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Veröffentlicht am 20.12.2020

Eine unglaublich mutige Biografie

Meine Flucht aus Nordkorea
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Yeonmi Park ist die Flucht aus Nordkorea gelungen und hat Dinge erlebt, die kein Mensch erleben sollte. Diese Erfahrungen hält sie in ihrem Buch “In Order to Live” (dt. “Meine Flucht aus Nordkorea”) fest. ...

Yeonmi Park ist die Flucht aus Nordkorea gelungen und hat Dinge erlebt, die kein Mensch erleben sollte. Diese Erfahrungen hält sie in ihrem Buch “In Order to Live” (dt. “Meine Flucht aus Nordkorea”) fest. Auch wenn ich mir bereits vor dem Lesen denken konnte, dass das Buch viel Grausamkeit enthält, war das für mich sehr schwer zu akzeptieren und zu verarbeiten. [TW: Depression, Hungersnot, häusliche Gewalt, Menschenhandel, Menstruation, Mord, PTSD, sexualisierte Gewalt, Tod]

Dies ist die Geschichte von Parks Kampf ums Überleben in Nordkorea; ihre erschütternde Flucht durch Chinas Unterwelt der Schmuggler und Menschenhändler; ihre Flucht aus China durch die Wüste Gobi in die Mongolei, mit nur den Sternen als Wegweiser, von dort nach Südkorea endlich in die Freiheit; und schließlich ihr Aufstieg zu einer führenden Menschenrechtsaktivistin - alles vor ihrem 21. Geburtstag.

Wie Parks Flucht ist das Buch ebenfalls in drei Teile eingeteilt: Nordkorea, China und Südkorea. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich zu diesem Buch schreiben soll. Während dem Lesen habe ich so viele unterschiedliche Emotionen gespürt... Ich war entsetzt, als ich erfahren habe, wie schlimm es in Nordkorea tatsächlich ist. Die Hungersnot der Menschen, die Gehirnwäsche und die Propaganda, die die Menschen unterzogen werden, um der Regierung Folge zu leisten. Wütend, weil andere Menschen die Situation von Park und anderen Flüchtenden ausgenutzt haben, um sich finanziell zu bereichern oder sexuell zu befriedigen. Traurig, dass Park doch nur frei sein wollte und ihr Leben dafür aufs Spiel setzen musste. Bestürzt, dass jemand so viel Schlimmes durchmachen musste und es immer noch Menschen gibt, die das Gleiche durchmachen müssen wie sie, um auch frei zu sein.

Alles, was ich lediglich aus George Orwells Bücher “Animal Farm” und “1984” kenne, scheint in Nordkorea Realität zu sein. So beschreibt es auch Park in ihrem Buch. Das, was Orwell als “Doppeldenk” beschrieb, war das, was Park selbst erlebte. “Doppeldenk” beschreibt eine Denkweise, bei der sich widersprechende Wahrheiten oder gegeneinander ausschließende Überzeugungen ignoriert werden. Sie glaubte fest daran, dass Nordkorea das beste Land überhaupt ist und die Regierung nur das beste für das Volk will, obwohl sie selbst hungerte und der Strom immer wieder ausfiel. Doch sie kannte es nicht anders, also war das für sie “normal”. So vieles, war für sie “normal”, das für mich schlichtweg unmenschlich ist.

Von Park habe ich das erste Mal erfahren, als ich sie beim “One Young World 2014”-Gipfel in Dublin sah. Dort hielt sie eine Rede über ihre Fluchterfahrung und als ich sie darüber sprechen hörte, hat es mir regelrecht das Herz zerrissen. Ich bin froh, dass sie den Mut gefasst hat, all diese schlimmen Erfahrungen in einem Buch festzuhalten, sodass mehr Menschen darauf aufmerksam werden. Es kann nicht leicht gewesen sein, darüber zu schreiben und all das in Gedanken wiederzubeleben, obwohl sie lieber vergessen wollte.

Es gab einige Stellen, bei denen ich mir zwar mehr Details gewünscht hätte, manchmal war die Sprache etwas holprig und im Englischen wurde eine chinesische Stadt ständig “Chaingbai” geschrieben, obwohl es “Changbai” heißt, aber ganz ehrlich? Sie war 13, als sie geflohen ist, wurde mit Depression und PTSD diagnostiziert und Englisch ist ihre Drittsprache. Man kann es ihr nicht verübeln, dass sie sich nicht an alle Details erinnert, vor allem, wenn sie aktiv versuchte alles zu verdrängen. Solltet ihr euch zumuten solch eine gewaltige Biografie zu lesen, tut es bitte. Es ist schrecklich und es tut regelrecht das zu lesen, aber ich finde es wichtig, das zu wissen.

