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Veröffentlicht am 14.03.2024

Frische und spannende Unterhaltung

Wer zuerst lügt
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Als ich das Cover von „Wer zuerst lügt“ bzw. den Klappentext entdeckt habe, musste ich zuerst ein wenig an „The Wife Between Us“ von Greer Hendricks & Sarah Pekkanen denken, was ich vor einigen Jahren ...

Als ich das Cover von „Wer zuerst lügt“ bzw. den Klappentext entdeckt habe, musste ich zuerst ein wenig an „The Wife Between Us“ von Greer Hendricks & Sarah Pekkanen denken, was ich vor einigen Jahren gelesen habe, da Klappentext und Cover doch gewisse Parallelen aufweisen. Da mich das Buch damals fasziniert hat, war mir gleich klar, dass ich mir die Neuerscheinung von Ashley Elston auch zuführen wollte. Ich muss auch sagen, Kompliment für den Klappentext. Es gibt leider gerade im Spannungsbereich Versuche, die so viel verraten, dass man den eigentlichen Höhepunkt zwischendurch schon gespoilert bekommen hat. Hier wurde auch einiges schon verraten, wie ich aber finde in einem Ausmaß, wo ich sage, es macht Lust, aber innen drin ist noch so viel mehr zu entdecken.

Ich habe „Wer zuerst lügt“ als Hörbuch gehabt und ich habe Michaela Gaertner als sehr angenehme Sprecherin gefunden. Ich hatte am Anfang ein wenig den Eindruck, der Ton klänge etwas verwaschen, was aber daran liegen mag, dass ich von Hörbuch zu Hörbuch gewechselt bin und da vielleicht einfach ein Unterschied festzustellen war. Denn später fiel es mir als Kritikpunkt gar nicht mehr auf und ich habe die Sprecherin als sehr klar wahrgenommen. Sie ist für mich auf jeden Fall hervorragend zu all den Personen geworden, die Evie/Lucca zwischendurch eingenommen hat. Was ich für den Einstieg in das Buch sehr gut fand, das war, dass gleich zu Beginn ein Ton in der Geschichte ist, der belegt, es ist nichts, wie es scheint und wir sind mitten in der Welt der Betrügereien. Ich fand unsere Protagonistin auch sofort anziehend, gerade weil sie eine Figur ist, die man selten so als Heldin der Geschichte erlebt. Sie lügt und betrügt und trotzdem ist man sofort mit ihr verbunden und will alles über sie wissen. Ich fand es immer wieder herrlich, wie sie alles genau analysiert hat, wie sie ihre eigenen Handlungen erklärt hat. Es war spannend, in so einem klugen Kopf live dabei zu sein.

Im Grunde habe ich eine sehr spannende Geschichte geliefert bekommen, wo ich immer nur mehr wissen wollte und auch nie verloren gegangen bin. Einen Kritikpunkt habe ich aber und das ist ein wenig die frühere Lucca. Wir haben ein Kapitel zu ihrem ersten Auftrag, wo ihre Mutter noch lebte, aber ich hätte wirklich gerne mehr von ihr erfahren, wie sie auf diesen Weg kam. Hatte ihre Mutter vielleicht sogar mehr damit zu tun, da sie immer wieder mit Ratschlägen zitiert wurde? Das sind so Fragen, die mir in Bezug auf Lucca kamen und wo gerne noch mehr hätte kommen können, aber alles andere hat mich wirklich unglaublich gut unterhalten und ich habe nun auch schon länger so etwas Inhaltliches nicht mehr gehabt, so dass es so frisch wirkte. Auch wenn wir Lucca/Evie in zig Rollen über den Verlauf erleben, so würde ich dennoch sagen, dass ich sie als Mensch immer zu packen bekommen haben. Sie ist clever, sie ist raffiniert, aber sie ist in allem auch stets ein Mensch, der hinter die Fassade blickt und einen Job auch nicht einfach einen Job sein lassen kann. Die Komplexität wurde ideal eingefangen.

