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Veröffentlicht am 29.01.2021

Sprachlich top, inhaltlich Flop

Das Verschwinden der Erde
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Sommerferien in Kamtschatka. An einem sonnigen Nachmittag verschwinden beiden Schwestern Sofija (8) und Aljona (11) spurlos. Wochenlange Suche von Polizei ist erfolglos und die Gemeinde ist nervös und ...

Sommerferien in Kamtschatka. An einem sonnigen Nachmittag verschwinden beiden Schwestern Sofija (8) und Aljona (11) spurlos. Wochenlange Suche von Polizei ist erfolglos und die Gemeinde ist nervös und misstrauisch. Denn das Verschwinden des Mädchens erinnert an einen anderen Vorfall, der nicht richtig ermittelt wurde. Eine schwarze Wolke hängt über Kamtschatka und beeinflusst das Leben ganz unterschiedlicher Frauen...

„Ein ausgeklügelter und kraftvoller literarischer Thriller“ steht auf dem Klappentext. Zum Glück habe ich vor Jahren aufgegeben auf solcher Aussagen zu glauben. Denn es war weder kraftvoll noch ein Thriller. Sorry but not sorry!

Die Geschichte fängt sehr stark an, doch nach paar gelesenen Seiten baut sich das ganze noch stärker ab. Ich lande auf zwölf Kapiteln in völlig verschiedenen Frauenleben, die zwar einen guten Leben führen aber eigene Art und Weise total unzufrieden und unglücklich waren. Ein Hoch auf die Jammertanten! Die Frauen kennen die Mädchen nicht, dementsprechend werden die beiden nur nebensächlich erwähnt, was ich sehr schade fand. Dank des wechselns der Figuren sind die Handlungsstränge abgebrochen, sodass ich mich keiner der Charaktere mitfühlen konnte. Jede einzelne Kapitel wirkte mir wie eine Kurzgeschichte und das gesamte Buch halt wie eine Kurzgeschichtensammlung.

Die Autorin ist Amerikanerin und hat ein Jahr lang in Kamtschatka gelebt. Ob das für ein russisches Gesellschaftsroman gereicht hat, soll jeder Leser*in selbst entscheiden. Aber was mich an dem Buch gestört hat, ist: immer wieder Erwähnung der Hautfarbe und der Herkunft. Die Russen sind als „die Weißen“, und die Ureinwohnern, Ewenen, Korjaken, Tschuktschen, sind eher „die Dunklen“ bezeichnet. Gewiss, fast in jedem Land gibt es durch verschiedene Gründe Konflikte, nur hier wirkte mir die ganze Erzählung wie eine nachgeahmtes „Schwarz-Weiß Rassismus“ in USA. Ich bin keine Russin, daher kenne ich die russische Geschichte nicht. Es ist meine Empfinden und meine Meinung! Bitte nicht persönlich nehmen!

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Veröffentlicht am 28.01.2021

Sehr berührend

Vor mir nichts als Meer – Meine langsame Rückkehr vom Rande des Abgrunds
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Die Fotografin Tamsin lässt das hektische Londoner Leben hinter sich und zieht gemeinsam mit ihrem Mann auf die Äußeren Hebriden. Die kaufen einen großen Grundstück mit einer Ruine von einer Croft darauf ...

Die Fotografin Tamsin lässt das hektische Londoner Leben hinter sich und zieht gemeinsam mit ihrem Mann auf die Äußeren Hebriden. Die kaufen einen großen Grundstück mit einer Ruine von einer Croft darauf und sie versuchen ein neues, selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Eine Weile leben sie das erhoffte Idyll. Doch ein autarkes Leben auf die Beine stellen, braucht neben viel Geld auch viel Kraft und Energie und noch dazu bekommen die rassistischen Anfeindungen von den Inselbewohnern. Tamsins Mann wird immer unzufriedener, depressiver und als eines Tages seine Aggressionen eskalieren, bleibt Tamsin völlig auf sich gestellt, total mittellos auf eine Insel mit Feindseligkeiten...

Diskriminierungen, Rassismus, häusliche Gewalt, Fehlgeburten... Wie viel erträgt eine Frau, die gerade mal Anfang 30 ist?

