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Veröffentlicht am 25.05.2020

Die Akte Frost

The Frost Files - Letzte Hoffnung
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Allgemeines:

The Frost Files – Letzte Hoffnung ist am 01.04.2020 als Paperback bei Knaur Taschenbuch erschienen. Das Buch hat 480 Seiten und bildet den Auftaktband einer Reihe. Autor Jackson Ford ist ...

Allgemeines:

The Frost Files – Letzte Hoffnung ist am 01.04.2020 als Paperback bei Knaur Taschenbuch erschienen. Das Buch hat 480 Seiten und bildet den Auftaktband einer Reihe. Autor Jackson Ford ist für mich vor der Lektüre ein unbeschriebenes Blatt gewesen.

Auffällig ist bei diesem Buch die Gestaltung des Covers. Wenn ich ehrlich sein soll, wäre ich an diesem Buch vorbeigegangen, da es auf mich reißerisch und trivial wirkt. Ganz anders sieht hier das Original aus. Auch der Titel The Girl who could move sh*t with her mind mutet anders an als die deutsche „Übersetzung“.

Inhalt:

„Teagan Frost ist wirklich nicht leichtsinnig: Wenn man über psychokinetische Fähigkeiten verfügt, ist es schließlich keine große Sache, ungesichert von einem Hochhaus zu springen.
Ihre psychokinetischen Fähigkeiten machen Teagan Frost zum wertvollsten Mitglied einer geheimen Einsatztruppe der US-Regierung. Zusammen mit Hackerin Reggie, Organisations-Genie Paul, der bestens vernetzten Annie und Carlos, der alles fahren kann, was Räder hat, kommt sie immer dann zum Einsatz, wenn FBI und NSA nicht mehr weiter wissen.

Doch als nach einem ihrer Einsätze in Los Angeles der Chef einer global agierenden Textilfirma ermordet aufgefunden wird – erdrosselt mit einer Stahlstange als wäre es nur ein dünner Draht –, wird Teagan Frost über Nacht zur gesuchten Mörderin. Selbst ihr eigenes Team zweifelt an Teagans Unschuld, obwohl ihre Kräfte für eine solche Tat nicht annähernd ausreichen. Nur wer verfügt dann über derart starke paranormale Fähigkeiten? Als ein weiteres Mordopfer auftaucht, beginnt für Teagan Frost und ihr Team eine halsbrecherische Jagd quer durch Los Angeles.

Jackson Fords actionreicher Urban-Fantasy-Roman punktet mit hohem Tempo, überraschenden Wendungen und einer Mischung aus politischen Verwicklungen und persönlicher Rache-Story.“ (Quelle: Knaur Verlag)

Meine Meinung:

Als waschechter X-Men-Fan war ich sofort Feuer und Flamme als ich The Frost Files in der Vorschau des Knaur Verlags entdeckt habe. Es stach aus den anderen Neuerscheinungen hervor. Es handelt sich um ein nicht klassischerweise dem Fantasygenre zuzuordnenden Buch. Das wird sowohl optisch als auch inhaltlich schnell deutlich.

Stark inspiriert von den X-Men hat die draufgängerische Protagonistin Teagan Frost besondere Fähigkeiten. À la Jean Grey ist sie in der Lage dazu, Dinge mit der Kraft ihrer Gedanken zu bewegen. Der Einfachheit halber benennen wir ihre Fähigkeit im Folgenden als Psychokinese. Ich liebe X-Men wirklich, glaubt mir. Ein Kritikpunkt meinerseits ist dennoch an dieser Stelle, dass die Parallelen zu X-Men nicht aufhören und ich mir an einigen Stellen (mehr) Innovation erhofft hätte. Vermutlich liegt diese Inspiration (und eben nicht Innovation) des Autors in der Natur der Sache: Auch die meisten Fantasyautoren erschaffen das Genre nicht neu oder orientieren sich an bereits Dagewesenem. Es gibt aber immer einen Unterschied zwischen dem Orientieren und dem Kopieren.