Ich fand auch, dass es gut gelungen ist, die verschiedenen Schichten der Geschichte erst nach und nach aufzudecken. Während ich am Anfang dachte, dass es sicherlich darum gehen wird, ob Evie ihre Identität bis zum Ende ohne Risse wird aufrechterhalten können und was genau sie in Gefahr bringt. Aber das war nur eine Etappe von vielen. Es kam immer noch mehr, hier eine Zusammenarbeit, hier eine Scharade, hier eine Enthüllung. Es ist wirklich schwer, die Genialität in Worte zu fassen, weil es verdammt gut erzählt ist. Das war eindeutig ein Highlight, das ich im Vorfeld so nicht hätte einplanen können, das mir aber wahrhaftig gute Hörbuchstunden beschert hat.

Fazit: „Wer zuerst lügt“ ist für mich eine sehr positive Überraschung. Die Handlung wirkt frisch. Es geht nicht um schwarz-weiß-Charaktere. Die Geschichte verbirgt viele Ebenen, die man am Anfang nicht erahnen kann und sie lässt einen insgesamt nicht los. Großes Kompliment an Ashley Elston für diese gute Unterhaltung!

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Veröffentlicht am 10.10.2023

Gruselig atemberaubend

One Of Six - Verrat
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Ich habe von Kim Nina Ocker mal vor vielen Jahren ein Buch gelesen und war danach nicht sonderlich angetan. Das hat mich selbst damals verwundert, denn ich lese innerhalb von New Adult speziell die deutschen ...

Ich habe von Kim Nina Ocker mal vor vielen Jahren ein Buch gelesen und war danach nicht sonderlich angetan. Das hat mich selbst damals verwundert, denn ich lese innerhalb von New Adult speziell die deutschen Autorinnen sehr gerne und gebe ihnen eine Chance. Aber da es damals nicht so recht Klick machen wollte, habe ich bislang immer einen Bogen um die Autorin gemacht, habe aber natürlich sehr wohl mitbekommen, wie viele Bücher sie seitdem veröffentlicht hat und sie also definitiv einen Nerv trifft. Mit „One Of Six“ war ich nun an dem Punkt, wo ich wieder eingehakt habe. Ich habe immer schon gerne auch mal Suspense mit einer schönen Portion Romantik gelesen und dieser Klappentext hat nichts anderes ausgedrückt und deswegen dachte ich, dass es doch jetzt passen könnte und wie es gepasst hat!

Zunächst gleich das Wichtigste vorweg: ich kann den Februar, wo der zweite und finale Teil erscheint, kaum abwarten, denn dieser Auftakt war wirklich richtig, richtig gut. Und das Beste? Ich habe zig Theorien im Kopf, wer es sein könnte, aber keine Theorie davon ist in Stein gemeißelt und das ist für mich das Geniale, denn das heißt, die Autorin hat in keiner Weise voraussehend geschrieben. Sie hat die Perspektive aus der Sicht des oder der Täter/in so unkonkret gelassen, dass man eigentlich nie einen Schritt näher gekommen, außer eben bei der letzten vielleicht, die aber auch nur den Personenkreis einengt. Aber diese Kapitel waren eben auch so wichtig, weil sie enorm zur Stimmung beigetragen haben. Wenn eine so wenig zimperliche Person im Hintergrund ihre Fäden spinnt, dann wird auch für den Rest deutlich, da kann alles passieren, was zusätzlich dann die Atmosphäre angeheizt hat. Hier tut Ocker nicht auf Grusel, sondern sie schafft gerade nach hinten raus auch echt Fakten. Ich gucke heute wirklich ungerne Grusel- oder Horrorfilme, aber als Jugendliche bin ich in der Gruppe doch an einige Franchises herangeführt worden und ich musste speziell irgendwie an Final Destination denken und das ist als Kompliment gemeint. Gut, dass ich sowas besser lesen als gucken kann, denn ich war schon sehr angespannt, aber in einem für mich genau rechten Maß.

