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Veröffentlicht am 25.05.2025

Auswandern mit Erfolgsgarantie

Das Licht in den Wellen
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Inge Martensen fährt per Schiff mit ihrer Enkelin Swantje nach New York. Inge ist 100 und hat ihren eigenen Weg längst gefunden. Nun hofft sie, dass auch Swantje ihrem Leben eine Richtung geben kann. Auf ...

Inge Martensen fährt per Schiff mit ihrer Enkelin Swantje nach New York. Inge ist 100 und hat ihren eigenen Weg längst gefunden. Nun hofft sie, dass auch Swantje ihrem Leben eine Richtung geben kann. Auf der Überfahrt berichtet Inge von ihrer Jugend als Bauerntochter auf Föhr und ihrem anschließenden schillernden Leben in New York, wo sie ihren «magic potato salad» sogar John F. Kennedy auftischte.
Auf dem schlichten Cover entsteigt eine junge Frau in Shorts und Top dem Meer; einem Meer, das nahtlos in den Himmel übergeht, einem Meer, dass sich um Föhr oder New York bewegen könnte. So startet das Buch auch mit zwei Gedichten, die jeweils diesen beiden Punkten auf der Weltkarte gewidmet sind. Der Schreibstil ist fließend, teils sind Wörter auf Fering, der friesischen Sprache auf Föhr, eingeflochten. Der Roman ist in mehrere Abschnitte unterteilt, die wiederum aus kurzen Kapiteln bestehen. Die Geschichte erstreckt sich über das gesamte Leben der Protagonistin und wird in zwei Erzählsträngen wiedergegeben, in jenem von Inges Vergangenheit und in dem der Gegenwart; obwohl letzterer nicht wirklich hätte sein müssen. Innerhalb dieser beiden Erzählfäden kommt es manchmal auch abrupt zu einem Perspektivwechsel. Der Handlung kann man dennoch sehr gut folgen und die Geschichte liest sich sehr flüssig.
Das Buch spiegelt das Leben einiger Auswanderer in den USA wider, auch deren Zusammenhalt und die Hilfeleistung für die alte Heimat, es bietet aber auch allgemein einen geschichtlichen Abriss der Zeit von den späten Fünfzigerjahren bis in die Siebziger des letzten Jahrtausends. Außerdem ist der Gegensatz zwischen dem kargen Leben auf der Nordseeinsel und dem hektischen Treiben in der amerikanischen Großstadt gut dargestellt.
Auch bei den Charakteren beschränkt sich die Darstellung eher auf ein Beschreiben. Richtige Tiefe vermisst man bei den Personen. Allerdings konzentriert sich ohnehin alles auf Inge, die immer wieder Andeutungen macht, warum es überhaupt zu ihrer Auswanderung gekommen ist. Diese Wiederholungen enden schließlich in einer Auflösung,, die mir doch nicht so sensationell erscheint. Alle anderen Charaktere, ob Familienmitglieder oder Geschäftspartner, bleiben recht blass und sind eher stereotyp gezeichnet. Auch sind manche Geschehnisse nicht immer ganz nachvollziehbar, und schienen mir persönlich etwas an der Realität vorbei und klischeehaft. Aber gut, es ist eine Geschichte. Eine Geschichte, die unterhält, mich aber nicht vollkommen packen konnte. Denn ob das Buch wirklich Mut macht, den eigenen Weg zu finden, kann ich nicht unterstreichen.

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Veröffentlicht am 25.05.2025

Der Traum von einem Danach

Eine Welt nur für uns
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Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs kehrt Vincent als Überlebender aus deutscher Kriegsgefangenschaft nach Südfrankreich zurück. Er ist verzweifelt auf der Suche nach seiner geliebten Ariane, von der ...

