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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.08.2021

Cold Case?

Spätsommermord
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Um der internen Ermittlung im Zusammenhang mit dem Tod ihres Ex-Mannes zu entgehen, zieht die erfolgreiche Stockholmer Ermittlerin Anna gemeinsam mit ihrer Tochter in das ländliche Südschweden. Dort wird ...

Um der internen Ermittlung im Zusammenhang mit dem Tod ihres Ex-Mannes zu entgehen, zieht die erfolgreiche Stockholmer Ermittlerin Anna gemeinsam mit ihrer Tochter in das ländliche Südschweden. Dort wird sie mit einer 27 Jahre alten Tragödie konfrontiert: Fünf Freunde feierten das Ende ihrer Schulzeit an einem See. Am Morgen lag einer von ihnen tot im Wasser. Annas Vermieterin ist die Mutter des Opfers, Annas Vorgänger der Vater eines der anderen Jugendlichen. Als ein weiterer Todesfall passiert, sieht sich Anna zwischen allen Fronten und in Gefahr.

Mein Eindruck:
Dieses Buch hat Anders de la Motte großartig entwickelt. Es beginnt ruhig wie der sprichwörtliche Mühlenteich (okay, hier geht es um einen See im Steinbruch), um dann Untiefen und Strömungen zu entwickeln.
Gut gefallen seine Charaktere, - die Protagonistin Anna ist nicht perfekt, gibt aber nie klein bei, ohne dabei arrogant zu werden. Und auch die begleitenden Personen machen Spaß, da sie sehr vielfältig und mit Tiefe angelegt sind und ihre Entwicklung – insbesondere für die am ersten Todesfall Beteiligten – nachvollziehbar und spannend ist.
De La Motte seziert dabei vor allen Dingen Gefühle und lässt damit seine Figuren leben. Wie für einen Kriminalfall angebracht gibt es zwar spannende und gefährliche Szenen, - blutrünstig wird es aber nie.
Der Schreibstil ist perfekt für ein Buch, auf welches man sich konzentrieren möchte, von dem man aber nicht belehrt werden will: Nicht zu kompliziert, aber nie banal.
Brillant auch das Ende: Überraschend, es wird zwar alles aufgeklärt, trotzdem kommt nicht alles in die Akten, - manchmal ist es eben besser, die harte Realität mit einem sanften Tusche-Schleier zu überziehen.

Mein Fazit:
Sehr stimmige Studie des ländlichen Schwedens

Veröffentlicht am 05.08.2021

Süffig

Rum oder Ehre
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Zum Inhalt:
Vor 20 Jahren ist Christian in die Karibik aufgebrochen, um sein Rum-Wissen zu erweitern. Kurz danach brach der Kontakt zu seinem Bruder Martin in Flensburg ab. Jetzt stirbt Martins bester ...

Zum Inhalt:
Vor 20 Jahren ist Christian in die Karibik aufgebrochen, um sein Rum-Wissen zu erweitern. Kurz danach brach der Kontakt zu seinem Bruder Martin in Flensburg ab. Jetzt stirbt Martins bester Freund Lasse und gibt ihm als Vermächtnis auf den Weg, nach Christian zu suchen. Und so fliegt Martin in die Karibik, nicht wissend, wie viele Hunde er aufschreckt und was Christian alles an offenen Fragen für ihn hinterlassen hat.

Mein Eindruck:
Carsten Sebastian Henn ist ein wunderbarer, hochprozentiger Krimi gelungen, der seine Leserschaft auf eine falsche Fährte nach der nächsten lockt. Dazu nutzt er eine wackere Zahl von Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein können, das Herz aber (zumeist) auf dem rechten Fleck haben. Sein Protagonist tut zwar einerseits verschlossen norddeutsch, wartet aber nur auf die richtigen Momente, um dann doch sehr schnell aufzutauen – dank der karibischen Luft, sympathischer Menschen und einiger hochprozentiger Hilfe. Neben der Handlung im Hier und Jetzt streut der Autor Tagebucheinträge des verschollenen Christians zu den letzten Tagen in Flensburg und seiner Zeit in der Karibik ein. Eine andere Unterbrechung erfolgt mit Rezepten und Wissen zu Rum; - ein Stilelement, das schon bei „Der Gin des Lebens“ Anwendung gefunden hat. Dadurch wird es nicht nur nicht langweilig, - das Buch erhält (insbesondere durch die Rezepte) einen nicht zu verachtenden Wert im geschmacklichen Abgang: Schließlich wollen Neugierde und Geschmacksknospen befriedigt werden und man möchte ausprobieren, ob der zitierte Kuchen wirklich so lecker schmeckt oder einen der Cocktail wie versprochen aus den Latschen haut.
Was – neben dem Humor – wirklich gut gefällt, ist die Wahl der einerseits so unterschiedlichen Umgebungen (Flensburg und Karibik) und die Beschreibung der jeweils dort verwurzelten Charaktere mit den beiden Brüdern als Bindeglied, die für sich das Beste aus beiden Welten destillieren.

