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Veröffentlicht am 23.12.2021

Mutig entgegen aller Regeln

Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz
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Zelda ist eine dieser Menschen, die sich in Herz schleichen und darin festsetzen. Sie erzählt ihre Geschichte selbst – eine legendäre Geschichte. Sie handelt von einer jungen Frau mit Handicap, die mutig ...

Zelda ist eine dieser Menschen, die sich in Herz schleichen und darin festsetzen. Sie erzählt ihre Geschichte selbst – eine legendäre Geschichte. Sie handelt von einer jungen Frau mit Handicap, die mutig ihr Leben angeht, für ihre Lieben einsteht und der Welt beweist, was in ihr steckt. Von Zelda können wir - mit unseren Vorurteilen und vorgefertigten Meinung – eine Menge lerne.

Zelda hat eine einzigartige Sprache und Weltanschauung, die sehr von ihrer Schwärmerei für die Wikinger und deren Legenden geprägt ist. In Zeldas Leben gibt es viele Regeln. Regeln, die ihr Sicherheit geben – aber auch immer wieder ihre Freiheit beschränken. Erst habe ich nur gelächelt, weil ihre kindliche Naivität so rührend ist. Schon nach wenigen Seiten nahm sie mich gefangen, beeindruckte mich mit ihrer Art, sich die Welt zu erklären und sich darin zurechtzufinden. Doch Seite um Seite wurde mir klar, wie ernsthaft und ernstzunehmend Zeldas Blick auf die Welt und wie „normal“ ihr Handeln und Sehnen ist.

Manchmal schämte ich mich, weil sie mich in meiner vorgefertigten Meinung erwischt hat und gleichzeitig machte sie es mit so viel Charme, dass ich mich von ihr gerne vorführen ließ.

Zelda ist bezaubernd und schwierig - mutig und ängstlich - leichtgläubig und weise. Sie ist ein Mensch wie wir alle und keiner sollte überlegen oder abwertend auf den anderen blicken. Wir alle tragen etwas mit uns herum, wir alle können manche Dinge gut und manche weniger gut und wir alle werden auf besondere Art gefordert. Durch Zeldas Augen zu blicken war überraschend, manchmal komisch und oftmals sehr berührend. Sie hat mich wachgerüttelt, allen Menschen mit mehr Achtung gegenüber zu treten. Was weiß ich schon, wie das Leben durch ihre Augen ausschaut.

Ich werde Zelda vermissen. Aber ihr Buch bleibt bei mir. So kann ich immer mal wieder hineinlesen und mir einen Schubs geben lassen. Am besten immer dann, wenn ich den Blick auf meine eigene Legende verloren habe.

Fazit: Ein Herzensbuch - das jeder gelesen haben sollte. Das Leben wäre schöner, wenn wir alle ein wenig wie Zelda sind.

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Veröffentlicht am 09.12.2021

Unausgesprochenes bindet

Loyalitäten
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Théos Geschichte ist aufwühlend, erschreckend und gleichzeitig so menschlich. Ich fliege nur so durch die Seiten, hoffe inständig, irgendjemand möge doch einschreiten. Irgendjemand möge sich gegen all ...

Théos Geschichte ist aufwühlend, erschreckend und gleichzeitig so menschlich. Ich fliege nur so durch die Seiten, hoffe inständig, irgendjemand möge doch einschreiten. Irgendjemand möge sich gegen all seine Konventionen und Bedenken, dieses Kindes annehmen...

Delphine de Vigan zeigt Théos Leben mit schonungslosem Blick und weckt gleichzeitig Verständnis für all die Verfehlungen der Erwachsenen. Jeder ist gebunden in seinem System, gehorcht den unausgesprochenen Regel, muss Zugeständnisse machen, damit das Leben weiter funktioniert.

