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Veröffentlicht am 11.04.2020

bedeutungsschwer

Das Gewicht der Worte
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Ein beruhigend unaufgeregter Roman, der wie alle Werke von Pascal Mercier durch seine geschliffene Sprache und tiefgründige Dialoge wirkt. Wie auch schon bei früheren Werken Merciers habe ich, berührt ...

Ein beruhigend unaufgeregter Roman, der wie alle Werke von Pascal Mercier durch seine geschliffene Sprache und tiefgründige Dialoge wirkt. Wie auch schon bei früheren Werken Merciers habe ich, berührt von den wunderbaren Worten, noch unter der Lektüre weitere, im Buch erwähnte Werke (Handwerk des Lebens u.ä.) gekauft, um die Figuren des Werks noch besser zu erfassen.
Mich hat das Buch besonders bewegt, da ich mit einer lieben deutsch-italienischen Freundin viel Zeit mit Vergleichen der deutschen und italienischen Sprachbesonderheiten (unter Berücksichtigung meines tirolerischen Muttersprachidioms) verbracht habe. Leider ist diese Freundin genau zu dem Zeitpunkt, als ich das Buch gelesen habe, verstorben, was mir das Lesen teilweise sehr schwer gemacht hat.
Ursprünglich wollte ich das Buch als Hörbuch „erfahren“. Doch einerseits hatte ich meine Probleme, den abwechslungsreichen, bedeutungsschweren (ja, hier findet man plötzlich die Bedeutung des Titels!) Worten und Sätzen nur hörend zu folgen, andererseits fand ich die Stimme des Vorlesers fast zu beruhigend und habe manchmal, leicht eingelullt, den Faden verloren. Und bei 22 h Laufzeit ist es schwierig, nebenher nichts zu tun, sondern nur aufmerksam zuzuhören. So habe ich den Roman auch als Buch gekauft und mich abwechselnd mit Buch / Hörbuch durch die Geschichte gehangelt. Das fand ich sehr abwechslungsreich und auch irgendwie dem abwechslungsreichen Leben des Protagonisten angemessen.
Wie in früheren Büchern erzählt Pascal Mercier auch hier die Lebensgeschichte seines Protagonisten - in diesem Fall Simon Leyland - in allen Facetten eines Lebens, Liebe und Leid, Höhen und Tiefen, Freundschaften und Menschen, die man nicht mehr begegnen möchte.
Simon ist Übersetzer und lernt in London seine spätere Frau Livia, eine Verlegerstochter aus Triest, kennen und lieben. Als Livia den väterlichen Verlag erbt, zieht Simon mit ihr und den beiden Kindern nach Triest, wo er als Übersetzer für den Verlag arbeitet und, nach Livias tragischem Tod, die Geschäftsführung des Verlages übernimmt. Nach einer irrtümlichen Diagnose verkauft er den Verlag, um sich, als sich das ärztliche Urteil als Fehlinformation entpuppt, plötzlich frei von Verpflichtungen auf eine Reise in seine alte Heimat, in ein neues Leben, zu sich selbst, zu machen.
Ein vielschichtiges Buch, das die Komplexität eines Lebens, die Vielschichtigkeit von Freundschaften und scheinbar einfach Fragen wie „Was ist Heimat“ aufzeigt.

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.12.2019

Tödliche Delikatessen

Winteraustern
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Der dritte Teil der „Aquitaine-Krimireihe“, in der Commissaire Luc Verlain seine Ermittlungen in der Region seiner Jugend durchführt.
Nicht nur die Küste ist rau. An der Atlantikküste, am Bassin d’Arcachon, ...

