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Veröffentlicht am 07.10.2025

Vererbte Wunden – wie familiäre Muster Generationen prägen

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Valerie hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Als diese an Krebs erkrankt, wird von Valerie erwartet, sich liebevoll um sie zu kümmern – doch ist das wirklich das, was sie selbst ...

Valerie hatte schon immer ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. Als diese an Krebs erkrankt, wird von Valerie erwartet, sich liebevoll um sie zu kümmern – doch ist das wirklich das, was sie selbst möchte? Und tut ihr das überhaupt gut?

Gleichzeitig verkündet ihr 16-jähriger Sohn Tobi, dass er ein Schuljahr in England verbringen möchte. Valerie steht diesem Vorhaben mit gemischten Gefühlen gegenüber: Wird Tobi ohne sie zurechtkommen? Wer wird sich um ihn kümmern?

Im Verlauf des Romans spannt Felicitas Prokopetz einen Bogen über mehrere Generationen – bis zurück zu den Ururgroßeltern – und zeigt eindrücklich, wie tief Familiendynamiken und Traumata über Jahrzehnte hinweg wirken können. Liegt hier bereits der Ursprung für die schwierigen Beziehungen in der Gegenwart?

Der Roman ist kapitelweise aus der Perspektive unterschiedlicher Figuren erzählt. Dadurch erhält man tiefe Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Gleichzeitig erfordert diese Erzählweise einiges an Aufmerksamkeit: Aufgrund der Vielzahl an Charakteren fiel es mir stellenweise schwer, den Überblick zu behalten und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander sofort zu erfassen.

Die Figuren waren mir persönlich nicht besonders sympathisch. Dennoch konnte ich durch die intensiven Schilderungen ihrer Kindheits- und Lebenserfahrungen – besonders im Hinblick auf zwischenmenschliche Beziehungen – viele ihrer Verhaltensweisen nachvollziehen. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - ihres teils verstörenden Verhaltens entwickelte ich ein gewisses Mitgefühl für sie.

Felicitas Prokopetz gelingt es eindrucksvoll, aufzuzeigen, wie tiefgreifend familiäre Traumata wirken können, wenn sie nicht verarbeitet werden. Jede Generation hat mit ihren eigenen inneren Konflikten und Verletzungen zu kämpfen – und gibt diese in anderer Form weiter.

„Wir sitzen im Dickicht und weinen“ empfehle ich allen, die sich für generationsübergreifende Konflikte und komplexe zwischenmenschliche Beziehungen interessieren – und bereit sind, sich auf eine schonungslose, aber ehrliche Auseinandersetzung mit familiären Mustern einzulassen.

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.10.2025

Zwischen Macht, Nähe und Abgrund

In blaukalter Tiefe
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Zwei Paare brechen zu einem Segeltörn in die schwedischen Schären auf. Auf der gemieteten Yacht befinden sich Andreas, ein erfolgreicher Rechtsanwalt und Kanzleipartner, und seine Frau Caroline, Chefredakteurin ...

Zwei Paare brechen zu einem Segeltörn in die schwedischen Schären auf. Auf der gemieteten Yacht befinden sich Andreas, ein erfolgreicher Rechtsanwalt und Kanzleipartner, und seine Frau Caroline, Chefredakteurin eines Frauenmagazins. Begleitet werden sie von dem jungen, frisch verliebten Paar Daniel und Tanja. Daniel arbeitet als angestellter Anwalt in Andreas’ Kanzlei. Die Yacht wird vom zurückhaltenden, geheimnisvollen Skipper Eric gesteuert, der seine ganz eigene Aura in das Geschehen einbringt. Was zunächst – zumindest nach außen hin – harmonisch beginnt, spitzt sich im Laufe der Geschichte immer weiter zu, und alle Beziehungen geraten ins Wanken.

Kristina Hauffs Sprache hat mich sehr angesprochen – sie schreibt klar, eindringlich und atmosphärisch dicht. Besonders gelungen ist der Perspektivwechsel zwischen den Kapiteln, durch den man tief in die Gedanken und Emotionen der einzelnen Figuren eintauchen kann. Auf diese Weise entsteht ein nuanciertes Bild von Persönlichkeiten, Beziehungen und unterschwelligen Machtgefügen. Die Charaktere wirken glaubwürdig, lebendig und menschlich nah.

