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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.12.2021

Ein berührendes Buch

Während die Welt schlief
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Amal liebt ihre Heimat und hier ganz besonders ihren Vater. Der liest ihr morgens immer aus einem seiner vielen Bücher vor. Er möchte, dass seine Tochter sich bildet, um später einen guten Beruf zu erlernen. ...

Amal liebt ihre Heimat und hier ganz besonders ihren Vater. Der liest ihr morgens immer aus einem seiner vielen Bücher vor. Er möchte, dass seine Tochter sich bildet, um später einen guten Beruf zu erlernen. Amal lebt in Jenin, einer Stadt in Palästina. Sie und ihre Eltern müssen fliehen, als Israel als Heimstatt für Juden ausgerufen wird. „Während die Welt schlief“ beschreibt das Leben Amals über Jahrzehnte, bis zu ihrem Tod. Immer wieder ist auch der Konflikt zwischen Israel und Palästina ein Thema.

Ohne Groll schreibt sie in der Ich-Form, was ihrer Familie widerfuhr. Sie wurden gedemütigt und aus dem eigenen Haus vertrieben. Durften die uralten Orangen- und Olivenbäume nicht mehr abernten. Für die Senioren in den Familien kaum zu ertragen, da sie seit 40 Generationen von den Früchten der Bäume lebten. Die Reise der Amal geht von Jerusalem, nach USA und auch ein Flüchtlingslager im Libanon besucht sie. Wir können nachlesen, welchen Grund junge Männer hatten, sich zu radikalisieren. Nein, nicht gut, aber verständlich.

Das Buch hat mich sehr mitgenommen. Aus dieser Perspektive sah ich den nahen Osten noch nie. Mit welcher Brutalität die Palästinenser aus ihrer Heimat getrieben wurden. Wie sogar Kinder getötet und Alte verdursteten, das ist grausam. Die Autorin hat etliche Ereignisse aufgeschrieben, die kaum an die Weltöffentlichkeit kamen. Heute ist alles bei einschlägigen und gut recherchierten Historikern nachzulesen. Das Buch öffnete mir die Augen und aus dem Grund gibt es eine klare Empfehlung.

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Veröffentlicht am 30.12.2021

Ein sehr gutes Buch zum Thema "Persilschein"

Das Archiv des Teufels
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„Das Archiv des Teufels“ hat mir mal wieder gezeigt, dass ich noch längst nicht alle Fakten der Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg kenne. Da gab es tatsächlich Männer, die per Pinselstrich ...

„Das Archiv des Teufels“ hat mir mal wieder gezeigt, dass ich noch längst nicht alle Fakten der Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg kenne. Da gab es tatsächlich Männer, die per Pinselstrich den Größen der Nationalsozialisten eine Weiße Weste verpassten. Sonst wären sie nämlich unter Adenauer kein Minister geworden. Wie viele mögen wohl auf diese Weise den berühmten „Persilschein“ bekommen haben?

Robert Benetti ist einer der Männer, die den Werdegang solcher Männer bereinigte. Eigentlich sollte er heimwärts in die USA fliegen. Aber zunächst muss er noch eine Aufgabe erfüllen. Einer der schlimmen Schlächter soll Minister werden. Und niemand darf wissen, welche Untaten er im Zweiten Weltkrieg veranlasste. Doch der Herr Benetti hat Skrupel. Er weiß, dass Siegfried Heiderer für den Tod seines Bruders verantwortlich war. Er sitzt also in einer Zwickmühle.

Ein spannendes Buch, welches etliche Fakten zeigt und den Lesern in Romanform übermittelt. Es ist eine Reise in unterschiedliche Länder und die Spannung kann sich sehen lassen. Zumal dann auch noch die Mitarbeiter der Stasi eine Rolle spielen. Der Autor, Herr Martin Conrath schrieb dazu: „Dieses Buch ist ein Herzensprojekt von mir und ich konnte es nur verwirklichen, weil das Land NRW mich mit einem Literaturstipendium unterstützt hat.“ Dazu sage ich ebenfalls danke dem Land NRW und dem sehr guten Gmeiner Verlag. Die uneingeschränkte Leseempfehlung gibt es ebenfalls.

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Veröffentlicht am 27.12.2021

Leben in der Weimarer Republik

Deutschland 1927
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„Deutschland 1927“ ist der zweite Band der Reihe „Eine Frau in unruhigen Zeiten“. Anna hörte nicht auf die Unkenrufe. Sie heiratete ihre große Liebe, den Kapitän Brandis. Mit ihm lebt sie in Kiel. Was ...

„Deutschland 1927“ ist der zweite Band der Reihe „Eine Frau in unruhigen Zeiten“. Anna hörte nicht auf die Unkenrufe. Sie heiratete ihre große Liebe, den Kapitän Brandis. Mit ihm lebt sie in Kiel. Was heißt aber mit ihm? Die meiste Zeit ist er ja auf hoher See unterwegs. Als er verhaftet wird, zieht es sie zu ihm. Sie möchte ihm beistehen und ihm zeigen, dass sie nicht daran glaubt, mit einem Mörder verheiratet zu sein.

Neben einigen spannenden Passagen, ist hier die „Weimarer Republik“ ein großes Thema. Wie es mit den Kämpfen der Nationalsozialisten gegen die Kommunisten Anfing. Was die Menschen dazu bewegte, sich gegen die Regierung zu stellen. Das Geld hat keinen Wert mehr und die Schuldenlast der Kriegsverlierer müssen auch die Menschen tragen, die nichts damit zu tun hatten.