Der dritte Teil der „Aquitaine-Krimireihe“, in der Commissaire Luc Verlain seine Ermittlungen in der Region seiner Jugend durchführt.
Nicht nur die Küste ist rau. An der Atlantikküste, am Bassin d’Arcachon, südlich von La Rochelle, auf der Höhe von Bordeaux gelegen leben die Austernzüchter karg und bescheiden.
Luc kennt diese Mühen von klein auf, hatte doch auch sein Vater eine kleine Cabane in der Gegend. Neben den kleinen Erzeugern, die wie damals auch Lucs Vater einen gewissen Ehrenkodex zur nachhaltigen Zucht einhalten und die jährlich wieder um ihre Existenz kämpfen, hat sich inzwischen ein großer Zuchtbetrieb etabliert, dessen Produkte aber unter den maximierten Gewinnsteigerungen massiv in der Qualität zurückliegen, der aber umgekehrt die lokalen Tradtitionsbetriebe in den Ruin treibt.
Doch diese Qualitätsmängel scheinen die Austerndiebe, die auf den Bänken des Platzhirsches ihr Unwesen treiben, nicht zu stören. Da die lokale Gendarmerie mit nur einem Boot nicht alle Zuchtplätze überprüfen kann (und auch nicht wirklich will), organisiert sich der betroffene Zuchtbetrieb selbst eine Überwachung.
Eines Tages, als Luc Verlain mit seinem Vater einmal die lokale Gendarmeriestreife begleitet, finden sie einen niedergeschlagenen Austernzüchter an einem der Bassins. Und gleich daneben dann zwei tote junge Austernzüchter.
Luc und seine Kollegin Anouk versuchen im hektischen Vorweihnachtsalltag, die kniffligen Fälle aufzuklären. War es derselbe Täter? Hängen die Fälle zusammen? Und wer ist der Sicherheitsmann des großen Züchters, der plötzlich wieder verschwunden ist?
Zudem ist Luc viel zu häufig durch private Fragen abgelenkt – will Anouk ihn verlassen und dem Ruf nach Paris folgen?
Atmosphärisch gelungene Fortsetzung der Aquitaine-Reihe, im pittoresk beschriebenen Südwesten Frankreichs, mit gewohnt spritzigen, launigen Dialogen. Bei einem Besuch in Paris bei Lucs alten Kollegen beweist Anouk, dass nicht nur Nagelfeile und Haarspray zu den Waffen einer Frau zu zählen sind.
Das Ende, in dem erneut Anouk in einem anonymen Schreiben vor Luc gewarnt wird, verspricht eine spannende Weiterführung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.10.2019

Schritt für Schritt

Laufen
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Die namenlose Protagonistin kämpft sich nach einem Trauma durch Laufen Schritt für Schritt ins Leben zurück.
Schritt für Schritt, so wie die Gedanken kommen und gehen, lässt sie den Leser teilhaben an ...

Die namenlose Protagonistin kämpft sich nach einem Trauma durch Laufen Schritt für Schritt ins Leben zurück.
Schritt für Schritt, so wie die Gedanken kommen und gehen, lässt sie den Leser teilhaben an ihren Gedanken, ihren Gefühlen, ihrem Schmerz.
Und wie die Läuferin erst nur wenige Minuten durchhält, dann länger, eine halbe Stunde, eine knappe Stunde, ein Volkslauf über 10 km, so erfährt der Leser, unterbrochen von Alltagsgedanken und Reflexionen über aktuelle Geschehnisse, nach und nach die ganze Geschichte.
Die äußerst geschickt formulierte, atemlose Sprache führt dazu, dass der Leser das Gefühl bekommt, selbst zu laufen, selbst außer Atem zu geraten, aus Trauer, Wut, sich selbst mit diesen inneren Monologen auseinanderzusetzen, immer wieder unterbrochen durch die Atmung – ein ein aus aus aus aus.
Ich fand das Buch fesselnd, traurig und schön zugleich, bewegend und berührend. Es hat mich im Herz getroffen, ich war in manchen Szenen nahe am Wasser, speziell, wenn die Protagonistin Freude erfährt, z. B. das Gefühl am Ende des Alsterlaufes, die Kinder ihrer Freundin, die ihr einfach nur einen Gutschein für immer trösten schenken. Und am Ende dann ein Name – schlicht, ergreifend, ein eindeutiger Abschluss.

Veröffentlicht am 16.10.2019

What a difference a day makes

Der Sprung
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Das Buch beginnt mit dem Sprung. Es ist offenbar eine Frau, die hier springt – doch wer ist sie?
Tags vor dem „Sprung“ erleben wir Momenteinblicke an einer Ecke irgendwo im Nirgendwo: da ist Felix, der ...

