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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.11.2022

Die (Ge)Zeiten ändern sich

Zur See
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Auf einer kleinen Nordseeinsel irgendwo zwischen Jütland, Friesland oder Zeeland: Hier ist das Klima rau - und manchmal auch der Umgang der Menschen miteinander. Viele Familien leben hier seit Generationen. ...

Auf einer kleinen Nordseeinsel irgendwo zwischen Jütland, Friesland oder Zeeland: Hier ist das Klima rau - und manchmal auch der Umgang der Menschen miteinander. Viele Familien leben hier seit Generationen. So auch Hanne Sander, ihre drei erwachsenen Kinder und Mann Jens. Aber es gibt auch die Zugezogenen wie der Inselpfarrer.

„Zur See“ ist ein Roman von Dörte Hansen.

Meine Meinung:
14 Kapitel umfasst der Roman, wobei jedes von ihnen den Schwerpunkt auf eine der Figuren legt. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge, allerdings mit diversen Rückblicken. Die Handlung erstreckt sich über etliche Monate.

Sprachlich hat mich der Roman begeistert. Starke, teils ungewöhnliche Bilder, viel Atmosphäre und eindringliche Beschreibungen prägen ihn. Der Schreibstil ist unaufgeregt und dennoch fesselnd. Da lässt es sich auch über die eine und andere allzu pathetische Passage hinwegsehen.

Die Figuren sind eine weitere Stärke des Romans. Die Erzählstimme ist nahe bei den Charakteren und blickt in ihre Seelen. Alle Protagonisten sind mit psychologischer Tiefe ausgestattet. Sie wirken lebensnah und überaus menschlich. Bei ihren Figuren beweist die Autorin, dass sie sich auf Grautöne versteht. Den Finger legt der Roman immer wieder in die Wunden, beleuchtet die Schwächen und Macken. Dennoch: Keine der Personen ist durchweg böse oder missraten.

Thematisch ist die Geschichte sehr facettenreich, ohne zu überladen zu wirken. Es geht um Naturschutz, Tourismus, menschliche Beziehungen, das oft entbehrungsreiche Inselleben und einiges mehr. Erwartungsgemäß nimmt die See breiten Raum ein, jedoch nicht in ihrer romantisierten Version, sondern vielmehr mit ihren Schattenseiten.

Wie schon das Cover vermuten lässt, bietet die Geschichte Tragik und Melancholie. Ein klassischer Spannungsbogen ist nicht vorhanden. Aber mehrere Überraschungen auf den rund 250 Seiten steigern den Lesegenuss.

Der Titel passt hervorragend zum Inhalt. Auch das etwas übertrieben dargestellte Cover spricht mich an.

Mein Fazit:
Mit „Zur See“ hat mich Dörte Hansen zum wiederholten Male überzeugt. Ein Lesehighlight 2022 und ein sehr empfehlenswerter Roman, nicht nur für Inselfans.

Veröffentlicht am 06.11.2022

Das harte Leben am Polarkreis

Das Leuchten der Rentiere
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Winter 2008 am nördlichen Polarkreis: Hier liegt Sápmi, das Land der Samen, der Ureinwohner Skandinaviens. Die neunjährige Elsa, die Tochter eines Rentierbesitzers, wächst auf mit dem Gefühl ständiger ...

Winter 2008 am nördlichen Polarkreis: Hier liegt Sápmi, das Land der Samen, der Ureinwohner Skandinaviens. Die neunjährige Elsa, die Tochter eines Rentierbesitzers, wächst auf mit dem Gefühl ständiger Bedrohung. Eines Tages wird sie Zeugin einer brutalen Tat: Ein Mann tötet ihr geliebtes Rentierkalb. Er droht ihr. Sie darf ihn nicht verraten…

„Das Leuchten der Rentiere“ ist der Debütroman von Ann-Helén Laestadius.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus mehreren Teilen, die wiederum in Kapitel untergliedert sind.
Die Handlung umfasst einige Jahre, beginnend im Jahr 2008, wobei Orts- und Zeitangaben für Orientierung sorgen. Erzählt wird aus der Perspektive von Elsa.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman nicht enttäuscht. Der Schreibstil ist sehr eindrücklich und anschaulich.

Im Mittelpunkt des Romans steht Elsa, eine sympathische und mutige Protagonistin, deren Gefühle sehr gut deutlich werden. Der Charakter wirkt ebenso wie die anderen Figuren authentisch.