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Veröffentlicht am 16.12.2020

Ein Meisterwerk

Das Lied der Krähen
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Nachdem ich schon so viel Gutes über “Six of Crows (dt. “Das Lied der Krähen”) von Leigh Bardugo gehört habe, musste ich es natürlich auch lesen. Das Buch ist ein Meisterwerk. Anders kann ich das gar nicht ...

Nachdem ich schon so viel Gutes über “Six of Crows (dt. “Das Lied der Krähen”) von Leigh Bardugo gehört habe, musste ich es natürlich auch lesen. Das Buch ist ein Meisterwerk. Anders kann ich das gar nicht beschreiben. Es gibt absolut nichts, was mir nicht gefallen oder auch nur ansatzweise gestört hat. Nichts! Ich liebe es, lest es! Am besten auf Englisch, wenn möglich! [TW: Menschenhandel, Mord, Prostitution, PTSD, Xenophobie]

Worum geht es?
Sechs Außenseiter - Eine tödliche Mission
Kaz: Ein Dieb mit der Begabung, die unwahrscheinlichsten Auswege zu entdecken
Inej: Eine Spionin, die “das Phantom” genannt wird
Matthias: Ein Verurteilter mit einem unstillbaren Verlangen nach Rache
Nina: Eine Magierin, die ihre Kräfte nutzt, um in den Slums zu überleben
Jesper: Ein Scharfschütze, der keiner Wette widerstehen kann
Wylan: Ein Ausreißer aus gutem Hause mit einem Händchen für Sprengstoff
Kaz wird ein gefährlich Auftrag für viel Geld angeboten. Diesen nimmt er an und mithilfe der anderen Fünf macht sich auf den Weg einen Mann aus dem bestgesichertsten Gefängnis der Welt zu befreien.

Ich weiß gar nicht, was mir an dem Buch am besten gefallen hat. Die Diversität? Die Repräsentation? Fangen wir klein an: Ich bin kein großer Fan von dem Trope “der/die Auserwählte”, weil ich es bevorzuge, wenn sich Figuren für etwas entscheiden und nicht, weil es ihre “Bestimmung” ist. Sie sind alle nicht vom Schicksal verdammt worden in dieses Gefängnis einzubrechen, sondern tun es aus unterschiedlichen Gründen. Einige der Charaktere haben braune Augen und es ist so selten, dass Menschen mit braunen Augen gut beschrieben werden, während in gefühlt allen Büchern, in denen die Augenfarben genannt werden, so etwas steht wie “blau wie das ungestüme Meer” oder “grau wie ein tobender Sturm”, ihr wisst sicherlich, was ich meine.

Die Charakter sind vom Aussehen so unterschiedlich, denn sie sind nicht einfach alle wunderschön, schlank, weiß mit makelloser Haut. Nein, unterschiedliche Hautfarben, Nina wird als kurvig beschrieben, Kaz hat Narben im Gesicht und bleiben wir kurz bei Kaz. Er humpelt und ist quasi nur mit seinem Gehstock zu sehen. Die Autorin selbst hat Osteonekrose, übersetzt heißt es “Knochen-Sterben”, was wiedeurm bedeutet, Knochensubstanz abgebaut wird und jeder Schritt Schmerzen verursacht. Deshalb ist es kein Zufall, dass Kaz humpelt und einen Gehstock benutzt. Was ich selbst aber am tollsten an seinem Charakter finde: Sein schlechtes Bein ist nicht Teil einer tragischen Hintergrundgeschichte oder der Grund, weshalb er diese Mission antritt. Es ist nach einem Sturz schlecht geheilt und schmerzt seitdem. Dieser Schmerz wird auch immer wieder erwähnt und normalisiert Charaktere, die nicht able-bodied sind. Kaz wird auch nicht darauf reduziert, er ist immer noch der geschickteste Dieb und ein gerissener Mastermind. Das ganze Buch über erleben wir auch, wie Kaz durch vergangene Ereignisse unter PTSD leidet und wie ihn das beeinträchtigt. All das wird ungeschönt dargestellt. Es wird nicht romantisiert und solche Charaktere zeigen, dass andere, die sich mit ihnen identifizieren, ebenfalls mutig und gerissen sein können!

