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Veröffentlicht am 04.05.2025

Zwischen Verschwinden und Verstehen – spannend, tiefgründig, berührend

Happiness Falls
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Der Roman spielt in einem Vorort von Washington zur Zeit des Corona-Lockdowns. Im Mittelpunkt steht eine fünfköpfige Akademikerfamilie mit südkoreanischen Wurzeln. Seit vier Jahren ist es vor allem der ...

Der Roman spielt in einem Vorort von Washington zur Zeit des Corona-Lockdowns. Im Mittelpunkt steht eine fünfköpfige Akademikerfamilie mit südkoreanischen Wurzeln. Seit vier Jahren ist es vor allem der Vater, der sich um die Kinder und den Haushalt kümmert, während die Mutter ihrer beruflichen Laufbahn nachgeht. Die 20 jährigen Zwillinge Mia und John studieren. Der 14-jährige Eugene hingegen befindet sich im Autismus Spektrum und lebt zusätzlich mit dem Angelmann Syndrom. Er ist nicht sprechfähig und seine Motorik ist beeinträchtigt.
Eines Tages kehrt Eugene allein und ungewöhnlich aufgewühlt von seinem täglichen Spaziergang mit dem Vater zurück. Der Vater bleibt jedoch spurlos verschwunden.

Erzählt wird die Geschichte rückblickend aus der ganz subjektiven Perspektive von Mia. Drei Monate nach den Geschehnissen hält sie ihre Erinnerungen schriftlich fest. Mia ist hochbegabt und hat ihre Ecken und Kanten. Ihr Erzählstil ist analytisch, aber auch oft witzig. Da sie zudem sehr gesprächig ist, neigt sie zu Ausschweifungen. Die Autorin nutzt Fußnoten, um diese Abschweifungen zu strukturieren, allerdings war für mich nicht immer nachvollziehbar, warum einige Anmerkungen ausgelagert wurden und andere nicht. Anfangs verfolgte ich diese Fußnoten noch interessiert, später empfand ich sie eher als störend für den Lesefluss und las sie dann im Anschluss. Mia tritt als kritische, auch selbstkritische Erzählerin auf – eine Eigenschaft, die mir besonders gut gefiel. Ebenso konnte sie Emotionen glaubwürdig vermitteln, was ihr Tiefe verlieh und mich immer wieder berühren konnte.

Wir begleiten sie bei der Suche nach dem verschwundenen Vater. Dabei erfahren wir zunehmend mehr über die familiären bzw. persönlichen Hintergründe. Verschiedene Szenarien werden durchgespielt: Was könnte dem Vater zugestoßen sein? Ist ein Unglück geschehene? Hat er sich bewusst abgesetzt – und wenn ja, warum?

Gleichzeitig rückt Eugene immer mehr ins Zentrum der Geschichte. Es stellt sich die Frage: Wozu ist er trotz seiner Einschränkungen in der Lage? Was übersehen seine Mitmenschen vielleicht? Welche Fördermöglichkeiten gibt es, welches ungenutzte Potenzial steckt in ihm? Wie geht es ihm eigentlich wirklich?

Nach und nach werden Hintergründe aufgedeckt, vieles wird dabei subtil angedeutet oder vorweggenommen. Der Roman ist dadurch spannend und fesselnd geschrieben. Der Schreibstil ist sehr gut lesbar. Neben dem zentralen Vermisstenfall vermittelt das Buch psychologisches Wissen und regt zum Nachdenken an – besonders über Kommunikation, Sprache und Identität. Wie gehen wir mit Menschen um, die sich sprachlich nicht (gut) mitteilen können? Welche Auswirkungen hat das auf ihr Selbstwertgefühl? Auch die Glücksforschung nimmt Raum ein, da der Vater sich damit beschäftigte. Die Einblicke in seine Überlegungen fand ich sehr interessant, zudem auch Studienergebnisse eingeflochten wurden. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen erfolgt oft sehr sachlich, was vielleicht nicht jedem Lesetyp zusagen dürfte. Mir gefiel es.

Besonders interessant fand ich zudem die Einblicke in den Umgang mit Autismus in den USA – sowohl gesellschaftlich als auch medizinisch oder strafrechtlich. Einige Aspekte recherchierte ich nach der Lektüre weiter, um sie besser einordnen zu können.

Auch das Thema Migration wird überzeugend dargestellt – insbesondere die Herausforderungen, mit denen Einwandererfamilien und ihre Kinder konfrontiert sind.

Ebenso eindrücklich ist die Schilderung der Belastungen und Herausforderungen, mit denen Familienmitglieder von Menschen mit Behinderungen zu kämpfen haben – sowohl Eltern als auch Geschwister. Schon der Debütroman der Autorin (Miracle Creek- ebenfalls sehr empfehlenswert) hatte mich in dieser Hinsicht sehr bewegt, und auch dieses Werk hat mich wieder sehr berührt.