Ich werde Zeuge, wie Théo sich immer mehr Aufgaben auflädt, um all die Erwartungen zu erfüllen - um ein guter Sohn zu sein, ein guter Schüler, ein guter Freund – alles, um geliebt zu werden. Alles, um die Eltern vor sich selbst zu schützen.

Er stellt sie lange Zeit zufrieden, die Menschen um ihn herum, hat Antworten auf ihre Fragen, kann ihr Misstrauen zerstreuen ... solange bis seine Kraft am Ende ist.

Nach der Lektüre bleibe ich sehr nachdenklich zurück. Was bürden wir unseren Kindern auf? Wie verstricken wir sie in unsere Probleme und Ängste? Welchen großen Einfluss hat all das Unausgesprochene? Wie schaffen wir es, die Kinder zu schützen, wenn das Leben all unsere Energie bindet?

Das Buch mutet fast wie eine Sozialstudie an, zeigt die Fehler der Systeme auf, aber verurteilt nicht. Wieder sind es die unhörbaren Hilferufe eines Kindes, die verkannt werden und selbst die, die hellhörig werden, sind dem System verpflichtet und müssen sich gut überlegen, ob sie gegen die Vorschriften verstoßen.

Die Geschichte zeigt, dass Eltern, Lehrer, Erwachsene... Menschen sind und dass Menschlichkeit fehlbar ist. Doch es rüttelt wach. Fordert auf, auf seinen Instinkt zu hören und nicht den einfache Ausreden zu glauben, wo es Auffälligkeiten gibt. Unsere Kinder dürfen wir nicht unseren Loyalitäten und unserer Bequemlichkeiten opfern.

Danke, Delphine de Vigan, fürs Wachrütteln.

Fazit: Must-Read! Ein Buch, das an die Substanz geht und gleichzeitig aufrüttelt: Wir tragen die Verantwortung für unser Leben und unsere Kinder - Lasst unsere Kinder, sich nicht zuständig für unsere Aufgaben fühlen!

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Veröffentlicht am 22.11.2021

Die Befreiung der Eiskönigin oder von der Macht des Schreibens

Hard to say I love you
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Gleich der erste Satz hatte einen Wow-Effekt auf mich und den ganzen Roman über hat mich die Vielfalt die Sprache besonders beeindruckt. Der Autorin ist ein sehr schöner Young-Adult-Roman gelungen, bei ...

Gleich der erste Satz hatte einen Wow-Effekt auf mich und den ganzen Roman über hat mich die Vielfalt die Sprache besonders beeindruckt. Der Autorin ist ein sehr schöner Young-Adult-Roman gelungen, bei dem mich vor allem das Setting des Uni-Workshops für kreatives Schreiben fasziniert hat. Eine charakterstarke Protagonistin, die zum Identifizieren einlädt, und mit der es ein Vergnügen ist, sich in der Geschichte zu verlieren, ein Schreibcoach, der abweisend und mürrisch wirkt, den man unbedingt näher kennenlernen will, und das Ambiente der University of Michigan sind verheißungsvolle Zutaten und auch wenn es vorhersehbar ist, ist der Weg einzigartig bereitet.

Die Geschichte ist überwiegend aus Laylas Perspektive erzählt, die ganz frisch ihr Literaturstudium begonnen hat. Die Autorin hat auf spannende Art und Weise Laylas Vergangenheit, ihre Probleme, Konflikte und ihre Sehnsüchte von mir entdecken lassen. Ich folge Layla auf ihren ersten Schritten ins Studentenleben und lerne sie durch ihre Gedanken und ihre Schreibversuche immer besser kennen. Es gibt eine Reihe von Nebencharakteren, die in meinem Augen etwas zu blass bleiben und zumeist auf ihr Ringen um ihren Love Interest dezimiert werden. Doch dafür trösten mich die Auseinandersetzung mit den Aufgaben und Texten des Workshops. Es ist eine wunderbare Art die verschiedenen Facetten und Geheimnisse der Hauptcharaktere zu entdecken.

