Profilbild von dr_y_schauch

dr_y_schauch

Lesejury Profi
offline

dr_y_schauch ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit dr_y_schauch über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.11.2019

Gute Ansätze, aber eine leider schwache Umsetzung

Melmoth
0

„Hast du je […] dieses Kribbeln im Nacken gespürt? Wenn die Haare sich aufstellen, als würde ein kalter Luftzug durchs Zimmer wehen, den niemand fühlen kann außer dir? Du willst dir einreden, da wäre nichts ...

„Hast du je […] dieses Kribbeln im Nacken gespürt? Wenn die Haare sich aufstellen, als würde ein kalter Luftzug durchs Zimmer wehen, den niemand fühlen kann außer dir? Du willst dir einreden, da wäre nichts … Die Engländer haben eine Redensart dafür, wie heißt sie gleich … Da läuft eine Gans über dein Grab. Ach, wenn du nur wüsstest!“ (Pos. 157)

Dieses Kribbeln, von dem die Rede ist, ruft Melmoth hervor, eine Sagengestalt, die dazu verdammt ist, unablässig über die Erde zu wandern und die größte Niedertracht, die schlimmsten Verbrechen der Menschen zu beobachten und zu bezeugen. Dabei ist Melmoth stets auf der Suche nach einem Gefährten oder einer Gefährtin, der/die die Einsame und Verdammte auf ihren Wegen begleitet. Unversehens bricht die Melmoth-Sage in das Leben der Übersetzerin Helen ein. Dabei ist es ist ein ausgesprochen eintöniges, karges, freudloses Leben, das die Mittvierzigerin in Prag führt; Helen versagt sich jede Annehmlichkeit, jegliche Art von Behaglichkeit. Ihre sozialen Kontakte beschränken sich auf das charismatische Ehepaar Karel und Thea und die unausweichlichen Begegnungen mit ihrer boshaften, steinalten Vermieterin. Ihr Leben scheint eine einzige Buße zu sein, ihr Lebenswandel eine selbstauferlegte Strafe. Als Karel eines Tages ein merkwürdiges Manuskript aus der Tschechischen Nationalbibliothek mitbringt, das von einem eben dort an seinem Lesetisch tot zusammengebrochenen geheimnisvollen alten Mann stammt, glaubt Helen sich von ihrer Vergangenheit eingeholt. Das Manuskript beinhaltet verschiedene Berichte über Akte menschlicher Grausamkeit aus unterschiedlichen Ländern und Epochen, die stets eine Gemeinsamkeit aufweisen: Das Erscheinen Melmoths. Als Karel plötzlich verschwindet, muss Helen einsehen, dass sie nicht länger vor ihrer Vergangenheit fliehen kann.

Ach, er klang so vielversprechend, dieser Roman: ein kalt-romantischer Schauplatz, eine uralte Sage, die unversehens in Wirklichkeit einbricht, ein mysteriöses Manuskript, eine rätselhafte Protagonistin, die offenkundig ein schreckliches Geheimnis hütet, verschiedene Binnenerzählungen, die die Leser*innen in andere Epochen entführen … und doch wollte der Funke bei mir nicht so recht überspringen. Und das hatte verschiedene Gründe: Zum einen blieb mir die weibliche Hauptfigur die gesamte Erzählung hindurch fremd und (insbesondere im Vergleich zu den Nebenfiguren) sehr blass. Zum anderen konnte mich die Rahmenhandlung um Helen und das geheimnisvolle Manuskript nicht ansatzweise so fesseln wie die Binnenerzählungen, sodass sich für mich während des Lesens eine unangenehme Diskrepanz zwischen den beiden Erzählebenen ergab. Und auch die Auflösung, weshalb Helen ein so asketisches Büßerinnenleben führt, wollte mich trotz ihrer Schlüssigkeit nicht so richtig berühren.

Und dennoch möchte ich nicht grundsätzlich von der Lektüre abraten, denn der Roman hatte für mich auch einige sehr reizvolle Aspekte: Da ist beispielsweise das winterliche Prag (für mich die wahre Hauptfigur der Erzählung!), dessen ausgesprochen gelungene Beschreibung eine geheimnisvoll-morbide, stark an die Dunkle Romantik erinnernde Atmosphäre erzeugt. Da ist die eine oder andere faszinierende Nebenfigur, wie etwa die kapriziös-garstige Vermieterin. Und da sind nicht zuletzt die durchaus fesselnden Binnenerzählungen, in denen die geheimnisvolle, in schwarze Schleier gehüllte Melmoth auftaucht.

