Zum Abtauchen in vergangene Zeiten – ein typischer Gablé
RabenthronWenn ich ein Buch von Rebecca Gablé aus dem Regal nehme, dann erwarte ich, dass ich für ein paar Stunde in ganz entferne Zeiten abtauchen kann. Und das liefert Rabenthron mit der typischen Rebecca Gablé ...
Wenn ich ein Buch von Rebecca Gablé aus dem Regal nehme, dann erwarte ich, dass ich für ein paar Stunde in ganz entferne Zeiten abtauchen kann. Und das liefert Rabenthron mit der typischen Rebecca Gablé Formel: Wir begleiten das geschickt verknüpfte Schicksal von historischen und fiktiven Persönlichkeiten durch turbulente Zeiten mit allen Höhen und Tiefen. Dabei führt Rabenthron uns zurück nach Helmsby, das Gablé-Fans schon aus „Das zweite Königreich“ und „Hiobs Brüder“ bekannt ist. Rabenthron ist jedoch ein Prequel und setzt vor „Das zweite Königreich“ ein, sodass es sich für Neulinge lohnt, mit diesem Werk zu starten!
Besonders an Gablés Büchern mag ich, dass die jeweilige Zeit für mich wirklich „greifbar“ wird – bei kaum einer anderen Autorin entsteht für mich so viel Kopfkino beim Lesen. Typische Gerichte, Kleidung, Stoffe, Wohnumgebungen – selbst die normannische Haarmode wird nicht vergessen. Trotz der umfangreichen Beschreibungen lässt das Buch sich schnell und leicht lesen. Und oft schimmert auch eine Prise Humor in den Dialogen durch.
Zeitlich beginnt Rabenthron im Jahr 1013; einer Zeit in der England durch ständige Wikiniger Überfälle schwer angeschlagen ist. Ælfric of Helmsby will eigentlich nur einen Gefangenen bei Hofe abliefern, gerät dann aber zufällig in den Dunstkreis der Königin Emma. Während mich das Schicksal anderer fiktiver Gablé Charaktere sonst aber gern auch mal nachts wachhielt, konnte ich aber vor allem im ersten Drittel des Buches noch keine richtige Bindung zu ihm aufbauen. Im weiteren Verlauf änderte das sich zwar, aber insgesamt blieb er mir zu sehr „glänzender Held mit zu vielen Hollywood Momenten.“ Hier möchte ich jedoch auf keinen Fall der Handlung vorgreifen. Auch (tolle!) Freundschaft mit Hakon, dem Dänen und Eilmer, dem Mönch, hätte meiner Meinung nach allerdings noch mehr „Screentime“ bekommen dürfen.
Während der fiktive Hauptcharakter Ælfric für mich etwas blass blieb, konnte Gablés Darstellung historischen Persönlichkeit, Königin Emma, mich voll überzeugen. Intelligent, ehrgeizig und selbstreflektiert navigiert Emma durch politische Intrigen und handelt dabei durchaus auch mal moralisch fragwürdig. Dabei ist sie sich der Grenzen ihrer Möglichkeiten in ihrer Rolle als Frau und auch der Gefahren, die ihr drohen immer bewusst. Für mich ist sie in Rabenthron ganz klar die Figur, deren Schicksal ich mit der meisten Spannung verfolgt habe.
Ist Rabenthron der beste historische Roman den ich von Rebecca Gablé je gelesen habe? Ehrlich gesagt: Nein. Die Waringhams vom Thron zu stoßen, ist allerdings auch eine wirklich große Challenge! Würde ich die Lektüre trotzdem empfehlen? Ja, und zwar uneingeschränkt. Denn auch, wenn ich diesmal kleine Kritikpunkte hatte, habe ich das Lesen insgesamt sehr genossen und Gablé hat geliefert, was ich mir von ihren Romanen wünsche: Ein paar Stunden in einer ganz anderen Welt versinken!
Für mein Lesevergnügen eigentlich nicht relevant, aber trotzdem soll es nicht unerwähnt bleiben: Optisch ist Rabenthon ein echtes Highlight! Der farbige Buchschnitt, der an ein Kirchenfenster angelehnt ist, ist wunderschön und macht aus dem Buch ein echtes Sammlerstück.