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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.07.2018

Ein entbehrungsreiches Arbeiterleben

Der Sprengmeister
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Schweden im Juni 1911: Der erst 23-jährige Oskar Johansson wird während der Arbeit an Eisenbahntunneln bei einer fehlgeleiteten Zündung schwer verletzt. Der Sprengmeister verliert bei dem Unglück eine ...

Schweden im Juni 1911: Der erst 23-jährige Oskar Johansson wird während der Arbeit an Eisenbahntunneln bei einer fehlgeleiteten Zündung schwer verletzt. Der Sprengmeister verliert bei dem Unglück eine Hand und ein Auge. Seine Freundin Elly verlässt ihn. Trotz seiner Verwundungen kehrt Oskar zurück in seinen Beruf, um mit seiner Frau Elvira und den Kindern ein bescheidenes Leben zu führen. Er wird politisch aktiv und glaubt an eine Revolution, die allerdings nie kommt. Als sein Wohnblock abgerissen wird, kauft er ein Saunahäuschen auf einer Landzunge.

„Der Sprengmeister“ ist der Debütroman von Henning Mankell, der bereits 1973 veröffentlicht wurde und nun erstmals auf Deutsch erschienen ist.

Meine Meinung:
In 25 kurzen Kapiteln mit knappen Überschriften wird das ganze Leben von Oskar Johansson in den Jahren 1888 bis 1969 dargestellt. Sie sind jedoch nicht chronologisch angeordnet, sodass es immer wieder Zeitsprünge gibt. Zudem wechselt das Erzähltempus – selbst innerhalb der Kapitel. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht eines Namenlosen, der mit Johansson befreundet zu sein scheint, aus der Ich-Perspektive. Dieser Aufbau verlangt dem Leser viel Aufmerksamkeit ab.

Ungewöhnlich ist auch der Schreibstil, der mit seinen größtenteils kurzen Sätzen und vielen kleinen Abschnitten wie ein Puzzle aus Fragmenten wirkt. Dennoch ist der Roman trotz der eher geringen Seitenzahl eindringlich. Sein spezieller Stil macht die Geschichte reizvoll, aber auch zu einer schwierigen Kost.

Oskar Johansson ist ein interessanter Hauptprotagonist, dessen Charakter gut herausgearbeitet wird. Er wird warmherzig beschrieben und macht einen authentischen Eindruck. Durch seine Wortkargheit ist er nicht leicht zugänglich. Trotzdem konnte ich mit ihm mitfühlen.

Die wohl größte Stärke des Romans ist die sozialkritische Komponente, die der Geschichte zugrunde liegt. Die Darstellung des schwierigen Arbeiterlebens in Schweden in den vergangenen Jahrzehnten sowie die sonstigen politischen und gesellschaftlichen Umstände regen zum Nachdenken an. In diesem Zusammenhang ist auch das Nachwort des Autors aus dem Jahr 1997 sehr interessant, das die Entstehung des Romans beleuchtet.

Sehr ansprechend und passend finde ich das Cover. Auch der deutsche Titel, der sich nahe am Original orientiert, ist recht simpel, aber treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Der Sprengmeister“ von Henning Mankell ist ein ungewöhnlicher Roman. Vor allem für Liebhaber anspruchsvoller Literatur ist die Geschichte empfehlenswert.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Eine starke Frau und ihr ungewöhnliches Bauvorhaben

Die Frauenburg
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Die Region Mosel im 14. Jahrhundert: Gräfin Loretta von Starkenburg-Sponheim, geborene von Salm, übernimmt im Jahr 1324 nach dem frühen Tod ihres Ehemanns Martin die Regentschaft für ihren minderjährigen ...

Die Region Mosel im 14. Jahrhundert: Gräfin Loretta von Starkenburg-Sponheim, geborene von Salm, übernimmt im Jahr 1324 nach dem frühen Tod ihres Ehemanns Martin die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Johannes. Kurfürst Balduin von Trier, mit dem sie ein Liebesverhältnis unterhält, ist für die junge Frau ein gleichsam mächtiger wie gefährlicher Verbündeter gegen ihre Feinde. Doch mit ihrem ungewöhnlichen Entschluss, eine Burg zu bauen, bringt sie viele gegen sich auf - und schließlich auch den Kirchenmann. Mit ihrer besonderen Gabe kann Loretta Unglücke vorhersehen. Nur ihr eigenes Unglück vermag sie selbst nicht zu erahnen…

„Die Frauenburg“ von Marita Spang ist ein historischer Roman, der im Mittelalter angesiedelt ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 38 Kapiteln und sechs Teilen. Zudem gibt es einen Pro- und einen Epilog. Die Handlung spielt zwischen den Jahren 1311 und 1330. Auch die Schauplätze wechseln. Einheitliche Orts- und Zeitangaben sorgen jedoch für einen guten Überblick.