Nicht nur Kaz, auch die anderen Charaktere sind einfach so gu ausgearbeitet. Matthias, der mit seiner Xenophobie kämpft, denn er wurde so erzogen alle Grisha zu verdammen, doch Nina scheint humaner zu sein als alle anderen Menschen, die er kennt. Ich liebe Inejs Selbstwertgefühl und dass sie sich nicht in Kaz verliebt, nur weil er sie aus dem Bordell befreit hat. Jesper und Wylan sind queer, aber ihre Sexualität wird nicht großartig erklärt, sondern sie existieren einfach so wie sie sind und für mich normalisiert LGBTQ+ in dieser Fantasy Welt. [S P O I L E R:] Am Ende wird bekannt, weshalb Wylan ausgerissen ist. Er ist Analphabet und auch hier zeigt Bardugo wieder, dass dies einen Menschen nicht definiert. Denn Wylan kann so vieles, dass es unwichtig ist, ob er nun lesen und schreiben kann oder nicht und das sagt auch Kaz zu ihm.

LEST DAS BUCH, ES IST EIN MEISTERWERK!

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Veröffentlicht am 07.12.2020

Miserable Darstellung von Sexualität und psychischen Krankheiten

ONE OF US IS LYING
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“One Of Us Is Lying” von Karen M. McManus hat generell sehr gute Bewertungen. Tja, ich ziehe die wohl mit meiner ziemlich herunter. Die Darstellung von psychischen Krankheiten und Sexualität ist schrecklich ...

“One Of Us Is Lying” von Karen M. McManus hat generell sehr gute Bewertungen. Tja, ich ziehe die wohl mit meiner ziemlich herunter. Die Darstellung von psychischen Krankheiten und Sexualität ist schrecklich in diesem Buch und sie werden als Plot Device verwendet, was widerwärtig ist. [TW: Alkoholmissbrauch, bipolare Störung, Depression, erzwungenes Coming Out, Homophobie, Slut Shaming, Suizid, Suizidversuch, toxische Beziehung]

Die vier Protagonistinnen verkörpern die typischen High School Klischees und das Buch macht auch keinen Hehl daraus. Bronwyn: das Superhirn auf dem Weg nach Yale. Addy: die perfekte Homecoming-Queen. Nate: der Bad Boy. Cooper: der Baseball-Star. Dann gibt es noch Simon, der eine App programmiert hat, auf der er Gerüchte postet, die sich im Nachhinein immer als wahr herausgestellt haben. Sie waren zu fünft beim Nachsitzen, als Simon plötzlich zusammenbricht und kurz darauf im Krankenhaus stirbt, woraufhin die Polizei wegen Mordes ermittelt. Denn Simon wollte am Folgetag einen Post veröffentlichen, der die Geheimnisse von Bronwyn, Addy, Nate und Cooper preisgibt.

Aber zunächst einmal das Positive: Es hat mich gefreut ein bisschen Diversität zu lesen. Bronwyn und Keely sind biracial, Yumikos Name impliziert einen japanischen Hintergrund, generell haben einige Nebencharaktere Namen, die einen asiatischen Hintergrund vermuten lassen oder sie werden mit einem dunklen Hautton beschrieben. Es wird früh klar, dass Addy in einer toxischen Beziehung ist und ich fand sie gut dargestellt und freute mich sehr über Addys Charakterentwicklung. Die gesamte Geschichte empfinde ich als schlüssige und auch der einfache Schreibstil trägt dazu bei, dass das Buch ziemlich schnell gelesen ist.
Nach etwa einem Drittel des Buches habe ich mir schon gedacht, wie es aufgelöst wird, aber das finde ich nicht schlimm, weil ich die Hintergründe immer am spannendsten finde. Ich habe früher auch immer zuerst das erste Kapitel gelesen und dann das letzte.

Nun zu dem Negativen, wobei es immer schlimmer wird, je mehr ich schreibe. Das Buch wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, aber es ist immer der gleiche Erzählstil, sodass man überhaupt keinen Unterschied merken würde, wenn davor nicht der Name stehen würde. In einer Szene liest Bronwyn nebenbei “Ulysses” von James Joyce, während sie etwas auf Netflix schaut. Hat sich die Autorin das Buch mal angesehen? Das kann man nicht einfach nebenbei lesen! Ich muss es wissen, denn ich war so eine Streberin, die mit einem Freund und unserer Literatur-Lehrerin einen Lesekreis gründen wollten, um dieses Buch zu lesen, weil es so anspruchsvoll ist. (Hat nur leider aus Zeitgründen nicht geklappt, und ok das ist eine sehr unwichtige Kritik, aber trotzdem hat mich das gestört)

Alle Protagonist
innen sind schön, haben makellose Haut bzw. sind muskulös, nur das depressive Mädchen hat schlechte Haut… Außerdem waren alle Eltern irgendwie schrecklich? Lediglich Coopers Oma war cool! Als hätten alle eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung.