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs kehrt Vincent als Überlebender aus deutscher Kriegsgefangenschaft nach Südfrankreich zurück. Er ist verzweifelt auf der Suche nach seiner geliebten Ariane, von der er seit zwei Jahren nichts mehr gehört hat. Vincent vermutet, dass ehemalige deutsche Besatzer mit Arianes Verschwinden zu tun haben. Diese sind nun als Minenräumer eingesetzt und auch Vincent schließt sich diesem Räumungstrupp an, der die tödlichen Hinterlassenschaften des Krieges an den Stränden der Côte d’Azur beseitigt. Besonders der Deutsche Lukas scheint mehr zu wissen, als er zugibt.
Das Cover zeigt die Zeichnung eines Küstenabschnitts, leicht könnte man eine Werbung aus vergangener Zeit vermuten, die zum Urlaub am Meer mit klarem Wasser und vereinzelten Segelbooten aufruft. Die Autorin schreibt in kurzen Kapiteln, auch ihre Sätze sind meist kurz und vor allem sehr aussagekräftig, und doch auch sehr bildhaft und flüssig geschrieben. Sie vermittelt die Geschichte ungeschönt und eigentlich unparteiisch, wenn sie das Geschehen aus Sicht verschiedener Personen aus unterschiedlichen Kulturen wiedergibt. Es handelt es sich hier nicht um eine schnulzige Liebesgeschichte, sondern um eine verzweifelte Suche, einerseits nach der verlorenen Liebe, andererseits nach Freiheit und auch Wiedergutmachung. Alle Charaktere sind sehr lebensnah gezeichnet und es gelingt Claire Deya, uns deren Hinter- und Beweggründe so nahezubringen, dass man jede und jeden einzelnen der Protagonisten versteht. Sie müssen mit den Schrecken des Kriegs fertig werden, und jeder der Charaktere behält immer ein Stückchen Wahrheit für sich. Denn so sehr er sich den anderen auch öffnen möchte, ein Stückchen Misstrauen bleibt.
Der Roman ist hervorragend recherchiert, für Interessierte gibt es am Ende des Buchs Quellenangaben. Die Autorin greift eine Menge an Themen in der Geschichte auf, die sich nicht auf Frankreich beschränken; sicher geht es um die Résistance, um Kollaborateure, das Vichy-Regime oder um De Gaulle. Es geht aber auch um Gefangenen- und Konzentrationslager, um Kriegsgewinnler auf beiden Seiten; auch um Antisemitismus; und schließlich um Hass, der zu Rache und Vergeltung führt; aber auch um Vergeben, Vergessen und Versöhnung. Nie greift die Verfasserin wertend ein; sie ist sich bewusst, dass sich auf beiden Seiten der Kriegsparteien Personen befinden, die mit dem jeweiligen Regime nicht einverstanden sind; seien es nun Soldaten oder die Bewohner eines Dorfes. Und an deren Einstellungen und Gedanken geht Deya sehr behutsam heran.
Das Buch ist absolut lesenswert und gelungen. Es berührt, erschüttert, und regt zum Nachdenken an; nicht nur die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland betreffend ...

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Veröffentlicht am 21.04.2025

Eine poröse Kette von Frauen

Die Summe unserer Teile
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Die Familiengeschichte dreier Frauen erstreckt sich über einen Zeitraum von achtzig Jahren. Im Zweiten Weltkrieg flieht die Großmutter aus Polen in den Libanon, wo sie eine der ersten Chemikerinnen wird; ...

