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Veröffentlicht am 22.03.2022

Verschwundenes Filmsternchen

Nordwestnacht
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Mit "Nordwestnacht"hat Svea Jensen bereits den dritten Küstenkrimi um die bayrische Kripo-Beamtin Anna Wagner und ihren norddeutschen Kollegen Hendrik Norberg geschrieben. Ich erinnere mich, dass ich ...

Mit "Nordwestnacht"hat Svea Jensen bereits den dritten Küstenkrimi um die bayrische Kripo-Beamtin Anna Wagner und ihren norddeutschen Kollegen Hendrik Norberg geschrieben. Ich erinnere mich, dass ich vom Serienauftakt mäßig angetan war, da der Fokus einfach zu stark auf dem Privatleben der gerade eingeführten Serienfiguren lag. Im dritten Fall des Teams in Sankt Peter-Ording ist die Balance ausgeglichener, auch wenn das Private weiterhin eine große Rolle spielt.

Eine größere Role spielt diesmal der junge Polizist Nils Scheffler, der im Team ein bißchen die Rolle des begeisterungsfähigen Welpen hat. Sein Enthusiasmus ist noch größer, da er diesmal als Kontaktbeamter und Mann vom Fach zu den Dreharbeiten einer Filmserie abgestellt wurde und sich ziemlich in die neue Co-Hauptdarstellerin Julia verguckt hat. Das 22 Jahre alte bisherige Seriensternchen soll die Serie verjüngen und neue Zuschauerschichten anziehen, allen Streaming Trends zum Trotz. Die bisherige weibliche Haupdarstellerin, Mitte 50, fürchtet, sie solle ausgebootet werden. Und plötzlich ist Julia verschwunden.

Nils glaubt an einen Stalker, doch von dem hat keiner von Julias Kollegen gehört. Als ein Produktionsasssistent, der ebenfalls neu im Filmteam ist, ermordet aufgefunden wird, steigt die Nervosität: Hat es jemand auf die Filmleute abgesehen? Gibt es Verbindungen zwischen dem Toten und der verschwundenen Schauspielerin? Was ließ vor Jahren eine Jugendclique zerbrechen, der auch Julia angehört hatte?

Jugendwahn und Jahrmarkt der Eitelkeiten, ein tragischer Vorfall aus der Vergangenheit und aufgestaute Gefühle spielen in "Nordwestnacht" eie Rolle. Zwischen Ermittlungen und privaten Verwicklungen könnte der Spannungsbogen etwas straffer gespannt werden, Die Beschreibungen vin Sankt Peter Ordings Stränden und Umland hingegen lassen Urlaubsshensucht aufkommen. Alles in allem ein solider Küstenkrimi insbesondere für Nordseefans.

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Veröffentlicht am 22.03.2022

Suche nach Herkunft

Auf der Straße heißen wir anders
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Migration, Herkunft, Identität, der Schatten des Völkermords und eine Vater-Tochter-Geschichte: Laura Cwiertnia packt viel in ihren Roman "Auf der Straße heißen wir anders". Und im Gegensatz zu manchen ...

Migration, Herkunft, Identität, der Schatten des Völkermords und eine Vater-Tochter-Geschichte: Laura Cwiertnia packt viel in ihren Roman "Auf der Straße heißen wir anders". Und im Gegensatz zu manchen Romanen, die angesichts einer Vielzahl von Themen überfrachtet wirken, ist das hier sehr gelungen, ja mehr noch: trotz schwieriger und tragischer Themen schafft es die Autorin, einen leichten Ton zu bewahren, liebevoll, mitunter ironisch-distanziert, mit neugierigem und offenen Blick.

In der von migrantischer Einwohnerschaft geprägten Betonwüste von Bremen-Nord war Karlotta (Karl-Otto - deutscher gehts kaum) in ihrer Schulzeit eher eine Außenseiterin. Zu alman, zu deutsch, in Schulklassen, in denen die Mehrheit zu Hause türkisch oder arabisch, russisch oder polnisch spricht. Das Dissen von Minderheiten ist keine biodeutsche Spezialität. Und Karlotta, Tochter einer deutschen Mutter und eines türkischen Armeniers, spricht nach der frühen Trennung ihrer Eltern noch nicht einmal eine der Sprachen ihres Vaterrs und ist optisch zu dem ganz nach der Mutter geraten. Da hat es ihre deutsch-türkische Cousine deutlich leichter.

