebaute Normalität in sich zusammen.

Die Vergangenheit, die Katja hinter sich hat, ist wirklich dramatisch. Auf verschiedenen Ebenen werden die vergangenen Geschehnisse aus ihrer Sicht geschildert und wenn sie berichtet, welche Gefühle sie bei der Erinnerung ergreifen, könnte es durchaus Kitschalarm geben, wenn, ja wenn sie nicht so voller Selbstironie darüber erzählen würde. Katja weiß durchaus um ihre Schwächen und während sie selbst emotional völlig durchgerüttelt wird, muss man beim Lesen dennoch eher lachen oder auf jeden Fall lächeln. Vieles ist vorhersehbar, man ahnt bereist zu Beginn in welche Richtung sich das Ganze vermutlich entwickeln wird. Doch die etwas spöttische und sich selbst nicht so ernstnehmende Art der Hauptfigur lässt gerne über diese Schwäche hinwegsehen.

Ein unterhaltsamer, hoch emotionaler Familien- und auch Liebesroman, bei dem es viel zu schmunzeln gibt

Veröffentlicht am 04.03.2018

Erwachsenwerden in Russland

Fliegende Hunde
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Die beiden 16jährigen Mädchen Oksana und Lena sind Tür an Tür zusammen aufgewachsen. Während Lena (groß, dünn und eine Haut weiß wie Schnee) die Schule abbricht und als Model nach Shanghai fliegt, beginnt ...

Die beiden 16jährigen Mädchen Oksana und Lena sind Tür an Tür zusammen aufgewachsen. Während Lena (groß, dünn und eine Haut weiß wie Schnee) die Schule abbricht und als Model nach Shanghai fliegt, beginnt Oksana in ihrem Kummer um die vermisste Freundin die Leningrad-Diät: Es darf nur das gegessen werden, was die damals in der Stadt Eingeschlossenen zu sich genommen haben. Immer mehr beschäftigt sie sich mit dem Geschehen im ehemaligen Leningrad, massiv unterstützt durch Freundschaftsbezeugungen, Zustimmungsbekundungen usw. eines obskuren Diätforums, während ihre Freundin im fernen Shanghai stundenlang in der Kälte bei diversen Castings ausharren muss, um einen der wenigen begehrten Jobs zu bekommen.
Das Dasein der beiden Mädchen wirkt ausgesprochen realistisch geschildert: das Leben im tristen Krylatowo, einem Vorort von St. Petersburg; die alltägliche Armut, die praktisch jeden Haushalt umgibt; die kaputten Ehen, auch der eigenen Eltern; die Gewalt allerorts; der Alkoholismus, der ringsum herrscht. Doch auch die Flucht aus dieser Tristesse bringt keine Erfüllung. Denn das Leben als Model in Shanghai hat wenig mit dem zu tun, was sich Lena darunter vorstellte. Wlada Kolosowa scheint zu wissen, wovon sie in ihrem Roman schreibt.
Obwohl sich das Alles jetzt ziemlich deprimierend anhört (und das ist es ja auch grundsätzlich), gelingt es der Autorin dennoch, das Ganze mit viel Gefühl und Humor zu erzählen, sodass ich rückblickend meine: Ich war mehr erfreut als trübselig bzw. traurig gestimmt. Man muss einfach grinsen, wenn man Beschreibungen liest wie beispielsweise die von Lenas erstem Zungenkuss: 'Steves Zunge fühlte sich rau und riesig an, und Lena musste an die gekochte Rinderzunge denken, an der sie Küssen geübt hatte.' Solche Darstellungen gibt es zuhauf, wodurch das Buch eine Leichtigkeit erhält, die man angesichts der deprimierenden Umgebungsbedingungen nicht erwarten würde.
Ein wirklich schönes Buch, das sich zu lesen lohnt!

Veröffentlicht am 28.02.2018

Voller Humor und Tragik

Kühn hat Ärger
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Martin Kühn hat wieder einen Mord aufzuklären, kaum dass er aus seiner Rehabilitationsmaßnahme zurück ist. Doch nicht nur das: Sein Kollege will ihn offenbar ausbooten, seine Ehefrau scheint auf Abwegen ...

Martin Kühn hat wieder einen Mord aufzuklären, kaum dass er aus seiner Rehabilitationsmaßnahme zurück ist. Doch nicht nur das: Sein Kollege will ihn offenbar ausbooten, seine Ehefrau scheint auf Abwegen zu sein und trotz der Rehamaßnahme macht ihm seine Gesundheit Sorgen. Es ist Alles wieder ein bisschen viel für Kühn und so ist es zumindest etwas beruhigend, dass die Ermittlungen in diesem Mordfall ihn in ein Milieu führen, in dem die Welt völlig in Ordnung ist - zumindest sieht es so aus. Kühn stellt fest, dass Geld doch glücklich zu machen scheint.
Wie bereits im ersten Band ist auch hier der Krimi eher eine Nebenhandlung. Zwar steht der Großteil von Kühns Gedanken dieses Mal mehr im Zusammenhang mit dem Mord, doch geht es weniger um die Suche nach dem Täter als um Überlegungen zu dem gesellschaftlichen Umfeld, in dem das Opfer verkehrte. Unbegrenzter Reichtum, was macht er aus den Menschen? Und auch die Liebe ist ein Thema; wie sie Menschen verändern kann, zum Guten wie zum Bösen.
Jan Weilers Figuren sind wie aus dem Leben gegriffen, ohne dass er jedoch den allseits bekannten Klischees verfällt. Wunderbar beispielsweise der rechte verliebte Bäcker. Auch die Beschreibung bestimmter Szenarien, die leicht zu schablonenhaft geraten könnten, sind mit liebe- und humorvoller Ironie versehen, die typisch für den Autor ist ('Es folgte das Mittagessen, das zur Förderung der Gruppendynamik an zwei langen Tafeln eingenommen wurde. Es gab kein Büfett, weil Büfetts dem Gruppengedanken widersprachen und das Eigenbrötlerische im Beamten förderten, wie die Seminarleiter fanden.' Den Lehrgang für KommissarInnen sah ich geradezu vor mir ).
Lediglich die Auflösung fand ich zu übertrieben in dieser Ausführlichkeit. Während alles Andere überaus realistisch wirkte, machte am Ende die Auskunftsfreudigkeit des Zeugen einen unnatürlichen Eindruck. Aber da die LeserInnen ja wissen sollen, wie was warum und weshalb geschah, schien dies wohl die beste Möglichkeit.
Trotzdem eine schöne Fortsetzung dieser Reihe, ich freue mich bereits auf den dritten Teil.