Alles in allem war „Melmoth“ für mich ein durchwachsenes, teil gutes, teils weniger gutes Buch, das ich (sorry!) weder ausdrücklich empfehlen noch explizit nicht empfehlen kann.

Veröffentlicht am 23.09.2019

Eine Reise zu sich selbst (?)

Das flüssige Land
0

Unversehens wird die Physikerin Ruth – labil, tablettenabhängig, seit Jahren in der Forschung zu ihrer Habilitationsschrift feststeckend – mit dem Unfalltod ihrer Eltern konfrontiert. Sie haben verfügt, ...

Unversehens wird die Physikerin Ruth – labil, tablettenabhängig, seit Jahren in der Forschung zu ihrer Habilitationsschrift feststeckend – mit dem Unfalltod ihrer Eltern konfrontiert. Sie haben verfügt, in ihrem Heimatort Groß-Einland bestattet zu werden, ein Wunsch, den Ruth ihnen selbstverständlich erfüllen will. Doch Groß-Einland findet sich auf keiner Landkarte, in keinem Navigationssystem, in keinem Katasteramt: In ganz Österreich findet sich kein Groß-Einland. Ruth macht sich dennoch auf die Suche nach diesem scheinbar nicht existenten Ort, geleitet von den Erinnerungen an die Erzählungen ihrer Eltern. Da gab es doch diesen Heurigen mit der tausendjährigen Eiche, von dem ihr Vater erzählte, und man konnte mit einer Leiter in den Untergrund steigen, wie ihr die Mutter berichtete … Tatsächlich findet Ruth den Ort, dessen Einwohner seltsam und freundlich zugleich sind, verschlossen und willkommen heißend, tatkräftig und gleichzeitig verängstigt. Die pittoreske Kleinstadt wird von der undurchsichtigen ‚Gräfin‘ beherrscht, die die Regeln und Gesetze aufstellt, der alle gehorchen, bei der alle Fäden – die persönlichen, geschäftlichen, finanziellen, geschichtlichen – zusammenlaufen. Sie bietet Ruth an, im Ort zu bleiben, im Haus ihrer Eltern. Ruth soll ihr dabei helfen, das größte Problem Groß-Einlands in den Griff zu bekommen: Unter dem Ort erstreckt sich ein gigantischer Hohlraum, dessen Ursprung Jahrhunderte zurückreicht und dessen Ausmaß niemand erfassen kann. Ruth nimmt das Angebot an und verliert sich alsbald in diesem traumartigen, unwirklichen Ort, der sie immer weiter von ihrem alten Leben und der Realität entfernt und dabei zusehends verfällt …

Das flüssige Land ist ein faszinierender, vielschichtiger Roman, der aus meiner Sicht vollkommen zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises steht. Raphaela Edelbauer bedient sich zahlreicher Erzählmotive, die man eigentlich aus anderen Epochen oder Genres kennt: aus dem mittelalterlichen Heldenepos, der schwarzen Romantik, aus Märchen und Legenden: Der unbedarfte, uneingeweihte Held – bzw. in diesem Fall die Heldin – wird mit einer Aufgabe betraut, die nur sie bewältigen kann. Dazu muss sie sich nach dem einen oder anderen Irrweg und durch höchst unwegsames Gelände an einen geheimnisvollen, verborgenen Ort begeben, der der wirklichen Welt ähnelt, aber doch deutliche Züge einer Anderswelt trägt, an der eigene Gesetze herrschen, die Zeit in einem anderen Tempo vergeht und die von einer omnipotenten Antagonistin beherrscht wird. Diese Anderswelt sieht sich einer Bedrohung ausgesetzt, die nun von der Protagonistin bekämpft werden soll. Doch diese muss sich letztlich die Frage stellen, wen oder was sie eigentlich retten will: ihre neue, vom Verfall bedrohte Heimat oder doch lieber sich selbst?

