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Veröffentlicht am 18.07.2021

Bis das Blut in den Adern gefriert

Blutkristalle
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Gänsehaut und ein eiskaltes Vergnügen – was gibt es Schöneres an diesem sehr entspannten Sonntag mit viel zu warmen Temperaturen und bei schwül-stickiger Luft!
Das hat Poznanski sich wohl auch gedacht ...

Gänsehaut und ein eiskaltes Vergnügen – was gibt es Schöneres an diesem sehr entspannten Sonntag mit viel zu warmen Temperaturen und bei schwül-stickiger Luft!
Das hat Poznanski sich wohl auch gedacht und mich mit auf einen Ausflug in Kälte und Schnee und eine Gedankenwelt genommen, die mir den Atem stocken und Kälteschauer durch den Körper jagen lässt. Denn das, was Ella erleiden muss, ist wohl der Alptraum vieler: ein Mensch, der in unsere Privatsphäre eindringt, uns auf Schritt und Tritt beobachtet, bedroht und uns durch seine scheinbare Allgegenwärtigkeit jedes Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit nimmt. Auch Ella scheint dieser Situation ohnmächtig ausgeliefert zu sein, nichts ahnend, in welcher Gefahr ihr neues Liebesglück und ihr Freund Paul in persona schweben.
Ein Ausflug in die eiskalte Winterlandschaft soll alles verändern. Mit den Augen Wolframs kämpfen wir uns schmale Bergpfade entlang, balancieren über Abgründe, sind auf der Jagd nach dem menschlichen Opfer. Und Poznanski wäre nicht Poznanski, würde sie die Spannung und die Atemlosigkeit dabei nicht bis ins Unermessliche steigern und den Puls der Leserin und des Lesers ordentlich in die Höhe schießen lassen. Und selbstverständlich wartet am Ende auch wieder eine große Überraschung und ein „Twist“ auf uns, der mich begeistert und trotz der Sommerhitze das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Der einzige Wermutstropfen: 75 Seiten sind nicht viel und bieten der Autorin nur begrenzten Raum, ihr wunderbares Netz zu spannen und Fallen mit Raffinesse auszulegen. Aber lieber der Spatz in der Hand… Oder anders ausgedrückt: Hauptsache wieder ein neuer Poznanski!

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Veröffentlicht am 16.07.2021

Zwei außergewöhnliche Frauen, ein Schicksal – und grenzenlose Lesestunden

Schicksal
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Wenn aus Liebe Schicksal und aus Schicksal eine Begegnung wird, die alles verändert: So verschieden Atara und Rachel auf den ersten Blick zu sein scheinen, so viel verbindet sie doch in ihrer Herkunft, ...

Wenn aus Liebe Schicksal und aus Schicksal eine Begegnung wird, die alles verändert: So verschieden Atara und Rachel auf den ersten Blick zu sein scheinen, so viel verbindet sie doch in ihrer Herkunft, ihrer Geschichte und einer gemeinsamen Vergangenheit, die ihrer beider Leben prägt und unwiderruflich ineinander verschränkt.
Atara, erfolgreiche Architektin, Mutter, Ehefrau, selbstbewusst und Rachel, die ehemalige Freiheitskämpferin, ernüchtert und enttäuscht vom Leben, einsam, bereit für den Tod. Die eine für die andere bereits seit ihrer Kindheit präsent, ein Schatten, der sich über ihre Familie gelegt hat, ein Phantom, das nicht zu fassen und dadurch erst recht bedrohlich und allgegenwärtig ist. Die andere für die eine in ihrer Existenz nicht bekannt, ein unerwarteter Einbruch in die eigene wohlgeordnete Gegenwart und zugleich ebenfalls ein Geisterwesen – aus einem vergangenen Leben, das fest verschlossen und gut verwahrt im eigenen Inneren ruht.
Anhand der Begegnung, des Lebens und Liebens der beiden Frauen nicht nur das Schicksal von Generationen sondern auch die Geschichte eines Landes und seiner Menschen zu erfahren, die uns so nahe und eins sind, ist für mich so faszinierend wie lehrreich zugleich. Die Tiefe und Stärke der Emotionen hat mich dabei berührt, zum Teil auch tief erschüttert. Ataras Trauer hatte für mich bereits etwas Körperliches, war ein gewaltiges, dunkles Tier, das zwischen den Zeilen auf mich zugesprungen ist und sich schwer auf meine Brust gelegt hat. Und dort ruhte.
So intensiv, intim, überwältigend „Schicksal“ ist, so außergewöhnlich sind auch die Lesestunden, die Zeruya Shalev uns bereitet. Getragen von einer poetischen, bildreichen Sprache Leid und Freud, Anfang und Ende, Gestern und Heute erfahren zu dürfen, ist für mich ein Erlebnis von großer Seltenheit und Kostbarkeit – das weit über die letzte Zeile hinaus in meinen Gedanken und Gefühlen verweilen wird.

