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Veröffentlicht am 11.10.2019

Von Seite zu Seite spannender

Heimat ist ein Sehnsuchtsort
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Der Auftakt einer nie zuvor dagewesenen Reihe über eine schlesische Familie im Zweiten Weltkrieg! Taucht mit Hanni Münzers „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ab in längst vergangene Zeiten.

„Es war stets ...

Der Auftakt einer nie zuvor dagewesenen Reihe über eine schlesische Familie im Zweiten Weltkrieg! Taucht mit Hanni Münzers „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ab in längst vergangene Zeiten.

„Es war stets die Bevölkerung, die den Preis für den Krieg zahlte. Denn mochten auch neue Grenzen gezogen und neue Länder geschaffen worden sein, der Mensch war derselbe geblieben.“

Familie Sadler lebt seit Generationen auf einem Bauernhof an der polnischen Grenze. Alle Hofbewohner sind ein eingespieltes Team, Vater Laurenz und Mutter Annemarie, die Großmutter Charlotte, die rüstige, polnische Köchin Dorota, Knecht Oleg und die Schwestern Kathi und Franzi. Von Kindesbeinen an folgt Kathi ihrem Entdeckergeist und erlebt einige Abenteuer, doch der Krieg soll für sie alles ändern. Nach einem Mathematik-Wettbewerb, den sie gewinnt, gerät sie in das Zentrum der Aufmerksamkeit, denn für die Nazis steht fest: Das junge Talent müssen sie sich zu eigen machen.

„Ein Haus war mehr als nur aus Stein und Holz, es war verwoben mit den Schicksalen der Menschen, die darin geboren und gestorben waren. Erst durch seine Bewohner wurde aus einem Haus ein Heim, in dem man sich ihrer für immer erinnerte.“

Fast der gesamte Roman spielt auf dem Sadlerhof und aufgrund der bildlichen, wortgewandten Sprache fühlt man sich als Leser sofort dorthin versetzt. Die Familie Sadler ist so lebensnah und natürlich dargestellt, nicht im Anflug kitschig oder geschönigt, dass es nicht schwer fällt sich vorzustellen, es hätte sie wirklich gegeben. Auch der liebevolle Umgang mit den tierischen Gefährten ist ein schönes Detail, die Tiere sind hier keine sinnlosen Randfiguren und Mittel zum Zweck, sondern geliebte Gefährten, was für die Zeit nicht selbstverständlich ist. Jeder einzelne Sadler ist auf seine individuelle Art brillant ausgearbeitet und auch wenn sie grundverschieden sind, halten doch alle zusammen. Besonderes Highlight für mich war die wissbegierige, freundliche, kleine Kathi und ihre Beziehung zu ihrem Vater, der ihr auf liebevolle Weise stets versucht die Welt zu erklären, was zur NS-Zeit sicher kein Leichtes war.

Einziger Abzug ist für mich der schleppende Einstieg. Der Roman ist aufgeteilt in zwei Teile. Der erste Teil (bis Seite 263) zieht sich und kann nur mit wenig Handlung und Spannung aufwarten. Alle werden vorgestellt, die Atmosphäre wird aufgebaut, Hintergründe erklärt, doch wirkt dies ab einem gewissen Punkt etwas ermüdend. Mit dem zweiten Teil jedoch beginnt es von Seite zu Seite spannender zu werden und nachdem die ersten 300 Seiten gelesen war, konnte ich schließlich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen und habe es in einem Rutsch zu Ende gelesen.

Nachdem meine Hoffnungen zu Beginn also aufgrund des schleppenden Einstiegs getrübt waren, wurden sie schlussendlich um ein Mehrfaches übertroffen. Zu viel zum Inhalt zu verraten wäre dabei eine Schande, da es einem die Chance rauben würde, mit Kathi den eigenen Entdeckergeist zu wecken.

