Cover-Bild Das flüssige Land
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10,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 17.08.2019
  • ISBN: 9783608191967
Raphaela Edelbauer

Das flüssige Land

Roman
»Unheimlich, spannend, aberwitzig und kaum zu fassen – einfach fantastische Literatur«
Jurybegründung Deutscher Buchpreis (Shortlist)
Ein Ort, der nicht gefunden werden will. Eine österreichische Gräfin, die über die Erinnerungen einer ganzen Gemeinde regiert. Ein Loch im Erdreich, das die Bewohner in die Tiefe zu reißen droht. In ihrem schwindelerregenden Debütroman geht Raphaela Edelbauer der verdrängten Geschichte auf den Grund.
Der Unfalltod ihrer Eltern stellt die Wiener Physikerin Ruth vor ein nahezu unlösbares Paradox. Ihre Eltern haben verfügt, im Ort ihrer Kindheit begraben zu werden, doch Groß-Einland verbirgt sich beharrlich vor den Blicken Fremder. Als Ruth endlich dort eintrifft, macht sie eine erstaunliche Entdeckung. Unter dem Ort erstreckt sich ein riesiger Hohlraum, der das Leben der Bewohner von Groß-Einland auf merkwürdige Weise zu bestimmen scheint. Überall finden sich versteckte Hinweise auf das Loch und seine wechselhafte Historie, doch keiner will darüber sprechen. Nicht einmal, als klar ist, dass die Statik des gesamten Ortes bedroht ist.
Wird das Schweigen von der einflussreichen Gräfin der Gemeinde gesteuert? Und welche Rolle spielt eigentlich Ruths eigene Familiengeschichte? Je stärker sie in die Verwicklungen Groß-Einlands zur Zeit des Nationalsozialismus dringt, desto vehementer bekommt Ruth den Widerstand der Bewohner zu spüren. Doch sie gräbt tiefer und ahnt bald, dass die geheimnisvollen Strukturen im Ort ohne die Geschichte des Loches nicht zu entschlüsseln sind.
»Raphaela Edelbauer überschreitet Grenzen und rückt in unerforschte Gebiete der Literatur vor.«
Jurybegründung Rauriser Literaturpreis

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.02.2020

Erfrischendes, geheimnisvolles, vielschichtiges Romandebüt, das einen unheimlichen Sog ausübt!

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Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!

Inhalt

Nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Eltern macht sich die Physikerin ...

Spoilerfreie Rezension!

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!

Inhalt

Nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Eltern macht sich die Physikerin Ruth auf in deren Geburtsort, das beschauliche Groß-Einland, um die Beerdigung vorzubereiten. Jedoch stößt sie bald auf ein Problem: Die Gemeinde scheint nirgends auf, scheint offiziell nicht zu existieren. Als Ruth nach einigen Irrfahrten schließlich mit einem kaputten Auto doch in der kleinen Stadt landet, wird schnell klar, dass etwas mit dem Ort nicht stimmt: Unter der Gemeinde befindet sich ein riesiger Hohlraum, dessen genaue Ausmaße unbekannt sind. Es kommt zu Einbrüchen, das Loch droht, nicht nur einzelne Häuser, sondern schlussendlich ganz Groß-Einland in die Tiefe zu reißen. Warum hüllen sich alle in Schweigen, wenn Ruth Fragen stellt? Warum stimmen die Daten von Ruths Untersuchungen nicht mit den offiziellen Dokumenten überein? Was hat die mysteriöse Gräfin, die den ganzen Ort zu besitzen schient, mit alldem zu tun? Und was ist damals – zur Zeit des Nationalsozialismus – tatsächlich in Groß-Einland geschehen?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Klett-Cotta
Seitenzahl: 350
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive (Ruth)
Kapitellänge: mittel bis lang
Tiere im Buch: +/- Es wird geschildert, dass Pferden früher bei Minenarbeiten die Augen ausgestochen wurden und wie ein Hund in einen Spalt fällt und stirbt. Es gibt eine Fuchsjagd mit Hunden (bei der allerdings kein Tier erwischt wird), der Spaß einer Hetzjagd wird betont, ein Pferd hat Angst und wird etwas grober behandelt. Fleisch wird gegessen und Kalbsleder getragen. Immerhin wird auch eine Katze aus einem Schacht mithilfe von 10 Feuerwehrmännern gerettet.

Warum dieses Buch?

