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Veröffentlicht am 12.12.2020

Fesselnde, tiefgründige Familiengeschichte zur BLACK LIVES MATTER-Thematik

Die verschwindende Hälfte
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INHALT
Mallard, ein kleiner Ort im ländlichen Louisiana. Seine Bewohner blicken mit Stolz auf eine lange Tradition und Geschichte, und vor allem auf ihre Kinder, die von Generation zu Generation hellhäutiger ...

INHALT
Mallard, ein kleiner Ort im ländlichen Louisiana. Seine Bewohner blicken mit Stolz auf eine lange Tradition und Geschichte, und vor allem auf ihre Kinder, die von Generation zu Generation hellhäutiger zu werden scheinen. Hier werden in den 1950ern Stella und Desiree geboren, Zwillingsschwestern von ganz unterschiedlichem Wesen. Aber in einem sind sie sich einig: An diesem Ort sehen sie keine Zukunft für sich.
In New Orleans, wohin sie flüchten, trennen sich ihre Wege. Denn Stella tritt unbemerkt durch eine den weißen Amerikanern vorbehaltene Tür - und schlägt sie kurzerhand hinter sich zu. Desiree dagegen heiratet den dunkelhäutigsten Mann, den sie finden kann. Und Jahrzehnte müssen vergehen, bis zu einem unwahrscheinlichen Wiedersehen.

(Quelle: Rowohlt Buchverlag)


MEINE MEINUNG
Die US-amerikanische Autorin Brit Bennett gilt als eine der wichtigsten jungen Stimmen der US-amerikanischen Literatur und wird als würdige Nachfolgerin der Literaturnobelpreisträgerin und literarischen Grand Dame Toni Morrison gehandelt. In ihrem neuesten Roman «Die verschwindende Hälfte» erzählt sie eine bewegende, Generationen umspannende Familiengeschichte, in der die Emanzipation von Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht eine tragende Rolle spielt. Hierin nimmt sich Brit Bennett zahlreicher wichtiger Themen an, die sich mit alltäglichem Rassismus, Diskriminierung und Gewalt gegen Afroamerikaner auseinandersetzen, aber sich auch eingehend mit Fragen der Besinnung auf die eigenen Wurzeln, der Identitätssuche, Lebenslügen und dem Umgang mit Transsexualität beschäftigen.
Obwohl der Roman in den USA derzeit als das Buch zur "Black-Lives-Matter"–Bewegung gilt, geht es der Autorin doch um viel mehr als nur um eine literarische Aufarbeitung von eingefahrenen Vorurteilen, alltäglicher Ausgrenzung und Gewalt gegen die afroamerikanische Bevölkerung in den USA und deren Folgen auf das Zusammenleben der unterschiedlichen Ethnien.
Ihren Anfang nimmt die Familiengeschichte im fiktiven Südstaatenstädtchen Mallard im ländlich geprägten Louisiana in den 1950ger Jahren und führt uns bis in die 1990ger Jahre hinein.
Im Mittelpunkt des vielschichtig angelegten Romans stehen die Zwillingsschwestern Stella und Desiree, die in Mallard in einer afroamerikanischen Community aufwuchsen, die sehr auf ihre außergewöhnliche Hellhäutigkeit bedacht war. Im Alter von 16 Jahren verschwinden die beiden über Nacht aus der Stadt sind, um die Enge und Perspektivlosigkeit hinter sich zu lassen und in New Orleans ein neues Leben zu beginnen, doch trennen sich ihre Schicksalswege schon bald. Während Stella ihre Herkunft verleugnet, sich von ihrer Vergangenheit und familiären Wurzeln abwendet, um einen reichen Weißen Mann zu heiraten und als Weiße mit ihrer weißen Tochter Kennedy unter den Privilegierten in Los Angeles zu leben, heiratet Desiree einen tiefschwarzen Mann und bekommt mit ihm eine ebenfalls sehr dunkelhäutige Tochter, Jude. Mit ihr flüchtet Desiree schließlich vor ihrem gewalttätigen Mann zurück nach Mallard.
Auf sehr faszinierende Weise beleuchtet die Autorin in unterschiedlichen Episoden die miteinander verwobenen Schicksale ihrer sehr vielschichtig angelegten Frauencharaktere, gewährt Generationen übergreifende Einblicke und wechselt immer wieder zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen. So folgen wir den verschlungenen Lebenswegen der beiden Schwestern, erhalten aufschlussreiche Einblicke in ihr Seelenleben und erfahren schließlich immer mehr über ihre Bemühungen einen Platz in der Gesellschaft und in ihren so gegensätzlichen Lebenswelten zu finden. Sehr einfühlsam und anschaulich beschreibt Bennett, welchen Preis die beiden Zwillinge für ihre folgenschweren Lebensentscheidungen zu zahlen haben. Äußerst eindrücklich fand ich die Schilderungen von Stellas aufgewühltem Innenleben, ihrer permanenten Angst vor Enttarnung ihrer Lebenslüge, dem ständigen innerlichen Abwägen, der Einsamkeit und ihrem unbedingten Willen zur Assimilation bis hin zur Selbstverleugnung. Geschickt thematisiert die Autorin in ihrer tiefgründigen Geschichte auch den allgegenwärtigen Schmerz und die innere Zerrissenheit von Zwillingen, seine „andere Hälfte“ zu verlieren.
Im Laufe der fesselnden Handlung verfolgen zudem auch das bewegende Schicksal ihrer Töchter Jude und Kennedy, die sich zufällig begegnen, und das fragile Lügengeflecht ihrer Mütter ins Wanken bringen. Ihnen gelingt es schließlich die familiären Brüche, ambivalente Denkmuster, alte Vorbehalte und Klassenunterschiede zu überwinden, um ein neues Miteinander daraus erwachsen zu lassen. Ein überaus schöner, versöhnlich stimmender Ausklang!