Veröffentlicht am 27.09.2019

Kontroverse Themen mit wenig Tiefe

Dreck am Stecken
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Abtauchen in die Abgründe der Menschen. Manie und Depressionen, Sprachstörungen, Kriminalität, Alkoholsucht, Tod, Demenz, all das und mehr vertreten in Alexandra Fröhlichs Roman „Dreck am Stecken“.

"Familie ...

Abtauchen in die Abgründe der Menschen. Manie und Depressionen, Sprachstörungen, Kriminalität, Alkoholsucht, Tod, Demenz, all das und mehr vertreten in Alexandra Fröhlichs Roman „Dreck am Stecken“.

"Familie ist Leben, dein Leben."

Die vier Brüder Johannes, Jakob, Philipp und Simon haben es nicht leicht. Aufgewachsen in einem Elendsviertel Hamburgs mit einer manisch-depressiven Mutter ändert sich alles, als diese sich pünktlich mit der Volljährigkeit des Ältesten das Leben nimmt. Die Jungs kommen in die Obhut des Opas und so beginnen die Abenteuer dieser etwas anderen WG. Als schließlich auch der Alte stirbt und den Jungs ein altes Tagebuch vererbt, tun sich weitere Abgründe auf und die Vier graben sich durch bis zum Zweiten Weltkrieg, auf der Suche nach der Geschichte ihrer Familie.

"Unmittelbar oder mittelbar- Schuld ist Schuld."

Alexandra Fröhlich vereint hier so viele umstrittene Themen, die einen wirklich verstehen lassen, dass die Brüder mit einigen Problemen zu kämpfen hatten. Spannend zwar, aber mir zu hintergründig. Ich hätte mir gewünscht, dass Qualität über Quantität ginge und mehr auf die einzelnen Problematiken eingegangen wird. Simon beispielsweise hat seit seiner Kindheit krampfartige Anfälle, wenn er überfordert ist. Diese geschehen immer wieder, aber Hintergründe oder ähnliches werden nicht beleuchtet. Sein Bruder ist Arzt, bringt Medikamente und das war es. Es fehlt die Tiefe. Dies zieht sich durch den gesamten Roman. Die Jungs reisen nach Argentinien, aber für den Leser wäre es dasselbe, wenn sie einfach in einen anderen Stadtteil reisen. Das Drumherum fehlt komplett.

Die Sprache fand ich außergewöhnlich und besonders, teilweise grenzwertig, derb und nahezu vulgär, aber das passte sehr gut zum Roman und den Jungs, auch wenn es zu Beginn befremdlich ist. Auch die Auswahl des Settings und der Figuren ist etwas Neues, diese Randgruppe auszuwählen und so viele negative Aspekte einzubauen ist mutig und interessant.

Insgesamt mochte ich den Roman aufgrund des besonderen Ansatzes, aber mir fehlte schlicht die Tiefe in der Darstellung.

Veröffentlicht am 16.09.2019

Ergreifende Geschichte über das Fallen und wieder auf die Beine kommen.

Fünf Wörter für Glück
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Wie leben, wenn der eigene Körper versagt und man aufwacht und nichts so ist wie zuvor?
Ella Dove führt den Leser in ihrem autobiografisch angelehnten Roman „Fünf Schritte zum Glück“ entlang ihres wohl ...

Wie leben, wenn der eigene Körper versagt und man aufwacht und nichts so ist wie zuvor?
Ella Dove führt den Leser in ihrem autobiografisch angelehnten Roman „Fünf Schritte zum Glück“ entlang ihres wohl schwersten Weges, dem Aufstehen nach dem Fallen. Dem Leben mit nur einem Bein. Berührend. Tragisch. Realistisch.

Die dynamische Heidi hat noch nicht alles erreicht, was sie sich vorgenommen hat, doch sie ist auf dem Weg. Partys, die nicht ganz in Gang kommende Schauspielkarriere, ihr Behelfsjob in einer Bar und unzählige Dates bestimmen ihr Leben bis das unvorstellbare passiert. Nach einem Sturz beim Joggen findet sich Heidi im Krankenhaus wieder. Mit nur noch einem Bein. Nach diesem schweren Schock hat Heidi zusehends zu kämpfen auf ihrem Weg zurück ins Leben. In der Rehaklinik immer an ihrer Seite, ihre Zimmergenossin Maud und ihr verrückter, sympathischer Enkel Jack.

