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Veröffentlicht am 20.12.2023

Fesselnder Roman

Aktion Phoenix
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MEINE MEINUNG
Mit „Aktion Phoenix“ hat der unter dem Pseudonym Christian Herzog schreibende deutsche Autor Ralf H. Dorweiler einen historischen Roman mit fesselnden Thrillerelementen vorgelegt, der uns ...

MEINE MEINUNG
Mit „Aktion Phoenix“ hat der unter dem Pseudonym Christian Herzog schreibende deutsche Autor Ralf H. Dorweiler einen historischen Roman mit fesselnden Thrillerelementen vorgelegt, der uns in Deutschlands dunkle Vergangenheit eintauchen lässt. Sehr anschaulich widmet sich der Autor der Thematik, wie es totalitären Staaten gelingt, ihre Bevölkerung mit Hilfe von Propaganda und Repressionen in ihrem Sinne zu beeinflussen und ideologisch zu prägen.
Die Handlung ist im Nazi-Deutschland des Jahres 1936 rund um die 11. Olympischen Spiele in Berlin angesiedelt und lässt uns an einem bewegenden und sehr lehrreichen Abschnitt deutscher Zeitgeschichte Anteil nehmen.
Herzog ist es hervorragend gelungen, eine Vielzahl historischer Fakten und Geschehnisse in die spannende fiktive Handlung einzuflechten und uns zugleich die perfiden Mechanismen aufzuzeigen, mit denen das skrupellose Nazi-Regime die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Tätern, Mitläufern sowie auch Opfern steuern und manipulieren konnte.
Ausgangspunkt für seine Geschichte ist ein faszinierendes Gedankenspiel, das im Lichte des Größenwahns der NS-Regierung mit ihren willfährigen Handlangern durchaus glaubhaft scheint und sich in ähnlicher Weise hätte abspielen können. Äußerst spannend ist es daher, den Hintergründen der rätselhaften Aktionsgruppe Phoenix auf die Spur zu kommen.
Die vielschichtige, geschickt in den historischen Kontext eingebettete Handlung zieht uns rasch in ihren Bann.
In zahlreichen nebeneinander laufenden Handlungssträngen lernen wir nach und nach die unterschiedlichen Charaktere kennen, deren moralischer Kompass und Verhalten exemplarisch für viele Menschen während der Zeit der Nationalsozialisten stehen – vom schweigenden Mitläufer über den gewissenlosen Opportunisten bis hin zu den kleinen Helden, die sich trotz größter Gefahren gegen die Ideologie stellten und sich im Widerstand organisierten.
Im Mittelpunkt stehen drei fiktive Protagonisten, die alle in die schicksalhaften Ereignisse rund um die olympischen Eröffnungsspiele verwickelt sind und schließlich in höchste Gefahr geraten.
Gekonnt lässt uns Herzog ins Berlin 1936 eintauchen und zeichnet ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zeit. Während die Nazis sich bemühen, Deutschland der internationalen Öffentlichkeit als eine weltoffene Nation mit makellosem Image zu präsentieren und eine einzigartige Propaganda-Inszenierung der Olympischen Spiele planen, lässt er uns in verschiedenen Szenen auch einen schockierenden Blick hinter die herausgeputzten Fassaden werfen. Die eindrücklichen Darstellungen des damals üblichen Umgangston und allgemeinen Meinungsbilds sowie die damalige politische Stimmung in der Bevölkerung sind äußerst gelungen. Allgegenwärtig sind offener Judenhass und Rassismus, aber auch die permanente Überwachung und Bespitzelung der Bevölkerung lässt Misstrauen und ein Klima der Angst aufkommen. Doch SA-Schlägertrupps verkörpern die hässliche Fratze dieses totalitären Staats, denn auch die Systemtreuen sind vor Bedrohung und Erpressung nicht sicher.
Die Geschichte lebt neben den anschaulich dargestellten und gut recherchierten historischen Zusammenhängen vor allem von seinen vielschichtig und authentisch gezeichneten Figuren, in deren Gefühls- und Gedankenwelt man sich gut hineinversetzen kann.
Ob nun die junge Kunststudentin Anna Kollmann, die mit ihrer studentischen Widerstandsgruppe mit Plakat-Aktionen auf die Taten der Nazi-Diktatur aufmerksam machen will, der für die Propagandaabteilung arbeitende Hermann Schmidt, der der Nazi-Ideologie kritisch gegenübersteht, sich in die rebellische Anna verliebt wodurch sein Leben völlig aus den Fugen gerät, oder der unpolitische, gutherzige Oberkellner Georg Finkbeiner, der als Stewart im Zeppelin Hindenburg unversehens zwischen die Fronten gerät und einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur kommt – sie alle werden in ein in perfides Komplott hineingezogen, müssen schwierige Entscheidungen treffen und dem Unrechtsregime die Stirn bieten, um überleben zu können. Ein besonderes Highlight sind zudem die vielen historischen Persönlichkeiten wie Leni Riefenstahl, Goebbels oder sogar Hitler, die Gastauftritte haben und von Herzog sehr glaubwürdig darstellt werden.
Gekonnt lässt der Autor die Spannung immer weiter ansteigen, verdichtet die verschiedenen Handlungsstränge zunehmend und überrascht uns mit einem fulminanten und äußerst packenden Finale während der Olympia-Eröffnungsfeier. Auch wenn nicht alles bis in kleinste Detail aufgeklärt wird, so konnte mich die schlüssige Auflösung des perfiden Plans hinter der Aktion Phoenix sehr überzeugen. Abgerundet wird der tolle Roman durch ein interessantes Nachwort des Autors.