FAZIT
Eine bewegende, vielschichtig angelegte und mitreißend erzählte Familiengeschichte über die Emanzipation von Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht sowie über das Leben als „Falsche Weiße“.
Sehr lesenswert!

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.12.2020

Berührende Coming of Age-Geschichte

Dieses ganze Leben
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INHALT
Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf Verordnung ...

INHALT
Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf Verordnung ihrer Mutter muss Paola täglich mit Richi an die frische Luft. Eine gute Gelegenheit, der Enge der elterlichen Villa zu entfliehen und Gegenden zu erkunden, wo Paola das wahre Leben vermutet – das so ganz anders ist, als sie dachte.
(Quelle: Diogenes)

MEINE MEINUNG
„Dieses ganze Leben" der italienischen Autorin Rafaella Romagnolo ist ein herrlich erfrischender, unterhaltsamer Entwicklungsroman mit einer teils nervigen und teils höchst bewundernswerten jungen Protagonistin. Hierin behandelt die Autorin sehr einfühlsam eine Fülle von typischen Pubertätsthemen, die mit der schwierigen Herausforderung des Erwachsenwerden einhergehen - Selbstfindung, dem Gefühlschaos der Ersten Liebe, problembehaftete Freundschaften aber auch Mobbing, fragwürdige Schönheitsideale und Essstörungen. Obwohl uns die Autorin in ihrem Roman eine eigentlich nur allzu bekannte Coming of Age-Geschichte präsentiert, hat sie mich doch mit ihren warmherzig gezeichneten Figuren und ihrer lebendiger Interaktion untereinander berühren können. Mit dem sehr eindrücklich gezeichneten Psychogramm einer zerrütteten Familie, ihren facettenreichen Hintergrundgeschichten sowie der Aufdeckung von Familiengeheimnissen und unbequemen Wahrheiten konnte mich Romagnolo sehr fesseln.
Im Mittelpunkt des tiefgründigen, nachdenklich stimmenden Romans steht die 16-jährige, in einer norditalienischen Stadt lebende Paola, die uns als Hauptfigur und Ich-Erzählerin sehr unmittelbar an ihrem turbulenten, keineswegs normalen Alltag und dysfunktionalen Familienleben teilhaben lässt. Sie ist ein Teenager mitten in der Pubertät, der eigentlich alles hat, wovon andere träumen – aus reichem, angesehenem Elternhaus, in einer luxuriösen Villa mit Angestellten lebend, und doch ist sie todunglücklich und genervt von ihrem Leben, wird als Außenseiterin in der Schule gemobbt, hat keine Freunde, ein geringes Selbstwertgefühl und hat sich einen dicken Panzer zugelegt, um all die Verletzungen und die emotionale Vernachlässigung zu sehr nicht an sich heranzulassen.
In ihren etwas chaotischen, abschweifenden und wenig chronologischen Schilderungen lässt Paola uns recht ungefiltert an ihrem Denken und Fühlen teilhaben. Diese sehr lebendige, recht sprunghafte Erzählweise ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber hervorragend zu der jungen Protagonistin, die oftmals von Frustration, Wut und Kummer überwältigt wird und gegen die Erwartungshaltung der Erwachsenen rebelliert. Paolas frecher Unterton und ihre bisweilen scharfzüngigen, witzigen bis äußerst zynischen Kommentare lassen ihre Figur „als professionelle Hasserin“ sehr authentisch wirken. Die Autorin hat mit Paola eine sehr vielschichtige und lebendige Figur geschaffen, die mich mit ihrer starken Persönlichkeit, scharfen Beobachtungsgabe und großen Sensibilität sehr beeindruckt und mit ihrer großen Verletzlichkeit berührt hat. Zugleich erhalten wir einen sehr interessanten, authentischen Einblick in die oft zu Extremen neigende Gefühlswelt Jugendlicher während der Pubertät.