Gleichzeitig lässt sich der Roman mit seinen Bezügen zur Vergangenheit, insbesondere zur NS-Zeit als Parabel für einen unzureichenden, misslungenen, halbherzig rechtfertigenden Umgang mit der eigenen Geschichte lesen. Oder als Parodie auf all den Unrat, der lieber unter den Teppich gekehrt bzw. in das alles verschlingende Loch gekippt wird, um die adretten Fassaden nicht zu beeinträchtigen, der früher oder später aber doch jede Fassade zum Einsturz bringt, mag man auch noch so viele Korrekturen und Makulaturen vornehmen.

Es war für mich ein echtes Erlebnis, diesen vielfältigen, sprachlich bemerkenswerten Roman zu lesen: als wandele man durch einen Traum, von dem man nicht weiß, ob man schläft oder wach ist, ob es ein schöner Traum, ein Alp- oder Fiebertraum ist. Und das ist, wie ich mir gut vorstellen könnte, nicht jedermanns Sache. Wer Romane und Erzählungen mag, in der die Realität unwirkliche Züge annimmt, wird Das Flüssige Land gewiss ebenso mögen wie ich. Wer Traum und Wirklichkeit lieber fein voneinander getrennt hat und alles andere achselzuckend als Spinnerei abtut, wird sich vermutlich schwertun.

Veröffentlicht am 18.09.2019

Don't judge a book by its cover

Morgen kommt ein neuer Himmel
0

Ich gebe es zu: Manchmal kaufe ich Bücher, weil mir das Cover gefällt. Und manchmal kaufe ich Bücher aufgrund ihres Covers gerade nicht. ‚Morgen kommt ein neuer Himmel‘ hätte ich zugegebenermaßen niemals ...

Ich gebe es zu: Manchmal kaufe ich Bücher, weil mir das Cover gefällt. Und manchmal kaufe ich Bücher aufgrund ihres Covers gerade nicht. ‚Morgen kommt ein neuer Himmel‘ hätte ich zugegebenermaßen niemals gekauft. Die Typo zu handgemalt, das Umschlagbild auch, von den Farben ganz zu schweigen. Und dann auch noch der Titel! Um Himmels Willen! Da windet sich meine versnobte Philologinnen-Seele in Agonie. Neeee, sowas lese ich nicht!
Und dann findet ein solches Buch doch den Weg zu mir. Wird mir von einer sehr, sehr lieben Person geschenkt. Landet erst einmal auf dem SuB. Schlummert dort eine ganze Weile. Wird irgendwann in den Urlaub mitgenommen, man weiß ja nie, möglicherweise guckt man doch mal rein, außerdem kann man es immer noch im Ferienhaus lassen, vielleicht freut sich jemand anderes darüber. Also, jemand mit ein bisschen weniger Anspruch an seine Lektüre als ich, versteht sich. Und dann schaut man tatsächlich hinein. Liest mal ein bisschen an … ja, wie erwartet nicht mega-anspruchsvoll, aber auch nicht so schlimm wie befürchtet. Liest weiter … och, eigentlich ganz unterhaltsam. Liest noch weiter. Und noch weiter. Im letzten Viertel hat einen die Emotionalität in ihrem Klammergriff. Kurz vor dem Ende heult man Rotz und Wasser. Und nach der letzten Seite seufzt man beseelt auf: Weil man trotz Bonbon-Krickelkrakel-Herzschmerz-Blabla-Titel-Cover eine so schöne, berührende, ja, auch rührselige und zu Tränen rührende Geschichte gelesen hat; eine Geschichte, die einem das Herz erwärmt und die Seele massiert und die einen plötzlich wieder fest daran glauben lässt, dass am Ende alles wieder gut wird. Und schließlich kam mir – ja, Asche auf mein Haupt! – der Gedanke, dass man Bücher vielleicht doch nicht nach ihrem Umschlag beurteilen sollte …

Wer noch etwas über den Inhalt erfahren möchte:

Eigentlich steht Bretts Zukunft fest: Sie wird das Kosmetikunternehmen ihrer todkranken Mutter erben. Daran hegt sie, ebenso wie ihre beiden Brüder, keinen Zweifel, darauf wurde sie von ihrer Schwägerin, die ebenfalls in der Firma arbeitet, seit einem Jahr vorbereitet. Bei der Testamentseröffnung folgt dann die große Überraschung, um nicht zu sagen, der Schock: Bretts Mutter Elizabeth hat die Firma besagter Schwägerin vermacht. Brett hingegen erhält anstelle ihres Erbes eine Liste – ihre eigene Liste mit Lebenszielen, die sie als Teenager vor zwanzig Jahren verfasst hat. Die Liste landete jedoch nicht, wie Brett dachte, im Müll, sondern wurde all die Jahre von ihrer Mutter aufbewahrt. Einiges davon hat sie schon erreicht, doch die nach wie vor offenen Punkte soll Brett jetzt, mit Mitte dreißig, abarbeiten, und zwar innerhalb eines Jahres. Doch Brett ist nicht mehr die Vierzehnjährige, die sie einmal war. Ihre Wünsche und Ziele haben sich längst geändert! Sich verlieben? Sie hat doch schon einen Freund! Eine gute Beziehung zu ihrem Vater aufbauen? Aber der ist doch schon gestorben! Eine gute Lehrerin werden? Sie hat doch längst einen anderen Beruf ergriffen! Zähneknirschend und alles andere als überzeugt macht Brett sich schließlich doch daran, Punkt für Punkt abzuarbeiten. Und erlebt und erfährt Erstaunliches. Auch über sich selbst.

Veröffentlicht am 06.09.2019

Eine berührende, kirschfreie Geschichte

Das Kinderhaus
0

New York 1997. Constance kann keine Liebe für ‚das Kind‘ empfinden. „Gabriel heißt er. „Es ist kein Name aus ihrem Land. Ein kongolesischer Pastor im Lager hat ihn ausgesucht. Sie hatte einen anderen Namen ...

New York 1997. Constance kann keine Liebe für ‚das Kind‘ empfinden. „Gabriel heißt er. „Es ist kein Name aus ihrem Land. Ein kongolesischer Pastor im Lager hat ihn ausgesucht. Sie hatte einen anderen Namen auf der Zunge, aber der Pastor meinte, das Kind brauche den Namen eines Engels. Und es sei ein guter Name für einen Jungen, der in Amerika aufwachsen würde.“ (Pos. 80)
Constance badet es. Sie füttert es, sie legt es schlafen, dieses zweijährige Wesen, das sie zur Welt gebracht hat. Aber lieben? Nein, das kann sie nicht. Denn das Kind ist „einer von ihnen“, einer von denen, die Constance in ihrem Heimatland Ruanda verfolgt, ihre Familie ermordet, ihre Nachbarn verstümmelt haben. Nun hat sie in New York Zuflucht gefunden, sie hat ihr Leben behalten – und „das Kind“.
Marina lebt ebenfalls in New York. Marina ist Hochschuldozentin, gutaussehend, gebildet, erfolgreich in dem, was sie tut. Und überdies glücklich verheiratet, sie hat einen Mann, einen halbwüchsigen Stiefsohn, eine liebe Schwiegermutter und ebenso liebe Schwägerin. Sie besitzen ein schönes Zuhause, alles könnte wunderbar sein. Wenn da nicht Marinas vergeblicher, unerfüllter Kinderwunsch wäre. Zufällig beobachtet sie die junge Frau und diesen kleinen, in ihren Augen hinreißenden Jungen, die Mutter und Sohn sein müssen – oder doch nicht? Marina kennt sich nur zu gut mit Müttern aus, die ihre Kinder nicht lieben können. Sie ist selbst ein solches Kind, aufgewachsen im Kinderhaus eines Kibbuz, getrennt von ihrer Mutter, die allerdings auch nach dem Verlassen des Kibbuz kein gesteigertes Interesse an ihrer Tochter und ihrem Sohn zeigte. Sie war eines jener Kinder, die wie Waisen, vernachlässigte oder missbrauchte Kinder auf einer „gierigen Suche“ sind – „nicht nach Nahrung oder Schutz, sondern nach Zuneigung. Nach einem Fetzen Anerkennung, kleinen Freundlichkeiten, die ihnen helfen konnten, ihren Platz in der Welt zu finden“ (Pos. 2548). Marina will der jungen Frau helfen – doch letztlich auch sich selbst.

„Das Kinderhaus“ von Alice Nelson ist eine Geschichte von Müttern, die ihre Kinder nicht lieben können, die gefangen sind in sich selbst, ihrer Biografie, ihren Schicksalen. Manches wird erklärt und verständlich, anderes bleibt im Dunkeln, kann nur vermutet, erahnt, erdacht werden. Und es ist eine Geschichte von Kindern, die nicht anders können, als ihre Mütter zu lieben, nach ihrer Liebe zu verlangen, sich nach ihr zu sehnen, um sie zu betteln und zu buhlen – einfach, weil sie Kinder sind. Manchmal werden diese Kinder ihrerseits zu Eltern, manchmal wollen sie es werden und können es nicht, manchmal wollen sie es nicht und werden es dennoch.