Das Buch ist aus zwei Perspektiven geschrieben, wobei die Perspektive von Luca doch deutlich häufiger verwendet wurde als die von Devan. Während Luca wirklich wie ein offenes Buch wirkt, der man vermeintlich nicht misstrauen muss, ist alles rund um Devan viel geheimnisvoller, sicherlich sehr, sehr bewusst. Andererseits muss ich sagen, dass ich auch das Thema Luca nicht völlig abgehakt habe. Es wäre verrückt, aber was Geniales hätte es irgendwo auch. Wir wissen auf jeden Fall, dass sie noch etwas verbergen muss, wenn sie nicht die Täterin ist, denn sie ist schließlich nicht umsonst ausgewählt worden. Aber auch wenn um alle Figuren etwas Mysteriöses gesponnen ist, ich fand Luca und Devan dank ihrer Perspektiven sehr greifbar und es hat sehr geholfen, alles durch ihre Augen zu erleben. Beide haben für das Genre auch die gute Mischung aus berechtigter Besorgnis, aber dennoch dem Mut, sich nicht nur in der Ecke zu verkriechen, sondern eben aktiv etwas zu tun. Das war genau richtig, auch weil es die Dynamik zwischen ihnen natürlich schnell auf das Level gebracht hat, was es brauchte. Denn indem sie sich eben so wichtig waren, hat vieles von der Handlung auch gut funktioniert und sich logisch erklärt. Ich fand die Dosierung dieses romantischen Interesses mit der Prise Erotik auch gut im Maß, denn wäre es mehr gewesen, dann hätte ich mir doch gedacht, ob diese hormonelle Steuerung nun wirklich angebracht gewesen wäre.

Denn wie gesagt, es ist wirklich spannend geworden und es fühlt sich wirklich nach Gefahr an. Es hat sich auch konstant im Niveau gesteigert worden, denn von den Fußstapfen hin zu dem finalen Showdown auf dem Berg, oh weh. Ich persönlich wäre wohl viel früher ausgestiegen, aber mit den Figuren zusammen war es ein wilder Ritt, wo ich bis zum Ende mitgefiebert habe. Auch wenn ich den anderen Figuren wie Ana, Christine und so sehr skeptisch gegenüber bin, so finde ich es aber gut, dass sie diese Aura haben, denn sonst würde das Buch nicht funktionieren. Es ist schon ein bisschen was verraten worden, aber dieser erste Teil erzeugt erstmal die Stimmung und schafft die Grundlagen, aber der große Knall wurde so aufgehoben für den Abschluss und ich hoffe wirklich, dass dieser nun das bestätigen kann, was ich mir nun einfach erwarte.

Fazit: Kim Nina Ocker, ich habe dich jetzt wieder auf dem Schirm, für dieses Genre auf jeden Fall, denn ich bin wirklich überrascht worden, wie geschickt diese Suspense-Geschichte gestrickt wurde. Es war stets eine gruselige und spannende Stimmung da und gerade weil das Geschehen nicht zimperlich ist, wirkt es auch richtig echt. Ein sehr, sehr gutes Buch, das erzeugt, was es soll und nun bitte einmal schnell den Februar serviert!

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Veröffentlicht am 31.01.2023

Emotionales Paket, das man tragen können muss

Orte, an denen ich geweint habe (wegen dir)
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Von Holly Bourne habe ich schon so einiges gelesen, bin mir aber bewusst, dass sie als Autorin definitiv mehr Geschmackssache als andere AutorInnen ist, denn ihr Romane sind oft sehr feministisch ausgestaltet ...

Von Holly Bourne habe ich schon so einiges gelesen, bin mir aber bewusst, dass sie als Autorin definitiv mehr Geschmackssache als andere AutorInnen ist, denn ihr Romane sind oft sehr feministisch ausgestaltet und dann gegenüber dem männlichen Geschlecht oft sehr stark pauschalisiert. Das ist natürlich mit Vorsicht zu genießen, aber ich denke auch, dass man von der Leserschaft eine gewisse Differenzierung erwarten darf. Dennoch ist Bournes neuster Streich auf dem deutschen Buchmarkt, „Orte an denen ich geweint habe (wegen dir)“, nicht ganz so verurteilend, stattdessen wird eine toxische Beziehung dargestellt und oh wow, wirklich sehr, sehr intensiv gelungen.