Fazit:
Ein vielschichtiger, humanistischer Roman, der eine Vermisstensuche, ein Familienporträt und tiefgehende psychologische sowie philosophische Gedanken miteinander verwebt. Er ist spannend, zum Nachdenken anregend und emotional bewegend - und hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

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Veröffentlicht am 10.04.2025

Rasant in schönem Setting

The Surf House
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Ein warmer Herbst in Marokko. Bea entscheidet sich spontan, ihren Modeljob hinzuschmeißen, da er sie nicht erfüllt und langweilt. Doch dann gerät sie in Marrakesch in eine schreckliche Situation mit fatalen ...

Ein warmer Herbst in Marokko. Bea entscheidet sich spontan, ihren Modeljob hinzuschmeißen, da er sie nicht erfüllt und langweilt. Doch dann gerät sie in Marrakesch in eine schreckliche Situation mit fatalen Folgen. Sie findet unerwartete Hilfe durch eine Hotelbesitzerin, die ihr in ihrem kleinen Surfhotel am Meer Unterschlupf gewährt. Bald darauf wird Bea mit einem Gast konfrontiert, der seine verschwundene Schwester sucht und sie beginnt ihm zu helfen, da sie dringend Geld benötigt...

Bea war mir grundsätzlich sympathisch und ich konnte gut mit ihr mitfühlen. Sie ist noch jung, von ihrer Mutter erhält sie keine Unterstützung und sie versucht sich neu zu orientieren.Sie wirkte oft etwas naiv und neigte sehr dazu, unangenehme Wahrheiten zu verdrängen, was mich manchmal wirklich nervte. Die anderen Charaktere fand ich auch ganz interessant, insgesamt werden sie allerdings nicht sehr tief gezeichnet, was ich allerdings auch nicht erwartet habe, aber es ergaben sich ganz interessante Dynamiken und Beziehungsgeflechte.

Das Setting hat mir besonders gut gefallen. Die marokkanische Küste, umgeben von Surfern und Reisenden aus aller Welt, schafft eine lebendige Atmosphäre, in der verschiedene Kulturen und Weltanschauungen aufeinandertreffen. Über das Surfen wusste ich vorher nicht viel, aber die bildhaften Beschreibungen haben mir dieses Thema nähergebracht und mein Interesse geweckt. Ebenfalls gefielen mir die bildhaften Beschreibungen der marokkanischen Landschaft sehr gut.

Neben dem schönen Setting ist die Atmosphäre der Geschichte recht unheilvoll, was einen interessanten Kontrast schafft. Der Schreibstil ist dabei sehr flüssig zu lesen, das Erzähltempo, besonders am Anfang ist sehr rasant. Ständig passiert etwas, was das Miträtseln spannend macht. Die Spannung wird zudem durch kurze Kapitel und eingestreute Rückblenden hochgehalten. Allerdings wurde mir nach einer Weile, leider etwas zu schnell, klar, wem man nicht ganz vertrauen konnte. Dennoch gab es einige Wendungen, die mich überraschen konnten. Der Showdown war für meinen Geschmack etwas übertrieben und hinterließ ein schales, trauriges Gefühl, da viele Charaktere hier falsche Entscheidungen getroffen haben.

Insgesamt ist dieser Thriller eine gelungene Lektüre für zwischendurch, ideal, um abzutauchen und durch die Seiten zu surfen. :)
3,5

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Veröffentlicht am 25.03.2025

Amüsant und berührend

Es geht mir gut
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In diesem kurzen Roman wird die Ehe der Beckets beleuchtet. Es sind die 50er Jahre in den USA. Kathleen und Virgil sind seit 9 Jahren verheiratet und befinden sich in einer Krise. Beide erkennen, dass ...

In diesem kurzen Roman wird die Ehe der Beckets beleuchtet. Es sind die 50er Jahre in den USA. Kathleen und Virgil sind seit 9 Jahren verheiratet und befinden sich in einer Krise. Beide erkennen, dass sie eigentlich in einer Lebenslüge leben, für sich selbst, aber auch in Hinblick auf ihre Ehe. Ihre Lebensträume stehen auf dem Prüfstand und sie werden gezwungen, den verschiedenen Wahrheiten ins Auge zu sehen.

Das las sich für mich amüsant und humorvoll, durchaus auch etwas skurill und schwarzhumorig. Gleichzeitig las es sich ruhig, besinnlich und auch traurig. Die Charaktere von Virgil und Kathleen wurden gut herausgearbeitet, es wurde deutlich, warum sie sich füreinander entschieden haben. Beide suchten Sicherheit und für sich den einfachsten Weg, sie scheuten das Risiko, die Anstrengung. Zugleich wird deutlich, wie oft sie dadurch falsche Entscheidungen getroffen haben, mit Konsequenzen, die sie eigentlich nicht wollten.

Die Komposition und das Setting des Romans gefiel mir gut. Es betrifft einen einzigen Tag und ist kompakt und pointiert geschrieben. Dabei psychologisch interessant, sowohl die Perspektive von Kathleen, als auch die Perspektive von Virgil erhält Raum. Insgesamt gibt es einige Überraschungen sowie ein offenes Ende, was mir gut gefiel.