Die actionreiche Geschichte rund um die psychokinetischen Fähigkeiten von Teagan entwickelt sich rasant, obwohl wir Charakteren begegnen, die zu Beginn der Geschichte unterschiedlicher nicht sein könnten. Dem Autoren gelingt es, ihre Entwicklung miteinander und als Einzelpersonen authentisch, aber an vielen Stellen leider auch vorhersehbar darzustellen. Nach und nach agieren die Mitarbeiter der geheimen Einsatztruppe als das Team, das sie von Anfang an sein sollten. Wachsen zusammen, enttäuschen sich und finden wieder zueinander. Als Leser wissen wir nie mehr als Teagan selbst und lernen mit ihr zusammen. Und das ist gar nicht so leicht. Wir hetzen nämlich von einer Actionszene zur nächsten. Beinahe wie in einem richtigen Actionfilm – in Buchform manchmal etwas befremdlich und zu schnell gedacht.

Eine Superheldengeschichte wäre nichts ohne einen Antagonisten, der es in sich hat. Und auf genau den trifft das Team unserer Geschichte. Zunächst erscheinen die Verwicklungen beider Parteien vielversprechend. Nach und nach begann mich der Antagonist aber zu nerven. Er ist unglaublich brutal und wenig reflektiert. Als Leser fiebert man auf die Begegnungen von Teagan und ihm hin und bekommt dann leider etwas serviert, was die Erwartungen nicht erfüllt. Da hätte Ford detaillierter vorgehen können und müssen.

Fazit:

The Frost Files – Letzte Hoffnung ist ein Reihenauftakt, der mich bisher nicht von sich überzeugen konnte. Ich bin gespannt, wie die Geschichte im zweiten Teil der Reihe weitergehen wird, und ob es dem Autor gelingen wird, das volle Potential der Geschichte auszuschöpfen. Potential ist nämlich durchaus vorhanden!

Veröffentlicht am 09.05.2020

You are (not) safe here

You are (not) safe here
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Allgemeines:

You are (not) safe here ist Ende Januar 2020 bei dtv junior erschienen. Das Taschenbuch hat 400 Seiten und wird vom Verlag ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen. Diese Leseempfehlung ...

Allgemeines:

You are (not) safe here ist Ende Januar 2020 bei dtv junior erschienen. Das Taschenbuch hat 400 Seiten und wird vom Verlag ab einem Lesealter von 14 Jahren empfohlen. Diese Leseempfehlung möchte ich gerne nach oben korrigieren. Meiner Meinung nach sollte dieses Buch frühestens ab einem Lesealter von 16 Jahren gelesen werden. Es triggert Themen, auf die vor allem Jugendliche sehr sensibel reagieren könnten. Jugendliche verfügen nicht im gleichen Ausmaß wie Erwachsene über Coping-Strategien. Bitte überlegt euch also vor der Lektüre, ob ihr das Buch lesen und mit dem Inhalt umgehen könnt.

Auf dem Cover sind schwarze Federn abgebildet, die in der Geschichte in anderer Form eine große Rolle spielen werden. Besonders hervorzuheben ist der Titel, in dem das „not“ durchgestrichen ist. Er ist so treffend, besser geht es nicht.

Inhalt:

„Tausende Krähen belagern die Kleinstadt Auburn, Pennsylvania, und es werden immer mehr. Alle Einwohner empfinden dies als Bedrohung – alle außer der 17-jährigen Leighton und ihren beiden jüngeren Schwestern. Denn die größte Gefahr lebt in ihrem Zuhause: ihr Vater, der immer wieder gewalttätig wird – und ihre Mutter, die schweigt und ihn nicht verlässt. Und die Nachbarn, die konsequent wegschauen. Leighton würde nichts lieber tun, als der Stadt den Rücken zu kehren, aber sie kann und will ihre Schwestern nicht zurücklassen. Denn eins ist klar: Irgendwann wird die Situation eskalieren…“ (Quelle: dtv Verlag)

Meine Meinung:

Was wäre, wenn der Ort, der für dich der Inbegriff von Sicherheit bedeuten sollte, genau das Gegenteil darstellt? Was wäre, wenn du dir niemals sicher sein kannst… wenn Sicherheit ein Wort wäre, das für dich nicht gilt? Wenn du immer auf deine kleinen Schwestern aufpassen müsstest, die die meisten Nächte ohnehin voller Angst bei dir verbringen? Wenn du trotzdem liebst, obwohl deine Liebe auf grausame Art erwidert wird? Wenn du dir nicht sicher sein kannst, was passieren wird, und wie das Haus und deine Familie danach aussehen werden? Das Haus, das irgendwie ein Eigenleben führt und alle Dinge repariert, die zu Bruch gehen. Aber dein Gefühl, deine Angst kann es nicht reparieren. Das kann niemand. Oder was meint ihr?