Inhaltlich finde ich das Buch sehr wichtig. Es lenkt den Blick auf ein indigenes Volk, das diskriminiert und missachtet wird. Gerne habe ich über die Geschichte, Kultur und Strukturen der Sámi gelesen und so meinen Horizont erweitert. Mich persönlich hat der Roman immer wieder zum Nachdenken angeregt. Das Setting ist zudem sehr reizvoll.

Auf den mehr als 400 Seiten ist die Geschichte trotz des Kriminalfalls nicht durch und durch spannungsgeladen, aber dennoch fesselnd und nicht langatmig.

Den deutschen Titel empfinde ich für den Roman als zu romantisierend und weniger passend als das Original. Ähnliches gilt für das sehr hübsche Cover, das auf einen anderen Inhalt schließen lässt.

Mein Fazit:
„Das Leuchten der Rentiere“ von Ann-Helén Laestadius gehört zu meinen Lesehighlights in diesem Jahr. Eine durchweg empfehlenswerte Lektüre mit einer wichtigen Botschaft.

Veröffentlicht am 17.10.2022

Wie Eltern für ihre Rechte im Job eintreten können

Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert!
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Schwangerschaft, Elternzeit oder der Wechsel zu Teilzeit: Väter und insbesondere Mütter werden im Job oft benachteiligt, wenn sie sich für ein Kind entscheiden. Was muss sich ändern? Welche Rechte haben ...

Schwangerschaft, Elternzeit oder der Wechsel zu Teilzeit: Väter und insbesondere Mütter werden im Job oft benachteiligt, wenn sie sich für ein Kind entscheiden. Was muss sich ändern? Welche Rechte haben Eltern? Und was können sie tun, wenn diese verletzt werden?

„Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert“ ist ein Sachbuch von Sandra Runge und Karline Wenzel.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus acht Kapiteln und wird mit einem Vorwort eingeleitet. Auch innerhalb der Kapitel gibt es verschiedene Abschnitte, Listen/Aufzählungen sowie zusammenfassende Passagen. Der Aufbau wirkt schlüssig und funktioniert gut.

Der Schreibstil ist gut verständlich, aber nicht zu banal. Spezialbegriffe, zum Beispiel aus dem juristischen Bereich, werden anschaulich erklärt.

Thematisch greift das Buch ein wichtiges Problem auf und lenkt die nötige Aufmerksamkeit darauf. In inhaltlicher Hinsicht hat mich das Sachbuch daher sofort abgeholt.

Zunächst geht das Buch darauf ein, wie der rechtliche Rahmen von Elterndiskriminierung im Job ist, welche Gesetzeslücken es gibt und wie sich Betroffene dagegen wehren können. Dabei erteilen die Autorinnen konkrete und praxisnahe Ratschläge.

Ein Schwerpunkt des Buches ist die Sammlung von 36 Fällen aus der Praxis. Sie zeigen sämtliche Facetten der Diskriminierung und belegen, dass es sowohl Mütter als auch Väter in ganz unterschiedlichen Branchen, Funktionen und Berufsbildern betroffen sind.

Einen Appell richten die Autorinnen an Politik und Unternehmen. Zudem präsentieren sie Lösungsansätze, wie Elterndiskriminierung vermieden werden kann.

Zwar ist die Studienlage noch recht übersichtlich. Dennoch haben sich die Autorinnen intensiv mit der wissenschaftlichen Forschung zum Thema befasst und etliche Quellen zurate gezogen. Die mehr als 100 Nachweise am Ende des Buches geben darüber Aufschluss.

Als sehr hilfreich habe ich auch den Anhang empfunden. Er enthält unter anderem Musterschreiben und Hinweise zu weiterführender Literatur.

Optisch spricht mich das Buch leider nicht an. Der eingängige und freche Titel passt jedoch sehr gut.

Mein Fazit:
Mit „Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert“ machen Sandra Runge und Karline Wenzel auf ein wichtiges Problem aufmerksam. Ein Sachbuch, das nicht nur anprangert und informiert, sondern auch viele hilfreiche Tipps für Betroffene liefert.

Veröffentlicht am 20.09.2022

Aus dem Leben einer Dolmetscherin

Intimitäten
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Eine junge Dolmetscherin verlässt nach dem Tod ihres Vaters New York, um am Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu arbeiten. Auf einer Party lernt sie Adriaan kennen. Doch dann verschwindet er zu seiner ...

Eine junge Dolmetscherin verlässt nach dem Tod ihres Vaters New York, um am Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu arbeiten. Auf einer Party lernt sie Adriaan kennen. Doch dann verschwindet er zu seiner Noch-Ehefrau und hinterlässt nichts als Fragen. Ins Grübeln kommt die junge Frau auch, als sie für einen angeklagten westafrikanischen Kriegsverbrecher dolmetschen muss.