Mein Fazit:
Ein perfekter Cocktail

Veröffentlicht am 29.07.2021

Matrjoschka

Das Vermächtnis der Orphans
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Zum Inhalt:
Evan Smoak hat beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen, - der Fall von Max soll sein letzter sein. Max hat von seinem Onkel Grant – einem Wirtschaftsprüfer – brisante Informationen über einen ...

Zum Inhalt:
Evan Smoak hat beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen, - der Fall von Max soll sein letzter sein. Max hat von seinem Onkel Grant – einem Wirtschaftsprüfer – brisante Informationen über einen großen Fall der Geldwäsche zugespielt bekommen. Schnell eliminiert Evan die Gruppe, die für Grants Tod verantwortlich ist. Aber Max bleibt im Fadenkreuz und die Geldwäsche zieht wie eine russische Puppe größere Kreise… und noch größere…

Mein Eindruck:
„Das Vermächtnis der Orphans“ ist bereits der fünfte Band um den „Nowhere Man“ Evan Smoak, doch die Serie ist wie guter Wein: Sie wird nicht zu Essig, sondern mit jeder Fassung wohlschmeckender. Und auch, wenn man dieses Buch ohne Kenntnis der Vorgänger lesen könnte, ist es besser, sich auf diese eingelassen zu haben. Sehr viel (böser) Witz ergibt sich aus Vorwissen über die wiederkehrenden Figuren wie seine „töchterliche“ Freundin oder die Charaktere der Hausgemeinschaft. Der Autor Gregg Hurwitz fackelt nicht lange herum, - er wirft seine Leser/innen direkt hinein in einen tiefen Topf atemloser Spannung, gewürzt mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren hüben wie drüben. Sein Hauptcharakter gefällt mit einer Gebrochenheit und dem Willen, das Beste aus der Vergangenheit für die Zukunft zu machen. Dabei kann man sich über manche Eigenarten wunderbar amüsieren, die gerne auch gegenläufig wirken: Beispielsweise der Drang zur Ordnung, der ausgerechnet durch die herzensgute Aufnahme zweier gefährdeter Wesen ad Absurdum geführt wird.
Für mich eine der besten Reihen im Genre Action-Thriller: Gewitzt, gut recherchiert, überraschend.

Mein Fazit:
Der letzte Anruf ist noch nicht das Ende, - was für ein Glück!

Veröffentlicht am 22.07.2021

Gut konstruiert, für einen Thriller nicht genug Spannung

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
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Zum Inhalt:
Elle Castillo betreibt einen True-Crime-Podcast. Ihr neuestes Projekt ist die Reportage über den Countdown-Killer, der vor zwanzig Jahren nach einem Muster Frauen entführt, gefoltert und ermordet ...

Zum Inhalt:
Elle Castillo betreibt einen True-Crime-Podcast. Ihr neuestes Projekt ist die Reportage über den Countdown-Killer, der vor zwanzig Jahren nach einem Muster Frauen entführt, gefoltert und ermordet hat. Dann war Ruhe, - bis jetzt...