You are (not) safe here ist ein Buch, das mich gefesselt und fasziniert hat. Gleichzeitig war ich abgestoßen. Abgestoßen von den unglaublichen Abgründen der Menschlichkeit. Vermutlich kann man sich nur schwer in häusliche Gewalt oder überhaupt in das Thema Gewalt gegen Mitmenschen hineinversetzen, wenn man diese nicht selbst erlebt hat. Der Autorin gelingt es jedoch, eine so überzeugende Atmosphäre zu kreieren, dass man als Leser zumindest das Gefühl hat, sich in eine solche Situation hineinversetzen zu können. Das bringt ambivalente Gefühle mit sich. Zum einen möchte man sich nicht auf so etwas einlassen. Zum anderen möchte man mit Fortschreiten der Handlung unbedingt, dass die Geschichte für Protagonistin Leighton gut ausgeht.

Leighton kümmert sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihre Mutter und ihre kleineren Schwestern. Sie versucht, den Anschein von Normalität aufrecht zu erhalten und ihre häuslichen Umstände zu verbergen. In Auburn weiß jeder, was die anderen verbergen. Aber es wird toleriert, akzeptiert und jeder kümmert sich mehr oder weniger um sich selbst. Trotzdem ist Leighton in der Schule nicht isoliert oder gar eine Einzelgängerin. Hier verbirgt sich eine Gefahr. Wenn es einem Kind oder einem Jugendlichen zu gut gelingt, die Wahrheit zu verbergen, sieht niemand genauer hin. Obwohl nicht nur der Täter in diesem Moment eine Schuld trägt, sondern auch das Umfeld. Das hat eine sehr sensibilisierende Wirkung. Wir sollten alle noch viel häufiger genauer hinsehen.

McCauley gelingt es, eine beinahe erschreckende und gleichzeitig so spannende Stimmung zu erzeugen. Diese wird durch die mystischen, nahezu aus einem Horrorfilm stammenden Elemente ergänzt. Krähen suchen die Kleinstadt Auburn heim. Wer den Film „Die Vögel“ kennt, weiß, dass Krähen für eine beängstigende Stimmung sorgen können. Es werden immer mehr. Je größer die Probleme in der Stadt werden, desto mehr Vögel lassen sich in der Kleinstadt nieder. Zu einer der Krähen entwickelt die Protagonistin zusammen mit ihren Schwestern eine besondere Beziehung. Die Krähen wirken durch ebendiese Entwicklung nicht länger nur bedrohlich, sondern beinahe fürsorglich. In jedem Fall aber intelligenter als erwartet. Auch das Haus, das immer wieder auseinanderbricht und Risse hat, ist eines der Elemente, die nicht erklärbar sind. Sie stehen sinnbildlich für die Ereignisse der Geschichte.

Fazit:

Ein wichtiges, zugleich erschreckendes und faszinierendes Buch über das Thema der häuslichen Gewalt.

Veröffentlicht am 06.05.2020

Wunsch nach Fortsetzung

Die Geisterkönigin
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Allgemeines:

Die Geisterkönigin ist als dritter Teil der Königinnen von Renthia-Reihe im November 2019 bei Penhaligon erschienen. Das Paperback hat 640 Seiten. Cover und Innenleben sind passend zu den ...

Allgemeines:

Die Geisterkönigin ist als dritter Teil der Königinnen von Renthia-Reihe im November 2019 bei Penhaligon erschienen. Das Paperback hat 640 Seiten. Cover und Innenleben sind passend zu den bisherigen Teilen der Reihe gestaltet. Wer sich in Renthia auskennt, weiß, worauf das Titelbild anspielen soll.