FAZIT
Ein fesselnder und nachdenklich stimmender Roman mit gelungenem Zeitkolorit, der mich sehr gut unterhalten hat. Sehr lesenswert!

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  • Handlung
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Veröffentlicht am 17.12.2023

Bewegender, sehr stimmungsvoller Roman

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
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MEINE MEINUNG

„𝐅𝐥𝐨𝐫𝐞𝐧𝐜𝐞 𝐁𝐮𝐭𝐭𝐞𝐫𝐟𝐢𝐞𝐥𝐝 𝐮𝐧𝐝 𝐝𝐢𝐞 𝐍𝐚𝐜𝐡𝐭𝐬𝐜𝐡𝐰𝐚𝐥𝐛𝐞“ von der britischen Autorin Susan Fletcher ist ein faszinierender Roman mit einer fesselnden Geschichte voller Überraschungen und bewegender Rückblicke.

Auch ...

MEINE MEINUNG

„𝐅𝐥𝐨𝐫𝐞𝐧𝐜𝐞 𝐁𝐮𝐭𝐭𝐞𝐫𝐟𝐢𝐞𝐥𝐝 𝐮𝐧𝐝 𝐝𝐢𝐞 𝐍𝐚𝐜𝐡𝐭𝐬𝐜𝐡𝐰𝐚𝐥𝐛𝐞“ von der britischen Autorin Susan Fletcher ist ein faszinierender Roman mit einer fesselnden Geschichte voller Überraschungen und bewegender Rückblicke.

Auch wenn es sich hierbei - anders als zunächst von mir angenommen - nicht um einen englischen Wohlfühlkrimi handelt, konnte mich der sehr atmosphärische Roman rund um die sympathische Protagonistin Florence Butterfield berühren und mit seinem wundervoll idyllischen Landhaus-Setting gut unterhalten.

