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Veröffentlicht am 25.08.2023

Große Gefühle in Paris

Heartstopper Volume 3 (deutsche Hardcover-Ausgabe)
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Nachdem ich durch die süße Serie „Heartstopper“ auf Netflix auf Alice Oseman aufmerksam geworden bin, habe ich von ihr bislang nahezu alles gelesen. Nur die Graphic Novels wollte ich nicht schon vorablesen, ...

Nachdem ich durch die süße Serie „Heartstopper“ auf Netflix auf Alice Oseman aufmerksam geworden bin, habe ich von ihr bislang nahezu alles gelesen. Nur die Graphic Novels wollte ich nicht schon vorablesen, da mir die Serie so gut gefallen hat, dass ich mich mehr überraschen lassen wollte. Nun ist Staffel 2 angelaufen, weswegen ich die Volume 3 jetzt gelesen habe.

Während mir bei Volume 1 aufgefallen war, dass Charlie und Nick sehr präsent sind und andere Figuren gar nicht so viel Raum wie in der Serie haben, hat es mir gut gefallen, dass sich Volume 3 mehr aufgeteilt anfühlt. Es ist immer noch in der Hauptsache die Liebesgeschichte von Charlie und Nick, aber immer wieder angereichert durch andere Ereignisse, die ihnen auch selbst eine Erkenntnis verschaffen. Die beiden Jungs sind aber auch wirklich süß und immer wieder muss ich feststellen, wie echt ihre Geschichte wirkt und dass sie so auch bei mir nur durch Bilder unterstützt ankommt. Durch die Serie war ich ja auch schon vorgewarnt, aber ich finde es wirklich toll, dass Oseman so viel Tiefe einbringt und sich auch an komplexere Themen, angelehnt an mentale Gesundheit, heranwagt. Schließlich hat die Serie die Herzen der Fans durch das Süße und Unbeholfene erobert. Dementsprechend war es ein Risiko, besonders Charlie näher zu begutachten und somit auch Triggerwarnungen zu benötigen. Diese sind aber auch in der Stilistik der Graphic Novel sehr gut rübergekommen, wobei mir speziell auch die Recherchen zu den einzelnen Themen, die stichpunktartig zumindest zu lesen sind, gefallen haben. Im Grunde also triggern und anschließendes Helfen in einem. Das ist eine gute Sache, weil sich die Thematik besonders an Jugendliche richtet, die einen sensiblen Umgang hierzu brauchen.

Ich habe die Volume 3 aber auch so gerne gelesen, weil sie der Serie wirklich sehr ähnlich ist. Genau deswegen ist mir aber auch wieder aufgefallen, dass die Serie zuerst schauen eine clevere Wahl ist, weil ich so bei der Graphic Novel noch mehr entdecken und mich konzentrierter fokussieren kann, weil ich nicht übertrieben verführt werde, schnell schnell weiter zu lesen. Denn die einzelnen Seiten sind wirklich von so vielen Details gespickt, dass man sich die Graphic Novel wirklich gut mehrfach durchlesen kann, weil man immer etwas Neues entdecken wird. Speziell hat mir natürlich der Anteil mit Paris gefallen, weil ich selbst schon öfters vor Ort war, auch im schulischen Umfeld, und so vieles wiedererkennen konnte. Aber auch so haben Schulausflüge immer eine besondere Stimmung, und das ist atmosphärisch gut aufgefangen worden. Aber auch beim Rest habe ich viel wiedererkennen können. Kleinere Unterschiede gab es natürlich, aber da konnte ich rückblickend auch verstehen, warum die Serie einen anderen Weg eingeschlagen hat. Das Positive ist auf jeden Fall, dass Abweichungen in Graphic Novel und Serie dennoch für beide Seiten Sinn ergeben.

Alles in allem zeigt sich mir wieder, dass Oseman eine Autorin ist, die inhaltlich viel anzubieten hat. Sie hat mit ihren Graphic Novels etwas geschaffen, das die Menschen berührt und mit der Serienadaption fängt man einfach noch mehr Menschen ein. Dadurch dass sich jetzt auch Volume drei weiter für die Nebenfiguren öffnet, können auch immer mehr ihre eigene Geschichte entdecken. Auch wenn mir manches mal ein wenig die Vorstellungskraft fehlt, lösen diese Geschichten ein Bild und Schrift festgehalten etwas in mir aus.