Auf dieses Romandebüt wurde ich durch die Nominierung für den Deutschen und Österreichischen Buchpreis aufmerksam. Da auch der Klappentext wunderbar mysteriös und interessant klang, führte für mich an diesem Buch kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Einstieg (2 Sterne)

Puh, der Einstieg war – wie man so schön sagt – eine schwere Geburt! Es hat lange gedauert, bis ich in die Geschichte gefunden und mich mit dem Schreibstil angefreundet hatte. Auf den ersten Seiten, auf denen ich nur sehr langsam vorankam, spielte ich sogar mehrmals mit dem Gedanken, das Buch abzubrechen. Zum Glück habe ich doch nicht aufgegeben, denn das wäre – kleiner Spoiler! – ein Riesenfehler gewesen.

„‘Groß-Einland?‘, fragte die Dame und hämmerte die Buchstabenkette in den Apparat. ‚Nein, in Niederösterreich gibt es keine Gemeinde dieses Namens.‘
‚Das kann nicht sein.‘“ E-Book, Position 134

Schreibstil (4 Sterne)

„Die bereits hereinbrechende Nacht zog die Konturen aus den Latten des Parketts, auf das ich meine Kleidung türmte.“ E-Book, Position 87

Größtenteils lagen meine Einstiegsschwierigkeiten nicht an der Geschichte, die zwar auch nur langsam in Schwung kommt, sondern am anfangs gewöhnungsbedürftigen Schreibstil der Autorin. Raphaela Edelbauer schreibt nämlich sehr anspruchsvoll: Ihre Sätze sind oft lang, gerne verschachtelt und meist sehr reich an Metaphern, die man teilweise mehrmals lesen und überdenken muss, um sie überhaupt zu verstehen. Das empfand ich am Beginn als sehr anstrengend, manchmal waren mir die vielen Metaphern und die teilweise komplizierte Ausdrucksweise auch später noch zu viel des Guten.

Die gute Nachricht: Ich habe mich mit jeder Seite mehr mit dem Schreibstil angefreundet, bis ich mich am Ende sehr schätze und mochte. Das Buch enthält viele wunderschöne, poetische Stellen, subtilen Humor und hat auch eine gewisse österreichische Note – auch wenn ihm der Charme und Witz von z. B. Angela Lehners „Vater unser“ (große Leseempfehlung an dieser Stelle!) fehlt.

Inhalt, Themen & Ende (5 Sterne ♥)

„‘Das Loch‘, wiederholte er mit vollkommener Selbstverständlichkeit. ‚Es wächst.‘“ E-Book, Position 762

Auch inhaltlich wurde der Roman meiner Meinung nach mit jeder Seite besser – ich habe mich zunehmend in ihn verliebt. Die Nominierung für den Österreichischen und Deutschen Buchpreis ist meiner Meinung nach absolut verdient – auf diese Weise erhält das Buch die Aufmerksamkeit, die es verdient. Raphaela Edelbauer hat mit „Das flüssige Land“ einen erfrischenden, ungewöhnlichen und faszinierenden Roman geschrieben, der beim Lesen die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner LeserInnen einfordert. Vieles wird nur angedeutet, manches steht nur zwischen den Zeilen. Gleichzeitig regt das Buch zum Nachdenken an, unterhält gekonnt, ist spannend wie ein Krimi und lässt viel Raum für (literaturwissenschaftliche) Interpretationen.

Großartig fand ich auch das merkwürdige und gleichzeitig hoch interessante Setting und das teilweise vollkommen absurde Verhalten der BewohnerInnen von Groß-Einland. Teilweise ist der Roman sicher als Milieustudie des österreichischen Landlebens (mit einem Augenzwinkern) zu lesen. Tiefgründig beschäftigt sich die Autorin mit Themen wie Familie, Heimat, der Frage, wie gut wir unsere Eltern wirklich kennen können, und der Kultur des Vergessens, Verdrängens und absichtlichen Vertuschens von Kriegsverbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus, die für Österreich bezeichnend ist und schon oft von österreichischen KünstlerInnen und AutorInnen kritisiert wurde. Auch verschiedene wissenschaftliche (hauptsächlich physikalische) Konzepte werden in den Text eingearbeitet – sie werden gut erklärt und runden die Geschichte ab. Nur ein Punkt lässt mich zwiespältig zurück: die Offenheit des Romans. Einerseits hätte ich mir vor allem am Ende mehr Antworten gewünscht, andererseits schätze ich aber auch gerade, dass sich vieles im Roman in der Schwebe befindet, dass vieles nur vage bleibt und nicht aufgelöst wird. Wer das nicht mag, wird mit dem „Flüssigen Land“ nicht glücklich werden.