Es handelt sich um den abschließenden Band der Trilogie. Ende April ist bereits der erste Teil einer neuen Reihe von Sarah Beth Durst erschienen: Feuer & Gold. Lasst euch da nicht vom Cover täuschen – Ich glaube, es verbirgt sich eine großartige Geschichte dahinter.

Inhalt:

„Drei Königinnen, zwei Reiche, ein Krieg – das packende Finale der mehrfach ausgezeichneten Trilogie.

Königin Daleina und Königin Naelin herrschen gemeinsam über Aratay und beschützen ihre Untertanen vor den Elementargeistern. Da werden Naelins Kinder von fremden Geistern entführt. Für sie ist klar, dass die Herrscherin des Nachbarreichs Semo dahinter steckt. Außer sich vor Zorn und bereit, das ganze Land zu zerreißen, folgt Naelin ihren Kindern. Doch in der Hauptstadt von Semo stellt ihr die feindliche Königin ihre Bedingungen: Wenn Königin Naelin ihre Kinder lebend wiedersehen will, muss sie abdanken – und ihr Volk im Stich lassen.“

Meine Meinung:

Ich habe die Reihe um die Königinnen von Renthia verschlungen. Und trotzdem muss ich euch sagen, dass der abschließende Band mich nicht so überzeugen konnte wie die Vorgänger. Es ist schwer zu fassen, woran das liegt, und gleichzeitig herauszustellen, warum die Seiten trotzdem wie im Flug gelesen waren. Ich werde es in meiner Rezension so gut wie möglich versuchen.

Ich hatte beim Lesen das Gefühl, eine langsam dahinplätschernde Handlung zu verfolgen. Das lag nicht am Schreibstil der Autorin, der wie gewohnt flüssig und angenehm zu lesen war. Nein, es lag daran, dass nichts passiert ist. Es wirkte beinahe so, als wenn die Autorin eine Seitenvorgabe erhalten hätte, oder möglichst viel Platz füllen musste. Plötzlich geschah dann alles auf einmal, die Ereignisse überschlugen sich und dann war es auch schon vorbei. Durst ist es nicht gelungen, langsam Spannung aufzubauen. Sie hat sie sozusagen vergeudet. Nach dem Cliffhanger des zweiten Bandes war sie zumindest bei mir vor dem Lesen noch da. Vermutlich hat das meine Leseerwartung hochgehalten und vielleicht geht jemand anders mit niedrigeren Erwartungen an die Lektüre. Nichtsdestotrotz habe ich das Buch motiviert gelesen, da Durst bei mir mit den ersten beiden Teilen der Reihe eine Grundspannung auf die weiteren Ereignisse erzeugt hat.

Naelin ist eine Protagonistin, die mir stets sympathisch war. Ohne euch etwas zu verraten, kann ich euch erzählen, dass dieser Eindruck von ihr sich verändert hat. Sie reagiert auf einige Ereignisse der Handlung extrem. So extrem, dass sie bedauerlicherweise nicht mehr glaubwürdig wirkt. Überspitzt und wenig authentisch. Auch der langersehnte Konflikt mit Merecot ist der Autorin anders gelungen als erwartet. Dennoch gibt es auch positive Elemente. Mir fiel es nach dem abschließenden Band leichter, Merecot und ihr Handeln zu verstehen. Durst ist es gelungen, dass ich mich besser mit ihrer Antiheldin identifizieren kann. Arin wird ebenfalls zu einer spannenden Protagonistin. Aber auch hier hätte Durst mehr entwickeln können.

Nachdem ich das Buch beendet hatte, blieb ein komisches Gefühl zurück. Sollte das alles sein? Das ist doch gar nicht möglich. Aber doch, Durst beantwortet nicht die langersehnten Mysterien. Sie klärt nicht auf und lässt ihre Leser mit einem ähnlichen Wissen wie vorher zurück. Dennoch gefiel mir das Ende. Ich konnte lediglich nicht glauben, dass es nach diesem Ende nicht weitergehen soll. Vielleicht ist eine Fortsetzung der Reihe ja doch in irgendeiner Form geplant. Wenn dem so wäre, dann hätte Durst ein Ende gewählt, das nicht passender sein könnte.