Der Schreibstil ist flüssig, angenehm und anschaulich. Sprachlich ist der Roman der damaligen Zeit ein wenig angepasst, was ich als gelungen empfinde. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.

Loretta ist eine sympathische, außergewöhnliche und starke Protagonistin, deren Weg ich gerne verfolgt habe. Sie macht eine Entwicklung durch, die ihre realitätsnahe Darstellung unterstreicht. Auch die übrigen Charaktere werden vielschichtig beschrieben und wirken authentisch.

Mit rund 800 Seiten ist der Roman eine umfangreiche Lektüre. Dank der abwechslungsreichen Handlung, die unterschiedliche Themen aufgreift, kommt jedoch trotzdem keine Langeweile auf.

Gut gefallen hat mir, wie Fakten und Fiktion miteinander verknüpft wurden. Gerne habe ich mehr über Loretta von Starkenburg-Sponheim erfahren, die mir bis dato noch nicht bekannt war. Dass ihre Geschichte nun literarisch aufgearbeitet wurde, finde ich schön. Zudem lernt der Leser einiges über das Leben zu dieser Zeit.

Ein Pluspunkt ist für mich das Zusatzmaterial. Neben zwei Landkarten bieten ein Glossar und eine Figurenübersicht, die historisch belegte Persönlichkeiten kennzeichnet, dem Leser Orientierung. Hilfreich und interessant ist außerdem das Nachwort, das weitere Infos liefert und die fundierte Recherche der Autorin belegt.

Das Cover ist ansprechend und passt gut ins Genre. Der Titel ist knapp und ebenfalls treffend gewählt. Ein wenig gestört hat mich allerdings, dass die Seiten der Taschenbuchausgabe so dünn sind, dass die Schrift durchscheint.

Mein Fazit:
„Die Frauenburg“ von Marita Spang ist ein lesenswerter Roman, der nicht nur Geschichtsfans überzeugen kann. Mir hat die Geschichte unterhaltsame Lesestunden beschert.

Veröffentlicht am 17.07.2018

Familie Yadegar und das Café Leila

Als die Tage nach Zimt schmeckten
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Teheran im Frühling: Sehnsüchtig wartet Zod Yadegar, der Sohn von Einwanderern aus Russland, im Glyzinienhof vor dem Café Leila auf Post. Und endlich hält der 75-Jährige den Brief seiner Tochter Noor in ...

Teheran im Frühling: Sehnsüchtig wartet Zod Yadegar, der Sohn von Einwanderern aus Russland, im Glyzinienhof vor dem Café Leila auf Post. Und endlich hält der 75-Jährige den Brief seiner Tochter Noor in den Händen. Vor 30 Jahren ist sie zum Studieren in die USA gegangen. Nach dem Scheitern ihrer Ehe kehrt die Krankenschwester mit über 40 Jahren nun in die alte Heimat zurück – zusammen mit ihrer 15-jährigen Tochter Lily. Im Iran ist kaum noch etwas wie früher. Doch das Café Leila, das die Familie seit drei Generationen führt und in dem persische Köstlichkeiten geboten werden, ist nach wie vor ein Zufluchtsort. Noor ist froh über das Wiedersehen, doch der schlechte Gesundheitszustand von Zod bereitet ihr Sorgen. Was soll sie tun? Und welche Dinge aus der Vergangenheit ihrer Familie wird sie in ihrer Heimat erfahren?

„Als die Tage nach Zimt schmeckten“ ist der warmherzige Debütroman von Donia Bijan über eine persische Familiengeschichte.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen mit insgesamt 30 Kapiteln sowie einem Pro- und einem Epilog. Erzählt wird aus mehreren Perspektiven. Ein Teil der Handlung spielt in der Gegenwart, ein anderer in der Vergangenheit. Der Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist eindringlich, liebevoll und teilweise ziemlich poetisch. Ein weiterer Pluspunkt: Die schönen Beschreibungen machen die Geschichte mit vielen Sinneseindrücken erlebbar. Mir fiel es dadurch leicht, in die Szenerie einzutauchen. Sprachlich konnte mich der Roman absolut überzeugen.