Und nun zu den wirklich schlimmen Sachen: Das ganze Buch über findet Slut Shaming statt und bei einer Szene hätte ich das fast übersehen, weil es sich gerechtfertigt anfühlte. Ein Mädchen macht sich über die Homosexualität eines Charakters lustig und daraufhin wird ihre sexuelle Aktivität angeprangert und wie sie sich jedem an den Hals schmeißt. Hinzu kommt auch noch die Doppelmoral zwischen Jungen und Mädchen. Ein Mädchen wird gemobbt, als herauskam, dass sie einen ONS hatte, obwohl sie in einer Beziehung ist. Ein Junge, der eine monatelange Affäre hatte und diesbezüglich auch keine Reue zeigt…

Darüber wird einfach hinweggesehen? Einige werden es wahrscheinlich als Spoiler sehen, aber eine sexuelle Orientierung ist kein Spoiler, deshalb: Natürlich musste die einzig queere Person eine Affäre haben. Urgh. Homosexualität wird als Plottwist verwendet und dann gibt es noch ein erzwungenes Coming Out.

Kommen wir zu den psychischen Krankheiten und wie schlecht sie repräsentiert werden. Depression wird als böse dargestellt und bipolare Störung bedeutet anscheinend, dass man eine miserable Mutter ist und sein Kind im Stich lässt. Es herrscht bereits genug Stigmatisierung und solche Darstellungen tragen dazu bei, dass solche Stigmata und Vorurteile aufrechterhalten werden. Dann wird ein Suizidversuch einfach so nebenbei erwähnt und es wird überhaupt nicht darauf eingegangen, wie die Person dann damit umging. Was mich aber am meisten störte und auch das wird für viele ein Spoiler sein: Suizid sollte nicht als Plot Device verwendet werden. Suizid als Racheakt sollte nicht dargestellt werden. Dadurch wird Suizid nicht nur auf makabre Art und Weise glorifiziert, was schlichtweg nicht richtig ist, es vermittelt auch wieder einmal, dass Menschen mit psychischen Krankheiten gefährlich für die Gesellschaft sind. Suizid ist ein ernst zu nehmendes Thema und wenn man schon nichts tut, um dem Stigmata entgegenzuwirken, sollte man diese zumindest nicht auch noch festigen.

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Veröffentlicht am 29.11.2020

Brutal und grausam

Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
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Ich finde Neuerzählungen immer unheimlich spannend, besonders dann, wenn es in eine dunkle Richtung geht. Und oh man, das tut “Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland” von Christina Henry auf ...

Ich finde Neuerzählungen immer unheimlich spannend, besonders dann, wenn es in eine dunkle Richtung geht. Und oh man, das tut “Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland” von Christina Henry auf jeden Fall. Ihre Geschichte ist nicht nur düster, sondern auch grausam und brutal. [TW: Sexualisierte Gewalt, Gewalt, Menschenhandel, Kannibalismus]

Alice wird seit zehn Jahren in einem Hospital festgehalten, weil alle sie für verrückt halten, während sie sich an nichts erinnert. Jede Nacht suchen Alpträume sie heim, in denen ein Mann mit Kaninchenohren sie quält. Als ein Feuer ausbricht, gelingt es Hatcher, der Axtmörder aus der Nachbarzelle, auszubrechen und er befreit auch Alice. Genau wie Alice hat auch Hatcher die Erinnerung verloren. Zusammen begeben sie sich auf die Flucht, doch auch der Jabberwocky, ein grauenvolles dunkles Wesen, ist entkommen und jagt die beiden.

Für mich war das eine sehr interessante Neuerzählung, auch wenn ich mir eine Triggerwarnung gewünscht hätte, weil ich vollkommen überrascht war, dass Vergewaltigung darin vorkommt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Nachdem ich mich aber darauf eingestellt hatte, dass wirklich sehr viel Gewalt vorkommt, fand ich diese schonungslose Brutalität gut dargestellt. Insbesondere die Schmetterlingsmädchen. Das war einfach krass. Anders kann ich das gar nicht ausdrücken. Toll fand ich, dass man die Charaktere aus dem Original ganz gut wiedererkannt hat und sie waren allesamt unglaublich interessant. In dieser Geschichte kommt Alice ursprünglich aus der Oberschicht und Hatcher aus der Unterschicht. Dieser Unterschied zwischen den beiden wird immer wieder in der Geschichte eingearbeitet und ich fand das genial, wie Alice dadurch ihre eigene Ignoranz bemerkte und reflektierte. Das Ende war mir leider zu antiklimaktisch und zu einfach gelöst.