Fazit:

Ich wünsche mir eine Fortsetzung, um weniger enttäuscht von diesem abschließenden Band zu sein. Dennoch ist die Königinnen von Renthia-Reihe eine Reihe, die ich gerne gelesen habe.

Veröffentlicht am 23.04.2020

Für mich ist "Die Villa" ein ganz besonderes Buch

Die Villa
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Allgemeines:

Hans Joachim Schädlich siedelte 1977 von der DDR in die Bundesrepublik über. In der DDR war er ein bekannter, aber für das Regime unbequemer Schriftsteller, da er die politischen Verhältnisse ...

Allgemeines:

Hans Joachim Schädlich siedelte 1977 von der DDR in die Bundesrepublik über. In der DDR war er ein bekannter, aber für das Regime unbequemer Schriftsteller, da er die politischen Verhältnisse in seinen Büchern kritisierte.

Er erhielt für sein Werk unter anderem den Bremer Literaturpreis und für sein politisches Engagement das Bundesverdienstkreuz.

Die Villa ist im Rowohlt Verlag am 10. März 2020 in gebundener Form erschienen und umfasst 192 Seiten.

Inhalt:

„Eine Gründerzeitvilla wie aus dem Bilderbuch: schmiedeeisernes Tor, zu seiten der Auffahrt ein großer Springbrunnen, der Eingang flankiert von hohen Kandelabern, Rhododendron und Rosen im verwunschenen Park, zweigeschossige Treppenhalle, Salon, Herren- und Speisezimmer, Stuck, Bleiglasfenster, Zimmerfluchten unten wie oben, Parkett oder gefliest. Bewohnt wird die Villa, die in der vogtländischen Kleinstadt Reichenbach steht, seit 1940 von Hans und Elisabeth Kramer, ihren vier Kindern und dem Personal. Doch die sorglose Zeit währt nicht lange. Der Vater – Wollkaufmann und überzeugter Nationalsozialist – kann angesichts der Verbrechen des Naziregimes an seinem Glauben nicht festhalten. Nach seinem frühen Tod wird die Familie von den Schrecken des Krieges eingeholt.

In seinem Buch „Die Villa“ hat sich Hans Joachim Schädlich den Jahren zwischen 1931 und 1950 zugewandt, der Zeit vom Ende der Weimarer Republik bis zu den Anfängen der DDR. In virtuoser Verdichtung erschafft er ein Psychogramm des vermeintlich harmlosen Durchschnittsmenschen, wie es aktueller nicht sein kann, und er führt vor Augen, wie eine Familie im Widerstreit von Wahn und Gewissen die Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsjahre erlebt. Getreu seiner Maxime, dass das Entscheidende einer Erzählung die Leerstellen sind, lässt er Raum für eindrucksvolle Bilder, Stimmungen und auf historischen Fakten fußende Imagination. (…)“ (Quelle: Rowohlt Verlagsseite)

Meine Meinung:

Hans Joachim Schädlich war mir bisher nur durch sein Buch Der Sprachabschneider bekannt. Ein Buch, das im Deutschunterricht sehr beliebt ist. Mir war bislang nicht bewusst, dass Schädlich ein sehr geschätzter Schriftsteller ist.

Mit Die Villa legt er ein politisches und zeitgeschichtliches Buch vor, das sich mit den 1930er bis 1950er Jahren beschäftigt. Am Beispiel der Familie Kramer entwickelt Schädlich seine Handlung. Im Prolog stellt schädlich eine alte Gründerzeitvilla vor. Diese Vorstellung zieht sich über zweieinhalb Seiten. Das Faszinierende daran ist, dass man beim Lesen eine genaue Vorstellung von dieser Villa erhält, obwohl schädlich kaum Adjektive verwendet und ganz nüchtern schreibt. Das ist für mich sehr erstaunlich, denn lernt man nicht schon in der Schule, dass Adjektive zu jeder guten Beschreibung gehören? Schädlich führt diesen Anspruch ad absurdum. Großartig gemacht! Das gilt auch für den Rest des Buches: nüchterne Sprache, die starke Emotionen hervorruft. Das schaffen nicht viele Schriftsteller.

