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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2020

Die mittelalterliche und die moderne Post

Todgeweiht: Thriller
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Zwei Zeitstränge, 500 Jahre auseinander, und doch irgendwie auf undurchsichtige Weise verbunden. Ein neuer Zons-Thriller, fesselnd wie gewohnt bei dieser Autorin. Auch dieses Mal bin ich atemlos durch ...


Zwei Zeitstränge, 500 Jahre auseinander, und doch irgendwie auf undurchsichtige Weise verbunden. Ein neuer Zons-Thriller, fesselnd wie gewohnt bei dieser Autorin. Auch dieses Mal bin ich atemlos durch das Buch durchgerauscht, habe mich gegruselt, erschreckt, gewundert, geekelt, habe gerätselt, war verwirrt und wurde immer planloser – und am Ende restlos überrascht. Doch bei diesem 10. Zons-Thriller kam noch ein weiteres Element hinzu, nämlich die erschreckende Brisanz durch die Parallelität zwischen geschilderter Pest und Corona! Nie konnten wir die geschilderte „Pestordnung“ besser verstehen als in einer Zeit, in der wir wegen Corona unserer gewohnten Freiheit beraubt sind.
Über die Handlung kann man kaum etwas erzählen, ohne zu viel zu verraten. Gegenwart: Der sympathische Kommissar Oliver Bergmann ist wieder reichlich gefordert. Eine angeschwemmte Frauenleiche, laut Autopsie vom Mörder mehrere Tage vor dem Tod gequält, ein abgetrennter Finger, der niemandem zu gehören scheint, mehrere verschwundene junge Frauen, ein Pizzabote, in dessen Lieferung ein Zettel mit „Henkersmahlzeit“ zu finden ist – rätselhafte Geschehnisse, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Vergangenheit: In größter Eile werden Vorbereitungen getroffen, die Pest, die vor den Toren der Stadt Zons lauert, von der Stadt fernzuhalten. Als jedoch innerhalb der Stadtmauern der Wirt Gottfried tot vor seinem Wirtshaus gefunden wird mit einer Pestbeule am Hals, zugleich aber mit merkwürdig verrenkten Gliedern, breitet sich die Angst in der Stadt aus. Bastian Mühlenberg gibt sich jedoch mit dem vermeintlich Offensichtlichen nicht zufrieden, insbesondere als ein weiterer Toter gefunden wird.
Es ist bewundernswert, wie Catherine Shephard es mit jedem neuen Buch in unveränderter Bestform schafft, den Leser zu packen, ihn mit allen Sinnen in die Geschichte hineinzuziehen und ihn mit gemeinen Cliffhangern zu quälen. Man eilt von Kapitel zu Kapitel und tappt in alle von der Autorin ausgelegten Fallen, bis man am Ende durch ein fulminantes Ende restlos überrascht wird. Die Protagonisten sind wie immer absolut stimmig dargestellt, die erzählte Geschichte ist nachvollziehbar. Rundum: Auch dieser neue Titel von Catherine Shepherd lässt den Leser alles um sich herum vergessen – ein Lesevergnügen!

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Veröffentlicht am 27.03.2020

Steinerne Gärten - steinerne Herzen

Der Kies muss weg
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Ach, wenn doch alle, die dieses Buch betrifft, es auch lesen würden!
Ein frommer Wunsch, der wohl nicht erhört wird, fürchte ich. Das ist schade, sehr schade. Denn das Büchlein ist klug und humorvoll ...


Ach, wenn doch alle, die dieses Buch betrifft, es auch lesen würden!
Ein frommer Wunsch, der wohl nicht erhört wird, fürchte ich. Das ist schade, sehr schade. Denn das Büchlein ist klug und humorvoll geschrieben, sehr informativ, dazu modern gestaltet, an manchen Stellen mit QR-Codes versehen. Erschreckende Fotos belegen die erschreckenden Textteile. Aber auch hoffnungsvolle Ideen hat der Autor angefügt. Er klärt sehr umfassend auf, weshalb die „Verschotterung“ der Vorgärten nichts als Nachteile mit sich bringt.

