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Veröffentlicht am 07.04.2018

Ein anspruchsvolles, lohnendes Leseerlebnis

Skandinavisches Viertel
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INHALT
Das Skandinavische Viertel in Ostberlin kennt niemand so gut wie Matthias Weber. Als Kind unternimmt er hier in den siebziger Jahren Streifzüge, beflügelt von seiner reichen Phantasie, zugleich ...

INHALT
Das Skandinavische Viertel in Ostberlin kennt niemand so gut wie Matthias Weber. Als Kind unternimmt er hier in den siebziger Jahren Streifzüge, beflügelt von seiner reichen Phantasie, zugleich auf der Flucht vor inneren Dämonen. Vater, Onkel, Großmutter: nette Leute, und doch jeder auf seine Weise in Schuld verstrickt. Nur sehr langsam durchdringt der Junge das Geflecht aus Geheimnis und Verrat in seiner Familie. Jahre später kehrt Matthias in sein Revier zurück, das sich seit dem Fall der Mauer im Umbruch befindet. Er wird Wohnungsmakler, und da sich der umgängliche Grübler nicht zum Haifisch eignet, macht er es sich zur Aufgabe, Neureiche und Großkotze aus seinem Viertel fernzuhalten. (Verlagstext – Klett-Cotta Verlag)
MEINE MEINUNG
“Skandinavisches Viertel” von Torsten Schulz ist ein sehr einfühlsam erzählter, thematisch ansprechender und nachdenklich stimmender Roman, der mich mit seiner bewegenden ostdeutschen Familiengeschichte noch länger beschäftigt hat. Der Autor versteht es hervorragend, in seinem Roman die Komplexität des Lebens in ausdrucksstarken und zum Teil auch skurrilen Episoden einzufangen. Der gefühlvolle, prägnante Erzählstil gewürzt mit einer guten Portion Humor und ironischen Pointen konnte mich schnell gefangen nehmen.
Im Mittelpunkt des Romans steht die Hauptfigur Matthias Weber, dessen Lebensgeschichte allmählich und sehr behutsam in sich zeitlich abwechselnden Erzählsträngen enthüllt wird. In vielen Rückblenden lernen wir den jungen, aufgeweckten Matthias kennen, der seine Kindheit und Jugend im Ostberlin der 70er und 80er Jahre verbrachte. Als Jugendlicher kennt er sich in seinem Skandinavischen Viertel im Grenzgebiet in der Nähe zur Mauer bestens aus und fühlt sich dort oft wohler als zu Hause. Auf seinen endlosen Streifzügen lässt er seiner Fantasie freien Lauf und lebt seine kleinen Freiheiten aus. Er erschafft sich seine eigene Welt, in dem er die Straßen seines Viertels kurzerhand nach skandinavischen Vorbildern umbenennt.