„Intimitäten“ ist ein Roman von Katie Kitamura.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 16 Kapiteln. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Dolmetscherin.

Der Schreibstil ist unaufgeregt, aber eindringlich und atmosphärisch. Immer wieder wird das sprachliche Talent der Autorin deutlich.

Der Fokus liegt eindeutig auf der leider namenlosen Dolmetscherin, deren Innenleben intensiv beleuchtet wird. Sie wirkt authentisch und ist psychologisch gut ausgestaltet. Die übrigen Personen bleiben blass, was mich jedoch überhaupt nicht gestört hat.

Inhaltlich geht es vor allem um existenzielle Fragen. Das Thema Heimatlosigkeit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Sehr interessant fand ich es, mehr über das Berufsbild von Dolmetschern zu erfahren.

Die Handlung ist überschaubar. Der Schwerpunkt der Geschichte sind die Gedanken der Protagonistin. Viele dramatische Momente gibt es somit nicht. Dennoch konnte mich der Roman mit seinen etwas mehr als 200 Seiten fesseln.

Der deutsche Titel ist wortgetreu aus dem Englischen („Intimacies“) übersetzt worden. Auch das Cover passt zur Geschichte und gefällt mir sehr gut.

Mein Fazit:
„Intimitäten“ von Katie Kitamura ist ein empfehlenswerter Roman. Ein intensives und ungewöhnliches Leseerlebnis.

Veröffentlicht am 02.09.2022

Die dunklen Seiten der Leidenschaft

Sturmhöhe
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Yorkshire in England: Als Lockwood, der neue Mieter von Thrushcross Grange, in der Gegend ankommt, will er seinem Vermieter Heathcliff in Wuthering Heights einen Besuch abstatten. Nicht nur das Wetter ...

Yorkshire in England: Als Lockwood, der neue Mieter von Thrushcross Grange, in der Gegend ankommt, will er seinem Vermieter Heathcliff in Wuthering Heights einen Besuch abstatten. Nicht nur das Wetter ist frostig, sondern auch der Empfang. Doch von einer alten Haushälterin erfährt er, was sich vor etlichen Jahren ereignet und Heathcliff so verbittert hat…

„Sturmhöhe“ ist ein Romanklassiker von Emily Brontë, der zum ersten Mal 1847 erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 34 Kapiteln. Ansonsten ist der Aufbau erstaunlich raffiniert. Zum einen: Die Perspektive wechselt mehrfach, wobei die Erzählungen ineinander verschachtelt sind. Zum anderen: Es wird nicht chronologisch erzählt. Die Handlung beginnt 1801, springt mehrere Jahrzehnte nach vorne und dann ins Jahr 1802.

Auch in sprachlicher Hinsicht ist der Roman erstaunlich modern. Er lässt sich gänzlich ohne erklärende Anmerkungen oder Fußnoten verstehen. Zudem gelingt es der Autorin auf wunderbare Weise, mit ihren Beschreibungen sehr viel Atmosphäre und starke Bilder zu erzeugen.

Die Protagonisten sind äußerst interessant ausgestaltet. Sie kommen weder gefällig noch besonders sympathisch daher. Die meisten Figuren weisen sogar etliche menschliche Schwächen und düstere Charaktereigenschaften auf. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist das Personal des Romans für mich sehr reizvoll. Etwas verwirrend ist allerdings die sehr ähnliche Namensgebung.

Vor der Lektüre hatte ich mich auf eine Liebesgeschichte eingestellt. Diese ist zwar durchaus vorhanden, aber weitaus weniger raumgreifend als vermutet und keineswegs kitschig. In inhaltlicher Sicht habe ich den Roman als überraschend vielschichtig und facettenreich empfunden. Menschliche Abgründe wie Hass und ungesunde Besessenheit spielen eine wichtige Rolle. Insgesamt könnte man sagen, dass es vor allem darum geht, wie Leidenschaft ins Negative umschlagen kann.

Obwohl der Roman mit fast 500 Seiten recht umfassend ist, konnte mich die Geschichte durchweg fesseln. Nennenswerte Längen gibt es nicht.

Mein Fazit:
Mit „Sturmhöhe“ ist Emily Brontë ein Roman gelungen, der auch mehr als 150 Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner Faszination, seiner Lesbarkeit und seinem Unterhaltungswert eingebüßt hat. Eine empfehlenswerte Lektüre nicht nur für eingefleischte Liebhaber klassischer Literatur.