Das zum Teil kindische Verhalten und die Unnachgiebigkeit einiger Figuren haben mich jedoch gestört, da meiner Meinung nach mit den aufkeimenden Konflikten deutlich charmanter, einfühlsamer und erwachsener umgegangen werden könnte.

Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir Daniel und Tanja, die sich im Verlauf der Geschichte als die zentralsten und – im besten Sinne – stärksten Figuren herausstellen. Daniel macht eine spürbare Entwicklung durch, die ich als Leserin sehr gerne begleitet habe. Tanja war für mich von Beginn an der sympathischste Charakter – ein Eindruck, der sich bis zum Ende bestätigt hat.
Lediglich zum Schluss hätte ich mir gewünscht, dass Daniel und Tanja noch etwas mehr Raum bekommen und der Fokus stärker auf ihrer Entwicklung gelegen hätte.

„In blaukalter Tiefe“ ist ein intensiver, fein beobachteter Roman über zwischenmenschliche Dynamiken, unausgesprochene Konflikte und persönliche Veränderungen. Ich empfehle das Buch allen, die psychologisch dichte, atmosphärische Literatur mögen, in der das Unsichtbare zwischen den Zeilen genauso wichtig ist wie das Offensichtliche.

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Veröffentlicht am 27.09.2025

Wenn das Leben aus den Fugen gerät - und neu wurzelt

Wild wuchern
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Marie flieht aus ihrem wohlgeordneten Leben in Wien und sucht Zuflucht bei ihrer Cousine Johanna auf einer abgelegenen Alm in Tirol. Die beiden Frauen könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher ...

Marie flieht aus ihrem wohlgeordneten Leben in Wien und sucht Zuflucht bei ihrer Cousine Johanna auf einer abgelegenen Alm in Tirol. Die beiden Frauen könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein: Johanna lebt im Einklang mit der Natur, während Marie bislang ein privilegiertes Leben im Luxus in der Stadt geführt hat. Ihre Cousine hat sie bisher eher mitleidig betrachtet. Doch im Laufe der Zeit kommen die Gründe für Maries Flucht ans Licht, und die beiden Frauen beginnen, sich einander anzunähern und ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Dabei stellt sich für Marie zunehmend die Frage, ob Johanna tatsächlich das bemitleidenswerte Leben führt, für das sie es lange hielt.

Die Geschichte wird aus Maries Gedankenwelt heraus erzählt, was den Erzählstil mitunter sprunghaft oder schwer greifbar wirken lässt. Leider konnte mich gerade dieser Stil insgesamt nicht ganz überzeugen – stellenweise empfand ich ihn als zu wirr und wenig zugänglich.

Dennoch behandelt der Roman wichtige und aktuelle Themen wie emotionale und körperliche Gewalt, Selbstfindung, gesellschaftliche Zwänge und die Suche nach dem persönlichen Glück. Diese Aspekte fand ich sehr ansprechend und relevant.

„Wild wuchern“ empfehle ich allen Leserinnen und Lesern, die sich für gesellschaftskritische Romane interessieren und Texte schätzen, die auch sprachlich die innere Zerrissenheit ihrer Protagonistinnen widerspiegeln.

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Veröffentlicht am 25.09.2025

Wenn Erinnerungen Wellen schlagen

Das Licht in den Wellen
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In „Das Licht in den Wellen“ begleiten wir die fast 100-jährige Inge, eine gebürtige Föhrerin, die gemeinsam mit ihrer Urenkelin Swantje eine Schiffsreise von Föhr nach New York unternimmt. Während dieser ...

In „Das Licht in den Wellen“ begleiten wir die fast 100-jährige Inge, eine gebürtige Föhrerin, die gemeinsam mit ihrer Urenkelin Swantje eine Schiffsreise von Föhr nach New York unternimmt. Während dieser Reise lässt Inge ihr bewegtes Leben Revue passieren – ein Leben, das sich sowohl auf Föhr als auch in New York abgespielt hat. Dabei gewährt sie Swantje immer tiefere Einblicke in ihre Vergangenheit und bringt nach und nach auch bisher Unausgesprochenes und Verdrängtes ans Licht.

Janne Mommsen hat einen atmosphärischen und zugleich bewegenden Roman geschrieben. Die Figuren wirken authentisch und nahbar – mit all ihren Ecken und Kanten. Besonders Inge ist mir ans Herz gewachsen: Ich habe von Anfang an mit ihr mitgefiebert und ihre Lebensgeschichte als inspirierend und berührend empfunden. Ihre Gedanken, Zweifel, Trauer, aber auch ihr Mut, ihre Hoffnung und Beharrlichkeit haben mich fasziniert und tief ins Geschehen hineingezogen.