Als Tamsin die Insel zum ersten Mal betritt, fühlt sie sich sofort zu Hause und als Leserin habe ich mich mit ihr wohlgefühlt und gefreut. Doch das Schicksal kennt keine Grenzen. Sie erzählt aus ihrem Leben so authentisch, sodass für mich stellenweise nicht so einfach war, alles zu verdauen. Besonderes die erniedrigenden Worte, die von Mitmenschen, weil sie eine Frau ist, hat mich sehr mitgenommen. An ihre Stelle bin ich schreiend weggegangen! Ich habe Tamsins Kraft und Wille total bewundert.

Die Landschaftsbeschreibungen sind kalt, nass, zehrt an Kräften trotzdem waren diese bildhaft und wunderschön. Allerdings habe ich mir manchmal etwas weniger Detail gewünscht.

Obwohl ich diese Autobiografie mit Bewunderung gelesen habe, muss ich eins erwähnen: Es ist keine leichte Kost fürs zwischen durch. Wer mit den Themen nicht umgehen kann, sollte sich erst Mal gut überlegen, das Buch zu lesen.

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Veröffentlicht am 22.01.2021

Ein gut gelungenes Debüt

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Die 27-jährige Berlinerin Hannah weiß nicht so recht, wie mit ihrer Leben weitergehen soll. Sie arbeitet seit langem an ihrer Doktorarbeit und nebenbei kümmert sich um ihre über 90-jährige Großmutter Evelyn, ...

Die 27-jährige Berlinerin Hannah weiß nicht so recht, wie mit ihrer Leben weitergehen soll. Sie arbeitet seit langem an ihrer Doktorarbeit und nebenbei kümmert sich um ihre über 90-jährige Großmutter Evelyn, die in einem Seniorenresidenz lebt. Die beiden Frauen haben außer sich aneinander keine Verwandten mehr und als plötzlich ein Brief aus Israel kam, verändert es alles. In dem Brief wird Evelyn als Erbin eines in Zweiten Weltkrieg geraubten Kunstvermögens ausgewiesen. Hannahs Neugier ist geweckt und stürmt sich sofort in Nachforschungen. Doch egal wie oft sie ihre Oma zu Rede stellt, Evelyn weigert sich stur über die Vergangenheit, besonders über ihre Mutter Senta zu reden...

„Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht blaues Kleid“ Dank diesem außergewöhnlichem Buchtitel bin ich auf das Buch neugierig geworden. Es ist das Debütroman von Alena Schröder und meine Meinung nach, hat sie eine beeindruckende Familiengeschichte erschaffen, welche die ich sehr gerne gelesen habe. Es geht hier um vier Frauen aus vier Generationen. Wo Urenkelin Hannah, im Gegenwart auf die Ahnenforschung geht, erzählt die Uroma Senta aus ihrem Leben und Oma Evelyn taucht mit dem Erinnerungen in die gemeinsame Zeit mit ihrer Tochter Silvia ein. Es hört sich zwar sehr kompliziert an, ist es aber nicht. Die Perspektiven wechseln recht schnell, sodass man spannend die Geschehnisse folgt. Allerdings ich fand die Erzählungen aus der Gegenwart nicht so berauschend. Klar war es spannend Hannah bei ihrem Forschungen zu begleiten aber da kommen einige Nebencharaktere, die ich stellenweise unpassend und langweilig fand. Das Thema NS-Raubkunst bleibt zwar nicht oberflächlich aber mich hat die Thematik Mutter-Tochter-Beziehungen mehr mitgenommen. Denn nicht jede Frau für Muttersein bestimmt und Schröder erzählt über die Gefühle von Frauen ungeschönt.

Ich finde, die Autorin hat mit ihrem leichtem, modernem Schreibstil und mit ihrer vielschichtigen, authentischen Charakteren ein bewegendes Debüt geschrieben, welches ich weiterempfehlen kann.
4,5 Sterne

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Veröffentlicht am 17.01.2021

Eine Reise die Mut macht

Miss Bensons Reise
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London 1950

Seitdem ihr Vater, vor vielen Jahren, in einem Naturkundebuch einen goldenen Käfer aus Neukaledonien gezeigt hat, träumt Margery Benson eines Tages den Käfer zu entdecken. Doch dieser Traum ...