Fazit: Volume 3 von "Heartstopper" zeigt eine Weiterentwicklung an, weil sich Oseman auch anderen Figuren vermehrt widmet, so dass die präsentierten Geschichten immer vielfältiger werden. Serienfans werden vieles wiedererkennen, aber sie bekommen auch viele nette Gimmicks hinten drauf, was es zu einem besonderen Leseerlebnis macht.

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Veröffentlicht am 25.08.2023

Chinesische Tee-Magie

A Magic Steeped in Poison – Was uns verwundbar macht
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Als „A Magic Steeped in Poison“ angekündigt worden ist, ist mir das Cover vielfältig online begegnet. Ich fand es auch sofort reizvoll, dass ersichtlich war, dass es um die chinesische Kultur gehen würde. ...

Als „A Magic Steeped in Poison“ angekündigt worden ist, ist mir das Cover vielfältig online begegnet. Ich fand es auch sofort reizvoll, dass ersichtlich war, dass es um die chinesische Kultur gehen würde. Ich liebe es nämlich sehr, andere Kulturen über spannende Romane kennenzulernen. Vielleicht habe ich unbewusst mit dem Lesen gewartet, weil eine Dilogie angekündigt wurde. Band Zwei ist nun erschienen, so dass ich die beiden relativ zeitnah hintereinander weg lesen kann. Aber wie hat mir der Auftakt gefallen?

Zunächst einmal finde ich die gesamte Idee der Tee-Magier sehr spannend. Tee kann man bekanntlich viel aus England und eben aus China, so dass die Verbindung wirklich sehr gut passt. Ich musste auch daran denken, dass sich Schulmedizin und andere Bereiche, die eher über die Heilkräfte der Natur kommen, sich oft so unwiderruflich gegenüberstehen. Ich glaube selbst, dass sich diese gegenüberliegenden Seiten nicht ausschließen müssen und dass es oft auch auf einen selbst ankommt, ob man für Heilung bereit ist und daran glaubt. Natürlich sind hier die Heilkräfte der Natur durch Fantasy noch einmal betont, aber ich fand es dennoch nicht unrealistisch, sondern eher als sanfte Übertreibung, die tief in der chinesischen Kultur verwurzelt ist. Zwar hätte ich mir auf jeden Fall gewünscht, dass die einzelnen Fähigkeiten der Magier und ihre Möglichkeiten etwas systematischer vorgestellt worden wären, aber ich fand die einzelnen Ideen, wie man mit verschiedenen Pflanzen verschiedene Tees mit verschiedenen Wirkungen erzeugen kann und wie der Magier dadurch sinnbildlich eine Beziehung zu seinem Patienten eingeht. Die einzelnen Bilder dazu fand ich sehr aussagekräftig und ich habe dazu auch nirgendwo schon was ähnliches gelesen. Da es bekanntlich noch einen zweiten Band gibt, bin ich sehr gespannt, was wir von dieser Welt noch lernen können, denn sie hat wirklich großes Potenzial.

Positiv war sicherlich auch der schnelle Einstieg, denn ehe wir uns versehen, stürzt sich Ning ins große Abenteuer, indem sie in die Hauptstadt reist. Die Entscheidung ist sicherlich etwas impulsiv und wäre unter anderen Umständen vielleicht gar nicht passiert, aber wo sie ihre Schwester leiden sieht, da setzt sich in ihr die Überzeugung fest, dass sie nur die entsprechenden Leute oder Möglichkeiten kennenlernen muss, um Shu retten zu können. Nings Mutter war eine begnadete Magierin, ist aber getötet worden, was die Situation doppelt persönlich macht. Dadurch habe ich mich sehr schnell mit Ning identifizieren können, weil sie eben großen Schmerz empfindet und das irgendwie verarbeiten muss. Es blitzt auch durch, dass sie nie selbst so recht an ihre Fähigkeiten geglaubt hat, obwohl sie immer schon genug Fähigkeiten in sich hatte. Ich mag solche Protagonisten, die in sich viel Potenzial haben, aber nicht selbst an sich glauben und erst durch eine extreme Situation sich selbst kennenlernen. Das ist eine sehr realistische Darstellung, da es den meisten so geht.