Sehr gelungen sind auch die faszinierenden Nebenfiguren wie die extravagante Großmutter, die in den Gärtner verliebt ist, oder die patente, herzensgute rumänische Kinderfrau Nina, die sich immer auf die Seite der Kinder schlägt. Sie sind entsprechend ihrer Rolle in der Erzählung vielschichtig ausgearbeitet und wirken sehr lebensnah, natürlich und glaubwürdig.
Sehr einfühlsam und differenziert beleuchtet die Autorin in ihrem Roman auch die Thematik der Andersartigkeit, insbesondere den unterschiedlichen Umgang mit der Behinderung von Riccardo, Paolas 4 Jahre jüngeren, sehr cleveren an den Rollstuhl gefesselten Bruder.
Sehr fesselnd ist es mit zu verfolgen, wie es Paola gelingt, sich immer mehr Freiheiten zu nehmen, mit Hartnäckigkeit und ihrer beachtlichen inneren Stärke schließlich die heile Welt ihrer Familie zum Einsturz zu bringen und schrittweise die Wahrheit zutage zu befördern. Eine reinigende und zugleich heilende Wirkung hat die Enthüllung des erschreckenden, über allem schwelenden Familiengeheimnisses, das einen mit seiner ungeheuerlichen Tragweite sehr nachdenklich stimmt.
Die Autorin lässt ihren Roman mit einer stimmungsvollen, versöhnlich stimmenden Episode sehr offen enden und entlässt eine gereifte, sehr bemerkenswerte Protagonistin ins Erwachsenenleben.
FAZIT
Eine berührende Coming of Age-Geschichte mit einer liebenswerten, aber manchmal anstrengenden Protagonistin - amüsant, unterhaltsam und nachdenklich stimmend!

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Veröffentlicht am 10.12.2020

Tiefgründiger, wundervoll warmherziger Roman

Bären füttern verboten
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INHALT
Sydney Smith ist Freerunnerin, doch an einen Ort wollen ihre Füße sie einfach nicht mehr tragen: nach St. Ives an der Küste Südenglands. Als sie an ihrem 47. Geburtstag endlich den Aufbruch dorthin ...

INHALT
Sydney Smith ist Freerunnerin, doch an einen Ort wollen ihre Füße sie einfach nicht mehr tragen: nach St. Ives an der Küste Südenglands. Als sie an ihrem 47. Geburtstag endlich den Aufbruch dorthin wagt, wird sie nicht nur mit dem schmerzhaftesten Moment aus ihrer Vergangenheit konfrontiert, sondern auch mit einer Reihe skurriler Menschen: Zahntechnikerin Maria backt Muffins mit heilenden Kräften, Buchhändler Dexter ist mit der Liebe durch und trägt manchmal gerne Kleider, und Belle wohnt mit Ende zwanzig noch immer bei ihren Eltern, trägt »Ich ♥ Otter«-T-Shirts, und führt das Hängebauchschwein der Nachbarn aus. Sie alle eint die Frage, wer eigentlich bestimmt, wann unser Leben einen Sinn hat, und ihre Schicksale verweben sich zu einer tröstlichen Geschichte: über Hilfe, die man nur von anderen bekommt, und darüber, wie man weitermachen kann, wenn die eigene Welt sich nicht mehr dreht.