Protagonistinnen & Figuren (5 Sterne ♥)

Die Figuren sind meiner Meinung wunderbar gelungen und wirkten auf mich sehr eigenwillig, komplex und authentisch. Sie waren vielleicht nicht alle immer sympathisch, haben mich aber mit ihrer teilweise merkwürdigen Art sehr angezogen und mir gefallen. Ruth fand ich als Protagonistin ebenfalls gelungen. Sie ist eine Frau der Wissenschaft, mit scharfem Verstand, trotzdem gerät auch sie in den Sog der Gemeinde und scheint nach und nach jedes Zeitgefühl zu verlieren. Ich konnte ihre exzessive Suche nach der Wahrheit sehr gut nachvollziehen und habe diese Frau mit ihren glaubwürdigen Stärken und Schwächen (Medikamentenabhängigkeit, Probleme mit der Habilitation) sehr gerne begleitet.

Spannung & Atmosphäre (5 Sterne ♥)

Es hat lange gedauert, aber nach dem zähen Einstieg hat „Das flüssige Land“ auf mich einen starken Sog ausgeübt. Die unheimliche, mysteriöse, teilweise kafkaeske Stimmung und die subtile Spannung, die das Buch durchziehen, haben mich gefesselt und mich die Seiten immer schneller umblättern lassen. Ständig befürchtet man, dass etwas Schreckliches passiert – es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Ruth zu weit geht oder auf Furchtbares stößt. Die dichte Atmosphäre des Buches habe ich echt geliebt!

„Mich beschlich ein Gefühl der Unheimlichkeit am helllichten Tage; die wenigen Figuren, die unterwegs waren, Hausfrauen und Zeitungsboten, warfen tiefe Schatten, die mir nicht mit dem Stand der Sonne zusammenzupassen schienen.“ E-Book, Position 820

Feministischer Blickwinkel (3 Sterne)

Einerseits haben mir einige Dinge sehr gut gefallen: Zum einen besteht das Buch den Bechdel-Test und enthält einige starke, mächtige oder gebildete weibliche Figuren wie die Gräfin und die Protagonistin, die an einer Universität in einem MINT-Fach unterrichtet (sie hat sicherlich Vorbildwirkung!). Zudem gibt es auch keine einzige gegenderte Beleidigung, was ich sehr erfrischend finde! Andererseits werden manchmal auch Genderstereotypen reproduziert, indem nur von Hausfrauen die Rede ist, indem nur Frauen die Wäsche waschen, als Sekretärinnen und Kellnerinnen arbeiten oder während der Trauerzeit Hilfe im Haushalt anbieten. Teilweise ist das natürlich auch dem konservativen Setting der Geschichte geschuldet. Daher bin ich dieses Mal etwas weniger streng. Trotzdem ist hier noch Luft nach oben. Beim nächsten Buch würde ich mir etwas mehr Sensibilität in diesem Bereich wünschen.

Mein Fazit

„Das flüssige Land“ hat mir gezeigt, dass man ein Buch nicht zu schnell abbrechen sollte, weil man sonst sein nächstes Lieblingsbuch verpassen könnte. Die nur langsam in Schwung kommende Geschichte und der ungewöhnliche Schreibstil machten mir den Einstieg schwer. Ab dann habe ich mich jedoch mit jeder Seite mehr in dieses Buch verliebt! Der Schreibstil ist sehr anspruchsvoll: Die Sätze der Autorin sind oft lang und komplex, gerne verschachtelt und meist sehr reich an Metaphern. In manchen Momenten war es mir zu viel des Guten, meist jedoch war ich sehr angetan. Das Buch enthält viele wunderschöne, poetische Stellen, subtilen Humor und hat auch eine gewisse österreichische Note. Auch inhaltlich kann es überzeugen: Raphaela Edelbauer hat einen erfrischenden, ungewöhnlichen und faszinierenden Roman geschrieben, der gleichzeitig zum Nachdenken anregt, gekonnt unterhält, spannend wie ein Krimi ist und viel Raum für Interpretationen lässt. Großartig fand ich auch das seltsame und gleichzeitig faszinierende Setting und das vollkommen absurde Verhalten der BewohnerInnen von Groß-Einland. Tiefgründig beschäftigt sich die Autorin mit Themen wie Familie, Heimat und der Kultur des Vergessens, Verdrängens und absichtlichen Vertuschens von Kriegsverbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus. Nur die Offenheit des Romans lässt mich zwiespältig zurück: Einerseits hätte ich mir vor allem am Ende mehr Antworten gewünscht, andererseits schätze ich aber auch gerade, dass vieles im Roman vage bleibt und nicht aufgelöst wird. Die Figuren sind meiner Meinung wunderbar gelungen und wirkten auf mich sehr eigenwillig, interessant, komplex und authentisch. Ruth fand ich als Protagonistin und Frau der Wissenschaft mit scharfem Verstand, die trotzdem in den Sog der Gemeinde gerät und nach und nach jedes Zeitgefühl zu verlieren scheint, ebenfalls sehr gelungen. Nach dem zähen Einstieg hat „Das flüssige Land“ auf mich einen starken Sog ausgeübt. Die unheimliche, mysteriöse, teilweise kafkaeske Stimmung und die subtile Spannung, die das Buch durchziehen, haben mich gefesselt und mich die Seiten immer schneller umblättern lassen. Meine Empfehlung: Wer einem anspruchsvollen Schreibstil und offenen Enden wenig abgewinnen kann, wird an diesem Roman keinen Gefallen finden. Alle anderen sollten dem Ruf Groß-Einlands aber unbedingt folgen. Lasst euch vom Sog, den diese Geschichte ausübt, mitreißen – aber passt auf, dass ihr dabei nicht vollkommen euer Zeitgefühl verliert!