Im Mittelpunkt der warmherzig erzählten Geschichte steht die 87-jährige Florrie, die seit einiger Zeit ihren Lebensabend in der beschaulichen Seniorenresidenz Babbington Hall verbringt und nach einer Beinamputation an den Rollstuhl gefesselt ist. Als sie eines Nachts mitbekommt, wie die Heimleiterin Renata aus ihrem Fenster stürzt, ist sie davon überzeugt, dass es sich nicht um einen Suizidversuch handelt. Trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung beginnt sie gemeinsam mit dem liebenswerten Mitbewohner Stanhope Jones diskrete Nachforschungen zu den Hintergründen anzustellen. Immerhin ist ihnen bald klar, dass unter ihnen ein potentieller Mörder weilen könnte. Nur gut, dass sich Florrie als gewitzte Miss Marple der Seniorenresidenz bei den Ermittlungen auf ihr untrügliches Gespür für zwischenmenschliche Schwingungen verlassen kann. Die eigentliche Krimihandlung, die es durchaus in sich hat, entwickelt sich sehr gemächlich und spielt sich insgesamt leider eher im Hintergrund ab. Die aus Florries Perspektive erzählten Ereignisse werden, wie es so häufig bei älteren Damen vorkommt, immer wieder von abschweifenden Gedanken, detailverliebten Betrachtungen und eingestreuten Rückblicken auf ihr eigenes bewegtes Leben unterbrochen. So erfahren wir nach und nach unterhaltsame Anekdoten über ihre abenteuerlichen Reisen und erhalten ausführliche Einblicke in ihre ereignisreiche Vergangenheit, die von einem dunklen Geheimnis, das ihr weiteres Leben nachhaltig prägte, überschattet ist.

Dank des einfühlsamen Erzählstils der Autorin und den schönen bildhaften Beschreibungen wird man rasch in das wundervoll atmosphärische Setting von Babbington Hall und Florries faszinierendes, erfülltes Leben hineingezogen.

Die zahlreichen lebendig gezeichneten Charaktere, die mit ihren netten Eigenarten, kleinen Hintergrundgeschichten und Geheimnissen für jede Menge Abwechslung und Unterhaltung sorgen, sind der Autorin sehr gelungen.

Die liebenswerte Protagonistin Florence Butterfield ist natürlich ein besonderes Highlight. Mit ihr hat die Autorin einen interessanten und sehr vielschichtigen Charakter geschaffen, über deren bewegte Lebensgeschichte mit sechs Männern und etlichen herben Enttäuschungen man immer mehr Details erfährt, so dass man ihr schließlich immer näher kommt. Die weltoffene, clevere und sehr couragierte ältere Dame voller Lebensenergie konnte mich mit ihren ausschweifenden Geschichten über ihr Leben und lang gehütete Geheimnisse trotz einiger Längen für sich einnehmen, doch insbesondere ihre gewitzten Ermittlungen, die zum Ende hin richtig an Fahrt aufnehmen und in einem packenden Showdown gipfeln, konnten mich bestens unterhalten. Am Ende erfahren wir neben der schlüssigen Aufklärung des Falls auch die tragischen Hintergründe zu Florries traurigem Geheimnis, das mich sehr berührt hat.


FAZIT

Ein fesselnd und warmherzig erzählter Roman über eine faszinierende Heldin und ihre bewegende Lebensgeschichte - mit einem schönen Schuss Cosy Crime, stimmungsvoller Atmosphäre und wundervollem Landhaus-Setting.

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Veröffentlicht am 14.12.2023

Wundervoll herzerwärmender Roman

Kein guter Mann
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MEINE MEINUNG
Mit seinem neuen Werk „Kein guter Mann“ ist dem deutschen Schriftsteller und Drehbuch-Autor Andreas Izquierdo ein humorvoller aber zugleich auch berührender und nachdenklich stimmender Roman ...