(Quelle: Mare Verlag)


MEINE MEINUNG
„Bären füttern verboten“ von der britischen Autorin und Psychotherapeutin Rachel Elliott ist ein ungewöhnlicher, aber sehr faszinierender und tiefgründiger Roman, der mich mit seiner eindringlichen Geschichte sehr bewegt und nachdenklich gestimmt hat und mich zugleich mit seinen herrlich skurrilen und humorvollen Episoden immer wieder zum Schmunzeln bringen konnte.
Sehr einfühlsam und kenntnisreich widmet sich die Autorin ernsten Themen wie dem Umgang mit Tod, Verlusten, Trauer, Schuld, Einsamkeit, häuslicher Gewalt und traumatischen Erlebnissen. Man spürt deutlich, dass Elliott ihre Berufserfahrungen in die Geschichte und ihre sehr authentisch wirkenden Charaktere hat mit einfließen lassen.
Trotz der recht melancholischen Grundstimmung hat mich diese wundervoll warmherzige Geschichte mit ihren faszinierend eigenwilligen Persönlichkeiten und dem sehr lebendigen, humorvollen und bildhaften Schreibstil schrittweise immer mehr in ihren Bann ziehen. Angesiedelt ist die Handlung in dem idyllischen, fiktiven Küstenstädtchen St. Ives in Cornwall - einem wundervollen, sehr atmosphärischen Setting für diesen Roman, das mich sehr begeistern konnte.
Großes erzählerisches Talent beweist die Autorin auch in ihrer multiperspektivischen Handlungsführung, die durch die raschen Perspektivwechsel anfangs zwar etwas gewöhnungsbedürftig ist, im weiteren Verlauf aber ihren ganz besonderen Charme entwickelt. Die Autorin erzählt ihre vielschichtige Geschichte nicht chronologisch und linear, sondern aus wechselnden Perspektiven und mit vielen Rückblicken. Doch auch ohne spezielle Kennzeichnung der unterschiedlichen Sichtweisen, fällt es nicht schwer, diese den verschiedenen Charakteren zuzuordnen. Sehr kunstvoll hat die Autorin die Schicksalswege ihrer Figuren in den einzelnen Erzählsträngen miteinander verwoben. Äußerst ungewöhnlich ist es, dass sie bisweilen auch die Sicht der Verstorbenen mit einbezieht und uns sogar an den herrlichen Kommentaren eines sehr liebenswerten, cleveren Hunds teilhaben lässt, der sich seine ganz eigenen, weisen Gedanken zu den Eigenheiten der Menschen um ihn herum macht und ihre Stimmungen erschnuppern kann. Die rasch aufeinanderfolgenden Perspektiv- und Zeitwechsel machen die Geschichte sehr lebendig und sorgen für einen subtilen Spannungsaufbau.
Gekonnt erweckt die Autorin ihre sehr unterschiedlichen und mitunter recht ungewöhnlichen Charaktere zum Leben, die sie allesamt sehr einfühlsam, lebensecht und psychologisch tiefgründig ausgearbeitet hat. So gewährt sie uns eindrückliche Einblicke in die Vergangenheit und persönlichen Hintergrundgeschichten ihrer facettenreichen Figuren und leuchtet deren Ecken und Kanten sowie inneren Abgründe aus.
Schrittweise und aus wechselnden Perspektiven enthüllt Rachel Elliott die Lebensgeschichten von höchst unglücklichen Menschen, die in ihrem Schicksal gefangen und mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen haben. Ob nun die faszinierende Protagonistin Sydney, die ihr ungestümes Wesen als „Freerunnerin“ auslebt, nach 40 Jahren an den Ort ihres Kindheitstraumas - dem frühen tragischen Tod ihrer Mutter - zurückkehrt, um sich endlich ihrer Trauer, ihren übergroßen Schuldgefühlen und Verlustängsten zu stellen. Oder ihr Vater Howard, der nicht loslassen kann, sich nach dem Tod seiner geliebten Frau in selbstgewählter Einsamkeit eingerichtet und mit ungerechten, hasserfüllten Gefühlen zu seiner Tochter zu kämpfen hat. Oder auch die herzensgute Maria, die in einer unglücklichen, toxischen Ehe gefangen ist, unfähig einen Neubeginn zu wagen …Sie alle sind wundervolle Charaktere, die einem ans Herz wachsen und denen man von Herzen wünscht, dass sie einen Weg finden, die belastende Vergangenheit hinter sich zu lassen, Hilfe anzunehmen und das Leben selbst neu zu gestalten.
Trotz der melancholischen und oft nachdenklich stimmenden Geschichte, die um Tod, Trauer, Verlust und Schuld kreist, ist es der Autorin hervorragend gelungen, einen wundervoll einfühlsamen und sehr warmherzigen Roman zu schreiben, in dem viel Leichtigkeit, Hoffnung und Humor mitschwingt. Der sehr versöhnlich stimmende, hoffnungsvolle Ausklang rundet diese außergewöhnliche Geschichte ab.