Auch inhaltlich wurde die Geschichte meinen Erwartungen gerecht. Zod ist ein liebenswerter Hauptprotagonist, der mir schnell sympathisch war. In Noor konnte ich mich ebenfalls gut hineinversetzen. Auch die übrigen Charaktere wirken auf mich authentisch.

Das Setting hat mich sofort neugierig auf den Roman gemacht. Gut gefallen hat mir außerdem, wie die Familiengeschichte auf unterhaltsame Weise mit Informationen über den Iran und die persische Kultur verknüpft wird. Der Leser erhält so interessante Einblicke. Betroffen machen die Schilderungen von Willkür, Gewalt und sonstigem Unrecht. Sie regen zum Nachdenken an und konnten mich emotional bewegen.

Die Handlung ist nicht durchgehend spannend, was mich jedoch überhaupt nicht gestört hat, weil der Roman dennoch zu keiner Zeit langweilig war. Zudem hat die Geschichte einige Überraschungen zu bieten.

Ausnahmsweise gefällt mir der deutsche Titel besser als das Original („Last Days of Café Leila“). Auch das Cover der deutschen Ausgabe finde ich sehr ansprechend und gelungen.

Mein Fazit:
„Als die Tage nach Zimt schmeckten“ von Donia Bijan ist eine berührende Geschichte, die sich angenehm von anderen Romanen abhebt. Eine empfehlenswerte Lektüre, die alle Sinne anspricht.

Veröffentlicht am 16.07.2018

Ein spannendes Leben unter den Eintagsfliegen

Wie man die Zeit anhält
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Tom Hazard, wie sich Estienne Thomas Ambroise Christophe Hazard derzeit nennt, wurde am 3. März 1581 geboren. Damit ist er heute 439 Jahre alt, sieht aber aus wie 41. Eine ungewöhnliche Veranlagung sorgt ...

Tom Hazard, wie sich Estienne Thomas Ambroise Christophe Hazard derzeit nennt, wurde am 3. März 1581 geboren. Damit ist er heute 439 Jahre alt, sieht aber aus wie 41. Eine ungewöhnliche Veranlagung sorgt dafür, dass der gebürtige Franzose seit seiner Teenagerzeit nur sehr, sehr langsam altert. Im Gegensatz zu ihm sind die übrigen Menschen nur Eintagsfliegen. Auch seine frühere große Liebe Rose ist schon vor Jahrhunderten an der Pest gestorben. Die gemeinsame Tochter Marion hat die Veranlagung geerbt, ist jedoch verschwunden. Obwohl Tom schon einige Abenteuer hinter sich hat, auf berühmte Persönlichkeiten wie Captain Cook getroffen ist und regelmäßig seine Identität geändert hat, konnte er sie bisher nicht wiederfinden und blieb einsam. Wird es ihm in seinem aktuellen Umfeld gelingen? Derzeit hält er sich wieder in London auf, wo er als Geschichtslehrer arbeitet. Und dabei macht er die Bekanntschaft von Camille, einer Französischlehrerin, die in seinem Leben alles verändert…

„Wie man die Zeit anhält“ ist ein unterhaltsamer, außergewöhnlicher Roman von Matt Haig.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus fünf Teilen, die wiederum mehrere Kapitel beinhalten. Die Handlung wechselt zwischen dem Geschehen in der Gegenwart und den Erlebnissen in den unterschiedlichen Jahrhunderten und Epochen. Die Übergänge sind recht fließend und trotz der schnellen Wechsel einfach nachzuverfolgen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Tom. Der Aufbau des Romans hat mir sehr gut gefallen.

Der Schreibstil ist nicht nur angenehm und flüssig, sondern auch lebhaft. Die Beschreibungen sind nicht übermäßig detailliert, aber anschaulich. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir sehr leicht.

Mit Tom steht eine interessante Persönlichkeit im Vordergrund, die ich nach einigen Kapiteln sympathisch fand. Seine Gedanken und Gefühle werden gut deutlich und sind nachvollziehbar. Andere Charaktere bleiben dagegen etwas blass.