Wer niemals hinfällt, kann das Aufstehen nicht lernen.

Zugegeben, die ersten Kapitel zu lesen war recht schwer, nicht aufgrund eines mangelnden Schreibtalents oder einer schwierigen Sprache (beides kann durchaus sehr punkten), sondern weil der Leser direkt während Heidis Unfall ins Geschehen geworfen wird und sich sofort neben Heidi in einem tiefen Loch befindet. Ich habe sofort mit gelitten. Doch schön ist, dass man neben all den depressiven Gedanken, Selbstzweifeln, der Trauer und den Rückschlägen immer mehr zu spüren bekommt, wie die Leichtigkeit zurückkehrt. Man freut sich mit jedem Punkt, den die junge Frau auf ihrer fünf Punkte Liste zum Glück abhakt und freut sich über jeden Fortschritt.
Gerade Heidi, die natürlich die ganze Zeit im Mittelpunkt steht ist so sympathisch und nachvollziehbar. Es ist schön, dass sie nicht perfekt ist und man das Gefühl hat, dass nichts beschönigt wird. Doch auch die quirlige Rentnerin Maud und der schnuckelige Jack sind tolle Wegbegleiter. Maud, weil sie das gleiche Schicksal teilt, Jack, weil er unvoreingenommen und unterstützend mit viel Humor an beider Seite steht. Das Buch wimmelt vor bunten Charakteren, die alle sehr individuell und mit Feingefühl aufgebaut wurden, ohne dass es unübersichtlich wurde.
Mein Kritikpunkt wäre einzig das Cover. Ich hätte anhand dessen und aufgrund der Leseprobe nicht so eine teils wirklich harte Kost erwartet. Es wirkt mir im Nachhinein zu kitschig für diese Geschichte, denn das ist sie nicht.

Solch ein schweres Schicksal mit so viel Einfühlungsvermögen, Positivität, Leichtigkeit und Humor zu vermitteln ohne das Thema auf die leichte Schulter zu nehmen, ist eine bemerkenswerte Leistung, gerade wenn man bedenkt, dass Ella Dove das gleiche Schicksal durchgemacht hat wie Heidi. Dafür verdient sie allen Respekt und eine Topwertung für dieses Buch.

In diesem Sinne:
Nur nicht den Mut verlieren.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Eine Reise durch die Zeit – Entschleunigung und Spannung vereint

Kastanienjahre
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Ein Dorf im Wandel der Zeit und eine Frau, die unwiderruflich mit dessen Geschichte verbunden ist. Anja Baumheier schreibt in ihrem Roman „Kastanienjahre“ die emotionale Geschichte Peleroichs und damit ...

Ein Dorf im Wandel der Zeit und eine Frau, die unwiderruflich mit dessen Geschichte verbunden ist. Anja Baumheier schreibt in ihrem Roman „Kastanienjahre“ die emotionale Geschichte Peleroichs und damit auch die von Elise.


Das Herz hat Gründe, die der Verstand nicht kennt.


Elise ist in die Jahre gekommen, lange Zeit lebt sie nun schon in Paris, fernab ihrer Heimat, doch eines Tages erhält sie einen mysteriösen Brief, der sie aufruft zurück in ihr Dorf an der schönen Ostsee zu kommen um die Geheimnisse der Vergangenheit zu lüften, bevor es zu spät und Peleroich nur noch eine Geschichte ist. Der Absender: Unbekannt. Welche Geheimnisse kommen auf sie zu? Ist der Brief von ihrer Jugendliebe Jakob, der vor langer Zeit aus heiterem Himmel verschwunden ist? War der Tod ihres Vaters wirklich ein Unfall oder steckte doch mehr dahinter?