Bourne findet immer wieder interessante Arten und Weisen, ihre Geschichten zu erzählen. Oftmals ist bei ihr ein humoristischer Stil im Vordergrund, aber bereits der Romantitel deutet bereits an, dass es diesmal nicht der Fall ist. Die Autorin lockert das Geschehen zwar auch hier durch einen abwechslungsreichen Stil auf, aber dennoch lässt sie die Finger von Humor, außer die Protagonistin zieht sich selbst – aus Gründen – durch den Kakao. Das ist wohl auch mehr als gerechtfertigt, denn wenn so dominant eine toxische Beziehung im Vordergrund steht, dann würde es ein humoristischer Stil wohl unweigerlich auflockern und der Thematik selbst die benötigte Schärfe nehmen. Ansonsten aber setzt Bourne auf zwei Zeitebenen, die kapitelweise durch verschiedene Schriftarten dargestellt werden. Das ist eine gute Lösung, denn während Amelie in ihre Vergangenheit eintaucht, wird das Geschehen schon mal von ihren Kommentierungen unterbrochen und da ist das optische Signal durch die Schriftart wirklich sehr effektiv, um sich sofort zu orientieren. Dennoch verlangt es erstmal Zeit, um sich dort einzufinden, denn das Buch startet in der Gegenwart, wo Amelie ihre Gedächtniskarte beginnt. Sie spricht dabei ein ominöses „Du“ an, aber es braucht seine Zeit, bis man dieses „Du“ alias Reese auch wirklich kennenlernt. Aber auch wenn es erst was braucht, mochte ich die Stilistik, weil es Abwechslung gab, es gab Vorausdeutungen, so dass man sich seelisch auf Schlüsselszenen schon vorbereiten konnte und es gab so eben auch Spannung, weil man natürlich dahinter kommen wollte, wie es zu was gekommen ist.

Dennoch ist „Orte, an denen ich geweint habe (wegen dir)“ eine emotional herausfordernde Lektüre. Man weiß zwar, worauf es hinausläuft und reagiert daher auf Reese zum keinen Zeitpunkt vertrauensvoll, da kann er noch so charmant sein, aber es ist eben extrem anstrengend und manchmal auch zur Verzweiflung bringend, wenn man sieht, wie Reese mit Amelie umgeht. Aber noch viel anstrengender ist, wie Amelie das alles bewusst wahrnimmt. Zunächst in der Vergangenheit quasi ‚live‘ und dann später aber auch in der Nachbetrachtung noch einmal. Man sieht so deutlich, dass ihr reflexives Bewusstsein zu jedem Zeitpunkt intakt war und trotzdem hat sie immer an ihm festgehalten, selbst dann in der Gegenwart noch, wo sie sich in Therapie fand. Auch wenn man so als Leserschaft in einem Sog drinsteckte, der einen wohl oft gerne mal hätte aufschreien lassen, so habe ich aber auch gleichzeitig Bourne für ihren Mut gefeiert, so konsequent in Amelies Denkweise drin zu bleiben. Aus dem eigenen Bekanntenkreis kenne ich selbst Missbrauchsfälle und weiß daher, wie die betroffenen Menschen denken und es hat mir oft eine Gänsehaut bereitet, wenn ich daran dachte, wie authentisch die Autorin es abgebildet bekommen hat. Deswegen ist es auch so lobenswert, dass Amelie mit ihrer Therapie keine Wunderheilung erfährt. Auch mit einer Diagnose und der Ausformulierung ihres Verhaltens, hat sie sich dennoch weiterhin genau so verhalten und genauso ist es. Wenn man einmal in einem missbräuchlichen Verhältnis drinsteckt, dann ist es ein riesiger Kraftakt, sich daraus auch wieder zu befreien.

Fazit: Vorsicht bei „Orte, an denen ich geweint habe (wegen dir)“, wenn man selbst Opfer von Missbrauch und toxischen Beziehungen war und ist, denn Bourne schafft es mir fast schon unheimlicher Authentizität, die Denkweise eines Opfers einzufangen. Nach der Lektüre ist man definitiv erstmal ausgelaugt, aber dennoch kann ich bewundern, was Bourne hier geschaffen hat, weil es wirklich beängstigend echt ist.