Sehr eindringlich, aber dennoch sehr subtil erzählt Schulz die bedrückende Geschichte von Matthias ostdeutscher Familie aus dem Arbeitermilieu - alles in allem zwar nette, aber eher schwierige Charaktere, die gefangen sind in ihrer Schuld, in ihren schon lange ausgeträumten Träumen und die sich mit ihrem Leben mehr schlecht als recht arrangiert haben. Erst langsam erschließt sich dem Leser ein Zugang zu ihnen. Wir erleben eine Familie, in der es viele Lügen und Geheimnisse gibt und in der Verdrängen, Sprachlosigkeit und bei einigen auch die fatale Flucht zum Alkohol als Problemlöser zur Tagesordnung gehört. Geschickt thematisiert der Autor dabei auch folgenschwere, politische Verstrickungen einiger Familienmitglieder in der Vergangenheit, über die man in der DDR besser nicht redete. Immer wieder versucht der neugierige Junge das komplizierte Geflecht der unter der Oberfläche schwelenden Verstörungen in der Familie durch Nachfragen zu entwirren, sorgsam gehütete Familiengeheimnisse und tragische Ereignisse ans Licht zu bringen. Doch wird es noch Jahrzehnte dauern, bis er schließlich einige der unausgesprochenen, bedrückenden Wahrheiten erfahren wird. Zunehmend erkennt der Leser, dass Matthias problematische Familienhintergründe auch deutliche Spuren bei ihm hinterlassen und sein Leben nachhaltig geprägt haben. In der Erzählperspektive der Gegenwart lernen wir den inzwischen 50-jährigen Matthias kennen, der sich nach seinem kläglichen Scheitern als Journalist und der Rückkehr aus dem Ausland als führender Immobilienmakler in seinem alten Heimatviertel etabliert hat. Fest entschlossen geldgieren Immobilienhaien und der Gentrifizierung entgegen zu wirken, lebt er ein ambivalentes Machtstreben aus und versucht für soziale Gerechtigkeit in seinem Viertel zu sorgen, indem er nach seinen eigenen Kriterien passende Kunden aussucht. Hervorragend ist es dem Autor gelungen aufzuzeigen, wozu die fehlende Aufarbeitung von Matthias unglücklich verstrickter Familiengeschichte geführt hat. Die Unfähigkeit, sich seinen Verlusten, Ängste und Konflikten zu stellen und an tragfähige Bindungen zu arbeiten, führt schließlich zu einer zunehmenden Einsamkeit. Stattdessen verzettelt sich die Hauptfigur in unbefriedigenden Frauengeschichten, stets auf der Suche nach Glück und innerer Freiheit.
Sehr fesselnd ist es, im Laufe der verschachtelten Erzählweise die vielen Geheimnisse und tragischen Verwicklungen der Familie zu ergründen. Bewusst hat der Autor neben dem offenen Ausklang seines Romans auch einige Deutungen der Fantasie der Leser überlassen.
FAZIT
Eine tiefgründige, nachdenklich stimmende Geschichte über die Komplexität und Widrigkeiten des Lebens! Ein anspruchsvolles, lohnendes Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 31.03.2018