Tief ist der Brunnen der Vergangenheit.


Los geht die Zeitreise, denn während Elise in der Gegenwart mit den anonymen Briefen hadert, taucht der Leser ab in ihre Vergangenheit. Beginnend mit dem Jahr 1950, zehn Jahre vor Elises Geburt erfährt man in Ein-Jahres-Schritten allerhand über das beschauliche Dörfchen Peleroich und die einzigartigen Charaktere, die dort leben. Geprägt von den Gegebenheiten der DDR, Verzicht und den kleinen Freuden und Beschwerden des Alltags.

Durch die Wechsel nicht nur von Gegenwart zu Vergangenheit, sondern auch die schnellen Jahreswechsel bekommt man einen spannenden Einblick in eine große Zeitspanne und kann die Entwicklungen sowohl politisch als vor allen Dingen auch gesellschaftlich bis in die Neunzigerjahre mitverfolgen, ohne das Gefühl zu haben, in einem Geschichtsbuch zu blättern. Die Figuren sind nachvollziehbar und sympathisch, vor allem in ihrer Vielfalt.

Mir fehlte zeitweise der Antrieb das Buch in die Hand zu nehmen, auch wenn ich, wenn ich mich dann entschließen konnte weiterzulesen, die nächsten Seiten verschlungen habe und gar nicht mehr aufhören konnte zu lesen. Vermutlich, weil mir zwischendrin der rote Faden verloren ging. Das Buch spielt zum Großteil in der Vergangenheit und das Ziel, herauszufinden, was mit Jakob und Karl passiert ist, geht so zwischenzeitlich etwas verloren.

Alles in allem ist es aber ein sehr gelungenes Buch und ein empfehlenswerte Zeitreise in die DDR, in die es sich abzutauchen lohnt.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Die magische Seite Islands

Faye - Herz aus Licht und Lava
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Katharina Herzog bringt in ihrem ersten Jugendbuch „Faye - Herz aus Licht und Lava“ den Leser in eine Welt, die der eigenen so nah und doch so fern ist.

Stell dir vor du bist ein Teenager, chronisch missverstanden ...

Katharina Herzog bringt in ihrem ersten Jugendbuch „Faye - Herz aus Licht und Lava“ den Leser in eine Welt, die der eigenen so nah und doch so fern ist.

Stell dir vor du bist ein Teenager, chronisch missverstanden und rebellisch. Nach einem Zusammenstoß mit der Polizei beschließt Fayes Mutter, dass sie sie nicht allein in Deutschland zurücklassen kann. Wenn auch zu Beginn unfreiwillig taucht Faye damit ab in das wohl größte Abenteuer ihres Lebens, voller außergewöhnlicher Menschen, der magischen Natur Islands und einer Menge offener Rätsel.

Ich habe den Roman von der ersten bis zur letzten Seite sehr genossen. Der Schreibstil ist so locker und humorvoll und schafft es trotzdem eine magische Welt um einen herum aufzubauen, ohne dass es kitschig wirkt und die vielen sehr unterschiedlichen Personen, Tiere und andere Wesen sind mit so viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt wurden, dass man wunderbar mitfühlen kann.
Das schöne, magische Island wurde hier so idyllisch beschrieben, dass man sich fühlt, als würde man sich auf einer Reise befinden, von der man sich wünschen würde, sie würde nicht schon nach knapp 400 Seiten wieder enden.

Einziges Manko waren für mich Fayes teils sehr kindliche Art, was ich mir von einer Siebzehnjährigen anders erwartet hätte, aber so unterschiedlich sind Menschen und die Vorhersehbarkeit der Story. Ich wusste nach gefühlt 30 Seiten wie das Buch enden würde und es gab leider wenig Überraschungen auf dem Weg.

Trotzdem habe ich das Buch sehr gern gelesen. Es hatte einfach eine tolle Atmosphäre und ich bin jetzt stark versucht mehr über die Mythen Islands zu erfahren.