MEINE MEINUNG
Mit seinem neuen Werk „Kein guter Mann“ ist dem deutschen Schriftsteller und Drehbuch-Autor Andreas Izquierdo ein humorvoller aber zugleich auch berührender und nachdenklich stimmender Roman gelungen.
Im Mittelpunkt seiner unterhaltsamen Geschichte steht der knapp 60jährige Postbote Walter, dem es mit seiner mürrischen, pedantischen Art gelingt sich bei jedem unbeliebt zu machen. Nach einem höchst unerquicklichen Vorfall mit einem Kunden wird der alte Grantler schließlich in die Christkindlfiliale in Engelskirchen strafversetzt, wo er möglichst wenig Schaden anrichten kann.
Mit seinem lebendigen Schreibstil versteht es Izquierdo hervorragend, in uns eine ganze Bandbreite an Gefühlen zu wecken und uns immer tiefer in die abwechslungsreiche, emotionsgeladene Geschichte rund um Walter hineinzuziehen.
Während der Beginn noch überwiegend humorvoll und amüsant erzählt wird, wechselt die Handlung allmählich zu einer tiefgründigen Geschichte, in der auch viele ernstere, zu Herzen gehende Themen angeschnitten werden.
Dem Autor gelingt es aber hervorragend, die oft etwas traurige und beklemmende Stimmung mit der unterhaltsamen Email-Korrespondenz zwischen Ben und Walter als liebem Gott sowie einigen herrlich witzigen Episoden aufzulockern.
Izquierdo hat einfach ein Händchen dafür, bemerkenswerte Charaktere zu schaffen. Seine Hauptfigur Walter hat er vielschichtig und mit seiner schwierigen Persönlichkeit interessant ausgearbeitet. Während man anfangs einige seiner Verhaltensweisen sehr verschroben und ihn nicht allzu sympathisch findet, beginnt man Walter bei besserem Kennenlernen immer mehr zu mögen und ihn in sein Herz zu schließen.
Schrittweise erfahren wir in Rückblicken mehr über sein Leben und seine verwickelte Familiengeschichte. So erkennt man bald, dass hinter dem vermeintlichen Ekelpaket eigentlich ein sehr einsamer und rundum herzensguter, empathischer Mensch steckt, dem von seiner Familie und dem Schicksal teilweise sehr übel mitgespielt wurde. Die vielen schlechten Erfahrungen prägten Walter nachhaltig und haben ihn schließlich zu dem verschrobenen Menschen gemacht, der er heute ist.
Sehr nachdenklich und traurig stimmt auch das Schicksal vom kleinen Ben und seiner alleinerziehenden depressiven Mutter, der sich an in seiner Not mit einem Brief an den lieben Gott persönlich wendet und um Hilfe bittet
Sehr glaubhaft und gefühlvoll zeichnet der Autor, wie sich ein zartes Band der Freundschaft, des Vertrauens und der Hoffnung zwischen den beiden entwickelt und sie erfahren, dass das Leben nicht nur Enttäuschung, Kummer und Perspektivlosigkeit für sie bereithält. Wie schön ist es mitzuerleben, wie Ben und Walter sich gegenseitig dabei geholfen haben, einander den richtigen Weg zu weisen.
Auch wenn ich die Verhaltensweisen einiger Figuren nicht ganz nachvollziehen und als etwas zu überspitzt dargestellt empfand, konnte mich diese, herzerwärmende Geschichte sehr begeistern.
Eine wundervolle Geschichte, die anschaulich aufzeigt, dass in jedem Mensch etwas Gutes steckt.
Ein äußerst gelungener Einblick in eine Gesellschaft des vorschnellen Verurteilens, der oberflächlichen Betrachtung und deren Folgen am Beispiel eines zerstörten Lebens.
FAZIT
Ein humorvoller und berührender Roman mit einer unvergesslichen, herzerwärmenden Geschichte und viel Tiefgang. Ein ganz besonderes, sehr empfehlenswertes Leseerlebnis!

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Veröffentlicht am 07.12.2023

Eindrucksvoller Roman

Als wir an Wunder glaubten
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MEINE MEINUNG
In ihrem beeindruckenden, auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman „Als wir an Wunder glaubten“ widmet sich die deutsche Autorin Helga Bürster einem wenig bekannten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. ...