Mein Eindruck:
Mir hat insbesondere die Mischung aus Kriminalgeschichte und Podcast gut gefallen. Es wird deutlich, dass Elle sich ihrer Passion verschreibt und später auch, welchen Grund sie dafür hat. Doch was mir bis zum Schluss gefehlt hat, ist ein Sog, der mich dazu bringt, selber mitzufühlen. Bis zum Ende ist man mehr Beobachter als wirklich in der Geschichte versunken. Außerdem nerven die fast schon mathematisch anmutende politische Korrektheit im Zusammenspiel der Personen (jede Ethnie wird bedient) und die Tatkraft der Kinder. Gleich zwei Mädchen im noch-nicht-einmal-Teenager-Alter, zusätzlich durch eine Vergiftung und Nahrungsentzug geschwächt, die sich gegen einen zu allem entschlossenen Erwachsenen behaupten können und gedankliche Weitsicht beweisen, sind ein bisschen viel für einen Krimi. Doch das Buch ist gut entwickelt, es macht Spaß zu lesen, wie sich gewisse Stränge zusammenführen und die Moral von der Geschichte gefällt.
Für ein Erstlingswerk also gut und ausbaufähig. Für das zweite Buch würde ich mir mehr Spannung wünschen und vor allen Dingen mehr Charaktertiefe bei den Personen (wobei mir herzlich egal ist, ob ein Hidschab korrekt sitzt oder jemand sich zum gefühlten fünfzigsten Mal wirklich gut mit dem Computer-Hacking auskennt). Hier hakt es für mein Dafürhalten gewaltig: Schmerz, Angst, Panik, Trauer, - irgendwie alles wie im Nebel, zu watteweich, zu distanziert. Wenn es Möglichkeiten der Ausarbeitung gäbe, wählt die Autorin fast immer die Figur mit Abstand, um die Qualen zu schildern. Ein anderes Mittel ist der Abbruch, um nachher etwas aus der Vergangenheit zu erzählen. Beides kann man machen, - wenn das aber das ausschließlich stilistische Mittel ist, bleibt das Mitfühlen auf der Strecke.

Mein Fazit:
Gutes Konstrukt, jedoch zu wenig Spannung

Veröffentlicht am 19.07.2021

Ein Hoch auf die Familie

Erben wollen sie alle
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Zum Inhalt:
Bianca wohnt in einem schönen Haus auf Mallorca und will - frisch verliebt in Wolfi - zu einer Weltreise starten. Doch da hat sie die Rechnung ohne ihre Kinder Steffen und Anja gemacht, die ...

Zum Inhalt:
Bianca wohnt in einem schönen Haus auf Mallorca und will - frisch verliebt in Wolfi - zu einer Weltreise starten. Doch da hat sie die Rechnung ohne ihre Kinder Steffen und Anja gemacht, die kurz vor Biancas 75. Geburtstag davon erfahren und Angst um ihr Erbe bekommen. Kurzentschlossen fliegen sie mit Steffens Frau Yvonne und Anjas Tochter Louisa nach Mallorca, um dort einige angenehme, aber auch einige unangenehme Wahrheiten zu erfahren und Erlebnisse zu haben.

Mein Eindruck:
Super! Genau das richtige Buch, um selber den Urlaub zu genießen. Ein leichter Schreibstil, ein bisschen Drama, sehr viel Gefühl und ein guter Schuss Fernweh verquirlt Tessa Hennig zu einem Cocktail, der einem die Sonne ins Herz und die Lachfältchen um Mundwinkel und Augen zaubert. Ihre Figuren sind lebensecht, die Ausgangsposition durchaus glaubwürdig und die Umgebung schön gewählt: Mallorca abseits des Ballermanns, mit dem Duft nach Orangen und dem Ausblick auf das Meer. Biancas Familie bietet dazu mit unterschiedlichen Altersklassen und verschiedenen Lebensentwürfen eine Reflexions-Fläche für fast alle Leserinnen (ehrlicherweise eher die Zielgruppe als männliche Bibliophile).
Doch glücklicherweise mixt Hennig einige Spritzer Sand ins Getriebe: Das Altwerden mit den kleinen und großen Herausforderungen, die es bieten kann: Wie lange habe ich noch für meine Träume, werde ich noch einige Jahre selbständig leben können und - als besonders großes Schreckgespenst - Alzheimer, die Geißel unserer Zeit. Doch bei allen Widrigkeiten bleibt der Roman Unterhaltung, die Probleme werden gemeistert, die Liebe und das Leben siegen. Und damit leistet er genau das, was die Seele in der heutigen Zeit benötigt (und im Urlaub sowieso): Ein bisschen Abstand von den Widrigkeiten des Lebens, ein bisschen Aufmunterung in dunkler Zeit.

Mein Fazit:
Perfekte Strand-Lektüre mit Liebe und Humor