In solchen Romanen sind Wettkämpfe immer ein interessantes Setting, weil sie viel Spannung, Herausforderung und Überraschungen bieten. Aber es war gut, dass das nicht der einzige Fokus des Buches ist, weil die Geschichte so reicher an unterschiedlichen Handlungen ist. Mit den einzelnen Herausforderungen hat man deutlich gemerkt, dass Ning immer wieder über sich hinauswachsen und auch viel Mut beweisen musste, weil sie sich mit dem Leben in der Großstadt nicht auskennt und daher in diverse Fettnäpfchen getreten ist. Da hat mir dann speziell auch gefallen, dass Ning nie verschüchtert wirkte, sondern eine bodenständige innere Einkehr hat, für die sie bedingungslos eintritt. Weiterer Pluspunkt ist sicherlich auch, dass es mit Kang - nennen wir es vorsichtig - eine Liebesgeschichte gib, die sich dennoch nicht unangenehm in den Vordergrund drängt. Das ist ja leider öfters das Problem, dass die Frau etwas kopflos wirkt, wenn sie sich verliebt hat. Hier war es eher gleichberechtigt: beide fanden sich auf Anhieb interessant, beide haben sich aber auch misstraut, so dass manches impulsiv und anderes wiederum sehr rational war. Am Ende würde ich sogar sagen, dass all die Beziehungen, die Ning zu dem ersten Band eingeht, relativ gleichberechtigt sind. Das macht einen abwechslungsreichen Roman aus, der immer wieder überraschen kann.

Im Grunde gibt es einen großen Hauptzweig der Handlung, doch viele kleine Aspekte spielen da zusammen rein. Das finde ich geschickt gemacht, weil eben nicht nur in der Hauptstadt alles auf dem Spiel steht, sondern weil es das gesamte Reich betrifft und alle irgendwie damit zu tun haben. Dadurch gibt es natürlich mit den Verbindungen viel zu entdecken. Parallel ist aber auch der Einfluss des Politischen sehr groß und es ist deutlich zu merken, dass die entscheidenden Machtspielchen erst im zweiten Band richtig zur Geltung kommen werden. Da bereitet der erste Band gut vor, ohne aber nur diese Funktion zu haben. Denn es passiert eben auch so schon genug an Abenteuern und Herausforderungen, die gut durch den Roman treiben. Daher finde ich es auch gut, dass es nur noch einen weiteren Band geben wird, weil ich schon jetzt den Eindruck habe, dass es ein gut durchdachtes Konzept gibt, was zu einem zufriedenstellenden Ende führen wird. Schon der Ausgang dieses Bandes ist recht offen und absolut spannend angelegt, sogleich gibt es immer noch viele Möglichkeiten, wie die Erzählung weitergehen kann.

Fazit: „A Magic Steeped in Poison“ ist auf eine unterhaltsame Art und Weise ein guter Einblick in die chinesische Kultur, wo ich mich schon fast scheue, wirklich von Fantasy zu sprechen, weil es sich sehr natürlich und überzeugend anfühlt. Das Thema des Buches ist sehr interessant und mit einer starken Protagonistin an der Hand hat sich das Buch toll weglesen lassen. Ich freue mich schon auf den Abschluss.

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Veröffentlicht am 19.07.2023

Zwei Seiten einer Medaille tiefgründig dargestellt

I Was Born for This (deutsche Ausgabe)
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„I Was Born For This”, ein Alice Oseman-Roman aus dem Jahr 2018, ist nun auch endlich in die deutsche Sprache übersetzt worden und angesichts der faszinierenden Themen, die die junge Autorin bislang für ...

„I Was Born For This”, ein Alice Oseman-Roman aus dem Jahr 2018, ist nun auch endlich in die deutsche Sprache übersetzt worden und angesichts der faszinierenden Themen, die die junge Autorin bislang für Jugendliche und junge Erwachsene konzipiert hat, bin ich immer wieder neu gespannt, was sie sich diesmal ausgedacht hat. Diesmal haben wir zwei Teilgeschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die dann aber zusammengeführt werden, dennoch jeweils für sich etwas ganz Eigenes erzählen.