Dass Anna ihrem Mann nicht unvoreingenommen gegenübersteht und ihre Zweifel an seinen Aussagen hat, das verstehe ich gut. Auch wenn er darüber enttäuscht sein mag. Der Mord und die daraus resultierenden Überlegungen sind gut durchdacht und spannend aufgebaut. Zum besseren Verständnis rate ich, dass der erste Band „Deutschland 1926“ vorher gelesen werden sollte.

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Veröffentlicht am 21.12.2021

Tara Haigh hat mal wieder bestens recherchiert

Die Klänge der Freiheit
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Die Hauptperson in dem Buch „Die Klänge der Freiheit“ heißt Inge. Sie lebt mit ihrem Vater in Nürnberg und spielt gerne auf ihrer Geige. Eigentlich ist sie eine gehorsame Tochter. Nur bei der Wahl ihres ...

Die Hauptperson in dem Buch „Die Klänge der Freiheit“ heißt Inge. Sie lebt mit ihrem Vater in Nürnberg und spielt gerne auf ihrer Geige. Eigentlich ist sie eine gehorsame Tochter. Nur bei der Wahl ihres Berufes scheiden sich die Geister. Gegen den Willen ihres Vaters wird sie Krankenschwester und ihr einziger Wunsch ist es, den Verwundeten des 2. Weltkrieges eine Hilfe zu sein. Womit sie nicht rechnet: Ihr erster Einsatz liegt mitten im Nirgendwo und die Voraussetzungen können nicht unmenschlicher sein. Wie gut, dass sie dem deutschen Offizier namens Preuß begegnet. Dieser bietet ihr eine einmalige Chance, dem Grauen zu entfliehen. Doch, was erwartet er von ihr? Und ist die Flucht vor dem Kriegsgeschehen tatsächlich möglich?

Ich habe mit Inge gelitten. Wie oft bereute sie wohl, dass sie nicht auf ihren Vater hörte? Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, wie grausam der Krieg wirklich ist. Die vielen Verletzten, das Schreien der Verwundeten und diese Machtlosigkeit der Ärzte. So realistisch beschreibt Tara Haigh die Verhältnisse, dass ich nicht nur den Geruch von Wunden und Tod empfinden konnte. Auch diese allgegenwärtige Furcht vor Übergriffen durch feindliche Soldaten war mit den Händen zu greifen.

Der Verlag schreibt über Frau Haigh, dass sie in ihren Romanen Aspekte der Weltgeschichte aufgreift, die kaum bekannt und bisher nicht literarisch in Erscheinung traten. Diese Behauptung unterstreiche ich. Inge gelangte mit ihrem Gönner nach Italien in die unmittelbare Nähe des Klosters Monte Cassino. Das gab es tatsächlich und ja, es wurde im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört. Wie gut, dass der Aufbau stattfand und ich mich aktuell an den Fotos erfreuen konnte. Neben der abwechslungsreichen Erzählung rund um Inge und ihre Liebe, spielen also auch historische Fakten rund um das Mutterkloster der Benediktiner eine Rolle. Die Leseempfehlung gebe ich nicht nur aus diesem Grund sehr gerne.

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Veröffentlicht am 20.12.2021

So viele Parallelen zur heutigen Situation

Walzer in Zeiten der Cholera. Eine Seuche verändert die Welt
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Das Jahr 1873 bescherte der Stadt Wien viel Ungemach. Die Börse kollabierte, Menschen verloren ihr Hab und Gut und zu allem Übel gab es eine Choleraepidemie in der Stadt. Ja, es gab zwar die Weltausstellung ...

Das Jahr 1873 bescherte der Stadt Wien viel Ungemach. Die Börse kollabierte, Menschen verloren ihr Hab und Gut und zu allem Übel gab es eine Choleraepidemie in der Stadt. Ja, es gab zwar die Weltausstellung aber auch die Scharen von Besuchern konnten nicht darüber hinweghelfen, dass die Menschen an der rätselhaften Krankheit starben. Auch das Tanzen brachte nicht die ersehnte Abwechslung.

Während der Beginn des Buches die Ereignisse des Jahres 1873 beschreibt, geht es danach zurück ins Jahr 1830. Da gab es nämlich eine Überflutung, wie sie Wien niemals zuvor sah. Die Moldau war überhaupt nicht mehr fein und klein. Sie wurde zum reißenden Strom. Nicht nur der später berühmte Sohn der Stadt, Johann Strauß, musste sein Heim verlassen und verlor nahezu alles. Neben Strauß wird in dem Buch auch auf den beachteten Geologen Suess hingewiesen. Er war einer der ersten, die einen Zusammenhang zwischen tödlichem Durchfall und verschmutztem Wasser sahen.

Ein Buch, das mich nicht losließ. Es gibt so viele Parallelen zur heutigen Situation und die Unvernunft einiger Mensch änderte sich nicht. Sie gingen damals Walzer tanzen und hörten nicht auf Ärzte und Wissenschaftler. Zunächst wollte niemand auf seine Annehmlichkeiten verzichten. Man wollte nicht glauben, wie ansteckend und auch tödlich diese neue und unbekannte Seuche war. Sehr anschaulich wird das Geschriebene durch die vielen Fotografien und Gemälde.

Der Autor folgt bei seiner Schilderung keiner zeitlichen Reihenfolge. Er wechselt kontinuierlich zwischen den Jahren und Jahrzehnten. Das störte mich nicht, da alles zusammenhängt. Es wird deutlich, wie die Leeren aus der Vergangenheit, heute in der Gegenwart, ein Wissen und Vorgehen für die Zukunft ermöglichen. Die Sprache ist stilistisch sehr schön ausgefeilt und zuweilen mit einer Prise Humor gewürzt. Ein lesenswertes Stück Wiener Geschichte.

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