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Veröffentlicht am 22.03.2024

Die Kissen-Verschwörung

Der ganz besondere Saft
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Mario untersucht mit seinem Kollegen Tristan ein neuartiges Sargkissen mit integriertem Blutkonservenhalter. Da etliche Nutzer unter Tagschlafstörungen und Fangzahnverkürzungen leiden, gehen die beiden ...

Mario untersucht mit seinem Kollegen Tristan ein neuartiges Sargkissen mit integriertem Blutkonservenhalter. Da etliche Nutzer unter Tagschlafstörungen und Fangzahnverkürzungen leiden, gehen die beiden Vampirprodukttester den Ursachen nach und entdecken nicht nur mysteriöse Lügen, Särge und Blutkonserven, sondern sogar Knoblauchpressen, die damit in Zusammenhang stehen.
Eine Blutkonserve am Cover des Vampirromans scheint schon etwas ungewöhnlich. Man fragt sich, ob die Nachtgestalten nicht mehr selber zubeißen und erfährt während des Lesens so einige weitere Besonderheiten im Leben eines Vampirs, die bisher noch unerforscht – oder jedenfalls unveröffentlicht - schienen. In angenehmer Sprache und mit lebhaften Dialogen unterstrichen, lässt der Autor die Welt der Nacht vor dem Auge des Lesers auftauchen. Wie gewohnt liegt der Antrieb des Autors im Unterhalten seines Publikums. Und dieses wird auch in diesem Buch nicht enttäuscht; sehr humorvoll schildert Manderley das Leben der Untoten, deren Wohnungen und Arbeitsplätze, und letztlich auch deren Charakterzüge, die gar nicht so sehr von uns Menschen abweichen. Bekanntes über Vampire vermischt sich dabei mit außergewöhnlichen Situationen und Eigenheiten, die man so gar nicht erwartet. Wer hätte gedacht, was sich in unseren Städten während der Nachtstunden – und eigentlich doch vor unser aller Augen – so alles abspielt.
Man muss nicht unbedingt zu den Hartgesottenen und Unerschrockenen zählen, um an dieser Geschichte seine reine Freude zu haben. Man braucht nur Humor und den Willen, sich einige Stunden witziger Unterhaltung ins Haus zu holen – oder wo immer man sonst (in sicherer Umgebung) lesen will ...

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Veröffentlicht am 22.03.2024

Das Verstehen der sizilianischen Seele

Nostalgia Siciliana
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Ein Anruf nach dem Tod des Onkels in Sizilien führt die Berliner Grafikerin Tita zurück in die Vergangenheit. Ihr Vater Gianni war einer der ersten Gastarbeiter, der den Südosten Siziliens für Berlin verlassen, ...

Ein Anruf nach dem Tod des Onkels in Sizilien führt die Berliner Grafikerin Tita zurück in die Vergangenheit. Ihr Vater Gianni war einer der ersten Gastarbeiter, der den Südosten Siziliens für Berlin verlassen, dort eine Familie gegründet und berufliche Erfolge errungen hatte. Das Erbe des Landguts Magní weckt in Tita Kindheitserinnerungen und andere Emotionen.
Das Cover erinnert stark an die Plakate der Neunzehnfünfzigerjahre und mutet wie eine Werbung zum Urlaub am Meer an. In kurzen Kapiteln erzählt einerseits Ich-Erzählerin Tita von der Wiederentdeckung ihrer Wurzeln in Sizilien, andererseits erfährt man vom Leben ihres Vaters. Die Beschreibungen sind ausführlich, die Darstellung der Gegend und Gerüche der Mittelmeerinsel erwecken die Insel zum Leben und lassen einen die Gefühle der Protagonisten nachfühlen. Die Autorin erzählt sehr persönlich über den Werdegang ihres Vaters. Durch die eingeflochtenen Daten über die Gastarbeiter und deren Situation in Deutschland erfährt das Publikum nebenbei auch allgemeine Hintergründe dazu.
Di Stefano schreibt über die kulturellen Gegensätze zwischen Deutschen und Italienern, aber auch über die Widersprüchlichkeit auf Sizilien, der Insel, die sich immer mit zwei Gesichtern zeigt, schön und hässlich, fröhlich und traurig, mit Licht und Schatten; in deren Leben auch der Aberglaube noch verankert ist. Eingestreut sind auch Verweise auf die sizilianische Kultur, Spezialitäten deren Küche und italienische Ausdrücke, deren Sinn sich aus dem Geschehenen ableiten lässt.
Der Debütroman ist eine recht persönliche Beschäftigung mit dem Leben des zu früh verstorbenen Vaters, eine Brücke in die Vergangenheit, eine Suche nach den eigenen Wurzeln auf einer einer Insel, die lange Zeit im Herzen der Autorin verschüttet lag.