Man muss sehr aufmerksam lesen, die weiteren Kapitel sind stark verdichtet, es gibt viele Personen und viele Namen, die man sich merken muss. Man wird durch die Familien Kramer und Ruttig geführt und erfährt eine Menge über ihre politischen Einstellungen, über ihre soziale Umgebung, ihre Berufe, ihre Wünsche und Hoffnungen. Schädlich umreißt die Zeit des aufkommenden Nationalsozialismusˋ und scheut sich nicht, den Finger in die Wunde zu legen. Er widmet sich der politischen Gesinnung der NSDAP, der Frage werten und unwerten Lebens, den Überlegungen, eine Heirat einzugehen oder eben nicht, wenn der Bruder der Braut so gar nicht dem nationalsozialistischen Ideal entspricht, nur, weil er ein wenig sonderbar ist.

Man merkt schnell, wer eine eigene Haltung bewahren kann, wer zum Mitläufer wird und wer aktiver Nationalsozialist sein möchte. Die Rolle der Frau wird mehr oder weniger direkt angesprochen: Mädchen müssen nicht studieren, sie sollen lieber brav zu Hause sitzen und den Haushalt führen. Auch das ein nationalsozialistisches ideal, das – neben dem möglichst zahlreichen Kindersegen – eine wichtige Rolle spielte.

Dieses Buch ist wirklich nicht dick, aber es enthält dennoch eine Fülle an Informationen. Vieles wird nur angerissen, bleibt aber gerade deshalb eindrücklich hängen. Man lernt bei Schädlich, zwischen den Zeilen zu lesen.

Dieses Buch hat nicht „den einen Protagonisten“, sondern eigentlich ganz viele. Jedes Familienmitglied hat seine ganz eigene Rolle, jeder ist wichtig. Alle Familienmitglieder, alle Orte und alle Ereignisse sind unbedingt notwendig, um die erzählte Geschichte wirklich zu verstehen.

Schädlich führt den Leser durch den Zweiten Weltkrieg, die Besatzungszeit, aber auch durch das Nachkriegsdeutschland, so dass man einen eindrucksvollen Überblick bekommt. Dabei steht immer das Alltagsleben im Mittelpunkt, das so ganz nebenbei die politische Situation einbezieht.

Fazit:

Wenn man dieses Buch wirklich genießen will, sollte man über die Zeit des Nationalsozialismusˋ Bescheid wissen.

Denn das Buch fordert genaues Lesen und ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, sonst verliert man ganz schnell den Überblick.

Für mich ist Die Villa ein ganz besonderes Buch.

Veröffentlicht am 06.04.2020

Abenteuerliche Lesestunden!

Code: Orestes - Das auserwählte Kind
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Allgemeines:

Das Kinderbuch Code Orestes – Das auserwählte Kind ist am 12.02.2020 als gebundenes Buch bei Mixtvision erschienen. Das Buch hat 384 Seiten, ist schwarzweiß illustriert und kann ab einem ...

Allgemeines:

Das Kinderbuch Code Orestes – Das auserwählte Kind ist am 12.02.2020 als gebundenes Buch bei Mixtvision erschienen. Das Buch hat 384 Seiten, ist schwarzweiß illustriert und kann ab einem Lesealter von 10-12 Jahren empfohlen werden.

Es handelt sich um einen Trilogie-Auftakt der in Schweden lebenden Autorin Maria Engstrand. Code Orestes ist ihr Debütroman. Illustriert wurde das Kinderbuch von der freischaffenden Illustratorin Lotta Geffenblad. Bereits auf dem Cover verbergen sich viele Details, die im Laufe der Geschichte eine Rolle spielen werden. Könnt ihr sie alle entdecken?

Inhalt:

„Es geht um die Zukunft!
Es geht um alles … Leben und Tod!

Ein Brief aus der Vergangenheit mit mysteriösen Codes, ein Internet-Zwischenfall und ein Rutenkind mit Hippiemuytter: Malin und Orestes haben alle Hände voll zu tun, das Geheimnis um einen Wissenschaftler aus dem vorigen Jahrhundert zu lösen, und stoßen dabei auf Fragen, die sich mit Logik nicht erklären lassen.