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Veröffentlicht am 19.12.2022

Das Beste zum Schluss

Worlds Beyond
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Bei Anabelle Stehl empfinde ich es oft so, dass sie inhaltlich mit die stärksten Geschichten für das NA-Genre schreibt, weil sie ausgefeilt, inhaltlich relevant und wichtig sowie mitreißend sind. Jedoch ...

Bei Anabelle Stehl empfinde ich es oft so, dass sie inhaltlich mit die stärksten Geschichten für das NA-Genre schreibt, weil sie ausgefeilt, inhaltlich relevant und wichtig sowie mitreißend sind. Jedoch sind die Liebesgeschichten immer eher Beiwerk gewesen, weswegen ich bei ihr bislang auch kein Paar hätte rauspicken können, das mich im Speziellen auch nachträglich noch beschäftigt hat. Natürlich fand ich die Happy Ends immer schön und es haben auch tolle Paare zueinandergefunden, aber es war da zu wenig Wow-Effekt. Habe ich deswegen aufgehört? Nein, weil ich es honoriere, das NA-Genre etwas aufzuräumen. Dennoch hat Stehl mit „Worlds Beyond“ nun etwas geschafft, denn Nele und Matthew haben sich definitiv nachhaltig in mein Herz geschlichen und das hätte ich so nie erwartet.

Bei so dreiteiligen Reihen mit Einzelgeschichten ist es oft so, dass der erste oder zweite Band als besonderes Highlight in Erinnerung bleiben, so zumindest meine Erfahrung. Stehl hat das für mich jetzt aber umgekehrt, denn „Worlds Beyond“, das ihre Worlds-Reihe rund um Influencer abschließt, ist definitiv mein Liebling geworden. Das hatte ich nicht erwartet, weil mich im Vorfeld der Klappentext nicht sonderlich umgehauen hat und weil Matthew im zweiten Band schon aufgetaucht ist, ohne aber nachhaltig Interesse zu hinterlassen. Zwar wurde zum Abschluss die erste Begegnung von Matthew und Nele angeteasert, aber s war noch zu nichtssagend. Stehl hat es dann aber mit dem eigentlichen dritten Band schnell geschafft, dass Nele und Matthew mein Herz erobern konnten, denn man hat ihnen diese Liebe auf den ersten Blick sofort angemerkt. Da haben sich einfach zwei gefunden, die sich vor allem nicht nur attraktiv fanden, sondern die sofort wichtige Eigenschaften ineinander erkannt haben, weswegen es auch so süß war, was sich Matthew für das erste offizielle Date ausgedacht hat. Auch wenn der Klappentext die erste große Wendung schon verraten hat, so war es für mich gleichermaßen ein Schlag, als ihre gemeinsame Geschichte sofort ausgebremst wurde. Aus Matthews Sicht hat es mir sogar fast mehr leid getan, obwohl natürlich Nele als Volontärin in der schwächeren Position war, aber wenn man so nach und nach seine Geschichte ergründet, da kann man schnell merken, was Liebe und Geborgenheit für ihn bedeutet und er hat es auf dem Präsentierteller und es wird ihm einfach entrissen. Was dann aber auch die Liebesgeschichte weiter aufrechterhalten hat, das war definitiv, dass die Funken weiterhin gesprüht haben, dass also eine knisternde Grundspannung beibehalten werden konnte. Auch wenn sie an manchen Stellen die beiden unvorsichtig hat werden lassen, aber es war authentisch und hat eben unterstrichen, dass sie sich so lieben, dass der Verstand eben aussetzt.