Tjards Wendebourg provoziert, er schont die Leute nicht, die den Vorgarten als Satire seiner selbst mit Steinen zupflastern oder zuschütten. Er entlarvt sie als hörig dem vermeintlichen Modetrend. Er hält denen den Spiegel vor, die solche Steinwüsten für modern halten und glauben, der Nachbar würde sie für besonders ordentlich halten, wenn keine Pflanzen die besenreine Steinfläche stören. Man möchte den Steinwüsten-Gestaltern am liebsten Wort für Wort vorlesen: Steine sind nicht pflegeleicht! Im Gegenteil. Kostengünstig sind sie auch nicht. Sie haben nichts mit Natur zu tun, sie sind naturfeindlich und umweltschädlich. Sie sind der Tod der Artenvielfalt. Da hilft es auch nicht, halbherzig stattdessen ein kleines Insektenhotel aufzuhängen. Wobei festzuhalten ist: Nicht die Steine an sich sind schuld, sondern die Lieblosigkeit, die Geschmacklosigkeit ihres Einsatzes. Steine dürfen sein, aber mit der Natur als Vorbild, das heißt organisch-lebendig eingesetzt im Einklang mit der Natur. Grüne Vorgärten können pflegeleicht gestaltet werden, sie leben, sie atmen. Nicht zu vergessen: Ein Garten macht keine Arbeit, sondern Freude. Steine machen nur Arbeit, nichts sonst.

Am beeindruckendsten war für mich der Abschnitt aus dem Grundgesetz Artikel 14 (2): „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Nicht umsonst ist dem Buch eine Postkarte angefügt (mit QR-Code zum Selbstausdrucken), die man in so manchen Briefkasten werfen könnte – in der Hoffnung, das eine oder andere steinerne Herz zu erreichen…

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Veröffentlicht am 15.03.2020

Gekonnt gestaltetes Zeitgemälde

Glanz der Ferne
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Zu meinem großen Bedauern habe ich die Vorgängerbände „Tage des Sturms“ und „Licht in den Wolken“ nicht gelesen, wurde also sozusagen unwissend hineingeworfen in die Familien-Saga mit ihren zahlreichen ...


Zu meinem großen Bedauern habe ich die Vorgängerbände „Tage des Sturms“ und „Licht in den Wolken“ nicht gelesen, wurde also sozusagen unwissend hineingeworfen in die Familien-Saga mit ihren zahlreichen Familienmitgliedern und freundschaftlichen oder weniger wohlwollenden Verbindungen. Da war mir das Personenverzeichnis am Ende des Buches durchaus hilfreich. Aber ansonsten erging es mir wie immer bei jedem Buch diesen Autoren-Ehepaares: Man beginnt zu lesen und es vergehen nur wenige Minuten, bis man in der Handlung versunken ist, bis man sich in einer anderen Zeit befindet.

Im vorliegenden Buch erleben wir die Jahre des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Berlin. Rätselhafte Auftragsstornierungen schränken die Geschäfte von Theo von Hartung immer mehr ein und bringen die Tuchfabrik letztlich in eine finanzielle Schieflage. Vicky von Gentzsch trägt ein schweres Los, denn ihre Mutter war bei der Geburt gestorben. Ihr Vater gibt ihr am Tod seiner geliebten Frau die Schuld, sie muss ein Leben wie Aschenputtel führen, umgeben von Ablehnung und emotionaler Kälte. Die Lieblosigkeit von Vater und Stiefmutter ließ sie zu einer unangepassten, aufbegehrenden Persönlichkeit heranreifen, die ständig die steifen Gesellschaftsregeln verletzt. Erst durch die Familie mütterlicherseits, durch ihre Großmutter Theresa und Tante Friederike, erfährt sie so etwas wie Herzenswärme. Doch das Glück hält nicht lange an…

Es ist zu bewundern, wie es das Schriftsteller-Ehepaar bei jedem neuen Roman aufs neue schafft, ein Szenario zu gestalten, das dank akribischer Recherche historisch stimmig und dank des farbig-lebendigen Schreibstils so intensiv geschildert wird, dass man als Leser sofort eintaucht in das jeweilige Zeitgefühl, im vorliegenden Buch in die wirtschaftlich und politisch bewegte Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Aber nicht nur der Zeitgeist nimmt gefangen, auch die Protagonisten werden in ihren individuellen Persönlichkeiten so treffend, so vielschichtig und psychologisch stimmig dargestellt, dass der Leser gar nicht anders kann, als sie zu mögen oder abzulehnen, als mit ihnen zu bangen, mit ihnen zu hoffen oder zu verzweifeln. Und aus der emotionalen Bindung, die der Leser zu den handelnden Personen aufbaut, entwickelt sich eine ganz besondere Lese-Spannung, der man sich nicht entziehen kann.




