Was ich wollte an Liebe, Wärme, Bildern, Erinnerungen, Fantasien, Sonaten
Luft zum LebenHelga Schubert hatte mich mit ihren Büchern „Vom Aufstehen“ und auch „Der heutige Tag“ sehr berührt und begeistert. Daher war ich sehr erfreut über ihre Neuveröffentlichung „Luft zum Leben“. In dieser ...
Helga Schubert hatte mich mit ihren Büchern „Vom Aufstehen“ und auch „Der heutige Tag“ sehr berührt und begeistert. Daher war ich sehr erfreut über ihre Neuveröffentlichung „Luft zum Leben“. In dieser Kurzgeschichtensammlung sind 29 verschiedene alte und neue Texte enthalten, die ihr ganzes Leben umfassen; manche der Geschichten sind bisher unveröffentlicht.
„Denn ich habe mir in meinem langen Leben alles einverleibt, was ich wollte an Liebe, Wärme, Bildern, Erinnerungen, Fantasien, Sonaten. Es ist alles in diesem Moment in mir. Und wenn ich ganz alt bin, vielleicht gelähmt und vielleicht blind, und vielleicht sehr hilfsbedürftig, dann wird das alles auch noch immer in mir sein. Das ist nämlich mein Schatz.“
Besonders beeindruckt haben mich in dieser Sammlung vor allem die bisher unveröffentlichte Geschichte „Das fast weggeworfene Kind“, der 1991 bereits erschienene Text „Als 51-jähriges eigentlich ungewolltes Kind“ sowie die Kurzgeschichte „Frauenwürde“ (ebenfalls bisher unveröffentlicht); hier zeigt sich ganz besonders Helga Schuberts großes Talent zum Schreiben!
„Das fast weggeworfene Kind
[...]
Er sammelt alles, wirft kaum etwas weg. Will alles retten und reparieren.
[...]
Einmal gab er mir die Lebenserinnerungen seiner Mutter zum Lesen. Sie hatte unter der Überschrift »In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über Dir Flügel bereitet« besonders die beschwerliche Flucht mit ihren Kindern im Zweiten Weltkrieg beschrieben.
Mit ihm war sie nach dem Krieg schwanger. Aber sie wusste nicht, dass sie Zwillinge in sich trug.
Als sie seinen Bruder geboren hatte, fühlte die Hebamme noch einen Rest im Bauch, und tatsächlich war da noch ein zweites Kind: er.
Die Hebamme holte diesen unvermuteten zusätzlichen Menschen in die Welt und schlug der Mutter vor, ihn wegzuwerfen. Es sei etwas nicht zusammengewachsen. Aber die Mutter, die schon ein Kind zu Hause hatte, sagte: Nein, ich will ihn sehen, mit nach Hause nehmen.
So überlebte er schon von Anfang an.
Und sieht in allem fast Weggeworfenen das Heile.“
Helga Schubert lässt uns teilhaben an ihrem schon langen Leben, nimmt uns mit in ihre persönlichen Gedanken und Erlebnisse, neuere und ältere aus der ehemaligen DDR:
„Ich habe für mein Geschriebenes weder im Gefängnis gesessen noch eine Geldstrafe zahlen müssen.
Ich wollte dieses System nämlich nicht ändern, sondern ich wollte es überhaupt nicht haben.
Ich glaube, das hat mich geschützt.“
Sprachlich ist das Buch eindeutig herausragend, wie von Helga Schubert gewohnt. Aber inhaltlich hatte ich hier wohl etwas anderes erwartet. Mich konnte das Buch leider emotional nicht so stark berühren wie z.B. „Vom Aufstehen“, vielleicht war meine Erwartungshaltung so gesehen zu hoch.
Ich konnte bis auf ein paar Highlights also leider nicht so viel wie erhofft mitnehmen aus dieser Geschichtensammlung, weshalb ich schweren Herzens leider nur 3 Sterne vergebe.
Dennoch hoffe ich, bald wieder etwas von Helga Schubert lesen zu dürfen!
Herzlichen Dank an den dtv Verlag und Netgalley für das Rezensionsexemplar!