Eine solche Story birgt zweifellos die Gefahr, in Rührseligkeit abrutschen. Doch Alice Nelson erzählt die Lebensgeschichten und -erfahrungen ihrer Figuren behutsam und leise, sachlich und doch eindringlich. Sie erzeugt eine im besten Sinne herzergreifende und aus meiner Sicht vollkommen kitschfreie, versonnene, melancholische Stimmung, die mich immer wieder zum Nachdenken anregte: darüber, was es heißt, eine Mutter zu sein; was für ein Glück es ist, wenn man eine liebevolle oder überhaupt zur Liebe fähige Mutter zu haben; wie schwierig es sein kann, die (vermeintlich?) selbstverständliche Liebe für seine Kinder aufzubringen. Die Erzählerin wertet und verurteilt nicht, sie nimmt niemanden in Schutz und empört sich nicht. Sie beobachtet und berichtet. Und das macht sie richtig gut. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 02.09.2019

Gute Zutaten, aber nicht ganz so gute Zubereitung

Das Schweigen der Angst
0

Die fünfzehnjährige Megan ist zum landesweiten Phänomen avanciert: Es heißt, das junge Mädchen besitze wundersame Heilkräfte, die selbst Todkranken helfen können. Megan selbst ist nicht in der Lage, ihre ...

Die fünfzehnjährige Megan ist zum landesweiten Phänomen avanciert: Es heißt, das junge Mädchen besitze wundersame Heilkräfte, die selbst Todkranken helfen können. Megan selbst ist nicht in der Lage, ihre außerordentlichen Fähigkeiten zu erklären, sie liegt seit einem Unfall im Koma … Unter ihren ‚Patienten‘ befindet sich auch die schwerkranke Jane Hewitt. Nach nur einem Besuch an Megans Bett kann sie plötzlich wieder alleine gehen, ihr Krebs scheint verschwunden zu sein. Doch am nächsten Morgen ist Jane tot und ihr Mann Ian macht Megan und die sie umgebenden, ja, sie gnadenlos vermarktenden Menschen verantwortlich. Und so bittet er die Psychologin Dr. Alexandra Ripley, spezialisiert auf die Aufklärung – oder vielmehr Entlarvung – vermeintlich übersinnlicher Phänomene. In Megans nordwalisischer Heimat will Alex Ripley den faszinierenden Geschehnissen auf den Grund gehen. Sie stellt rasch fest, dass Ian nicht der Erste ist, der Megans ‚Heilungen‘ misstraut, und dass doch mehr Menschen in das Spektakel involviert sind, als es anfänglich scheint. Und die sind zu allem bereit …

Ein Mädchen im Koma, wundersame Geistheilungen, unerwartete Todesfälle, eine kleine nordwalisische Insel im Winter und eine starke weibliche Hauptfigur – aus meiner Sicht sind das schon mal ziemlich gute Zutaten für einen soliden, spannenden Thriller. Doch leider, leider ist es mit guten Zutaten allein nicht getan, es kommt auch auf die Zubereitung an, und die ist für meinen Geschmack in diesem Fall nicht hundertprozentig gelungen. Handlungszeit und -ort sind wirklich gut gewählt, die Story an sich interessant, die Figuren nahezu allesamt ordentlich gezeichnet. Und doch wollte der Funke nicht so recht überspringen. Das lag hauptsächlich an der sprachlichen Ausgestaltung des Romans, und das in zweierlei Hinsicht. Zum einen habe ich selten einen so Dialog-lastigen Thriller gelesen wie diesen. Jesses, wird da viel miteinander gesprochen! Natürlich gibt es auch erzählerische Passagen, doch dann reiht sich Dialog an Dialog an Dialog. Und irgendwie wird gefühlt zehnmal ein und dasselbe Thema durchgekaut. Zum anderen sind die Dialoge (teilweise auch die Erzählpassagen) streckenweise so hölzern geraten, dass es nur wenig Spaß machte, den Figuren ‚zuzuhören‘. Deshalb von mir leider nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.