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Veröffentlicht am 03.07.2021

Atemlose Spannung und so geheimnisvoll, wie das Meer tief ist

Dark Blue Rising (Bd. 1)
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Rätselhaft, mysteriös und mit einem unwiderstehlichen Sog, der mich Seite für Seite tiefer in die Geschichte hinabgezogen hat, bis in die Abgründe von Tabbys Herkunft und Vergangenheit! Den Leserinnen ...

Rätselhaft, mysteriös und mit einem unwiderstehlichen Sog, der mich Seite für Seite tiefer in die Geschichte hinabgezogen hat, bis in die Abgründe von Tabbys Herkunft und Vergangenheit! Den Leserinnen und Lesern stockt bei diesem rasanten Tauchgang der Atem, bleibt auch mal die Luft weg, denn diese Abgründe sind dunkel und schier endlos, scheint doch Tabbys gesamtes Leben auf einer Lüge zu basieren.
Wem kann Tabby Glauben schenken, wer ist Freund, wer Feind und was möglicherweise Teil eines großen Komplottes von ungeheuerlichem Ausmaße? Es ist ein Verwirrspiel, auf das Terry uns da mitnimmt, und von Seite zu Seite kommen neue Puzzlesteine hinzu, fügen sich ineinander, geben das gesamte Bild aber noch lange nicht frei. Tabby bei dieser Enthüllung des Unglaublichen und Unfassbaren zu folgen, mit ihr zu hoffen und zu bangen und gemeinsam mit ihr in der unterirdischen Höhle schließlich eine Entdeckung zu machen, die mir Gänsehaut auf den Rücken und ein verzücktes Grinsen ins Gesicht zaubert, macht einfach nur Spaß und ist ein wunderbares Leseerlebnis.
Dass Terry dabei die Grenzen des Realen verlässt und in die Bereiche des Fantastischen vordringt, gibt der Geschichte für mich einen zusätzlichen Reiz, denn nun scheint alles denkbar und möglich und ein Spielfeld der schier überbordenden Fantasie der Autorin. Und dass diese auch in den Folgebänden zahlreiche Überraschungen und Enthüllungen für uns bereithalten wird, ist für mich schon jetzt eine Tatsache – und so sicher, wie auf Ebbe die Flut folgt und Tabby Sehnsucht nach dem Meer letztendlich der Schlüssel ist, der das große Geheimnis zu lösen vermag.
Mit so viel Spannung und Neugierde und noch viel mehr Fragen im Kopf hat mich die Autorin nach dem ersten Band zurückgelassen, dass ich nun nur widerwillig aus der Geschichte auftauche und am liebsten gleich in ihrem Fluss bliebe. Doch bis das Warten ein Ende hat, genieße ich das freudige Kribbeln – auf Tabbys weitere Abenteuer und meinen Urlaub am Meer, das mir nun so geheimnisvoll und unergründlich erscheint.

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Veröffentlicht am 15.06.2021

In den Schuhen des Vaters: große Fragen, tiefe Konflikte im China der Gegenwart

Im Reich der Schuhe
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Erstaunlich ungewöhnlich! Spencer Wise vermag es, Erwartungshaltungen zu durchbrechen und die Leserinnen und Leser in vielerlei Hinsicht zu überraschen: ein Buch über einen Schuhfabrikanten im fernen China, ...