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 5 Sterne ♥
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 2 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Ende / Auflösung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf Lilien und ein Herz – und damit den Lieblingsbuchstatus!

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Veröffentlicht am 20.10.2019

Eine Erforschung

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Gleichzeitig sterben Ruths Eltern bei einem Autounfall. Die junge Physikerin ist am Boden zerstört. War ihr Leben vorher schon schwierig, gerät es nun völlig aus den Fugen. Gerade noch zusammengehalten ...

Gleichzeitig sterben Ruths Eltern bei einem Autounfall. Die junge Physikerin ist am Boden zerstört. War ihr Leben vorher schon schwierig, gerät es nun völlig aus den Fugen. Gerade noch zusammengehalten von Psychopharmaka. Geheimnisvoll erscheint die Bitte der Eltern, an ihrem Heimatort bestattet zu werden. Denn dieses Groß-Einland lässt sich nicht so einfach finden. Ruth versucht, sich an Einzelheiten von Erzählungen ihrer Eltern zu erinnern und schafft es schließlich, den Ort über beinahe unwegsame Straßen aufzusuchen. Ein Dorf findet sie, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Abgeschieden, abgeschottet, rückständig so wirkt es. Dennoch sind die Eltern jede Woche hierher gekommen.

Vielleicht kennt man das Gefühl, wenn man etwas über einen Verwandten erfährt, mit dem man keinesfalls gerechnet hätte. Verblüffung, Erstaunen, Unglaube, so kann es einen treffen. Und so trifft es auch Ruth, die wesentlich weniger von ihren Eltern wusste als sie zu wissen glaubte. Was hat es mit diesem seltsamen Groß-Einland auf sich? Wieso entzieht sich der Ort seiner Entdeckung? Und woher kommt die geheimnisvolle Unterhöhlung, in die das gesamte Dorf zu versinken droht? Nach und nach wagt sich Ruth an die Erforschung der möglichen Antworten. Allerdings tun sich eher weitere Fragen auf und niemand im Dorf scheint besonderes Interesse an Ruths Untersuchungen zu haben.

Diese Geschichte bietet keine einfachen Lösungen oder Antworten. Sie hat etwas von einer Utopie und auch von einen Kriminalroman. Ruths Suche nach der Familienvergangenheit, nach der Sage des Groß-Einland ist ausgesprochen spannend und doch vage. Man nähert sich der Geschichte des Bergwerks, der planlos angelegten Gänge im Berg, den Verschwundenen. So wie Ruth fragt man nach denen, die dem Nationalsozialismus zu Opfer gefallen sind, an deren Tod niemand Schuld gewesen sein will. Ruth, die glaubte, eine Heimat gefunden zu haben, muss dies ebenso ernsthaft hinterfragen wie die Umstände des Todes der Eltern. Dieses Buch fesselt mit seiner Suche nach Wahrheit und der Reaktion der Beteiligten. Die Erinnerung sollte bewahrt werden, unliebsame Artefakte in einen Schacht zu werfen, ist keine Lösung.