Würde man den Klappentext sonst lesen, würde man wahrscheinlich vermuten, ah, Rockstar-Romance. Angel schwärmt für Musiker Jimmy und hat die zufällige Begegnung mit ihm, die für beide eine stürmische Liebesgeschichte auslöst. Aber nein, Oseman macht kein Standard, weswegen „I Was Born For This” eine ganz andere Geschichte erzählt, bzw. wie eingangs erwähnt gleich zwei Geschichten. Fangen wir bei Angel an, die ihr Leben als völlig durchschnittlich empfindet und nur so gerade eben einen durchschnittlichen Abschluss geschafft hat. Doch das Leben will sie hinter sich lassen und sie lebt voll und ganz für The Ark, die Rockband, die sie ganz in ihren Anfängen entdeckt hat und die sie über all die Jahre hinweg begleitet hat. Es sind aber nicht nur sie und ihre Musik und Texte, sondern es ist auch die Fangemeinschaft, die ihr endlich Zugehörigkeit lehrt und sie voll und ganz ausfüllt. Ich fand das Thema Fan-Dasein hier extrem spannend verarbeitet, denn es werden die düsteren sowie die positiven Seiten gleichermaßen beleuchtet, aber es wird auch erklärt, was es für Fans eben bedeutet, eine solche Leidenschaft zu haben und wie es Lebensretter und Stoppschild zugleich sein kann. Ich fand das Thema aber auch deswegen so interessant, weil „Heartstopper“-Hauptdarsteller Kit Connor sich aufgrund der Fangemeinschaft outen musste. Oseman hatte dieses Buch zwar schon davor geschrieben, aber so ist es quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung geworden, was auch wieder beweist, wie nah Oseman an den Themen ist und wie realistisch sie sie rüberbringt.

Angel ist eben der Fan und ich fand sie sehr authentisch dargestellt, denn sie hat sich durch die Band etwas aufgebaut, was sie von ihrem High School-Leben und auch von zuhause so nicht kannte. Auf die Band konnte sie zwischenmenschliche Beziehungen projizieren, die sie selbst noch nicht kennt, sich aber erträumt und in der Gemeinschaft entdeckt sie Ansätze von dem und das Konzert bietet die Möglichkeit, diese endlich auch im realen Leben auszuleben. Dennoch war bei Angel sehr wichtig, dass sie einen inneren Kompass hat und es wird verdeutlich, dass es ihr Glauben ist. Ich hatte, nachdem angedeutet worden war, dass sowohl Angel als auch Jimmy gläubige Menschen sind, vermutet, dass es ein großes Thema war. Das war es nun nicht, aber unterschwellig eben schon, denn es ging darum, dass jeder an etwas glauben muss und will und wenn es kein religiöser Glaube ist, dann ist es eben ein Schauspieler, eine Band etc. Angel hat aber ihren Glauben, sie hat schon eine Erdung, selbst wenn sie das nicht immer so empfinden kann. Dadurch weiß sie aber auch Grenzen einzuhalten, weswegen sie, als sie als Fan auf die Band trifft, als Fan quasi wegtritt und als Mensch agiert. Sie erkennt, Jimmy und seine Bandkollegen sind wie sie selbst und so kann sie sich immer mehr dem realen Leben stellen.

Ebenso wichtig war aber auch die Geschichte von Jimmy, der Themen wie Depressionen und Angststörungen mit sich bringt, aber auch die gesamte Band repräsentiert die Schattenseiten des Ruhmes. Es war dann auch das völlige Gegenteil, wie das Fan-Dasein betrachtet wird. Nach draußen wird immer wieder betont, dass alle Fans geliebt werden, denn ohne sie wären sie eben nichts, aber innerlich existiert eine Heidenangst. Innerlich gibt es auch Vorwürfe, weil man kaum das wirklich eigene Leben kann, sondern nur das, was von den Fans auf sie projiziert wurde. Auch hier war es aber wichtig, dass es nicht einseitig negativ war, sondern dass sie Band dann in Angel und Juliet andere ‚Fans‘ kennenlernen. Ich fand diese Zusammenführung der Geschichten und dass es nie eine Liebesgeschichte war, echt toll und ich bin regelrecht durch das Buch geflogen. Vermutlich meine schnellste Lektüre des Jahres, weil es so gut war. „Loveless“ bleibt zwar unerreicht, aber „I Was Born For This“ ist auch sehr wichtig und sehr gut gemacht.