Das Buch beginnt mit dem Sprung. Es ist offenbar eine Frau, die hier springt – doch wer ist sie?
Tags vor dem „Sprung“ erleben wir Momenteinblicke an einer Ecke irgendwo im Nirgendwo: da ist Felix, der Polizist, den ein düsteres Geheimnis zur Unrast zwingt und der seine Freundin Monika, von ihm schwanger, damit im höchsten Grad verunsichert. Roswitha, die Kaffeehausbesitzerin mit ihrem Kaffee am Platz, wo alle irgendwie zusammenkommen. Egon, ein ehemaliger Hutmacher, in dessen Geschäft nun ein Smartphoneladen eingezogen ist und der jetzt im Schlachthaus arbeitet. Finn, der Fahrradkurier, der, seit er die geheimnisvolle Pflanzenversteherin Manu kennt, nicht mehr sicher ist, ob er wirklich mit dem Fahrrad auf Welttour gehen will – oder eher bei Manu bleiben sollte. Maren, die Schneiderin, die damit zu kämpfen hat, dass ihr vormals gemütlicher, genussorientierter Hannes seit seinem 40. Geburtstag nur mehr an Sport und seinen Körper denkt. Und Theres und Hannes mit ihrem Tante-Emma-Laden, den keiner mehr braucht.
Doch als Manu plötzlich am Dach eines Hauses steht, eine aufmerksame Passantin darin einen Suizidversucht sieht und sofort Polizei und Feuerwehr einschaltet, finden diese ganzen losen Geschichten zusammen, es entsteht ein Gesellschaftsbild, Schicksale werden offenbart, Freundschaften geschmiedet und zerstört, lange zurückliegende Traumata kommen ans Tageslicht, ein Leben geht zu Ende.
Was ein Tag, eine unbewusste Geste, ein falscher Blick, ein richtiges Wort, alles zu ändern vermag. Mitten aus dem Leben schreibt Simone Lappert mitreißend über ganz normale Menschen wie Du und ich. Beeindruckend.

Veröffentlicht am 16.10.2019

Perfides Spiel

Messer (Ein Harry-Hole-Krimi 12)
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Perfides Spiel
Wieviel Perfidie steckt darin, einem anderen vorzugaukeln, er hätte das, was ihm das Teuerste, Wichtigste im Leben war, ermordet? Wie kann man so hassen?
Harry Hole ist am Tiefpunkt. Er ...

Perfides Spiel
Wieviel Perfidie steckt darin, einem anderen vorzugaukeln, er hätte das, was ihm das Teuerste, Wichtigste im Leben war, ermordet? Wie kann man so hassen?
Harry Hole ist am Tiefpunkt. Er säuft wieder, ist suspendiert, und dann wacht er eines Sonntags ohne Erinnerung an den Vorabend mit blutiger Kleidung auf – und erfährt, dass Rakel, die Liebe seines Lebens, die ihn vor wenigen Monaten aus dem gemeinsamen Haus geworfen hat, am Vorabend ermordet wurde.
Hängt der Mord an Rakel mit der Freilassung von Sven Finne, dem Vergewaltiger, zusammen? Immerhin wurde Rakel mit einem Messer getötet…. Oder steckt der verdächtige Roar Bohr, Rakels kriegtraumatisierter Chef, hinter der Sache?
Der Leser verfolgt Harrys Gedankenzickzack atemlos. Und leidet mit Harry, wenn er von seinem halben Herz spricht, das nicht mehr lange schlafen wird.
Doch dann die Wende: Harry findet Spuren, die auf ihn selbst als Täter deuten. Und ist bereit, den Preis dafür zu zahlen. Doch wer rächt Rakel, wenn er das nicht tut?
Ich habe es nicht für möglich gehalten, über 500 Seiten in einem Rutsch zu lesen. Aber das Buch wegzulegen war keine Option. „Messer“ ist sicher der persönlichste Fall mit Harry Hole, nicht nur, weil das Opfer, um das sich alles dreht, Rakel ist. Wir erleben den knallharten Ermittler plötzlich im Gefühlschaos. Und am Ende entscheidet das Schicksal.

Das Buch könnte als Finale für die Serie um Harry Hole stehen. Ich bin gespannt, ob sich die Vermutung, dass Harry Hole mit diesem Fall in Pension geschickt wird, bestätigt. Und sonst freue ich mich schon auf den nächsten Fall!