FAZIT
Ein tiefgründiger, warmherziger und nachdenklich stimmender Roman – der mich mit seinen eigenwilligen Charakteren und seiner skurrilen, melancholischen Geschichte sehr fasziniert hat! Sehr lesenswert für alle, die ein besonderes Lesererlebnis und eine multiperspektivische Handlungsführung mögen.

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Frostiges Thriller-Debüt

Frostgrab
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INHALT
Die Snowboarderin Milla trifft auf einer einsamen Lodge in den französischen Alpen ihre Clique von früher wieder. An diesem Ort haben sie vor zehn Jahren gemeinsam trainiert, bis eine Tragödie alles ...

INHALT
Die Snowboarderin Milla trifft auf einer einsamen Lodge in den französischen Alpen ihre Clique von früher wieder. An diesem Ort haben sie vor zehn Jahren gemeinsam trainiert, bis eine Tragödie alles zunichtemachte. Doch was Milla als harmloses Wiedersehen ansah, entwickelt sich schnell zum gnadenlosen Psychospiel. Plötzlich sind die Handys verschwunden, und die Seilbahn steht still.
Dann ist der Erste von ihnen tot.
Die eisige Bergspitze droht zum Grab für sie alle zu werden, wenn sie nicht ihr düsterstes Geheimnis offenbaren.
Und jeder hat etwas zu verbergen. Besonders Milla.
(Quelle: Harper Collins)