Fazit: „I Was Born For This” ist keine Rockstar-Romance, sondern es werden zwei Geschichten erzählt, die quasi zwei Seiten einer Medaille sind: berühmt und Fan sein, aber drum herum wurde noch viel mehr verpackt. Bei der Vielfalt und bei der Tiefgründigkeit konnte ich wieder nicht aufhören.

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Veröffentlicht am 15.05.2023

Dank geringerer Zeitsprünge das Highlight der Reihe

The Last Piece of His Heart
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Mit „The Last Piece of His Heart” endet bereits wieder die Lost Boys-Reihe von Emma Scott. Die Grundlage fand ich immer schon sehr ansprechend, aber ich habe mich mit den ersten Bänden vor allem dann schwer ...

Mit „The Last Piece of His Heart” endet bereits wieder die Lost Boys-Reihe von Emma Scott. Die Grundlage fand ich immer schon sehr ansprechend, aber ich habe mich mit den ersten Bänden vor allem dann schwer getan, wenn es an Zeitsprünge ging, die der Geschichte eine gehörige Portion Emotionalität genommen haben. Das war eben deswegen so bedauerlich, weil Scott und ihre Erzählweise eben von diesen Gefühlen lebt. Nun war ich gespannt, wie ich es beim letzten Band erleben würde und ich muss sagen: das Beste kommt zum Schluss!

Da die drei Bände ja nahezu parallel gespielt haben und sich nicht wie in anderen Reihen die Liebesgeschichten brav aneinander reihen, war es manches Mal schon eine Qual, schon so viel angedeutet zu bekommen und aber von den eigentlichen Antworten zeitlich noch arg entfernt zu sein. Aber es war eher eine bittersüße Qual, manchmal ärgerlich, aber eben auch spannungsaufbauend und ließ im Kopf viel Platz um sich seine eigenen Gedanken zu machen. Nun sind wir aber endlich bei der Geschichte von Ronan und Shiloh angekommen und sie ist alleine schon die Beste, weil hier die wenigstens Zeitsprünge gemacht wurden. Das war wirklich extrem angenehm. Zwar vergeht auch über diesen Abschlussband viel Zeit, insgesamt etwa vier Jahre, würde ich sagen, aber es ist viel natürlicher verteilt worden. Es wirkte auch nicht so, als müsste ein Cut gemacht werden, sondern wenn Ronan und Shiloh zwischendurch Abstand hatten, dann lag es immer in ihren Charakteren begründet. Deswegen musste man sich nicht immer neu orientieren, sondern es war eher eine organische Folge, dass nach längerer Funkstille der Kontakt wieder in Gang kommt.

Über Ronan wussten wir im Verhältnis mehr als über Shiloh, aber letztlich haben wir auch über ihn noch unheimlich viel gelernt und er ist von den drei Jungs spielerisch leicht meine Nummer 1 geworden. Er ist körperlich wohl der größte und einschüchternde, aber genau deswegen erschien er mir umso sanfter. Sein Schicksal hat mir wehgetan, aber es hat mich eben auch beeindruckt, wie er trotz der allzeit präsenten Angst wie sein Vater zu sein dennoch auf eine zurückhaltende Art immer sein Herz hat sprechen lassen. Das hat man dann nicht nur im Umgang mit Miller und Holden und eben Shiloh gemerkt, sondern auch mit den Mietern, die er auf seine Art vor seinem Onkel abgeschirmt hat. Ja, die Gewalt ist ein Teil seiner Ausdrucksform, aber man hat dennoch gemerkt, dass er so sich nicht gerne zum Ausdruck bringt und das hat mich berührt. Über Shiloh haben wir so unendlich viel gelernt. Als Freundin von Violet hat man sich wirklich nur ein unzureichendes Bild von ihr machen können. Zwar war sie mir auch da schon sympathisch, aber dennoch war es noch einmal ganz anders, sie nun wirklich aus ihrer Perspektive kennenzulernen. Auch sie mochte ich am Ende am liebsten. Auch wenn ich sagen muss, dass das Geheimnis rund um ihren Vater zu klar und offensichtlich war und ich mir manches Mal echt dachte: warum kann Shiloh diese Möglichkeit noch nicht mal denken? Aber das ist am Ende nur ein kleiner Aspekt, der für einen Dramazwischenspurt gebraucht wird.