Auch die Beschreibungen der Natur und Schauplätze sind stimmungsvoll und detailreich – sie unterstreichen die besondere Atmosphäre des Romans auf eindrucksvolle Weise.

„Das Licht in den Wellen“ ist für mich ein echter Feelgood-Roman. An einigen Stellen hätte ich mir allerdings noch mehr emotionale Tiefe sowie stärkere innere und äußere Konflikte gewünscht, um die Geschichte noch authentischer und realistischer wirken zu lassen.

Dennoch kann ich diesen Roman allen empfehlen, die atmosphärische Familienromane schätzen und sich für Themen wie Zusammenhalt, Herkunft und Heimat, Freundschaft und Selbstverwirklichung interessieren.

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Veröffentlicht am 22.09.2025

Ein kluger, witziger und zugleich berührender Roman über Selbstfindung, emotionale Abhängigkeit und weibliche Solidarität.

Crushing
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„Crushing“ ist ein Buch, bei dem man sich nicht nur gut unterhalten fühlt, sondern sich gleichzeitig selbst ein Stück weit wiederfindet und das eigene Leben reflektiert. Genevieve Novak hat einen klugen, ...

„Crushing“ ist ein Buch, bei dem man sich nicht nur gut unterhalten fühlt, sondern sich gleichzeitig selbst ein Stück weit wiederfindet und das eigene Leben reflektiert. Genevieve Novak hat einen klugen, scharfsinnigen Roman geschrieben, der mit Humor, Herz und schonungsloser Ehrlichkeit davon erzählt, was es heißt, sich als Frau selbst zu verlieren – und endlich (wieder) zu finden.

Was das Buch für mich besonders macht, ist der gelungene Mix aus schlagfertigem Humor und ernsten, teils schmerzhaften Themen. Ich habe an vielen Stellen laut gelacht – Marnies ironische Gedankengänge und bissigen Dialoge sind einfach großartig – und gleichzeitig immer wieder innegehalten, um über eigenen Erfahrungen, Beziehungen und gesellschaftliche Erwartungen nachzudenken. Diese Balance ist selten und war für mich ein echtes Highlight.

Marnie ist keine perfekte Protagonistin – und genau das macht sie so nahbar. Ich habe sie schnell ins Herz geschlossen, auch wenn ich sie zwischendurch am liebsten geschüttelt hätte. Ihre emotionale Abhängigkeit, ihr Hang zu Liebesillusionen und ihre Selbstverleugnung sind authentisch dargestellt und zeigen, wie schwer es sein kann, sich selbst zu akzeptieren – besonders als Frau in einer leistungs- und beziehungsorientierten Gesellschaft.

Im Laufe des Romans durchläuft Marnie eine Entwicklung, die ich sehr glaubwürdig und berührend fand.

Auch die Nebenfiguren sind vielschichtig und tragen entscheidend zur Geschichte bei.
Claud, die hinter ihrer selbstbewussten Fassade ebenfalls mit toxischen Mustern kämpft.
Nicola, die mit der Belastung des Mutterseins ringt und langsam beginnt, sich selbst wieder mehr Raum zuzugestehen.
Diese verschiedenen Perspektiven zeigen unterschiedliche Facetten weiblicher Lebensrealität – ein echtes Plus des Romans.

Besonders beeindruckt hat mich, wie Novak Themen wie emotionale Abhängigkeit, psychische Gesundheit, weibliche Solidarität und Selbstwert behandelt – oft subtil, manchmal provokant, aber immer reflektiert.

Trotz der vielen Stärken hätte ich mir an manchen Stellen etwas mehr Tiefgang gewünscht – besonders im Hinblick auf Marnies Prozess der Selbstfindung.

„Crushing“ ist ein kluges, witziges und emotional ehrliches Buch über das Chaos des Erwachsenwerdens, toxische Beziehungsmuster und die Kraft, sich selbst zur Priorität zu machen. Ich habe jede Seite genossen, viel gelacht, mitgefühlt - und mich in einigen Momenten wiedererkannt.

Ein Buch, das ich allen empfehlen würde, die selbst gerade dabei sind, sich selbst neu zu finden - oder einfach gern Geschichten mit scharfsinnigen Humor, authentischen Figuren und viel Herz lesen.

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