Außerdem hat mich hin und wieder der Schreibstil gestört, weil so viele Sätze mit Pronomen oder mit den Namen der Charaktere anfangen und das ganze Buch über quasi nur “xy sagt” oder “xy antwortet” benutzt wird. Aber… irgendwie hat das doch auch zu der seltsamen Atmosphäre gepasst, die das Buch für mich geschaffen hat. Ich kann es mir nicht erklären.

Zwei Dinge haben mich am meisten gestört: [S P O I L E R] Wieso musste Henry da unbedingt eine Liebesbeziehung zwischen Alice und Hatcher einbauen… Ich fand das unpassend, auch wenn sie nur hin und wieder erwähnt wird. Das schlimmste war aber, dass geschrieben wurde “his eyes bulged”, obwohl fast das ganze Buch über geschrieben wird, dass Alice ihm ein Auge ausgestochen hat. Da kann doch dann nicht einfach das Plural verwendet werden!

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Veröffentlicht am 27.11.2020

cis Leute, lest dieses Buch!

Ich bin Linus
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Linus Giese hat ein Buch geschrieben, das von jedem cis Mensch gelesen werden sollte. “Ich bin Linus” hat mir brutal gezeigt, wie es im Leben eines trans Mannes sein kann, wie Dysphorie bei ihm aussieht, ...

Linus Giese hat ein Buch geschrieben, das von jedem cis Mensch gelesen werden sollte. “Ich bin Linus” hat mir brutal gezeigt, wie es im Leben eines trans Mannes sein kann, wie Dysphorie bei ihm aussieht, wie anstrengend eine Namensänderung ist, und auch wie Menschen sowohl wundervoll, als auch schrecklich sein können. [TW: Transphobie, Mobbing, Stalking, selbstverletztendes Verhalten, Selbsthass, suizidale Gedanken, sexualisierte Gewalt]

Das Buch ist in viele kurze Kapitel eingeteilt, sodass wir Linus leicht verständlich auf seinem Weg “Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war” begleiten können. Es hat 31 Jahre gedauert bis er “Ich bin Linus” sagen konnte. Danach wurde sein Leben nicht einfacher, aber er definitiv glücklicher.

Während dem Lesen haben mich immer wieder Erlebnisse unvorbereitet getroffen und ich musste erstmal kurz aufatmen. So vieles, was Linus widerfahren ist, ist einfach schrecklich gewesen. Ich freue mich für ihn, dass er Solidarität erfahren hat und es ärgert mich ungemein, dass er auch unsolidarische Kolleg*innen hatte. Allerdings war die digitale Gewalt, die er erfuhr bzw. immer noch erfährt, und die Tatsache, dass ihm das auch im analogen Leben heimsucht, vor seiner Wohnung und bei seiner Arbeitsstelle, eines der schlimmsten Dinge, die ich gelesen habe.

Sein Leben ist alles andere als einfach gewesen, aber ich bin froh, dass er sich entschieden hat sein “wahres Ich” auszuleben. Eines, was mir große Sorge bereitet hat, ist seine Beschreibung von Sex, den er hatte. Als ich das gelesen habe, habe ich das sofort als Vergewaltigung bzw. sexualisierte Gewalt katalogisiert. Dennoch wurde das nie so genannt. Es wurde lediglich als “Sex” betitelt.

Wenn ihr kein Problem mit den möglichen Trigger habt, lest dieses Buch und lernt. Ich habe dank Linus viel gelernt. Der Grund, weshalb ich einen halbe Stern abgezogen habe: es gibt einige Kleinigkeiten, die mich gestört haben. Zum einen verwendet er häufig englische Zitate, aber es gibt keine deutsche Übersetzung. Häufiger werden einige Sätze wiederholt. Es gibt einen inhaltlichen Fehler: Auf S. 72 steht, dass Chester M. Pierce den Begriff “Mikroagression” geprägt hat und auf S. 112 steht, dass es Derald Wing Sue gewesen wäre. Richtig ist: Pierce hat den Begriff "Mikroaggression" in den 70er geprägt, Sue hat den Begriff 2007 wiederbelebt.

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