Aber auch abseits der Liebesgeschichte ist wieder eine tolle Erzählung geboten worden, weil die Figuren gut ausgearbeitet waren. Weder Nele noch Matthew schienen mir wirklich nah, auch wenn wir sicherlich einige Hobbys miteinander teilen, und dennoch hatte ich das Gefühl, sie jeweils bei allen Teilschritten nachvollziehen zu können. Es war auch angenehm, dass es angesichts der Vermischung aus Job und Privatleben dennoch immer zivilisiert geblieben ist. Es hat auch Tränen, Häme und Mobbing gegeben, ja, aber dennoch lief alles in einem angemessenen Rahmen ab, mit dem nicht alles gesprengt wurde, nur um möglichst viel Drama zu erzeugen. Es wirkte einfach echt, was zunehmend bemerkend ein echtes Kompliment ist. Der Einblick in den Alltag einer Literaturagentur war spannend, da man sonst eher die Verlagsseite erlebt. Auch wenn nicht übertrieben ins Detail gegangen wurde, man hat doch Matthew als Chef und Nele, die ganz neu anfängt, jeweils ihre Liebe für den Job angemerkt und in einer Zeit, wo nur noch viele arbeiten, um Geld zu verdienen, ist es schön, dass beide etwas gefunden haben, was sie auch wirklich lieben.

Am spannendsten war aber definitiv die Verarbeitung der Thematik, als die Beziehung der beiden aufgeflogen ist, denn sie waren ganz klar in eine schwierige Position gebracht worden. Machtmissbrauch, angebliches Hochschlafen der Frau, so viele Themen sind hier untergebracht und interessant angegangen worden. Aber positiv war auch, dass es nicht statisch geblieben ist, sondern dass in ernste Themen immer viel Persönliches eingebaut wurde, so auch Matthews Fehde mit seinem Mitarbeiter, die weit zurückreicht, die aber schön aufgearbeitet wurde, ohne dass es dafür ein kitschiges Happy End geben musste. Zwischendurch habe ich mich auch gefragt, wie es nun ausgehen kann und alle gewonnen haben. Eine offensichtliche Lösung schien es nicht zu geben, weswegen ich mit der Endlösung von Stehl mehr als glücklich war. Selbstverwirklichung hin oder her, aber es gibt eben auch gewisse Regeln und dementsprechend ist es doch für alle gut ausgegangen.

Fazit: „Worlds Beyond“ ist möglicherweise mein neuer Liebling von Anabelle Stehl, weil sowohl die Geschichte wieder hochaktuell war, aber auch die Liebesgeschichte mich wirklich berührt und bewegt hat. Eine tolle Kombination und ohne Frage ein grandioses Ende für die gesamte Worlds-Reihe.

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Veröffentlicht am 09.07.2022

Wieder mal Bourne par exellence

Sexy, lustig, charmant, cool ... Fake
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Von Holly Bourne habe ich nahezu alles gelesen, was bislang auf den deutschen Buchmarkt gekommen ist, aber mir ist bewusst, dass sie im Endeffekt doch eher ein Geheimtipp ist. Bourne schreibt etwas provokant, ...

Von Holly Bourne habe ich nahezu alles gelesen, was bislang auf den deutschen Buchmarkt gekommen ist, aber mir ist bewusst, dass sie im Endeffekt doch eher ein Geheimtipp ist. Bourne schreibt etwas provokant, ist überzeugte Feministin und treibt es dafür auch gerne mal auf die Spitze, um ihren Standpunkt bewusst zu machen. Vielleicht werden einige sogar vorher abbrechen, weil man die Bücher auch als männerfeindlich bezeichnen könnte, aber das wäre definitiv eine Fehleinschätzung und das zeigt sich auch erstklassig bei ihrem neusten Buch „Sexy, lustig, Charmant, cool … Fake“.