Die Familiengeschichte dreier Frauen erstreckt sich über einen Zeitraum von achtzig Jahren. Im Zweiten Weltkrieg flieht die Großmutter aus Polen in den Libanon, wo sie eine der ersten Chemikerinnen wird; die Mutter gibt den Libanon für ein Leben als Medizinerin in Deutschland auf und die Tochter, die Informatik studiert, will zurück nach Polen, um ihre Geschichte zu verstehen. Durch die Wissenschaft sind alle drei verbunden, ansonsten besteht keine richtige Beziehung mehr. Studentin Lucy spricht seit Jahren nicht mit ihrer Mutter, erhält aber plötzlich den verhassten Flügel, auf dem sie als Kind spielen lernen musste. Er erinnert sie an ihre allzu behütete Kindheit, die hohen Ansprüche ihrer Mutter und die fehlende Nähe. Als Lucy den polnischen Geburtsnamen ihrer Großmutter entdeckt, macht sie sich auf die Reise nach Polen, wo sie die losen Fäden ihrer Familie zusammenführen will.
Das Cover mit dem Ausschnitt einer abgebildeten Person könnte vieles verkörpern. Am ehesten noch den „Teil“, aus dessen Summe wir laut Titel bestehen. Und dieses Thema zieht sich durch den gesamten Roman. Die Geschichte spielt auf drei Zeitebenen, häppchenweise erfährt das Publikum „Teile“ aus dem Leben der drei Frauen. Erst nach und nach kann man sich ein Bild über die Charaktere machen. Allerdings kein vollständiges, denn nicht alles wird ausgesprochen. Und an der Aussprache mangelt es auch in den Beziehungen der drei Frauen zueinander. Man würde sich wünschen, dass sie an vielen Stellen einfach aufeinander zugehen, miteinander kommunizieren und sich gegenseitig verstehen. Aber das passiert nicht – jedenfalls nicht so, wie es sein könnte.
Der Schreibstil ist stilistisch an das wissenschaftliche Fachgebiet der Frauen angelehnt; allerdings nur ganz zu Beginn des Buchs, dort allerdings geballt. Sprachlich enthält dieser Roman aber auch viele schöne Bilder; Zitate, in denen viel Wahrheit steckt und die man sich gerne notiert, möchte ich als Stärke dieses Romans bezeichnen. Aber auch sie bleiben leider immer nur in den Gedanken der Frauen. Richtige Sympathie konnte ich zu keiner der Protagonistinnen aufbauen. Zu fremd waren sie mir in ihren Entscheidungen und überhaupt als Personen. Zu sehr in sich gekehrt und auch zu sehr auf sich selbst bezogen. Den wenigsten Bezug konnte ich zur jungen Lucy herstellen. Sie kam mir weniger wie eine junge Frau als eher wie ein trotziges Kleinkind vor. Allerdings – jede der Frauen hatte ihre Gründe, sich so zu benehmen, wie sie es eben tat. Die Väter in dieser Familie verhalten sich passiv, eigentlich vollkommen unbeteiligt. Sie bekommen neben den starken Frauen auch gar keinen Raum.
Der Roman wirkt noch länger nach; es ist schwer ihn zu beurteilen, weil viele „Teile“ einfach gar nicht greifbar gemacht werden. Gerade von diesem Nicht-Gesagten, von diesen Missverständnissen und eigentlich auch der Oberflächlichkeit, mit der die drei Charaktere beschrieben werden, lebt diese Geschichte. Und auch das Ende bleibt offen.

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Veröffentlicht am 21.04.2025

Von Kirchenmäusen und anderen Geheimnissen

Der Tote in der Crown Row
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Der Temple-Bezirk in London bildet das Zentrum der englischen Rechtswelt. Alte Gebäude, verwinkelte Straßen und auch ein Ort mit großen Traditionen. 1901 bleibt das Thema Mord allerdings nicht auf die ...

Der Temple-Bezirk in London bildet das Zentrum der englischen Rechtswelt. Alte Gebäude, verwinkelte Straßen und auch ein Ort mit großen Traditionen. 1901 bleibt das Thema Mord allerdings nicht auf die Fallbücher beschränkt, sondern wird zur Realität im Temple, denn der oberste Richter fällt direkt im Temple-Bezirk einem Verbrechen zum Opfer. Anwalt Gabriel Ward stolpert geradezu über die Leiche und soll den Fall aufklären, da die Polizei im Temple-Bezirk keine Befugnisse hat. Wie es seine Art ist, geht Gabriel mit Logik an die an ihn gestellte Aufgabe heran. Bald erkennt er, dass es hier um ganz eigene Gesetzmäßigkeiten geht, und dass die eigene kleine Welt mitten in London mehr Geheimnisse hat, als der Anwalt vermutet hätte ...
Das Cover ist schlicht gehalten, düster; die Leiche ist bereits hier zu erkennen. Ein Grundriss des Temple-Bezirks am Beginn des Buchs hilft bei der Orientierung. Die Kapitel sind kurz gehalten, der Schreibstil fällt durch lange, oft verschachtelte Sätze auf. Die Autorin, selbst Anwältin im Temple-Bezirk, weiß genau, worüber sie schreibt, sei es auf die Gegebenheiten des Bezirks bezogen oder auf die Gesetzeslage. Das Publikum erhält so auch einen guten Einblick in die dortigen Hierarchien.
Die Geschichte spielt in einer Zeit, als die Kriminalistik noch eher in ihren Kinderschuhen steckte. So wird eben auf gute altmodische Weise ermittelt. Gut, das Amateurdetektiv Anwalt Gabriel und der ihm zugeteilte Polizist Constable Wright auf dem neuesten Stand sind, was die letzten kriminaltechnischen Erkenntnisse betrifft.
Die Charaktere sind sehr lebensnah beschrieben. Der Tod des obersten Richters weckt bei so einigen mutmaßlichen Nachfolgern Begehrlichkeiten, die sie zu Verdächtigen machen; aber auch unter den Bediensteten gibt es einige Personen, die ein Motiv für den Mord hätten. Die Verhaltensweisen sind manchmal nicht ganz nachvollziehbar und an etlichen Stellen waren mir die Wiederholungen zu zahlreich, denn Gabriel überdenkt selbst, oder gibt m Gespräch mit Constable Wright die bisher gesammelten Aussagen wieder. Insgesamt ist hier eine unterhaltsame Lektüre mit britischem Humor gelungen, der es nicht an Spannung fehlt.