Veröffentlicht am 09.10.2019

ungewöhnlich und kraftvoll

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„Das flüssige Land“ ist ein sehr gehaltvolles Buch. Eines, welches man langsam, genüsslich und gründlich lesen muss. Eines welches man auf sich wirken lassen muss. In anderen Rezensionen wird immer wieder ...

„Das flüssige Land“ ist ein sehr gehaltvolles Buch. Eines, welches man langsam, genüsslich und gründlich lesen muss. Eines welches man auf sich wirken lassen muss. In anderen Rezensionen wird immer wieder auf Kafka verwiesen. Ehrlicherweise kann ich das nicht beurteilen, da ich nie etwas von diesem Schriftsteller gelesen habe. Aber sowohl die Ausgangssituation, als auch die Hauptperson und das Setting sind sehr ungewöhnlich und so deutlich gewollt surreal-unreal, dass ich es nicht in ein mir bekanntes Genre einordnen möchte. In dieser Mischung zwischen aktuellen zeitnahen Themen wie Globalisierung und eindeutig rechtsradikalem Gedankengut und der fiktiven Bedrohung eines großen Loches unter der Stadt, die vielleicht diesen ganzen kleingeistigen Pfuhl verschlucken könnte, agieren die Menschen seltsam normal aber auch seltsam ziellos.

Der kraftvolle Erzählstil hat mir sehr gut gefallen. Am Plot hatte ich etwas zu kauen und bin mit dem etwas abrupten Ende nicht wirklich zufrieden. Dennoch hat mich das Buch auf ganz eigene Art gefesselt und auch wenn ich es immer wieder mal für leichtere Lektüre zur Seite gelegt habe, so habe ich doch immer wieder zurückgefunden und kann für meinen Teil sagen, dass die Lektüre dieser ungewöhnlichen Geschichte durchaus lohnt und den Horizont erweitert.

Ach ja. Das Cover ist einfach genial. Ich überlege mir das HC zu besorgen.

Veröffentlicht am 23.09.2019

Eine Reise zu sich selbst (?)

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Unversehens wird die Physikerin Ruth – labil, tablettenabhängig, seit Jahren in der Forschung zu ihrer Habilitationsschrift feststeckend – mit dem Unfalltod ihrer Eltern konfrontiert. Sie haben verfügt, ...

Unversehens wird die Physikerin Ruth – labil, tablettenabhängig, seit Jahren in der Forschung zu ihrer Habilitationsschrift feststeckend – mit dem Unfalltod ihrer Eltern konfrontiert. Sie haben verfügt, in ihrem Heimatort Groß-Einland bestattet zu werden, ein Wunsch, den Ruth ihnen selbstverständlich erfüllen will. Doch Groß-Einland findet sich auf keiner Landkarte, in keinem Navigationssystem, in keinem Katasteramt: In ganz Österreich findet sich kein Groß-Einland. Ruth macht sich dennoch auf die Suche nach diesem scheinbar nicht existenten Ort, geleitet von den Erinnerungen an die Erzählungen ihrer Eltern. Da gab es doch diesen Heurigen mit der tausendjährigen Eiche, von dem ihr Vater erzählte, und man konnte mit einer Leiter in den Untergrund steigen, wie ihr die Mutter berichtete … Tatsächlich findet Ruth den Ort, dessen Einwohner seltsam und freundlich zugleich sind, verschlossen und willkommen heißend, tatkräftig und gleichzeitig verängstigt. Die pittoreske Kleinstadt wird von der undurchsichtigen ‚Gräfin‘ beherrscht, die die Regeln und Gesetze aufstellt, der alle gehorchen, bei der alle Fäden – die persönlichen, geschäftlichen, finanziellen, geschichtlichen – zusammenlaufen. Sie bietet Ruth an, im Ort zu bleiben, im Haus ihrer Eltern. Ruth soll ihr dabei helfen, das größte Problem Groß-Einlands in den Griff zu bekommen: Unter dem Ort erstreckt sich ein gigantischer Hohlraum, dessen Ursprung Jahrhunderte zurückreicht und dessen Ausmaß niemand erfassen kann. Ruth nimmt das Angebot an und verliert sich alsbald in diesem traumartigen, unwirklichen Ort, der sie immer weiter von ihrem alten Leben und der Realität entfernt und dabei zusehends verfällt …