Ansonsten ergänzen sich Ronan und Shiloh einfach so wunderbar und spätestens als sie weiß, wie sie gezeugt wurde, sind die Parallelen noch offensichtlicher. Da hatte Ronan seinen stärksten Moment im ganzen Buch, weil er die Parallelen angesprochen hat und dadurch ableiten konnte, dass sie eben genau deswegen füreinander da sein können, weil sie die Überzeugung, nicht liebenswert zu sein, als absurd vom jeweilig anderen gespiegelt bekommen. Mir hat in diesem Band auch die Gruppe an Nebenfiguren sehr gefallen. In den ersten beiden Bänden gab es sie zwar immer schon füreinander, aber die jeweiligen Pärchen steckten sonst oft in einem richtig üblen Umfeld fest. Da war es schön, dass Shiloh so eine tolle Urgroßmutter sowie Onkel/Tante/Cousine hat, was die Enttäuschung durch ihre Mutter aufgefangen hat. Bei Ronan war es dann eben die Mieterin mit ihren Zwillingen und die Lost Boys. Trotz der kriminellen Energie durch andere Nebenfiguren war es atmosphärisch mehr von Zusammenhalt und Optimismus geprägt. Den größten Zeitsprung übersteht das Buch am Ende auch überzeugend. Auch hier hat mich alles überzeugt. Wirklich ein richtig runder Abschluss und hier hat Emma Scott das meiste richtig gemacht.

Fazit: „The Last Piece of His Heart” ist definitiv der Band der Reihe, der mich am meisten berühren und mitreißen konnte. Da die Zeitsprünge hier nicht so ausgiebig genutzt wurden, konnte sich die Liebesgeschichte besser im Jetzt entwickeln und da ist alles zur Geltung gekommen, was ich von seiner Handlung brauche. Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Spannunsgeladen bis zum Ende

One of the Girls
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Von Lucy Clarke hatte ich bislang nicht gelesen, aber im britischen Fernsehen werden wohl zunehmend Adaptionen zu ihren Büchern vorangetrieben, was ich immer einen spannenden Faktor finde. Wenn ich mir ...

Von Lucy Clarke hatte ich bislang nicht gelesen, aber im britischen Fernsehen werden wohl zunehmend Adaptionen zu ihren Büchern vorangetrieben, was ich immer einen spannenden Faktor finde. Wenn ich mir nun ihr bisheriges Portfolio anschaue, dann fällt ins Auge, dass sie Liebesgeschichten offenbar genauso zu bedienen mag wie Spannungsliteratur oder tatsächlich auch Thriller. Das finde ich ebenfalls einen spannenden Balanceakt, denn die Schreibprozesse und die jeweiligen Anforderungen werden da doch schon unterschiedlich sein. Bei „One of the Girls“ habe ich nun zugeschlagen und ich würde sagen, dass Clarke hier einen Spannungsroman mit sehr starken Charakterentwicklungen abliefert, aber schauen wir uns das im Detail näher an.

Zunächst will ich noch ein paar Worte zu dem Marketing des Buchs verlieren. Ich finde es schon problematisch, dass das Ende des Buchs so offensiv im Klappentext schon angekündigt wird. Auch wenn es im Buch die Zwischenkapitel gibt, die etwas Schreckliches am Ende ankündigen, so bewerte ich das doch völlig anders als den Klappentext. Ich verstehe, dass natürlich dieser Thrill-Aspekt sich sehr gut vermarkten lässt und dass er vielleicht auch die Zielgruppe erweitert, aber dennoch führt sowas schnell in die Irre, denn ein klassischer Thriller ist es nicht, wahrlich nicht. Angesichts des Marketings ist es ein absolutes Plus, dass „One of the Girls“ tatsächlich durchgängig sehr spannend erzählt ist. Es ist kein an den Nägeln knabbern wert, denn die Spannung entsteht nicht dadurch, dass irgendetwas Gruseliges passiert oder man mitten in einer wilden Ermittlung steckt. Stattdessen hat mich gereizt, dass es sechs sehr unterschiedliche Frauenfiguren sind, die alle mit Geheimnissen im Gepäck angereist sind. Die Geschichte ist auch aus allen Perspektiven erzählt worden und meistens war es dann der letzte Satz des Kapitels, der Andeutungen machte und wo man unbedingt mehr erfahren wollte. Das ist eben so wichtig, weil es ansonsten vor allem eine Charakterstudie ist und ich weiß aus jahrelanger Erfahrung in Büchercommunities, dass das nicht immer gut ankommt.