MEINE MEINUNG
In ihrem beeindruckenden, auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman „Als wir an Wunder glaubten“ widmet sich die deutsche Autorin Helga Bürster einem wenig bekannten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Hierin greift sie sozialpsychologische Phänomene der deutschen Nachkriegsgesellschaft auf, die sich in einem weit verbreiteten Aber- und Hexenglauben, der Popularität von selbst ernannten „Wunderdoktoren“ wie Bruno Gröning aber auch Fällen von Hexendenunziationen äußerten.
Wie bereits in ihren letzten beiden Romanen „Luzies Erbe“ und „Eine andere Zeit“ entführt uns Bürster an einen sehr ländlichen Schauplatz im Norden Deutschlands. So ist diesmal ist der neue Roman in Unnenmoor zum Ende der 1940er Jahre angesiedelt, einem abgeschiedenen und rückständigen kleinen Ort in der unwirtlichen norddeutschen Moorlandschaft, an dem das Leben von vielen Beschränkungen geprägt ist und ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt. Hervorragend haben mir insbesondere die eindrucksvollen, atmosphärisch dichten Natur- und Landschaftsbeschreibungen der eigenwilligen und sehr mystischen Gegend und der unterschiedlichen Handlungsorte gefallen, die mich die Kargheit und die Härte der Naturgewalten hautnah haben spüren lassen
Einfühlsam und eindringlich erzählt die Autorin von verunsicherten und entwurzelten Menschen, denen nach ihren traumatischen Erlebnissen in der Nazizeit und durch die Folgen des verlorenen Kriegs die Orientierung und Sicherheiten abhandengekommen sind. Noch haben sie nicht in ihr Leben zurückgefunden und flüchten sich in der Hoffnung, Rückhalt und Geborgenheit zu finden, ins Irrationale und Übernatürliche. Sehr anschaulich und authentisch fängt sie die Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit der Dorfgemeinschaft von Unnenmoor und das allgegenwärtige Gefühl von sozialem Misstrauen und unbestimmten Zukunftsängsten ein. Sehr atmosphärisch beschreibt sie die düstere, trostlose Stimmung und bleierne Schwere, die auf dem Dorfleben lastet, das immer noch von den Auswirkungen des Krieges beeinflusst ist. Ein perfekter Nährboden für Scharlatane und Wanderpropheten, die den Weltuntergang ankündigen, und dem Aufleben von altem Aberglauben.
Nachvollziehbar ist die große Sehnsucht der Menschen nach einer besseren Zukunft und einem Leben ohne Schuldgefühle und die Schatten der Vergangenheit. Doch während die einen auf materiellen, Wohlstand, Fortschritt und Neuanfang setzen und die alten Traditionen rigoros hinter sich lassen wollen, besinnen sich andere in der schwierigen Zeit auf die früheren Zeiten, alte Bräuche, Geister und ihren Aberglauben und suchen Sündenböcke unter ihresgleichen, um sich von ihren unguten Emotionen und Ängsten zu befreien.
Der Autorin ist eine einfühlsame, vielschichtige Figurenzeichung ihrer Protagonistinnen gelungen. Am Beispiel der beiden Freundinnen Edith und Annie führt uns die Autorin anschaulich und ernüchternd den tristen Alltag in Unnenmoor vor Augen und lässt uns schrittweise in die bedrückende Nachkriegsatmosphäre eintauchen, die mich mit ihrer Intensität zunehmend in den Bann gezogen hat. Gemeinsam mit ihren Kindern, der aufgeweckten Betty und den geistig behinderten Willi haben sie die harten Kriegsjahre durchgestanden, immer noch auf sich selbst gestellt und warten sie auf die baldige Heimkehr ihrer Männer aus dem Krieg. Als jedoch Annis Mann Josef kriegsverseht, schwer traumatisiert und mit nur rudimentären Erinnerungen an die Vergangenheit heimkehrt, nimmt das Schicksal seinen fatalen Lauf und die Ereignisse gipfeln in einer bizarren Hexenjagd. Obwohl sich die Handlung bisweilen im Kreise zu drehen scheint, konnten mich vor allem Gustes alte Geister-Geschichten über die Glöhnigen und Töverschen, die mystische Atmosphäre und die Dynamik der sich zuspitzenden Geschehnisse sehr fesseln. Sehr glaubhaft wird in der bewegenden und nachdenklich stimmenden Geschichte dargelegt, wie leicht sich psychisch labile Menschen von Opportunisten und Blendern manipulieren und ausnutzen lassen.
Abgerundet wird der Roman durch einen zuversichtlich stimmenden Ausklang im Epilog, der die Geschehnisse nach einem großen Zeitsprung zu einem schönen, stimmigen Abschluss bringt.