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Veröffentlicht am 07.03.2024

Die veränderte Wahrheit

Der Stich der Biene
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Das Leben der Familie Barnes ändert sich abrupt, als ihr Autogeschäft kriselt. Familienvater Dickie baut im Wald einen Bunker, Mutter Imelda verkauft online ihren Schmuck und fühlt sich zum Rinderzüchter ...

Das Leben der Familie Barnes ändert sich abrupt, als ihr Autogeschäft kriselt. Familienvater Dickie baut im Wald einen Bunker, Mutter Imelda verkauft online ihren Schmuck und fühlt sich zum Rinderzüchter Big Mike hingezogen. Die achtzehnjährige Tochter Cass flüchtet vor ihrem Schulabschluss in Alkohol und der zwölfjährige PJ will von zu Hause abhauen. Doch wann begannen all diese Schwierigkeiten? Wie weit muss man die Zeit zurückdrehen, um zur Ursache des Übels vorzudringen? Liegen die Gründe zurück in Dickies Kindheit? Begannen sie beim Autounfall seines Bruders? Oder hat der Stich einer Biene an Imeldas Hochzeitstag das derzeitige Chaos verursacht?
Das Cover ist schlicht und ruhig; und doch fällt es mit den abwechselnd braunen und gelben Streifen und der Biene im Zentrum sofort auf. Die 700 Seiten lassen ein umfangreiches Familienepos erahnen. Der Roman ist in einige größere Abschnitte unterteilt, die jeweils über längere Kapitel verfügen. Der Schreibstil ist sehr intensiv; teils mit tragischer und depressiver Komponente, doch dann wieder hoffnungsvoll und mit humorvollem Unterton. Nach und nach erfährt das Publikum die Umstände aus dem Leben der Barnes, abwechselnd legt jedes Familienmitglied aus seiner Sicht die Geschichte dar. Die unterschiedlichen Charaktere haben dabei durchaus einen eigenen Erzählstil. Bei Imelda, die in einer Sozialsiedlung aufgewachsen ist, verzichtet der Autor – bis auf das Fragezeichen - gar auf die Satzzeichen. Und dennoch stört diese Tatsache beim Lesen überhaupt nicht. Murray bändigt die Wörter auf eine unglaubliche Weise; mit einfachen Wörtern gelingt es ihm beispielsweise eindringlich das Gefühl der Trauer zu beschrieben. Die Gedanken der Personen entwickeln eine unglaubliche Sogwirkung. Der Umfang von 700 Seiten mag einen abschrecken, doch weder ist ein Wort in diesem Roman zu viel, noch kann man irgendwelche Längen in der Geschichte feststellen.
Der Autor beschäftigt sich mit den Herausforderungen, die uns das Leben stellt. Der Schauplatz kann von einer irischen Kleinstadt nahe Dublin dabei ganz einfach auch an einen anderen Ort verlegt werden. Murray schreibt über das Schicksal, das Pflichtgefühl der Familie gegenüber, den Versuch, das zu sein, was andere von uns erwarten; gleichzeitig dokumentiert er zum Beispiel die Probleme von Jugendlichen oder das Leben in unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Ein Werk, das absolut empfehlenswert für jeden ist, der sich für das Leben anderer interessiert; man kann es als neugieriger Nachbar genießen, der die Barnes vom Fensterplatz hinter der Gardine beobachtet; man kann sich auf diese Geschichte aber auch einfach einlassen, mit den Beteiligten mitfühlen und - trotz allem - die Hoffnung nicht verlieren.

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Veröffentlicht am 20.02.2024

Baumkronenschüchternheit

Krummes Holz
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In einem drückend schwülen Sommer kehrt Jirka nach einigen Jahren Abwesenheit auf den heruntergewirtschafteten Gutshof seines Vaters zurück. Der Vater scheint unauffindbar, die demente Großmutter und Jirkas ...