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Veröffentlicht am 11.03.2020

Kaleidoskop der Einsamkeiten

Die langen Abende
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Der Verlag hatte es sich leicht gemacht. Seine Inhaltsangabe zum vorliegenden Buch ist in etlichen Sätzen identisch zur Inhaltsangabe zu „Mit Blick aufs Meer“, insbesondere was die pensionierte Lehrerin ...


Der Verlag hatte es sich leicht gemacht. Seine Inhaltsangabe zum vorliegenden Buch ist in etlichen Sätzen identisch zur Inhaltsangabe zu „Mit Blick aufs Meer“, insbesondere was die pensionierte Lehrerin Olive Kitteridge betrifft, die uns in „Die langen Abende“ wieder begegnet. Für „Mit Blick aufs Meer“ bekam die Autorin 2009 den Pulitzer-Preis. Jetzt also, 11 Jahre später, taucht Olive Kitteridge wieder auf, sie, „die sich mit siebzig noch in alles einmischt und so barsch ist wie eh und je“. Und die Kleinstadt Crosby an der Küste von Maine ist ebenfalls die gleiche wie damals, eine Stadt, in der nichts passiert und die sozusagen das Bühnenbild darstellt für die Geschichten, die uns Elizabeth Strout erzählt.

Der Roman erscheint mir wie ein Kaleidoskop, eine Sammlung voller bunter Glasstückchen, die sich bei jedem Umblättern von Seite zu Seite verschieben und sich zu neuen Mustern des Lebens formen. In den „Glasbildern“ kann sich der Leser verlieren, weil das, was uns die Autorin schildert, so schlicht, so normal, so alltäglich ist und durch ihre Sicht durchs Kaleidoskop doch zu etwas Besonderem wird.

Ein stilles Buch ist dieser Roman. Man muss sich als Leser Zeit nehmen, sich einlassen auf die leisen Töne, auf sensibles Wahrnehmen von unscheinbar wirkenden Momenten des Glücks.. Gleichzeitig ist das Buch auch aggressiv-kraftvoll. Es greift den Leser an, es springt ihn geradezu gewaltsam an mit seinen dunklen Seiten, mit den Einsamkeiten, mit Bosheiten, Krankheiten, Verlust, mit Versäumtem und dem Altern. Ein hinreißender Roman, wie ich finde, der den Leser sowohl fordert als auch beschenkt.

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Veröffentlicht am 09.03.2020

Schmackhafter Köder für die Riyria-Reihe

Im Schatten des Kronturms
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Zwar zählt das Buch nicht zu meinen bevorzugten Genres, aber dennoch war ich überrascht, wie sehr es mich, kaum hatte ich zu lesen begonnen, gepackt hatte.

Es handelt sich um die Vorgeschichte zu der ...


Zwar zählt das Buch nicht zu meinen bevorzugten Genres, aber dennoch war ich überrascht, wie sehr es mich, kaum hatte ich zu lesen begonnen, gepackt hatte.

Es handelt sich um die Vorgeschichte zu der Riyria-Reihe von Michael J. Sulivan, eine Reihe, die ich nicht gelesen habe, die mich jetzt aber anhand der Lektüre des vorliegenden Buches durchaus reizt zu lesen. „Hadrian Blackwater, ein Krieger, der derzeit nichts zu kämpfen hat, trifft auf Royce Melborn, einen Dieb und Mörder, der nichts zu verlieren hat. Beide werden von einem alten Zauberer angeheuert, um ein geheimnisvolles Buch zu stehlen…“ So steht es beim Verlag. Der Autor erzählt in der vorliegenden Vorgeschichte, wie die Beziehung zwischen Hadrian und Royce ihren Anfang nahm, zwei Kontrahenten, die sich zu Anfang nicht ausstehen können, aber doch im Laufe des ihnen gestellten Auftrages mehr und mehr zusammenwachsen. Und es gibt noch einen weiteren Erzählstrang rund um den Zuhälter Grue, was scheinbar erst einmal ohne jeglichen Zusammenhang zur Geschichte rund um Hadrian erzählt wird.

Zwar wirkt der Plot nicht besonders ausgeklügelt, aber Michael J. Sullivan schreibt fesselnd, spannend und vor allen Dingen mit einem feinen Humor. Atmosphärisch dichte Schilderungen wechseln von düster bis schaurig, durchsetzt von actionreichen Szenen und witzig-spritzigen Dialogen. Detailreich, anschaulich und wie ich finde durchgängig spannend geschrieben hat mich das Buch von Anfang bis Ende gut unterhalten. Und durch das offene Ende wird der Leser weiter geködert…

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