So wundervoll!
Das Haus zur besonderen VerwendungEs gibt Bücher, die aus mir als Langschläferin eine Frühaufsteherin machen. Die mich guten Gewissens vom Lernen abhalten, die mich alles um mich herum vergessen machen. So ein Buch ist "Das Haus zur besonderen ...
Es gibt Bücher, die aus mir als Langschläferin eine Frühaufsteherin machen. Die mich guten Gewissens vom Lernen abhalten, die mich alles um mich herum vergessen machen. So ein Buch ist "Das Haus zur besonderen Verwendung".
Schon von der ersten Seite an war ich völlig eingenommen von dem wunderbaren Stil des Autors. John Boyne versteht es, mit Wörtern ein Kunstwerk zu erschaffen. Jedes Wort ist wohlgewählt, passt zu seinen Vorgängern und Nachfolgern. Dabei schafft der Autor eine Atmosphäre, die gefangennimmt und nicht mehr loslässt. Ich habe jede Leseunterbrechung verflucht, denn dieses Buch übt einen Sog aus, dem ich nicht widerstehen konnte.
Dabei ist der Stil des Autors eher nüchtern und sachlich. Aber er schafft es, beim Leser dafür umso mehr Emotionen zu verursachen. Ich habe mit den Charakteren des Buches gelebt und mich dabei wie ein Teil von ihnen gefühlt. Ich wollte ihnen nicht mehr von der Seite weichen, ihnen ein Freund sein und mehr von ihrem Leben erfahren. Georgi und Anastasia, der Zar und der Zarewitsch, Georgis Schwester Asja: Sie alle waren mir sofort sympathisch. Aber es gibt in diesem Buch auch Charaktere, die mir überhaupt nicht sympathisch waren. Insgesamt wirkten sie jedoch alle authentisch, wurden dem Leser umfassend beschrieben, sodass sie vor meinem inneren Auge Gestalt annehmen konnten. John Boyne verwendet viel Mühe darauf, den Lebensweg seiner Charaktere umfassend zu zeichnen: Freunde, Beruf, Eheleben, alles beschreibt er ebenso genau wie die Orte, an denen die Handlung spielt: Russland, Paris, England.
Der Aufbau des Buches hat mich ebenfalls sehr fasziniert. Zwei Handlungsstränge laufen aufeinander zu und treffen sich in der Mitte. Ich habe noch kein Buch gelesen, bei dem die Erzählweise ähnlich ist, und sie hat mich sofort fasziniert. Dazu ist die Handlung des Romans sehr packend und ergreifend. Ich habe ein Wechselbad der Gefühle erlebt, denn zusammen mit dem Ich-Erzähler Georgi durchläuft der Leser Momente des Glücks, der Trauer, des Hasses, der Liebe. John Boyne schafft es, eine Geschichtsstunde abzuhalten, die kurzweilig und dabei doch interessant und lehrhaft ist. Auch Leser ohne Hintergrundwissen werden gut in die Geschichte Russlands eingeführt. Mir hat es große Freude bereitet, von John Boyne auf eine lebhafte und spannende Weise unterrichtet zu werden.