Der Tod der Großmutter Maryam bringt Karlotta dazu, sich mit den Wurzeln ihrer Familie zu befassen. Denn die Oma, die in den 70-er Jahren als Gastarbeiterin nach Deutschland kam, hinterlässt nicht nur allen Angehörigen ein Erbstück, sondern auch ein Goldarmband für eine Frau in Armenien, von der keiner je gehört hat. Karlotta will sich auf die Suche machen - zusammen mit ihrem Vater Avi, den die Kollegen von der Taxifirma nur als Ali kennen. Die beiden reisen zusammen nach Armenien, erkunden die Stadt, suchen ihre Wurzeln.

Aus wechselnden Perspektiven wird die Geschichte der Familie über die Generationen hinweg gezeichnet - die harte Kindheit Avis in Istanbul und die Jahre in einer Klosterschule in Jerusalem, die dem begabten Jungen einen Ausweg aus der Armut bieten könnte. Doch als Priester sah sich Lebenskünstler Avi einfach nicht.

Zuächst sind es nur subtile Andeutungen, die die latente Furcht der armenischen Minderheit in der Türkei beschreiben, das Verheimlichen der eigenen Identität. Je weiter in der Familiengeschichte die Erzählung zurückgeht, desto deutlicher wird der Völkermord an den Armeniern ein Thema und das damit verbundene Trauma, das über Generationen anhält. Für Karlotta, die auch als Kind nur wenige Worte armenisch gelernt hatte, ist es fremd, für ihren Vater hingegen weiterhin latent. Und je mehr Karlotta während der Reise mit dem Vater in die Sprache hineinfindet, desto mehr Zugang erhält sie auch zu ihrer verschütteten Familiengeschichte. Der generationsübrgreifende Road Trip endet mit einer Erkenntnis, die auch Karlottas Selbst-Verständnis berührt.

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Veröffentlicht am 20.03.2022

Putzfrau ermittelt mit Herz und Schnauze

Mord und Wischmopp (Mord und Wischmopp 1)
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Nich lang rumreden, sondern gleich anpacken - das prägt die Menschen im Ruhrpott und auch Pamela Schlonski, Reinigungsfachfrau und alleinerziehende Mutter aus Hattingen, bildet als Titelfigur in Mirjam ...

Nich lang rumreden, sondern gleich anpacken - das prägt die Menschen im Ruhrpott und auch Pamela Schlonski, Reinigungsfachfrau und alleinerziehende Mutter aus Hattingen, bildet als Titelfigur in Mirjam Munters Cozy-Krimi "Mord und Wischmopp" keine Ausnahme. Die Frau sagt, was Sache ist - ob es um Teenagertochter Leia (benannt nach der Star Wars-Prinzessin, aber Pamela, mit Mädchennamen Ewing, wurde schließlich nach der "Dallas"-Serienfigur benannt), ihre Klienten oder den aus Bremen ins Ruhrgebiet gezogenen spröden Kriminalkommissar Lennard Vogt geht.

Kein Wunder also, dass die putzmuntere Putzfrau nicht die Fassung verliert, als sie im Fotoklub nicht nur dreckige Kaffeebecher, sondern auch die Leiche des Klubvorsitzenden findet. Dass der Kommissar sie dann aber gleich wieder los werden will - nee, das findet Pamela nicht gut. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Ahse und ihrem besten Freund Totti geht sie selbst Ahnungen und Hinweisen nach und ist dabei so manches Mal schneller als die Polizei.

In den verschiedenen Ostfriesland-Krimis ist ja immer wieder von Ruhrgebietlern die Rede, die es an die Küste, ihrem langjährigen Urlaubsgebiet, verschlagen hat. Hier ist es nun Nordlicht Vogt, der der Liebe wegen den umgekehrten Weg gegangen ist. Leider ist die Beziehung gescheitert, der Kulturschock dagegen geblieben. Schon der Gegensatz zwischen dem schweigsamen Norddeutschen und den patenten Ruhris, die mit ihrer Meinung grundsätzlich nicht hinter dem Berg halten, ist ein roter Faden, der sich durch den eher humorvollen als blutigen Roman zieht.