Man wird durchaus auch angeregt, sein eigenes Leben auf den Prüfstand zu stellen..:)

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Veröffentlicht am 25.03.2025

Konnte mich nicht fesseln

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken
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Leider habe ich das Buch in der Hälfte abgebrochen, da mir das Interesse am Inhalt komplett abhanden kam.

Die Ich -Erzählerin Elisa wendet sich an Mascha Kaleko, deren Gedichte sie liebt, und berichtet ...

Leider habe ich das Buch in der Hälfte abgebrochen, da mir das Interesse am Inhalt komplett abhanden kam.

Die Ich -Erzählerin Elisa wendet sich an Mascha Kaleko, deren Gedichte sie liebt, und berichtet ihr über ihr Leben, über Liebe (n), Freundschaft und ihre Gefühle. Sie ist ein Scheidungskind, die Mutter kann sie nicht ausreichend lieben und sich um sie kümmern, so dass sie einige Zeit in ein Heim geht. Zugleich gerät sie in die Punk- und Drogenszene und ist immer wieder, vor allem im trunkenen Zustand Opfer von sexuellen Übergriffen. Ihre Beziehungen sind geprägt von Bedürftigkeit, der fehlenden Mutter- und Selbstliebe. Sie eskalieren regelmäßig und sind anstrengend für alle Beteiligten. Einen Anker findet sie in verlässlichenen Freundinnen.

Es liest sich anekdotenhaft, immer wieder von philosophischen Gedanken und Reflexionen durchsetzt in einer oft poetischen, manchmal pathetischen, Sprache. Anfangs ist der Ton noch melancholisch, auf Dauer wurde es mir aber zu viel und zog mich herunter. Einige Situationen berührten mich und eigene schmerzhafte Jugenderlebnisse wurden aufgerührt. Einerseits wollte ich mich nicht mit eigenen erlebten Situationen konfrontieren, anderseits begann ich mich leider auch zu langweilen, da ich nichts wirklich Neues erfuhr und mich die aufgeworfenen Gedanken nicht anregen konnten.

Es liest sich sehr autobiographisch, ist aber nicht als Autobiographie ausgeschrieben. Ich gewann den Eindruck, dass hier im Rahmen eines Therapieprozesses die Kindheit und Jugend aufgearbeitet wurde, was natürlich absolut legitim ist. Nur leider konnte mich der Inhalt nicht wirklich fesseln. Schade.

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Veröffentlicht am 25.03.2025

Aktueller Einblick in die Lebenswelt mexikanischer Frauen

Reservoir Bitches
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In den 13 Kurzgeschichten stehen, oft junge, Frauen im Mittelpunkt. Arbeitsplätze sind rar und die Drogenkartelle (der 5.größte Arbeitgeber in Mexiko!) versprechen mehr Geld, was dringend zum Überleben ...

In den 13 Kurzgeschichten stehen, oft junge, Frauen im Mittelpunkt. Arbeitsplätze sind rar und die Drogenkartelle (der 5.größte Arbeitgeber in Mexiko!) versprechen mehr Geld, was dringend zum Überleben gebraucht wird. Eine der Frauen ist die Tochter eines Drogenbosses, andere sind die Töchter hochrangiger Politiker, eine Frau versucht ihr Glück in einer Näherei an der Grenze zur USA, eine Frau kämpft mit ihrer Schwangerschaft. Man taucht in die jeweiligen Lebenswelten ein und ist nah dran an den Frauen. Alle kommen mit Gewalt, mit männlicher Gewalt in Berührung, nicht alle überleben es. Daneben erfährt man so einiges von der mexikanischen Kultur, über Tänze und Musik (es gibt am Ende eine Playlist), über Mythen und Legenden, über typisches Essen, Mode und vieles mehr.

Manche der sehr aktuellen und heftigen Geschichten sind miteinander verbunden, einige stehen für sich allein. Es liest sich spannend, emotional, tragisch, dramatisch, aber auch nüchtern und pointiert. Die Sprache hat mir sehr gut gefallen, da sie sehr dynamisch und nah an den Menschen ist. Jede der Geschichten mich wirklich tief beeindruckt, begeistert, berührt und erschüttert. Ich war traurig, als das Buch zu Ende war.

Ich kannte nicht viel über Mexiko, aber nach der Lektüre wurde ich angeregt, mehr über Mexiko zu erfahren, über die Kultur, über die aktuelle politische und soziale Situation. Ich wollte wissen, wie relevant die Dinge sind, über die die Autorin schreibt. Das tatsächliche und ungeheure Ausmaß der Femizide, der Drogenkriege, der Korruption sowie der Armut erschreckte mich dann sehr.

Die Autorin selbst hat eine Freundin verloren und besonders die letzte Geschichte "Die Knochensammlerin" berührte mich überaus. "Mexiko ist ein frauenfressendes Monster. Mexiko ist eine Wüste aus Knochenstaub. Mexiko ist ein Friedhof aus rosa Kreuzen. Mexiko ist ein Land, das Frauen hasst." "...der Prozentsatz ungeklärter Frauenmorde ist in Mexiko extrem hoch. Um genau zu sein, liegt er bei 98 Prozent."

Unbedingt lesen!

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