Erstaunlich ungewöhnlich! Spencer Wise vermag es, Erwartungshaltungen zu durchbrechen und die Leserinnen und Leser in vielerlei Hinsicht zu überraschen: ein Buch über einen Schuhfabrikanten im fernen China, das allein ist schon ein ungewöhnliches Setting! Doch wenn dieser dann noch Jude ist und in seiner religiösen Identität und der Shoah vermeint, Parallelen zur militärischen Diktatur und der Unterdrückung einer gesamten Nation zu erkennen, bin ich tatsächlich erst einmal verblüfft. Und ratlos. Und orientierungslos, da in meinen Denkmustern erschüttert.
Geht das? Darf der das? Ist es zulässig und hinnehmbar, die Ermordung von Millionen von Juden – der wohl tiefste Abgrund in der deutschen Geschichte – mit dem Schicksal des chinesischen Volkes in Bezug und Vergleich zu bringen? Ich weiß es nicht. Und sind Unterdrückung und Ermordung als definierende Merkmale hierfür hinreichend, und zwar ohne die Religion als Dach, Kern und vor allem Begründung für ein schier unfassbares Verbrechen an den Menschen und der Menschlichkeit? Wer vermag das schon zu beurteilen.
Doch vielleicht sind diese Fragen und Irritationen genau das, was Wise im Sinn hatte, als er mit Alex und Ivy ein gar ungewöhnliches Liebenspaar schuf – die beiden stellvertretend für das Leid und den Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung eines gesamten Volkes.
Fedor dagegen scheint diese Bezüge im Gegensatz zu seinem Sohn nicht auszumachen, doch wird er auch dem Vergangenen zugeordnet, der durch sein Beharren auf überholte Denkmuster sich der Zukunft verschließt. Der Vater-Sohn-Konflikt wird damit zu einem Konflikt alt gegen jung, Vergangenheit gegen Zukunft, Eigennutz gegen Menschlichkeit. Und doch ist es auch hier die Liebe, welche die beiden miteinander verbindet – aller Unterschiede zum Trotz.
Wunderbar beschwingt und teil sogar amüsant zu lesen, hat die Geschichte doch so viele Gedanken, Tiefe und Konflikt. Diese vermeintlichen Gegensätze für mich jederzeit in Einklang zu bringen, fiel mir nicht immer leicht – war sogar das eine oder andere Mal eine Herausforderung, der ich mich jedoch gerne gestellt habe. Belohnt wurde ich mit einem ganz und gar ungewöhnlichen Buch und Fragen in meinem Kopf, die ich so zu stellen womöglich nie gewagt hätte.

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Veröffentlicht am 31.05.2021

Flammen der Verzweiflung, Wut und des Hasses

Drei Kameradinnen
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Emotional anstrengend, fordernd und eine große Bereicherung – die „Drei Kameradinnen“ haben mir viel abverlangt aber auch viel gegeben.
Mit Saya, Kasih und Hani lernen wir nicht nur drei junge Frauen und ...

Emotional anstrengend, fordernd und eine große Bereicherung – die „Drei Kameradinnen“ haben mir viel abverlangt aber auch viel gegeben.
Mit Saya, Kasih und Hani lernen wir nicht nur drei junge Frauen und Freundinnen sondern auch drei Stimmen, drei Leben und unzählige Erfahrungen in einer Gesellschaft kennen, in welcher Herkunft und das vermeintlich Fremde und Andere immer noch nicht Norm sondern Anlass für Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung sind. Doch so sehr sich ihre Leben, ihre Startbedingungen, ihre Erlebnisse mit der „Mehrheitsgesellschaft“ in vielem gleichen, so unterschiedlich ist auch ihr Umgang mit diesen. Während Saya die Kämpferische ist, diejenige, die Benachteiligung nicht länger wortlos hinnehmen möchte, laut und offensiv gegen diese vorgeht, ist Hani für mich ihr Gegenpol, in gewisser Weise ähnlich extrem in ihren Einstellungen wie Saya: Probleme, die Hani nicht wahrnimmt, existieren für sie nicht, ihre Augen sind fest verschlossen. Kasih, die Ich-Erzählerin, nimmt dagegen eine Position zwischen den beiden ein. Sie erscheint mir in ihren Ansichten deutlich reflektierter, in ihren Themen und ihrem Blickwinkel deutlich weiter als Saya.
Gerade diese „Dreiteilung“ ist es, die den Roman für mich so spannend, ihn zu Zündstoff werden lässt. Denn die Autorin umgeht so eine Festlegung in Position, Meinung, Wertung und regt zum Nachdenken, zu einer Positionierung des Lesers oder der Leserin und vor allem zum Diskutieren an – nicht zuletzt auch durch die provokative Ansprache durch die Ich-Erzählerin, die emotionale Reaktionen einfordert.
Eben diese habe ich auch bei mir wahrgenommen, während ich mich rückwärtig durch die Geschichte zu deren Anfang, Anlass, der Aufdeckung des Verwirrspiels bewegt habe. Wenig habe ich dabei ausgelassen: von Wut, Ablehnung bis Empörung war wohl alles dabei – aber wer wird auch schon gerne mit seinen eigenen Vorurteilen, den Klischees und Bildern in seinem Kopf konfrontiert?! Das kann schmerzhaft sein, und auch von Scham kann ich mich nicht freisprechen, wenn das, was in die Ebene der Bewusstwerdung häufig nicht vordringt, plötzlich ins Tageslicht gezerrt wird – und dort grelle, heiße Flammen schlägt.
Und diese Flammen brennen weiter – noch lange nachdem der letzte Satz verklungen ist. Sie werden die Diskussionen erhitzen, Meinungen befeuern, und vielleicht, vielleicht werden sie ja auch Klischees und gängige Vorurteile zum Einsturz bringen.

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