Nun aber nach dieser Kritik zum Marketing ab zum Eintauchen in die Geschichte. Mir hat die Frauenvielfalt so gefallen, weil ich auch eine starke feministische Perspektive wahrgenommen habe. So ging es aber nicht darum, dass sechs Frauen sich gegen die Männerschaft verschwören, stattdessen waren es so unterschiedlichen Typen, dass sie erst ihre Baustellen untereinander aus dem Weg räumen mussten, um den Wert aneinander zu erkennen und umzudenken. Das fand ich spannend, weil es zu Beginn nicht ersichtlich war, worauf „One of the Girls“ genau hinarbeitet. Die sechs Frauen helfen aber natürlich auch, dass man auf jeden Fall eine Figur findet, mit der man sich identifizieren kann. Ich fand Robyn und Eleanor wohl am nachvollziehbarsten, aber insgesamt war es auch so positiv, dass ich selbst bei einer so ‚nervigen‘ Figur wie Bella dennoch genug angeboten bekommen habe, dass ich sie näher kennenlernen wollte, um sie besser verstehen zu können. Das schaffen Autoren nicht immer und dann habe ich keine Chance, aber auch wenn die Stimmung sich immer änderte, wenn Bella aufschlug und sich einmischte, so war sie am Ende doch die größte Überraschung für mich. Insgesamt würde ich auch sagen, dass ich zu allen sechs Figuren ausgiebig diskutieren könnte, weil ich zu allen so viel angeboten bekommen haben. Das war tatsächlich das große Highlight, im übertriebenen Sinne, sechs neue Freundinnen gewonnen zu haben.

Der Schreibstil ist aber eben auch wichtig, weil dieses Entdecken der Geheimnisse entscheidend dazu beiträgt, immer nur weiterlesen zu wollen. Man will endlich alle Aufklärungen haben. Weiterer großer Pluspunkt: das Ende hält den Erwartungen stand. Es war total interessant und ja oft auch überraschend, wie die einzelnen Frauen in einem Zusammenhang standen, ohne es zu wissen. Dazu dann eben der Showdown, der so auch nicht im Vorfeld zu erahnen war, und es kommt ein Gesamtkunstwerk zustande, das ich wirklich nur empfehlen kann.

Zuletzt will ich noch einige Worte verlieren, weil ich „One of the Girls“ als Hörbuch konsumiert habe. Als schon angekündigt wurde, dass es mit Julia von Tettenborn und Corinna Dorenkamp gleich zwei Sprecherinnen geben wird, war ich gespannt, wie das gestaltet wird. Während ich beide Sprecherinnen loben will, so hadere ich immer noch etwas, ob man das Hörbuch nicht doch etwas anders hätten gestalten können. Julia von Tettenborn liest nämlich alle sechs Perspektiven, während Dorenkamp die Kapitel hat, die aus der ‚Wir‘-Perspektive sind. Die Unterscheidung hätte ich nicht unbedingt gebraucht, während ich als Hörerin aber bei gleich sechs Frauenfiguren lieber eine stimmliche Markierung für den Wechsel gehabt hätte. Es wird zwar immer schnell das erste Mal der Name der Frau genannt, aus deren Sicht nun erzählt wird, aber als Leserin hat man ja noch eine ganz andere optische Möglichkeit der Orientierung. Das hat mir etwas gefehlt, auch weil ich nicht unbedingt den Eindruck hatte, dass Tettenborn jeder Figur etwas ganz Eigenes mitgeben konnte. Sechs Sprecherinnen wären wahrscheinlich auch zu teuer gewesen, aber das fiel mir eben auf. Die Stimmen an sich top gewählt.

Fazit: „One of the Girls“ ist ein wirklich sehr empfehlenswerter Spannungsroman, der es geschickt schafft, bei gleich sechs Frauenfiguren tiefenpsychologisch einzusteigen. Dazu gibt es Geheimnisse und Verwicklungen genug, die sich nicht gleich zu Beginn erahnen lassen und die dadurch Spannung bis zum Schluss garantieren.

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