Fesselnder und unterhaltsamer Jugendthriller

ONE OF US IS LYING
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INHALT
Bayview High, 24. September:
Fünf Schüler versammeln sich zum Nachsitzen im Chemie-Raum. Bronwyn, die viel versprechende Musterschülerin auf dem Weg nach Yale, Addy, die hübsche Homecoming-Queen, ...

INHALT
Bayview High, 24. September:
Fünf Schüler versammeln sich zum Nachsitzen im Chemie-Raum. Bronwyn, die viel versprechende Musterschülerin auf dem Weg nach Yale, Addy, die hübsche Homecoming-Queen, Cooper, der gefeierte Baseball-Star, Nate, der Drogendealer auf Bewährung sowie Simon, der Urheber der berüchtigten Gossip-App, die schon so manchem das Genick gebrochen hat. Doch der Nachmittag verläuft bald anders als erwartet, denn Simon bricht mit einem anaphylaktischen Schock zusammen und jede Hilfe kommt für ihn zu spät. Plötzlich stehen die vier Schüler unter dem dringenden Verdacht, etwas mit Simons tragischem Tod zu tun zu haben. Die Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen und stellt bald fest, dass jeder der vier einen triftigen Grund hatte, Simon aus dem Weg zu räumen, denn dieser hatte für den nächsten Tag einen neuen Skandalpost geplant, bei dem pikante Geheimnisse über Bronwyn, Addy, Cooper und Nate veröffentlicht werden sollten. In den Augen der Polizei ist jeder von ihnen verdächtig und könnte sogar ein Motiv für einen Mord an dem missliebigen Mitschüler haben. Aber wer von ihnen lügt? Oder haben sie sich sogar zusammengetan, um ihre dunklen Geheimnisse zu verbergen?
MEINE MEINUNG
Mit „One of us is lying“ ist der amerikanischen Autorin Karen M. McManus ein wirklich fesselnder Jugendbuch-Thriller gelungen, den ich schon bald nicht mehr aus der Hand legen konnte.
McManus hat für ihren Thriller ein sehr packendes und faszinierendes Ausgangsszenario gewählt, das im amerikanischen Highschool-Ambiente angesiedelt ist. Gleich zu Anfang wird der Leser mit einem höchst tragischen, aber auch sehr verdächtigen Todesfall konfrontiert, der viele Fragen aufwirft und vier mutmaßliche Verdächtige zurücklässt, die als einzige zusammen mit dem Opfer Simon in einem Raum waren. Als bekannt wird, dass Simon kurz davor war, mit seiner Gossip-App wieder einen Skandal zu posten, geraten die vier Jugendlichen schnell sogar unter Mordverdacht. Die Spekulationen schlagen schnell große Wellen. Nicht nur in der Schule sondern auch in den Medien sickern belastende Details durch, folgenschwere Vorverurteilungen werden verbreitet und die Situation für die betroffenen Schüler gerät zunehmend außer Kontrolle.
Erzählt wird der Thriller abwechselnd aus der Perspektive der vier verdächtigen Schüler Bronwyn, Addy, Cooper und Nate aus der jeweiligen Ich-Perspektive. Der ständige Wechsel zwischen den verschiedenen Erzählperspektiven bringt enorm Spannung in die Geschichte, denn je besser wir die vier Protagonisten und ihr Umfeld kennenlernen, desto mehr erfahren wir auch über die Geheimnisse, die sie zu verbergen haben. Dinge, von denen keiner möchte, dass die bekannt oder gar veröffentlicht werden, und somit ein potentielles Mordmotiv für die Polizei darstellen. Geschickt hat die Autorin immer wieder Verdachtsmomente in das Geschehen eingestreut, die einen aufs Neue rätseln lassen, wie die verwirrenden Details zusammenhängen können und wer nun der Täter ist. Die Autorin hat ihren Thriller mit jeder Menge Lügen, Intrigen, Gossip und unerwarteten Wendungen wirklich sehr packend und zusätzlich mit der eingebauten Liebensgeschichte äußerst abwechslungsreich gestaltet. Zum Ende hin zieht die Spannung noch einmal enorm an und gipfelt in einem unglaublich mitreißenden Finale. Auch die Auflösung des Falls war insgesamt sehr schlüssig, und das Ende für meinen Geschmack geschickt gewählt. Sehr angenehm zu lesen ist der flüssige, jugendliche Schreibstil der Autorin.
Die verschiedenen Hauptfiguren des Thrillers wirken sehr authentisch und sind mit ihren unterschiedlichen Eigenarten vielschichtig charakterisiert. Auch wenn sie anfangs noch etwas eindimensional erscheinen, bekommen sie im Laufe der Handlung immer mehr Tiefgang, so dass man sich hervorragend in ihre Lage hinein versetzen kann und zunehmend mitzufiebern beginnt.
Ein wirklich fesselndes Buch, das auch wichtige Themen anspricht, die zum Nachdenken anregen. Sehr anschaulich thematisiert McManus in ihrem Thriller nicht nur das Mobbing unter Jugendlichen, das durch die Social Media rasch Kontrolle geraten kann, sondern auch welche weitreichenden Folgen es für die Betroffenen haben kann, wenn der Schutz der Privatsphäre verletzt wird.
FAZIT
Ein sehr fesselnder und unterhaltsamer Jugendthriller mit jeder Menge Lügen, Intrigen und Gossip über die fatalen Auswirkungen von Cyber-Mobbing und die Abgründe der menschlichen Psyche.
Nicht nur für Jugendliche sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 29.03.2018

Ein äußerst packender, unterhaltsamer Ökothriller

Das Eis
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INHALT
Beim Kalben eines schmelzenden Gletschers in der Arktis taucht direkt vor einem Kreuzfahrtschiff eine Leiche auf. Schnell ist klar, dass es sich um den Umweltaktivist und Arktis-Kenner Tom Harding, ...