FAZIT
Ein beklemmender Roman über ein wenig bekanntes Phänomen deutscher Nachkriegsgeschichte – eine eindrucksvoll erzählte Geschichte voller Magie, Mythen und Aberglaube, die noch länger nachwirkt und nachdenklich stimmt!

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Veröffentlicht am 06.12.2023

Opulenter historischer Roman

Die Erfindung des Lächelns
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MEINE MEINUNG
Mit „Die Erfindung des Lächelns“ hat der deutsche Autor Tom Hillenbrand ein großartigen, äußerst opulenten historischen Roman zu Papier gebracht, der mit akribisch recherchierten historischen ...

MEINE MEINUNG
Mit „Die Erfindung des Lächelns“ hat der deutsche Autor Tom Hillenbrand ein großartigen, äußerst opulenten historischen Roman zu Papier gebracht, der mit akribisch recherchierten historischen Details, überbordender Farbenpracht, Ideenreichtum und spannenden Verwicklungen für beste Unterhaltung sorgt. Ausgangspunkt für den fesselnden und atmosphärisch dichten Roman ist eine wahre Begebenheit – der spektakuläre Diebstahl von Leonardo da Vincis berühmten Gemälde „Mona Lisa“ aus dem Pariser Louvre am 22. August 1911.
Aufgrund der überbordenden Beschreibungen und des etwas ungewohnt antiquierten Sprachstils sowie der Vielzahl an Figuren fiel es mir anfangs leider etwas schwer in die vielschichtige Handlung einzutauchen.
Der lebendige, bildhafte Erzählstils und die rasante, atmosphärisch dichte Geschichte hatte mich dann aber doch irgendwann richtig gepackt, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Gebannt verfolgte ich den Fortgang der Geschehnisse und Commissaire Lenoirs aufregende Jagd nach der verschwundenen Mona Lisa.
Hillenbrand hat ein faszinierendes, facettenreiches und sehr stimmiges Zeit- und Sittengemälde der ausgehenden Belle Epoche in Paris geschaffen und lässt uns dank detaillierter Beschreibung der Schauplätze und dichter Atmosphäre mühelos in die damalige Zeit eintauchen. Gekonnt lässt uns Hillenbrand die fesselnde Geschichte in den jeweiligen Handlungssträngen aus Sicht verschiedener, für die Handlung bedeutsamer Figuren erleben. Wir begeben uns an Seite verschiedener interessanter Figuren auf eine aufregende und lehrreiche Reise in die Vergangenheit und begegnen unzähligen historischen Persönlichkeiten, die der Autor absolut gelungen in seine äußerst spannende fiktive Handlung eingebettet hat. Vor einem authentischen historischen Kontext erleben wir eine hochinteressante Welt der Kunst und Kultur sowie unterschiedlichster politischer Strömungen und technologischen Wandels, eine Welt der Kontraste voller Ausschweifungen, Dekadenz, extremer Ideologien, Armut und Intrigen.
Die wendungsreiche Geschichte lebt neben einer Atmosphäre vor allem von einer Vielzahl von facettenreich und lebendig angelegten Figuren, die sehr lebensnah wirken und. für so manche Überraschung sorgen. Nach einer Fülle von fesselnden Verwicklungen und unerwarteten Wendungen findet die höchst erstaunliche Geschichte um den Diebstahl der berühmten La Joconde mit einer absolut stimmigen und gelungenen Auflösung der Ereignisse ihren Abschluss und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ja, so oder so ähnlich hätte sich damals tatsächlich alles zutragen können…

FAZIT
Ein faszinierender, mitreißend erzählter historischer Roman über das Schicksal der aus dem Louvre gestohlenen Mona Lisa – ein fesselnder Detektivroman und ein opulentes Sittengemälde der Belle Epoche voller spannendender historischer Fakten und atmosphärischer Dichte.
Ein beeindruckendes und sehr empfehlenswertes Leseerlebnis trotz des sehr anspruchsvollen Schreibstils!

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