Das flüssige Land ist ein faszinierender, vielschichtiger Roman, der aus meiner Sicht vollkommen zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises steht. Raphaela Edelbauer bedient sich zahlreicher Erzählmotive, die man eigentlich aus anderen Epochen oder Genres kennt: aus dem mittelalterlichen Heldenepos, der schwarzen Romantik, aus Märchen und Legenden: Der unbedarfte, uneingeweihte Held – bzw. in diesem Fall die Heldin – wird mit einer Aufgabe betraut, die nur sie bewältigen kann. Dazu muss sie sich nach dem einen oder anderen Irrweg und durch höchst unwegsames Gelände an einen geheimnisvollen, verborgenen Ort begeben, der der wirklichen Welt ähnelt, aber doch deutliche Züge einer Anderswelt trägt, an der eigene Gesetze herrschen, die Zeit in einem anderen Tempo vergeht und die von einer omnipotenten Antagonistin beherrscht wird. Diese Anderswelt sieht sich einer Bedrohung ausgesetzt, die nun von der Protagonistin bekämpft werden soll. Doch diese muss sich letztlich die Frage stellen, wen oder was sie eigentlich retten will: ihre neue, vom Verfall bedrohte Heimat oder doch lieber sich selbst?

Gleichzeitig lässt sich der Roman mit seinen Bezügen zur Vergangenheit, insbesondere zur NS-Zeit als Parabel für einen unzureichenden, misslungenen, halbherzig rechtfertigenden Umgang mit der eigenen Geschichte lesen. Oder als Parodie auf all den Unrat, der lieber unter den Teppich gekehrt bzw. in das alles verschlingende Loch gekippt wird, um die adretten Fassaden nicht zu beeinträchtigen, der früher oder später aber doch jede Fassade zum Einsturz bringt, mag man auch noch so viele Korrekturen und Makulaturen vornehmen.

Es war für mich ein echtes Erlebnis, diesen vielfältigen, sprachlich bemerkenswerten Roman zu lesen: als wandele man durch einen Traum, von dem man nicht weiß, ob man schläft oder wach ist, ob es ein schöner Traum, ein Alp- oder Fiebertraum ist. Und das ist, wie ich mir gut vorstellen könnte, nicht jedermanns Sache. Wer Romane und Erzählungen mag, in der die Realität unwirkliche Züge annimmt, wird Das Flüssige Land gewiss ebenso mögen wie ich. Wer Traum und Wirklichkeit lieber fein voneinander getrennt hat und alles andere achselzuckend als Spinnerei abtut, wird sich vermutlich schwertun.

Veröffentlicht am 18.01.2020

Schwierig zu lesen und nicht stimmig

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Das flüssige Land ist ein weiterer Roman, der auf den Shortlisten des Deutschen und Österreichischen Buchpreises von 2019 stand. Eine junge Physikerin wird mit der Nachricht konfrontiert, dass ihre Eltern ...

Das flüssige Land ist ein weiterer Roman, der auf den Shortlisten des Deutschen und Österreichischen Buchpreises von 2019 stand. Eine junge Physikerin wird mit der Nachricht konfrontiert, dass ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Nein, niemand bequemt sich und bringt ihr die Meldung persönlich. Es wird angerufen. Dann kommen enge Verwandte, die ihr die Ohren voll jammern und die sie bald bittet, dass sie sich aus ihrer Wohnung entfernen. Beim Denken an die Beerdigung und deren Gestaltung fällt ihr ein, was ihre Eltern irgendwann einmal äußerten: Sie wollten in Groß-Einland beerdigt werden.

Als gehorsame Tochter ohne Geschwister, macht sie sich also auf den Weg in den Ort. Leider ist er auf keiner Karte zu finden und auch im Navi gibt es ihn nicht. Ruth irrt umher und durch Zufall hört sie ein Gespräch, in dem der Name des Ortes fällt. Zwei Männer sind es, die sich unterhalten und sie fährt ihnen hinterher. Obwohl sie deren Auto schnell aus den Augen verliert, gelangt sie doch in den Ort. Dabei fährt sie ihren Wagen zu Schrott und muss ihn reparieren lassen. Sie bleibt viel länger in dem Ort als sie ursprünglich vorhatte.

Das Buch ist das Debüt der Autorin Raphaela Edelbauer. Für mich war es äußerst schwierig, ihren Gedankengängen zu folgen. Zu viele Fragen blieben offen und die die Erzählung für mich unrealistisch. Es folgten zu viele Wechsel in rascher Folge. Die Sprache soll wohl als gehoben gelten, war aber für meine Begriffe nur hölzern. Aus dem Grund gebe ich drei Sterne, denn schlecht ist der Roman nicht. Halt nicht das Richtige für meinen Geschmack.

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