In einem drückend schwülen Sommer kehrt Jirka nach einigen Jahren Abwesenheit auf den heruntergewirtschafteten Gutshof seines Vaters zurück. Der Vater scheint unauffindbar, die demente Großmutter und Jirkas unversöhnliche Schwester schweigen. Nur Leander, der Sohn des letzten Verwalters, spricht mit ihm. Das Geschwisterband ist nach der glücklosen Kindheit aber noch vorhanden und täglich kommen Jirka neue Erinnerungen ins Bewusstsein.
Schon am Cover ist die flirrende Sommerhitze über einem Feld spürbar. Die Kapitel sind kurz, die Sprache bildhaft. Ich-Erzähler Jirka berichtet im Präsens vom Heimkommen auf den heruntergekommenen Hof. Diese Gegenwartserzählung bildet aber nur den Rahmen für die Geschichte dahinter. Der Hauptteil des Buchs besteht aus der Gedankenwelt des Protagonisten, vieles wird nur angedeutet und bleibt über weite Strecken geheimnisvoll; immer wieder denkt er an Szenen seiner Kindheit, die er zusammen mit seinem einstigen Zuhause aus seinem Leben ausgesperrt zu haben scheint. Dadurch entstehen laufend Zeitsprünge, denen man aber erstaunlich gut folgen kann.
Sprachlich ist das Buch dadurch herausragend. Die Autorin vermittelt in ihrem Debütroman auf beklemmende Weise nicht nur die drückende Atmosphäre des trockenen Sommers, sondern vor allem die Erlebnisse der trostlosen Kindheit des Protagonisten, mit einem brutalen Vater und einer gefühlskalten Großmutter. Durch die einseitige Sicht des Ich-Erzählers fehlen aber Einblicke in die anderen Charaktere und die Personen sind schwer greifbar; vieles bleibt in der Schwebe und etliche Etappen wiederholen sich unnötigerweise, was vor allem ab der Mitte des Buchs recht spürbar wird.

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Veröffentlicht am 19.02.2024

Der Geschmack des Publikums

Das Lächeln der Königin
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Die Büste der Nofretete, die 1913 nach Berlin gelangt, wird nicht nur durch ihre zeitlose Schönheit zur Sensation – auch für James Simon. Er ist Mäzen der Grabungen, angesehener jüdischer Textilunternehmer, ...

Die Büste der Nofretete, die 1913 nach Berlin gelangt, wird nicht nur durch ihre zeitlose Schönheit zur Sensation – auch für James Simon. Er ist Mäzen der Grabungen, angesehener jüdischer Textilunternehmer, Stifter unzähliger Kunstschätze, aber auch Gründer vieler sozialer Einrichtungen. Bei der erstmaligen Ausstellung der Büste im Neuen Museum entbrennt ein Streit zwischen Ägypten, Frankreich und Deutschland und Rückgabeforderungen werden laut. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kommt es in der Weimarer Republik zunehmend zu nationalistischer und antisemitischer Propaganda.
Das schlichte Cover zeigt das geschäftige Treiben auf den Straßen im Berlin der Zwanziger Jahre. Der Roman ist in zwei Teile mit längeren Kapiteln geteilt. Die Sätze sind oft kurz gehalten, einem Bericht gleich; sie spiegeln die Gedanken des Protagonisten wider, durch häufige Rückblicke entstehen Zeitsprünge, denen man aber gut folgen kann. Die genaue Beschreibung der Nofretete lässt sie vor dem Auge des Lesers entstehen. Ihr Name selbst wird erst im Epilog erwähnt, davor gibt es nur einmal dessen Übersetzung als „Die Schöne ist gekommen“. Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen dem Grabungsleiter Borchardt und seinem Gönner Simon unterstreichen die Authentizität der Geschichte.
Die Informationen zu den Ausgrabungen, die Katalogisierung, der Umgang mit den Fundstücken, Plünderungen, all das ist überaus interessant gestaltet, ohne jedoch lehrbuchhaft zu klingen. Es steckt dennoch viel mehr in diesem Roman. Die Beschreibung der Lebenssituation im wilhelminischen Zeitalter bietet einen guten geschichtlichen Überblick jener Zeit; bezogen sowohl auf Simons eigene, zunächst privilegierte Situation als auch auf die Schicksale jener Menschen, die er durch seine sozialen Einrichtungen unterstützt. Das Umschlagen der Situation und die vermehrt auftretenden antisemitischen Angriffe sind beklemmend beschrieben. Der Roman richtet sich daher nicht nur an Kunstinteressierte, sondern an alle, die ihren geschichtlichen Horizont erweitern wollen.

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