London 1950

Seitdem ihr Vater, vor vielen Jahren, in einem Naturkundebuch einen goldenen Käfer aus Neukaledonien gezeigt hat, träumt Margery Benson eines Tages den Käfer zu entdecken. Doch dieser Traum verblasst sich über die Jahre hinweg. Margery ist mittlerweile 46 Jahre alt, arbeitet als Hauswirtschaftslehrerin, obwohl sie selbst nicht mal kochen kann, und lebt ein einsames Leben. Nach einem grauenhaften Tag in der Schule und nach geklauten paar Stiefeln, beschließt Margery sich endlich ihr Traum zu erfüllen. Sie kratzt ihre Ersparnisse zusammen, rüstet sich für ihre Expedition nach Neukaledonien aus und gleichzeitig sucht sie nach einer Expeditionsleiter. Doch Nachkriegszeiten in London, wo die Leute ums Lebensmittel kümmerten und kein Mensch, der wusste, wo Neukaledonien sein sollte, hat ihre Annonce sehr wenig Resonanz. Kurz vordem Abreise entscheidet Margery für Enid. Doch als Enid mit gelben Haaren, in knappen, pinken Kostüm mit winzigen Hütchen vor ihr steht, war alles spät für einen Rücktritt. Nun, die Reise kann losgehen...

Wenn ich ehrlich bin, als ich dem Cover zum ersten mal gesehen habe, dachte ich: Noch kitschiger geht es nicht wohl. Doch Rachel Joyce hat mich mit ihrem neuen Roman auf so eine ungewöhnliche Reise mitgenommen, dabei spielte das Cover gar keine Rolle.

Joyces Schreibstil ist leicht, sehr bildhaft aber vor allem Wendungsreich, sodass ich von Anfang bis zu Ende keine Langeweile beim Lesen hatte. Es gibt zwar Gegebenheiten die mir unrealistisch und kitschig wirkten aber die im Gesamtpaket passend, sogar stellenweise notwendig waren.
Die Autorin lässt ihre Fantasie mit ihrer Protagonistinnen blühen und versüßt sie die ganze mit Situationskomik. Schwarzer Humor, die nicht jedermanns Sache ist aber mich total amüsiert hat. Die Figuren sind weder gutartig noch böse. Die haben eigenen Last zutragen, haben Ecken und Kanten und verschiedene Interessen an das Leben. Allein diese Vielschichtigkeit macht das Buch für mich was Besonderes.

Obwohl die Geschichte unrealistisch und skurril war, war es für mich absoluter Lesevergnügen! Mich hat es lange nicht mehr ein Buch so richtig gleichzeitig amüsiert und nachdenken erregt, wie dieses hier. Ich kann es nur weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 15.01.2021

Ich habe mehr Gefühle erwartet

Die Nickel Boys
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60’er Jahre in Florida

Der sechzehnjährige Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee, ist einer der besten Schüler auf seiner Schule und sein großes Vorbild: Martin Luther ...

60’er Jahre in Florida

Der sechzehnjährige Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee, ist einer der besten Schüler auf seiner Schule und sein großes Vorbild: Martin Luther King. Elwood träumt von einem besseren Leben, von Gleichberechtigung und Freiheit. Als er von einem College Zusage bekommt, kann er sein Glück nicht fassen. Doch alles kommt anders als erwartet. An seinem ersten Studium-Tag, auf dem Weg zum College, gerät er in ein gestohlenes Auto und so wird er ohne ein gerechtes Verfahren in eine Besserungsanstalt, in die Nickel Academy, gesperrt. In der Anstalt wird er neben dem offensichtlichen Rassismus, bei jeder menge Gewalt Augenzeuge werden.

Colson Whitehead nimmt seine Leser*innen mit seinen fiktiven aber auf Fakten basierenden Roman in die 60’er Jahre USA und erzählt sehr nüchtern über Rassismus. Die Geschichte fängt sehr beeindruckend mit einem Prolog an, sodass ich mich nach Paar gelesenen Seiten über eine berührende Geschichte gefreut habe. Leider war es nicht der Fall. Der Schreibstil war für mich sehr distanziert, damit ich mit Elwood keine emotionale Beziehung aufbauen konnte. Seine Gedanken und Gefühle haben mich nicht erreicht. Er ist zwar der Hauptcharakter aber Dank den vielen Nebencharaktere bleibt er total blass.

In knappe 230 Seiten bemüht sich der Autor präzise über Rassismus, Unterdrückung, Hass und Gewalt zu erzählen, doch dieser Erzählstil wirkte mir wie eine Dokumentation. Hier fehlt meine Meinung nach, einiges von Tiefgang.

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