MEINE MEINUNG
Mit ihrem viel versprechenden Debüt „Frostgrab“ ist der Autorin Allie Reynolds ein fesselnder Psychothriller gelungen, der mit seinem frostigen Setting hervorragend in die kommende Winterzeit passt und für reichlich Nervenkitzel sorgt.
Der Thriller spielt in der faszinierenden Welt der Snowboard-Szene, in der sich die Autorin als ehemalige Top Ten Freestyle Snowboarderin bestens auskennt. Viel Insiderwissen und Sport-Fachbegriffe hat die Autorin in die Handlung einfließen lassen, so dass Fans dieses Sport sicher begeistern sein werden, während Laien sicherlich nicht viel damit anfangen können. Ich habe es beim Lesen aber nicht als störend empfunden, da ich rasch von der fesselnden Geschichte gebannt war.
Geschickt bedient die Autorin sich eines beliebten und altbewährten Thriller-Konzepts, das mit seinem Ausgangsszenario an einen Agatha Christie-Klassiker erinnert: In einem einsamen Berghotel eines Skigebiets inmitten von Eis und Schnee gelegen, treffen sich 5 Freunde einer Clique nach 10 Jahren zu einem Ehemaligentreffen wieder. Niemand von ihnen weiß genau, wer dieses Treffen arrangiert hat, doch bemerkt die Gruppe rasch, dass sie allein dort oben am Gletscher und von der Außenwelt abgeschnitten sind, und jemand mit ihnen ein perfides Psychospiel treibt. Schon bald ist klar, dass ihr Zusammentreffen und die mysteriösen Geschehnisse im Hotel im Zusammenhang mit der furchtbaren Tragödie vor 10 Jahren stehen, deren Hintergründe nun offensichtlich aufgedeckt werden sollen.
Die clever konstruierte, äußerst fesselnde Handlung ist auf zwei einander abwechselnden Handlungssträngen angelegt, die in verschiedenen Zeitebenen spielen. Zum einen erleben wir die Ereignisse im einsamen Berghotel in der Gegenwart mit und zum anderen springt die Geschichte immer wieder zu Rückblicken, die uns an den Erinnerungen der Protagonistin Milla an jenen tragischen Winter vor 10 Jahren teilhaben lassen. Aus ihrer Sicht erfahren wir neben ihren rätselhaften, unheilvollen Andeutungen immer mehr Details über die Vergangenheit - das Kennenlernen der sechs Snowboarder Milla, Saskia, Curtis, Dale, Heather und Brent in dem französischen Skigebiet, ihren Wettkampfvorbereitungen sowie der komplizierten Gruppendynamik innerhalb der Clique mit ihren Liebeleien, Freundschaften, Intrigen und Rivalitäten.
Sehr authentisch stellt die Autorin die aufkommende Beklemmung, die Ängste, Paranoia und das allmähliche Hochschaukeln von gegenseitigen Verdächtigungen, Anschuldigungen und Misstrauen innerhalb der Gruppe dar und steigert die Spannung mit den sich zuspitzenden Entwicklungen immer weiter.
Der Nervenkitzel wird zudem enorm erhöht durch die über allem liegende unheilvolle Atmosphäre und den Verdacht, dass jemand ein raffiniertes Psychospiel mit ihnen treibt. Lange Zeit bleibt ungewiss, wer hinter dem Katz- und Mausspiel auf Leben und Tod stecken könnte.
Durch die schrittweise aufgedeckten Verwicklungen ist klar, dass jeder von ihnen Geheimnisse zu verbergen hat und eine gewisse Schuld an den verhängnisvollen Geschehnissen auf sich geladen hat, die schließlich im spurlosen Verschwinden des vielversprechenden Snowboard-Stars Saskia vor 10 Jahren gipfelten. Die komplexe Geschichte gewinnt zusehends an Spannung und Dynamik, überrascht mit einigen Wendungen und sorgt immer wieder auch für den notwendigen Thrill.
Im Gegensatz zum gelungenen, clever inszenierten Setting sind die verschiedenen Charaktere zwar insgesamt interessant, aber etwas klischeehaft und nicht sehr vielschichtig ausgearbeitet. Zudem war mir keiner von ihnen sonderlich sympathisch, so dass mir ein Mitfiebern mit ihnen schwer fiel. Recht lebendig und lebensnah hat die Autorin die jugendliche Snowboarder Clique angelegt und auch ihr Handeln absolut glaubwürdig dargestellt. Als aufstrebende, sehr talentierte Shooting-Stars sind sie extrem ehrgeizig, risikofreudig und halten sich alle für unbesiegbar. Nach dem harten Training vergnügen sie sich mit Alkohol, Partys und Affairen, und so pflegen sie eher unverbindliche, oberflächliche Beziehungen stets ihr eigens Fortkommen im Blick. So wundert es auch nicht, dass auf der Piste mit harten Bandagen gekämpft wird und man sich unbeliebter Konkurrenz mit fragwürdigen Aktionen zu entledigen versucht.
Mit ihrem mitreißenden Schreibstil und geschickt gesetzten Perspektivwechseln treibt die Autorin ihren packenden Psychothriller voran und lässt ihn schließlich in einem fesselnden, hochdramatischen Showdown gipfeln. Die Auflösung und Beweggründe sind zwar nachvollziehbar und glaubwürdig dargestellt, doch wirkte die Geschichte insgesamt etwas zu konstruiert auf mich.

FAZIT
Ein fesselnder, raffiniert angelegter Psychothriller, der in der Snowboarder-Szene spielt - mit tollem winterlichen Setting und reichlich Nervenkitzel, aber leider etwas eindimensional wirkenden Charakteren!

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Veröffentlicht am 27.11.2020

Fesselndes Katz-und-Maus-Spiel

Baskische Tragödie
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INHALT
An den Stränden des Aquitaine werden massenhaft Pakete angespült, gefüllt mit reinstem Kokain. Ein kleines Kind probiert davon – und fällt ins Koma. Commissaire Luc Verlain ermittelt in dem Fall, ...