INHALT
Beim Kalben eines schmelzenden Gletschers in der Arktis taucht direkt vor einem Kreuzfahrtschiff eine Leiche auf. Schnell ist klar, dass es sich um den Umweltaktivist und Arktis-Kenner Tom Harding, handelt, der drei Jahre zuvor bei einem Unfall spurlos im Eis verschwand. Der Letzte, der ihn lebend gesehen hat, ist sein bester Freund und Geschäftspartner Sean Cawson. Die beiden waren an der Eröffnung der exklusiven arktischen Midgard-Lodge beteiligt, die sich dem Schutz des Nordmeers verpflichtet. Als vor Gericht die Hintergründe zu Toms mysteriösen Tod untersucht werden, wird auch Seans Rolle beim Unfall und seine Beziehung zu Tom beleuchtet.
MEINE MEINUNG
Nach ihrem von Kritikern gefeierten Debütroman „Die Bienen“ hat die englische Autorin Laline Paull nun mit ihrem zweiten Roman „Das Eis“ einen äußerst packenden Ökothriller vorgelegt.
Hierin greift sie mit der globalen Klimaerwärmung und den weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels auf das arktische Eis eine dringliche Umweltthematik auf, die jeden von uns betrifft. Geschickt verwebt sie ihre vielschichtige, fiktive Geschichte rund die Hauptfigur, den jungen Geschäftsmann Sean Cawson, mit hervorragend recherchierten Hintergrundinformationen zur Arktis zu einem fesselnden Leseabenteuer, das sie in der sehr nahen Zukunft angesiedelt hat.
Die Autorin versteht es, den Leser bereits mit wenigen Andeutungen in ein beängstigendes Szenario zu versetzten. Sie beschwört kein abstruses Science Fiction-Setting sondern einen beklemmenden, glaubwürdigen Ausblick auf unsere Zukunft herauf. Es ist eine Welt, in der das Eis in der ressourcenreichen Arktis durch den Klimawandel zum Großteil geschmolzen ist, neue Transitrouten für den Schiffsverkehr erschlossen werden, Wildtiere akut von Aussterben bedroht sind, der Sensationstourismus zur Arktis boomt und Regierungen der Anrainerstaaten sowie mächtige Wirtschaftsunternehmen sich positionieren, um die gnadenlose Ausbeutung der eisfreien Gebiete voranzutreiben.
Der Roman beginnt mit einem packenden Auftakt, bei dem wir von Bord eines Kreuzfahrtschiffs das Kalben eines Gletschers in der Arktis und das unerwartete Auftauchen einer Leiche miterleben. Schon bald steht fest, dass es sich hierbei um den vor drei Jahren bei einem tragischen Unfall verschollenen, ehemaligen Greenpeace-Chef Tom Harding handelt, der ein alter Studienfreund und Geschäftspartner von Sean war. Beide Freunde teilten schon als Studenten eine große Faszination für die Arktis und hatten gemeinsam die gewagte Geschäftsidee umgesetzt, die Vereinbarkeit von Wirtschaftsinteressen und Umweltethik zu fördern. Hierzu hatten sie auf Spitzbergen die exklusive Midgard-Lodge als inspirierenden Ort eröffnet, an dem sich Wirtschaftsvertreter dem Schutz der Arktis verpflichten.
Paulls Thriller entwickelt sich zu einer hochkomplexen Geschichte mit verschiedenen Handlungssträngen und zahlreichen Nebenfiguren, in der auch immer wieder die Problematik von Umweltschutz und Profitgier thematisiert wird. Im Mittelpunkt der aus Seans Perspektive erzählten Handlung steht jedoch die gerichtliche Untersuchung, die sich mit der Aufklärung der Hintergründe von Toms tödlichem Unfall am Gletscher beschäftigt und den Hinterbliebenen Klarheit bringen soll.
Schrittweise erfahren wir in zahlreichen Rückblenden in die Vergangenheit mehr Details zu Seans ominösem Midgard-Projekt auf Spitzbergen und seinen Konsortiumspartnern, seinem familiären Hintergrund und erhalten Einblicke in seine recht komplizierte Freundschaft zu Tom. Durch die ständigen Wechsel der Erzählstränge offenbaren sich ständig neue Sichtweisen, und es baut sich rasch eine enorme Spannung auf. Man fragt sich, wie die vielen verwirrenden Details mit Toms tragischen Unfall zusammenhängen könnten, denn hier ist bei weitem nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Im Laufe der clever konstruierten Handlung werden immer mehr Intrigen auf höchster Ebene, private Konflikte, Verrat und menschliche Abgründe enthüllt. Während sich der Mittelteil der Geschichte leider etwas zieht, gewinnt das letzte Drittel zusehends an Tempo und die sich überstürzenden Ereignisse gewinnen an Dramatik. Nach einigen überraschenden Wendungen gipfelt der Thriller in einem unglaublich packenden Finale.
Mit ihren detaillierten Beschreibungen von einigen in der Arktis angesiedelten Episoden gelingt es Paull, die einzigartige, beeindruckende Atmosphäre und die besondere Faszination für diese unwirtliche Region sehr anschaulich zu vermitteln. Sehr gelungen sind auch die den Kapiteln vorangestellten Textausschnitte über die Polarregion wie beispielsweise Expeditionsberichte von legendären Polarforschern wie Peter Freuchen oder Inuit-Legenden.
FAZIT
Ein äußerst packender, unterhaltsamer Ökothriller und ein empfehlenswertes Leseabenteuer mit einer nachdenklich stimmenden Umweltbotschaft.