Etwas wird mein Genuss leider getrübt, denn aus meiner Sicht wird mit einem sehr sensiblen Thema, das den Mittelpunkt des Konfliktes bildet, zu leichtfertig umgegangen. Ich bin in diesem Punkt sehr sensibel, anderen mag es gar nicht aufstoßen. Wegen der Spoilergefahr habe ich hier auf eine nähere Erläuterung verzichtet.

Das Buch geht unter die Haut. Ich werden Zeuge, wie Layla mit sich ringt, sich überwindet und über sich hinauswächst. Ich habe mit ihr Schmetterlinge im Bauch, Angst, die mir die Luft abschnürt und Knoten so dick wie Taue im Bauch knüpft. Doch die Hoffnung auf ein Happyend treibt mich voran.

Der Weg dahin ist spannend und auch berührend zu lesen und doch habe ich am Ende ein mulmiges Gefühl, weil die Lösung der Konflikte in meinen Augen viel zu einfach dargestellt wird und jeglicher Hinweis auf professionelle Hilfe fehlt. Trotzdem glaube ich, dass dieser Roman vielen wunderbare Lesestunden bereiten wird.

Fazit: Schöne romantische Geschichte mit einem traumhaften Setting, die es sich bei der Konfliktbewältigung etwas zu leicht macht.

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Veröffentlicht am 09.11.2021

Wie das Schälen einer Zwiebel

Phon
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Das Buch spielt in Russland und so kommt es auch entsprechend düster, schwermütig und von Märchenhaften durchdrungen daher.

Nadja erzählt von ihrem Leben, ihrem Alltag, was es bedeutet Russin zu sein, ...

Das Buch spielt in Russland und so kommt es auch entsprechend düster, schwermütig und von Märchenhaften durchdrungen daher.

Nadja erzählt von ihrem Leben, ihrem Alltag, was es bedeutet Russin zu sein, den Menschen, die aus ihrem Leben verschwunden sind und denen, die geblieben sind. Und hinter all dem ist etwas versteckt, das sie nicht erzählen will.

Ihr Blick ist wütend, oft depressiv, dann wieder verletzlich - ihre Sprache außergewöhnlich, voller eindrücklicher Bilder und einfach wunderbar. Doch für mich reicht die schöne Sprache nicht aus, um aus ihrer Geschichte einen Lesegenuss zu machen. Ich musste tief in Nadjas unstrukturierte Gedankenwelt eintauchen, suchte nach Hinweisen auf eine Geschichte, suchte den Kern ihrer Erzählung. Schale für Schale, Häutchen für Häutchen betrachtete ich Nadjas Gedanken, prüfte sie auf ihren Wahrheitsgehalt, suchte die Zwischenräume ab und musste mir meine eigene Wahrheit zusammenreimen, auf der Suche nach der Geschichte hinter all diesen Gedanken. Die Hinweise am Ende, die von außen gereicht werden, reichen nicht aus für all meine Fragen.

Die Autorin hat sich die Mühe gemacht, die Verzweiflung eines Menschen in all seinen Facetten zu zeigen. Ich spüre diese Frau, die mit einem Trauma kämpft. Die daraus resultierende Verdrängung haben Nadja zu einem Menschen jenseits der Realität werden lassen. Manches Mal war ich fasziniert von ihrer Stärke, manchmal erschrocken vor ihrer Garstigkeit, dann wieder vor ihrer Einsamkeit. Mit aller Macht drängt Nadja Erinnerungen zur Seite, färbt sie ein, verzerrt sie und gibt sie als unscharfes Dia zurück.

Es gab so viel zu interpretieren und kaum Hinweise, dass man in die richtige Richtung marschiert. Vielleicht gab es auch gar kein Richtig und Falsch. Sondern nur einen undefinierten Dschungel aus Worten, der immer wieder andere Facetten zeigte, je nachdem welchen Pfad man einschlägt. Am Ende blieb ein Haufen Gedanken mit dem Geschmack eines Unglücks. Es war Schwerstarbeit mit dem Gefühl, etwas Unbekannten ganz nah gekommen zu sein.