Es ist insgesamt ein typischer Cozy, der auch auf ein paar Klamaukelementen nicht verzichtet, wobei die Autorin klare Sympathien für das Ruhrgebiet und seine Menschen erkennen lässt und viel Lokalkolorit einfließen lässt. Mord und Wischmopp ist eine nette kleine Unterhaltung für Zwischendurch. Könnte ich mir auch gut als Hörbuch vorstellen.

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Veröffentlicht am 19.03.2022

social media-Auwüchse

Die Kinder sind Könige
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Auf den ersten Blick ist Delphine de Vigans Roman "Die Kinder sind Könige" ein Kriminalroman. Schließlich ist ein Kind, ein kleines Mädchen, verschwunden - vermutlich entführt. Die Pariser Polizei ermittelt ...

Auf den ersten Blick ist Delphine de Vigans Roman "Die Kinder sind Könige" ein Kriminalroman. Schließlich ist ein Kind, ein kleines Mädchen, verschwunden - vermutlich entführt. Die Pariser Polizei ermittelt und insbesondere die Polizeibeamtin Clara befasst sich mit mutmaßlichen Hintergründen und untersucht die Familiensituation. Und dabei wandelt sich der in der Gegenwart spielende Roman sehr schnell zu einem Gesellschaftsporträt und de Jahrmarkt der Eitelkeiten im 21. Jahrhundert.

Denn Kimmy, das verschwundene Mädchen, ist ein social media Star, bereits im Vorschulalter wie ihr wenige Jahre älterer Bruder Influencerin. Beide Eltern haben ihren jeweiligen Beruf aufgegeben, um sich ganz der Karriere ihrer Kinder zu widmen. Mutter Melanie, die als schüchterner Teenager vergeblich vom Ruhm in Reality-Formaten träumte, ist über die Kanäle ihrer Kinder nun selbst zu einer Berühmtheit mit Fangemeinde geworden. Ihre Anhänger im virtuellen Raum sind für sie wichtiger als die meisten Menschen im realen Leben.

Für Clara, eine eher introvertierte Frau, die sehr auf ihrer Privatsphäre bedacht ist, ist es ein Blick in eine komplette Gegenwelt, die sie bestürzt. Über ihre Fragen und Untersuchungen bringt die Autorin auch die ethische und rechtliche Problematik des social media-Hypes um Kinderein: Werden Rechte von Kindern verletzt, wenn sie derart daueröffentlich sind? Handelt es sich um Kinderarbeit? Ziehen die Kinderkanäle auch Pädophile an - und hat womöglich ein solcher Täter Kimmy in seiner Gewalt? Ist es ein Konkurrent oder radikaler Kritiker der sozialen Medien? Ist es womöglich auch eine Form des Kindesmissbrauchs, die eigenen Kinder derart ins Rampenlicht zu stellen, und was macht der Dauerhype mit einem Kind?

Melanie ist die zeitgenössische Antwort auf Tennisväter und Ballettmütter, auf Eltern, die ihren Kindern den eigenen Lebenstraum aufdrücken. Welche Auswirkungen das haben kann, ist Teil des letzten Abschnitt des Buches, der zehn Jahre nach dem Verschwinden von Kimmy spielt. Präzise, genau beobachtend und empathisch beschreibt de Vigan zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und zwei Kinder, die ebenfalls auf ganz unterschiedliche Art mit einem Leben umgehen, das sie nicht wählen konnten. Die Schattenseiten des frühen Ruhmsund der gefilterten Internetpersönlichkeiten werden glaubwürdig und einfühlsam dargestellt.

Es ist zu hoffen, dass dieses Buch viele Leser bekommt, ganz besonders auch viele junge Leser, die den kritischen Umgang mit sozialen Medien und Inluencertum (noch) nicht gelernt haben.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

Mord in der Uckermark

Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof
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Es ist noch kein Jahr her, seit David Safier seinen ersten Cozy-Krimi um Bundeskanzlerin Angela Merkel als Hobby-Detektivin in der Uckermark präsentierte, wo sie ihren Ruhestand nach dem stressigen Politikerleben ...