Geheimnisvoll und atemlos – was kann Wissenschaft? Und sind bei allem, was passiert, nicht vielleicht auch andere Kräfte beteiligt?“ (Quelle: Mixtvision Verlag)

Meine Meinung:

Ich habe lange kein so spannendes und abenteuerliches Buch mehr gelesen. Code Orestes ist für mich ein Buch, das ich jedem Leser ab etwa 10-12 Jahren empfehlen würde, der auf der Suche nach einer Portion Abenteuer, Freundschaft und Detektivarbeit ist. Sowohl männliche als auch weibliche Leser werden angesprochen, Code Orestes ist weder ein typisches Mädchen- noch ein typisches Jungenbuch. Code Orestes möchte von Kindern (oder Erwachsenen) gelesen werden, die auch gerne mal ein Abenteuer voller Knobeleien mit ihren Freunden erleben möchten.

Das Buch ist dabei nicht nur fesselnd geschrieben, sondern auch abwechslungsreich und spannend gestaltet. Es gibt immer wieder etwas zu entdecken. Kleine informative Texte, Zeichnungen, Abbildungen oder Zeitungsausschnitte durchziehen den Fließtext. Sie bieten alle einen Mehrwert – sind nicht Mittel zum Zweck – und erklären Handlungsdetails oder bringen die Entwicklung der Geschichte voran. Auch für mich waren sie interessant.

Die beiden Protagonisten müssen nämlich ein Rätsel lösen. Dabei spielen unter anderem Codes eine Rolle. Bildhaft und detailliert wird hier zum Beispiel das verwendete Codesystem dargestellt und erklärt. Das bietet Anlässe, um selber einen Code zu knacken, die abgebildeten Scheiben nachzubasteln und eigene Codewörter zu entwickeln. Natürlich erleichtern die verwendeten Illustrationen auch das Verständnis der eigentlichen Thematik. Zudem hungert man beinahe nach dem nächsten Brief oder Hinweis, weil diese stets mit einer gewissen handlungsvoranbringenden Erkenntnis verbunden sind.

Inhaltlich entwickelt die Autorin eine Geschichte, die fesselnd ist und zum Miträtseln einlädt. Während des Lesens ist es wichtig, mitzudenken und seinen Kopf einzuschalten. Sonst ist man möglicherweise nicht so schnell beim Lösen der Rätsel wie die 12-jährigen Protagonisten. Als Leser lernen wir Orestes und Malin kennen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Malin wohnt seit längerem mit ihrer Mutter alleine, da ihr Vater erst nach einer langen Erkrankung wieder bei der Familie einzieht. Orestes hingegen zieht mit seiner Mutter, die einen Faible für das Alternative hat, in das Nachbarhaus ein. Ihr könnt euch mit Sicherheit vorstellen, dass dort mit einem Mal Welten aufeinanderprallen…

Malins Mutter muss für eine berufliche Reise nach Japan. Der sonst so spießige Papa, der immer ganz viel gearbeitet hat, und Malin eigentlich gar nicht so gut kennt, passt nun auf Malin auf und trifft auf Orestes Mutter. Sie alle leben in einem sehr beschaulichen Örtchen in Schweden. Dort passiert normalerweise nichts Aufregendes. Ob das gutgeht und ob sich Malin danach noch mit Orestes treffen darf? Mit dem Orestes, den Malin eigentlich ganz schön komisch findet? Der aber ziemlich gut im gemeinsamen Rätsellösen ist? Seid gespannt und beantwortet euch diese und noch viele andere Fragen selbst. Ich bin sicher, dass ihr so manches Mal von den Wendungen und Entwicklungen des Buches überrascht sein werdet. Ich wünsche euch viel Spaß dabei! Und wer weiß – vielleicht entwickelt ihr euren eigenen Code und hinterlasst Rätsel für andere Kinder, die diese in ein paar Jahren voller Mut und Begeisterung lösen können?

Fazit:

Absolute Leseempfehlung für abenteuerliche Lesestunden und gemeinsames Rätseln!