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Veröffentlicht am 21.04.2025

Gegen Wut hilft nur Liebe

Wut und Liebe
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Noah ist mit Anfang dreißig ein erfolgloser Künstler. Seine fast gleichaltrige Freundin Camilla verdient das Geld für das gemeinsame Leben, trennt sich aber schließlich von Noah. Sie hat sich mehr vom ...

Noah ist mit Anfang dreißig ein erfolgloser Künstler. Seine fast gleichaltrige Freundin Camilla verdient das Geld für das gemeinsame Leben, trennt sich aber schließlich von Noah. Sie hat sich mehr vom Leben erhofft und folgt daher ihrem Verstand. Noah will Camilla unbedingt zurückzugewinnen, koste es, was es wolle. Er trifft zufällig auf eine ältere Dame, die ihm einen Deal anbietet, einen sehr zweifelhaften allerdings. Denn sie will dem Künstler ein Vermögen vermachen, wenn er ihr einen Gefallen tut ...
Am Cover das Gesicht einer Frau mit traurigen Augen, deren Kopf auf einen Polster gebettet ist. Dabei könnte es sich um Camilla handeln, oder aber um die ältere Frau in jüngeren Jahren; oder um eine andere Frau im Roman. Ein schlichtes Bild und doch einnehmend, wie alle Diogenes-Cover. Der Roman besteht aus drei Teilen, die jeweils in sehr kurze Kapitel gegliedert sind. Der Schreibstil ist sehr ansprechend, ruhig, mit detaillierten Beschreibungen und knappen Dialogen; und mit vielen Nuancen, die man zwischen den Zeilen erspüren darf.
Alle Charaktere sind sehr realistisch gezeichnet. Man nimmt ihnen das Leben, das sie führen und auch ihre Denkweise ab. Noahs Verzweiflung ist zu spüren, nachdem er von Camilla verlassen wurde, und auch die Handlungen aller anderen Personen in diesem Roman sind nachvollziehbar.
Daher weiß man gleich nach den ersten Seiten, worauf die Geschichte hinausläuft und wie sie enden könnte – zumindest glaubt man es zu wissen, weil die Geschichte einfach zu überzeugend vermittelt wird. Wären da nicht die vielen Wendungen in der Handlung, die einen immer wieder auf einen anderen Weg bringen, und die bisherigen Überlegungen zunichte machen. Suter geht sehr raffiniert an diese Geschichte heran: ein junger Mann will seine verlorene Liebe zurückgewinnen und würde alles dafür tun. Man versteht ihn, man versteht die Beweggründe der älteren Frau, auch die Konsequenzen von Camilla. Doch je weiter man in die Geschichte eindringt, desto klarer wird, dass nicht alles so ist, wie es scheint oder geschienen hatte. Sowohl Wut als auch Liebe aus dem Titel existieren in dieser Geschichte – und zwar in vielfältiger Weise.
Dieser Roman bietet beste Unterhaltung, er behandelt verschiedene Themen wie Liebe und Gesellschaft, ist aber auch ein Kriminalroman. Ich gestehe, dies war mein erster Suter. Bleiben wird er es aber ganz sicher nicht. Hiervon will ich unbedingt mehr.

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