Veröffentlicht am 28.03.2018

Actionreicher, blutrünstiger Thriller im historischen Chicago

Killer City
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INHALT
Chicago, 1893. Die kürzlich eröffnete Weltausstellung zieht Millionen von Besuchern aus nah und fern in die aufstrebende Metropole, um die neuesten technischen Wunder zu bestaunen. Einer von ihnen ...

INHALT
Chicago, 1893. Die kürzlich eröffnete Weltausstellung zieht Millionen von Besuchern aus nah und fern in die aufstrebende Metropole, um die neuesten technischen Wunder zu bestaunen. Einer von ihnen ist Thornhill, der schon viele Menschenleben auf dem Gewissen hat. In den Menschenmengen hofft er untertauchen zu können, um möglichst unauffällig auf die Jagd zu gehen und seine nächste Beute aufzuspüren. Sein Hunger nach dem berauschenden Gefühl des Tötens ist unersättlich, denn dem Ruf der Dunkelheit, die in seiner abgrundtiefen Seele lauert, kann er sich nicht widersetzten. Seine bevorzugte Waffe ist das Rasiermesser. Schon bald gibt es die ersten Toten, und die Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen. Es dauert allerdings auch nicht lange, bis Thornhill ins Visier der Gangs von Chicago gerät und er vom Jäger zum gnadenlos Gejagten wird …
MEINE MEINUNG
Phantastik-Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein hat mit „Killer City“ einen packenden, actionreichen und zugleich blutrünstigen Roman vorgelegt, der den Leser mit einer interessanten Mischung aus Thriller, Horrorroman und mystischen Elementen unterhält.
Angesiedelt ist die Geschichte im historischen Chicago zur Zeit der Weltausstellung, einer durch den technischen Fortschritt aufstrebenden Metropole zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Sehr detailreich und atmosphärisch dicht werden anfangs verschiedene historische Schauplätze der Stadt wie der Stadtteil Englewood, das Schlachthofgelände oder die Hochbahn geschildert, so dass man sich gut in das Flair und die Lebensumstände jener Zeit hineinversetzen kann. Insgesamt spielt die Stadt als Schauplatz allerdings nur eine sehr untergeordnete Rolle und ist im späteren Verlauf eher eine auswechselbare Kulisse. Mit Ausnahme des berühmten Riesenrads Ferris Wheel spielen leider auch keine Szenen an Orten der Weltausstellung.
Sehr gelungen sind ebenfalls die Beschreibungen der eher ländlich geprägten Orte im Wilden Westen, in die es die Hauptfigur in der Vergangenheit immer wieder verschlagen hat. Sehr geschickt ist die Handlung in zwei unterschiedliche Erzählstränge gegliedert, die zum einen verschiedene, bedeutsame Erlebnisse in der Vergangenheit und zum anderen die aktuellen Ereignisse in Chicago erzählen, und zum Ende hin zu einem Hauptstrang zusammenlaufen. Sehr mysteriös und geheimnisvoll entwickelt sich zunächst die spannende, temporeiche Haupthandlung um die Hauptfigur Thornhill in Chicago. Die Rückblenden in Thornhills Vergangenheit empfand ich als besonders fesselnd, denn sie gewähren interessante Einblicke in die Entwicklung seiner Persönlichkeit, seinen Werdegang als Killer und seine Motive. In ihnen lernen wir auch die Hintergründe der mysteriösen Wesenheit kennen, die Thornhill zeitweise zu beherrschen scheint, und darüber hinaus seinen größten Widersacher.