In dem Buch geht es um April, eine wirklich absolut durchschnittliche Frau. Das ist nämlich ein Aspekt, den ich bei Bourne auch immer sehr schätze, dass es bei ihren Figuren nie um Perfektion geht und das ist auch wichtig, wenn man bedenkt, dass die Männer oft nicht gut wegkommen, denn kommen es überhaupt die Frauen? Nein, Bourne lässt ganz deutlich anspielen, dass wir alles Menschen sind, dass wir alle unsere Päckchen zu tragen haben und da treffen auch mal zwei Menschen aufeinander, die überhaupt nicht zueinander passen und das Hässliche ineinander zum Vorschein bringen. Dennoch heißt es nicht, dass sie generell ‚hässlich‘ sind, sondern es heißt nur, dass wir alle eine Reise mit Hoch und Tiefs bestreiten. Bourne präsentiert das nun aus der Sicht von April, die durchgängig durch die Ich-Perspektive begleitet wird, was zwangsweise natürlich Sympathien kreiert, weil wir mit ihr mittendrin sind. Dennoch ist nicht zu behaupten, dass April als Heldin inszeniert wird oder Ähnliches. Stattdessen ist sie eine tief traumatisierte Frau, die die große Liebe sucht, dabei an die für sich falschen Männer gerät und glaubt, dass es an ihr liegt.

Genau das ist nun die Ausgangslage und welche Frau kann sich nun nicht in April wiedererkennen? Aber fassen wir es gerne auch noch weiter, weil es umgekehrt Männer natürlich genauso geht, auch hier sind Exemplare auf der Suche nach einer festen Beziehung, doch es soll nicht sein. Natürlich spielt Bourne wieder viel mit Klischees, aber dennoch bricht sie damit auch immer wieder, weil für keiner ihrer Figuren etwas zu planen ist und das gefällt mir eben so großartig, alle bekommen wegen unterschiedlichen Dingen ihr Fett weg, aber im Endeffekt dringt es irgendwann in den Kern der Gefühle vor und dort sind dann die ganz individuellen Menschen und alle haben ihre eigene Geschichte. Deswegen ist es natürlich auch so, dass die Liebesgeschichte zwischen April und Joshua keine ist, die einen vor Romantik von den Füßen haut, aber dafür ist sie einfach herrlich realistisch. Joshua ruft nämlich wirklich Skepsis hervor, aber gleichzeitig ist man sich bewusst, dass man ihn durch Aprils Brille kennenlernt und diese ist wegen ihrer Erfahrungen zwangsweise negativ. Parallel hat man auch April, bei der man natürlich von der Güte ihres Herzens weiß, aber man erlebt live mit, wie sie ihre Fehler macht und damit andere und sich selbst manipuliert und dadurch ist es bis zu ihrem Happy End wirklich ein weiter Weg. Auch wenn man nicht nägelkauend mitfiebert, aber gleichzeitig spürt man irgendwann, dass sie wirklich richtig füreinander sind und würde April gerne schütteln und deswegen ist es ganz anderes Gefühl von Erleichterung, als endlich alles in die richtigen Bahnen läuft.

Ich fand es auch gut, dass sich Bourne hier der Thematik toxischer Beziehung und Vergewaltigung annimmt. So ein schweres Thema habe ich bislang bei ihr so noch nicht erlebt, aber es passt, auch weil durch ihren Job und schließlich die Boxgruppe, die sie aufsucht, ein guter Umgang damit stattfindet. Auch wenn April professionell jeden Tag mit harten Themen arbeitet, aber sie hat ihr Trauma definitiv noch nicht überwunden und das spielt natürlich auch viel in ihre Denkweise über Männer hinein, wieder so eine Ebene, die man erst aufdecken muss. Zudem wird auch dargestellt, dass das Sexleben nicht unbedingt einfach so weitergehen kann, dass es auch medizinische Indikationen gibt. All das ist hier unaufgeregt eingebaut und wird definitiv zur Normalisierung solcher Themen beisteuern.

Fazit: „Sexy, lustig, Charmant, cool … Fake“ ist wieder ein typisches Bourne-Buch, was für ein riesiges Kompliment steht. Gleichzeitig ist es aber ihr bislang tiefsinnigstes, bei dem sie aber dennoch den bissigen Humor weiterhin beibehält. Es mag auf den ersten Blick zu feministisch und männerfeindlich sein, aber das würde es einfach verkennen. Hier muss man wirklich hinter die Fassade blicken, um Bournes große Qualitäten wirklich verstehen und genießen zu können. Ich spreche eine große Leseempfehlung aus, aber mir ist bewusst, dass sie definitiv kein Mainstream ist.

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