Fazit: Viele interessant duftende Häppchen in einer dunklen Hülle werden in einer wunderbaren Sprache gereicht – doch satt bin ich am Ende nicht.

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Veröffentlicht am 24.10.2021

Blues Klänge, brechende Dämme und der Geschmack von Whisky

Das Meer von Mississippi
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Manche Bücher möchte man nicht verlassen. Als ich dieses zur Seite legte, hatte ich noch den Klang des Blues im Ohr, das Brennen des Whiskys auf der Zunge und den Geruch von fauligem Wasser in der Nase. ...

Manche Bücher möchte man nicht verlassen. Als ich dieses zur Seite legte, hatte ich noch den Klang des Blues im Ohr, das Brennen des Whiskys auf der Zunge und den Geruch von fauligem Wasser in der Nase. Mein Herz war einfach noch nicht bereit ins Jetzt zurückzukehren.

Dabei hatte sich die Geschichte nur ganz langsam und auf Umwegen eingeschlichen. Noch zu Anfang hatte ich Schwierigkeiten mich auf die gemächlichen Erzählweise einzulassen und den Rückblicken zu folgen. Wohl, weil ich doch von Beginn an die massive Bedrohung des angeschwollenen Mississippis spürte und auch das Verschwinden der beiden Prohibitionsagenten ein Unheil ankündigt hatte. Ich war auf Action eingestellt und musste anstatt dessen erst den Blues lernen. Das hatte ich nicht erwartet. Aber so ist der Süden.

Die beiden Autoren nahmen sich Zeit, zeigten mir das Leben in der Kleinstadt Hobnob, den Alltag von Dixie Clay, die sich aufgegeben hatte in ihrer Ehe und alle Energie in die Whisky-Produktion steckte, und die gefährliche Arbeit und vertrauensvolle Partnerschaft der beiden Pohibitionsagenten Ham und Ingersoll, während die Wellen des Mississippi bedrohlich gegen die Dämme anrannten.

Die Geschichte spielt zum Zeitpunkt einer der größten Naturkatastrophen im Süden der USA, das Land war politisch bereit für einen neuen Präsidenten und bereit, das Alkoholverbot endlich aufzuheben. Gesetze scheinen auf dem Land eh nicht zu gelten und die Arbeit als Prohibitionsagent zu dieser Zeit war eine Gratwanderung zwischen Gesetz, Verbrechen, Gewalt und Bestechung.

Diese Zeit wird sehr eindrucksvoll zum Leben erweckt – mit Bildern, Gerüchen und Musik und den wunderbar detailliert ausgearbeiteten Charakteren - echte Menschen, mit echten Problemen und echten Träumen – und dem Geschmack von Whisky.

Immer mehr versank ich in das Leben von Dixie Clay und Ingersoll, erspürte ihre Sehnsüchte und Ängste und bekam Herzklopfen bei ihrem Kennnenlernen. Die unpassendsten Menschen treffen sich zum ungünstigsten Zeitpunkt könnte man meinen. Doch Sehnsüchte können Berge versetzten und Meere überqueren - genau das ist den Autoren in diesem Buch gelungen. Und so bibberte ich und betete, dass sich für die beiden alles zum Guten fügt und mein Herz blieb stehen, als der Damm bricht und alles im Chaos versinkt. Doch das Ende ist genauso, wie es diese Geschichte braucht – Blues im Ohr und die Hitze des Whiskys im Bauch.

Fazit: Wunderbar atmosphärisch dichter Roman über das Aufweichen von Dämmen, Gesetzen und Wahrheiten mit genauso viel Romantik und Spannung, wie es braucht, um darin abzutauchen.

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