INHALT
An den Stränden des Aquitaine werden massenhaft Pakete angespült, gefüllt mit reinstem Kokain. Ein kleines Kind probiert davon – und fällt ins Koma. Commissaire Luc Verlain ermittelt in dem Fall, bis ihn eine geheimnisvolle Nachricht aus dem Baskenland erreicht.
Luc macht sich auf den Weg gen Süden und findet sich plötzlich auf der anderen Seite wieder. Er wird verhaftet, ausgerechnet wegen des Verdachts auf Drogenschmuggel – und wegen dringendem Mordverdacht. Wer spielt dem Commissaire böse mit? Nach seiner Flucht vor der Polizei über die spanische Grenze hat Luc keine Wahl: Er muss das Spiel eines altbekannten Psychopathen mitspielen. So beginnt in den engen Gassen San Sebastiáns und auf dem stürmischen Atlantik eine teuflische Schnitzeljagd. Um den Plan des Mannes zu durchkreuzen, der um jeden Preis Rache nehmen will, muss Luc alles auf eine Karte setzen.
(Quelle: Hoffmann & Campe Verlag )

MEINE MEINUNG
Der neue Krimi „Baskische Tragödie“ von Alexander Oetker ist bereits der 4. Band seiner beliebten, im französischen Aquitaine angesiedelten Krimireihe um den sympathischen Ermittler Luc Verlain.
Oetker ist ein sehr packender, temporeicher Krimi mit viel französischem Flair gelungen, der uns diesmal aber von der Aquitaine wegführt und uns auf eine nervenaufreibende Jagd durch Südfrankreich bis ins Baskenland mitnimmt. Die gelungene Mischung aus interessanten Einblicken in das Privatleben der lebensechten Charaktere und stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen mit historischen, kulturellen und den obligatorischen kulinarischen Ausflügen, die diesen Aquitaine-Krimis eine besondere Note, hat mich wieder gut unterhalten können, aber auch der überaus clever angelegte Kriminalfall hat mich von Beginn an fesseln können.
In seinem vierten und bisher persönlichsten Fall wird Commissaire Luc Verlain ganz unvermittelt von seiner Vergangenheit eingeholt und durch eine mysteriöse Botschaft in eine fatale Falle gelockt. Unversehens wird aus dem ermittelnden Jäger ein gnadenlos Gejagter, dem Drogenschmuggel, Entführung und Mord zur Last gelegt werden. Erst schrittweise wird klar, dass sich ein beängstigend mächtiger Drahtzieher an ihm rächen will und sich ein perfides Katz- und Mausspiel für ihn ausgedacht hat.
Oetker hat für seinen Regionalkrimi einen rasanten, wendungsreichen und recht verzwickten Plot entworfen, der sich mit seiner cleveren Schnitzeljagd hervorragend zum Mitfiebern und Miträtseln eignet. Auch wenn ich anfangs über einige Verwicklungen ungläubig den Kopf schütteln musste, so durchschaute ich langsam die Zusammenhänge, und verfolgte gebannt die Ereignisse um Luc bis zum fesselnden Finale und dramatischen Showdown. Hervorragend hat mir auch die überraschende Auflösung gefallen, die der Autor für uns bereit hält.
Mit Luc Verlain hat der Autor einen faszinierenden, tiefgründig angelegten und sympathischen Charakter geschaffen, der sehr lebensecht wirkt. Als aufrichtiger, professionell agierender Ermittler, der auch im Privatleben ein sehr umsichtiger und empathischer Mann ist, bangt man von Beginn an um sein Schicksal. Auch sein Ermittler-Team stellt eine sehr interessante Mischung aus sehr eigenwilligen, Charakteren dar, die für so manche Überraschung gut sind.
Ich bin schon sehr gespannt, in welchem fesselnden Fall Luc Verlain demnächst ermitteln wird, und freue mich schon auf eine Fortsetzung dieser sehr unterhaltsamen Krimi-Reihe!

FAZIT
Ein spannender und rasanter Krimi mit viel französischem Flair, einem Ausflug ins faszinierende Baskenland und einem sehr persönlichen Fall für Luc Verlain!

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