Es ist noch kein Jahr her, seit David Safier seinen ersten Cozy-Krimi um Bundeskanzlerin Angela Merkel als Hobby-Detektivin in der Uckermark präsentierte, wo sie ihren Ruhestand nach dem stressigen Politikerleben genießt. Mittlerweile ist die Kanzlerin tatsächlich Ex-Kanzlerin und nicht mehr als Krisenmanagerin nicht mehr im Einsatz. Ob sie wie ihr literarisches Alter Ego Anflüge von Langeweile mit Kuchenbacken kompensiert, darüber lässt sich nur spekulieren. Auf jeden Fall hat Safier auch in seinem jetzt erschienenen Folgeband "Mord auf dem Friedhof" seiner Phantasie freien Lauf gelassen, um die Lücken im Alltagswissen über die auf ihre Privatsphäre bedachte Ex-Kanzlerin zu füllen.

In der Hörbuchversion ist erneut Nana Spier mit spürbarem Vergnügen im Einsatz. Ihr nimmt man nicht nur den trockenen "Merkel-Ton" ab, auch die übrigen Figuren werden stimmlich eingeordnet. Bei dem unterhaltsamen Hörvergnügen entsteht mühelos "Kopf-Kino".

Doch worum geht es? Das Kuchenbacken vernachlässigt Merkel, von Safier konsequent als "Angela" bezeichnet mittlerweile, ist sie doch als Ersatzoma für den kleinen Sohn ihrer Freundin Marie im Dauereinsatz. Doch noch ein anderer Mann erregt ihre Aufmerksamkeit, gerade als Ehemann Achim mit seinem Scrabble-Kumpel im Wanderurlaub ist.: Ein kunstsinniger Bestatter, der mit Angela die Liebe zu Shakespeare teilt und eher an einen charmant ergrauten französischen Filmstar erinnert. Für sich - und gelegentlich auch versehentlich öffentlich - nennt sie ihn sogleich "Aramis", nach dem Schönling unter den drei Musketieren.

Droht Gefahr für eine Ehe, die eine Politikerkarriere samt gelegentlicher Gastauftritte des Kanzlergatten beim Damenprogramm von G7-Gipfeln überlebte? Safier schreibt der nüchtern-pragmatischen Politikerin romantische Gefühle zu, die sie sich öffentlich nie hat anmerken lassen. Ein dritter Frühling in der Uckermark?

Doch ach, es kann auch eine Bundeskanzlerin in Ruhestand die Verwirrung der Gefühle nicht erkunden, wenn es im Umkreis von "Aramis" zu einem verdächtigen Todesfall kommt: Der Friedhofsgärtner, der auf den Bestatter offensichtlich nicht gut zu sprechen war, wird tot auf dem Friedhof gefunden. Aramis hätte möglicherweise ein Motiv, ebenso sein ehemaliger Geschäftspartner und ärgsten Konkurrent, aber auch sein Sohn, der in Satanistenkreisen verkehrt. Zudem zeigt sich, dass ein Liebespaar zwischen den verfeindeten Bestatterfamilien für einen Hauch von Romeo und Julia auf dem Friedhof sorgt. Mit ähnlich tödlichem Ausgang wie bei Shakespeare?

Wer die ersten Ermittlungen von Angela Merkel in der Uckermark gelesen hat, weiß: Auch hier ist wieder ein Fall für Miss Merkel. Insgeheim hat sie sich ja schon gewünscht, wieder einmal einen Mord aufklären zu können, nun nutzt sie die Chance wie einst Helmut Kohl den Fall der Mauer. Tatkräftig unterstützt wird sie einmal mehr von Personenschützer Mike, der mehr für die Muskelarbeit zuständig ist und ebenfalls romantische Verwirrungen erlebt. Auch Mops "Putin" ist wieder mit von der Partie und sorgt für Knuddelfaktor in diesem Cozy-Krimi.

Mitunter macht Safier das Klamaukfass arg weit auf. So arglos-naiv hätte Angela Merkel mit Sicherheit keine EU-Haushaltsgipfel und Ministerpräsidentenrunden während der Corona-Krise überstanden. Aber na ja, das ist dann dichterische Freiheit. Am unterhaltsamsten sind dagegen die ironischen Seitenhiebe und Vergleiche mit Merkels aktiver Politikerzeit, mit den Großen, Mächtigen und Eitlen dieser Welt. Das macht dann richtig Spaß zu lesen. Bleibt zu hoffen, dass der Ex-Kanzlerin in der Uckermark die Leichen nicht ausgehen!

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