Ein Pluspunkt des Romans ist die Verknüpfung von Historie und Gegenwart mit Fantasieelementen. Die kreative Grundidee der Geschichte wird überzeugend umgesetzt. Die Erklärungen sind schlüssig, der Ablauf logisch. Die Handlung bietet einige Überraschungen. Dabei ist der Roman ebenso spannend wie tiefgründig. Er regt zum Nachdenken an. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, Toms Einsamkeit, seine Trauer angesichts der Menschen, die er verloren hat, und einige andere Themen bieten interessante Denkimpulse. Zudem konnte mich die Geschichte emotional berühren, denn wie ein roter Faden zieht sich die Liebe durch den Roman.

Das deutsche Cover ist ansprechend gestaltet und thematisch passend. Schön finde ich auch, dass sich der deutsche Titel so nah am Original („How To Stop Time“) orientiert.

Mein Fazit:
„Wie man die Zeit anhält“ von Matt Haig ist ein kurzweiliger, fantasievoller Roman, der für schöne Lesestunden sorgt. Eine lesenswerte Geschichte, die ich absolut empfehlen kann.

Veröffentlicht am 16.07.2018

Wenn sich die Vergangenheit zurück in dein Leben drängt

Wähle den Tod
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Jana lebt den scheinbar perfekten Traum von einer Familie. Etwas außerhalb von Berlin wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten Hannes Langenfeld, einem Bundestagesabgeordneten, und den gemeinsamen Kindern Kim ...

Jana lebt den scheinbar perfekten Traum von einer Familie. Etwas außerhalb von Berlin wohnt sie mit ihrem Lebensgefährten Hannes Langenfeld, einem Bundestagesabgeordneten, und den gemeinsamen Kindern Kim (14) und Max in einem hübschen Eigenheim. Doch eines Tages beginnt die Idylle zu bröckeln: Sie findet Hund Bennie mit tödlichen Stichwunden im Garten. Schnell folgen weitere Nachrichten und Hinweise, die bei Jana alle Alarmglocken schrillen lassen. Wer ist hinter der Familie her? Jana muss einsehen, dass ihre sorgsam verborgene Vergangenheit sich mit aller Macht in ihr Leben drängt und bald alle in Gefahr bringt…

„Wähle den Tod“ ist ein Psychothriller von Jutta Maria Herrmann.

Meine Meinung:
Erzählt wird im Präsens in 58 kurzen Kapiteln – und zwar abwechselnd aus der Sicht von Jana und aus der ihrer Tochter Kim. Dies sorgt für ein hohes Erzähltempo. Ein packender Prolog in der Ich-Perspektive aus der Sicht einer unbekannten Person und ein Epilog rahmen die Handlung ein.

Der Schreibstil ist flüssig, anschaulich und dank viel wörtlicher Rede sehr lebhaft, aber schnörkellos. Die Sätze sind meist recht kurz, was ebenfalls zu einem schnellen Lesetempo führt. Der Einstieg in die Geschichte fällt leicht. Schon die ersten Kapitel sind fesselnd.

Mit Jana steht eine Protagonistin im Vordergrund, die alles andere als eine Heldin verkörpert. Sie hat nicht nur Ecken und Kanten, sondern lügt und betrügt gleich mehrere Menschen in ihrem Leben. Dies macht sie als Charakter durchaus reizvoll. Etwas enttäuscht hat mich, dass sie im Laufe der Geschichte keine Entwicklung durchmacht. Das wirkt zwar durchaus konsequent, jedoch auf mich auch ein wenig unglaubwürdig. Das Verhalten der übrigen Personen ist durchweg authentisch. Viele der Nebenfiguren bleiben allerdings etwas blass.

Die Grundidee des Thrillers finde ich interessant und kreativ. Die Auflösung ist absolut schlüssig und überzeugend. Die Geschichte wird zu keiner Zeit langatmig, die Spannung bleibt bis kurz vor Ende erhalten. Der Autorin gelingt es gut, den Leser lange im Unklaren über den Absender der Nachrichten zu lassen. Die Handlung bietet an einigen Stellen Überraschungen, ist an anderen dagegen recht vorhersehbar. Bei einigen Passagen habe ich zudem den Eindruck, dass die zeitlichen Abläufe nicht ganz stimmen können. Das hat das Lesevergnügen aber nicht stark gestört.

Das Cover ist für einen Thriller nicht besonders kreativ, passt aber gut zum Genre. Der Titel ist ebenfalls treffend und macht neugierig.

Mein Fazit:
„Wähle den Tod“ von Jutta Maria Herrmann ist trotz kleinerer Schwächen in der Umsetzung ein lesenswerter Psychothriller, der mir spannende Lesestunden bereitet hat.