Hohlbein überrascht uns mit zahlreichen unerwarteten Wendungen und rätselhaften Verwicklungen der Charaktere. Phasenweise zieht sich die Geschichte allerdings durch ausufernde Beschreibungen zu unwichtigen Details in die Länge. Dennoch zieht die Spannungskurve im letzten Drittel bis zum entscheidenden, sehr kampfbetonten und fast filmreifen Finale enorm an und man fiebert dem Ausgang des Showdowns regelrecht entgegen. Hohlbein präsentiert uns schließlich einen gelungenen, überraschenden Ausgang seiner Geschichte. Das in sich abgeschlossene, stimmige Ende beantwortet die meisten offenen Fragen und bietet zugleich noch Raum für Spekulationen.
Sehr überzeugend ist Hohlbein die Charakterisierung seiner Hauptfigur gelungen, die sehr interessant, lebensnah und facettenreich angelegt sind. Die Handlung erlebt man aus Sicht des Protagonisten Thornhill – ein für den Leser ungewöhnlicher, aber sehr interessanter Blickwinkel, da man dadurch einen unmittelbaren Einblick in die Gedanken und Emotionen des Massenmörders erhält. Im Laufe der Geschichte treten sogar einige liebenswerte Eigenheiten von ihm zutage, und zum Ende hin ist sogar ein Wandel in seinem Verhalten zu erkennen, in dem er mehr Gefühle und Verantwortungsgefühl zeigt. Insgesamt kann man Thornhill aber wegen seiner Willkür und abstoßenden Brutalität beim Morden kaum Sympathien entgegenbringen. Etwas unglaubwürdig fand ich allerdings seine plötzliche Zuneigung zu Futura, in der er eine Seelenverwandte sieht, obwohl sie sich doch kaum gekannt haben.
Sehr gut gefallen hat mir, dass der Autor auch einige gut recherchierte Aspekte der amerikanischen Geschichte in seine Geschichte mit eingeflochten hat, wie z.B. die Schlacht von Gettysburg oder den Fall der Lizzy Borden. Auch einige historisch inspirierte Figuren wie die Wild West-Legende Wild Bill, Nicola Tesla oder der Serienkiller Dr. H. Holmes tauchen in der Geschichte auf und verleihen ihr einen gewissen Hauch von Authentizität.
Hohlbeins anspruchsvoller, wortgewaltiger Schreibstil, der sich oft durch sehr detailversessene Beschreibungen und weitschweifige Erläuterungen auszeichnet, ist sehr beeindruckend. Auf einzigartige Weise gelingt es ihm unterschiedlichste Schauplätze und Kampfszenen zum Leben zu erwecken und dem Leser derart anschaulich und intensiv zu vermitteln, dass man sich mitten im Geschehen wähnt. Stellenweise erschienen mir diese ausschweifenden Schilderungen allerdings auch etwas zu viel des Guten, insbesondere bei den ausgedehnten Kampfszenen.

FAZIT
Ein fesselnder, actionreicher Thriller mit einer düsteren, teilweise blutrünstigen Handlung und einer schillernden Hauptfigur, aber auch mit deutlichen Längen. Trotzdem ein unterhaltsames Leseabenteuer!

  • Einzelne Kategorien
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  • Action
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  • Handlung
Veröffentlicht am 27.03.2018

Sehr gelungenes Debüt

Leinsee
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MEINE MEINUNG
Mit dem Debüt „Leinsee“ ist der deutschen Autorin Anne Reinecke ein außerordentlich faszinierender Entwicklungsroman gelungen, der mich vor allem mit ihrem bemerkenswerten Schreibstil beeindruckt ...

MEINE MEINUNG
Mit dem Debüt „Leinsee“ ist der deutschen Autorin Anne Reinecke ein außerordentlich faszinierender Entwicklungsroman gelungen, der mich vor allem mit ihrem bemerkenswerten Schreibstil beeindruckt hat.
Der Roman beginnt mit einer Ausnahmesituation für den jungen Protagonisten, der sich unter dem Pseudonym Karl Sund als aufstrebender Künstler in Berlin etabliert hat. Nach vielen Jahren ohne jeglichen Kontakt zu seinen berühmten Künstler-Eltern, muss er zu seinem Elternhaus zurückkehren, um die Beerdigung seines Vaters August zu organisieren, der Selbstmord begangen hat. Seine todkranke Mutter Ada befindet sich währenddessen im Koma auf der Intensivstation, da sie sich einer lebensbedrohlichen Operation mit ungewissem Ausgang unterzogen hatte. Der Leser erlebt die Hauptfigur anfangs in einer inneren Krise und gefangen in seiner aufgewühlten Gedankenwelt, denn unvermittelt ist Karl gezwungen, sich mit seiner schwierigen Kindheit und der sehr problematischen Beziehung zu seinen Eltern auseinander zu setzen. Schrittweise werden immer mehr Details aus Karls Vergangenheit und seine tragische Familiengeschichte enthüllt, so dass man zunehmend Einblick in seine komplexe Persönlichkeit erhält und sein Verhalten besser zu verstehen beginnen. Der Autorin ist es hierbei hervorragend gelungen, sein Innenleben einzufangen und uns an seiner Wut, Verlust, Trauer und Sehnsucht nach der ihm stets versagten Anerkennung und Nähe zu Mutter teilhaben zu lassen.
Sehr beiläufig und behutsam erzählt sie die ungewöhnliche Geschichte um die achtjährige Tanja, die bei Karl im Garten auftaucht und ihn ganz unbekümmert beobachtet. Fasziniert verfolgt man wie die beiden mit kleinen, spielerischen Gesten Kontakt aufnehmen und über einfallsreiche bis bizarre Überraschungsgeschenke größtenteils nonverbal miteinander kommunizieren. Schon bald ist man gefangen von Karls ganz eigener Welt voll seltsamer Angewohnheiten, seinen kindlichen, irrationalen Verhaltensweisen und seinem neu gefundenen Selbstverständnis. Im Laufe der Zeit entsteht zwischen den beiden eine ganz außergewöhnliche Freundschaft, die zum Teil auch etwas befremdliche Züge trägt. Das selbstbewusste, unberechenbare Mädchen, das mich anfangs oft an Pippi Langstrumpf erinnerte, kann Karl den benötigten Rückhalt geben und wird zunehmend zu einer zentralen Figur seinem Leben. Im Laufe der Handlung begleiten wir Karls charakterliche und künstlerische Entwicklung über das folgende Jahrzehnt, erleben aber auch seine innere Zerrissenheit und Sprunghaftigkeit auf dem Weg zu sich selbst und neuen Ausdrucksformen.
Die Autorin versteht es, mit viel Feingespür und einer besonderen Beobachtungsgabe außergewöhnliche Stimmungen und zwischenmenschliche Zwischentöne in ihrer Geschichte einzufangen und diese auf unnachahmliche Weise in wundervollen Bildern zu vermitteln. Besonders gut haben mir hierbei auch die originellen Überschriften der Kapitel gefallen, die sich mit ungewöhnlichen Farbkompositionen wie „Gottweiß“, „Kaugummigrau“ oder „Schaumstoffgelb“ auf eine inhaltliche Besonderheit im jeweiligen Abschnitt beziehen. Reineckes prägnanter, klarer Schreibstil gewürzt mit feinsinnigen, humorvollen Passagen und einer guten Portion Kritik am Kunstbetrieb macht den Roman zudem zu einem besonderen Leseerlebnis.
FAZIT
Ein faszinierender, nachdenklich stimmender Entwicklungsroman - farbenfroh, voller Poesie und mit einem wundervollen Schreibstil! Sehr lesenswert!