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Veröffentlicht am 02.03.2024

Glück - Individuell und vergänglich

Die Halbwertszeit von Glück
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Was bedeutet Glück? Laut Duden ist Glück eine "angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in den Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat."

Die drei ...

Was bedeutet Glück? Laut Duden ist Glück eine "angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in den Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat."

Die drei Protagonistinnen in Louise Pelts Roman "Die Halbwertszeit von Glück" sind nach unterschiedlichen Schicksalsschlägen auf der Suche nach ihrem ganz eigenen Glück.

Da ist die 50-jährige Johanna, die allein und zurückgezogen in einer alten Datsche im Grenzgebiet der DDR lebt und sich größtenteils nur von dem ernährt, was der Wald ihr zu bieten hat. Johanna kommt anfangs wenig sympathisch und eher gefühllos und wortkarg rüber. Doch als sie ein von den Grenztruppen angeschossenes 17-jähriges Mädchen aufnimmt, versorgt und ihr sogar bei der Flucht nach drüben helfen will, kommen nach und nach Erinnerungen und Gefühle der Vergangenheit hoch. Johannas Beweggründe für ihre Isolation erscheinen dadurch in einem ganz neuen Licht.

"Nicht ohne Grund hatte sie damals alles von sich gestoßen, was Unsicherheiten barg, hatte ihr Dasein entleert, bis nur noch das Nötigste übergeblieben war. Kein Mensch, kein Komfort, nichts, was ihr noch wehtun oder Trost verschaffen konnte. Nur sie allein und der Wald, der jede Erinnerung schluckte wie ein Schatten das Licht." (Seite 97)

Johannas Geschichte habe ich besonders gern gelesen.

Mylènes Leben ändert sich abrupt, als ein Brief sie dazu bringt, ihr ganzes Leben und ihre eigene Person in Frage zu stellen. Überstürzt begibt sie sich auf die Suche nach ihrer unbekannten Vergangenheit durch halb Europa. An einigen Stellen habe ich Mylènes Reaktionen und Handlungen als irrational und überzogen empfunden.

"Mylène sah auf das Papier hinab. Der Kopf voll, das Herz leer. Wenn sie weiter weglaufen wollte, musste sie wissen, vor wem." (Seite 111)

Auch Hollys Leben wird plötzlich aus der Bahn geworfen. So stark, dass sie an nichts anderes mehr denken kann - sie sogar zu essen und Zähne putzen vergisst. Nur durch einen Zufall gelingt es Holly, sich langsam wieder ins Leben zurückzukämpfen. Holly hat auf mich größtenteils naiv und unreif gewirkt, weshalb ich mit ihrer Geschichte am wenigsten anfangen konnte. Lange Zeit war nicht ersichtlich, in welcher Beziehung Holly zu den beiden anderen Frauen steht. Hier hat mich die Autorin wirklich überrascht.

Die Autorin schafft es gekonnt, die Leben der drei Frauen auf unterschiedlichen Zeitebenen über drei Jahrzehnte hinweg miteinander zu verbinden. Mit jedem Kapitel werden mehr Puzzleteile offenbart, die sich nach und nach zu einem Bild zusammensetzen. Es hat Spaß gemacht, mit zu rätseln, wie die Leben der drei Frauen miteinander verknüpft sein könnten. Dabei hat die Autorin an den richtigen Stellen die Perspektive gewechselt. Ich wollte immer wissen, wie es weitergeht. Das Buch lässt - zu meinem Glück - keine Fragen offen.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen; durch Sprache ist sehr bildhaft. Sowohl Cover als auch Titel des Buches finde ich sehr ansprechend und werden auch vom Inhalt aufgegriffen.

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Veröffentlicht am 28.04.2024

Authentisch und einfühlsam

Bergland
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"Es war alles noch kein Plan, es war nur ein Anfang, es war Wünsch dir was. Das Aufspüren von Sehnsüchten, von dem, was fehlte oder etwas, das verloren gegangen war und wonach sich zu suchen lohnte. [...], ...

"Es war alles noch kein Plan, es war nur ein Anfang, es war Wünsch dir was. Das Aufspüren von Sehnsüchten, von dem, was fehlte oder etwas, das verloren gegangen war und wonach sich zu suchen lohnte. [...], auch auf den anderen Höfen suchten sie neue Wege und stellten erstaunt fest, dass diese manchmal zurückführten. Und trotzdem richtig waren." (Seite 260)

Wir begleiten die Entwicklung des Innerleithofs über 3 Generationen hinweg.

Zuerst erfahren wir wie Rosa als alleinige Besitzerin des Hofes aller Anstrengung, Wetterlagen und persönlichen Niederlagen zum Trotz den Hof erfolgreich führt. Rosa versteht wie niemand sonst, ihr Land zu lesen; sie weiß wie die Erde beschaffen sein muss, damit auf ihr die Pflanzen wachsen und gedeihen.
Später übernimmt ihr Sohn Sepp den Hof, der ihn durch die Umnutzung in einen Milchbetrieb wirtschaftlicher und rentabler gestalten möchte. Rosa und Sepp sind in ihren Ansichten, den Hof in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, so unterschiedlich, dass sich unausgesprochene Konflikte zwischen ihnen bilden. Obwohl Sepp voller Tatendrang und Optimismus ist, kann er sich seinen Traum nicht erfüllen.
Als dann Sepps Sohn Hannes zusammen mit seiner Frau Franziska den Innerleit zu einem Ferienhof umwandelt, werden auch sie vor Herausforderungen gestellt, die fast unmöglich erscheinen, um sie bewältigen zu können.

Jarka Kubsova beschreibt das Leben auf und die Bewirtschaftung eines Hofes - egal in welcher Generation - sehr eindrücklich und nachvollziehbar. Rosa mit ihrer Beobachtungsgabe und ihrem Gespür für die Natur haben mich besonders beeindruckt. Das Ende des Buches empfand ich als sehr stimmig und optimistisch. Leseempfehlung für all diejenigen, die sich in den Bergen zu Hause fühlen.

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Veröffentlicht am 19.04.2024

Kritik an der Buchbranche

Yellowface
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Auch ich muss meinen Senf noch zu "Yellowface" abgeben, auch wenn ich wohl keine neuen Erkenntnisse beisteuern kann. 😂 Ich kann mir fast niemanden vorstellen, der das Buch nicht gelesen hat, nachdem es ...

Auch ich muss meinen Senf noch zu "Yellowface" abgeben, auch wenn ich wohl keine neuen Erkenntnisse beisteuern kann. 😂 Ich kann mir fast niemanden vorstellen, der das Buch nicht gelesen hat, nachdem es so gehyped wurde. Oder?

Jedenfalls hat mir das Buch ziemlich gut gefallen, aber ein Highlight war es nicht. Optisch ist das Buch aber ein Augenschmaus. 😍

Den Inhalt setze ich jetzt mal voraus. Ich glaube, ihr alle habt in diesem Zusammenhang die Schlagwörter Rassismus, kulturelle Aneignung, Social Media Mobbing, Neid etc. bereits gelesen.

Ich fand den Einblick in die Verlagswelt sehr interessant, auch wenn ich nicht wirklich beurteilen kann, inwieweit die geäußerte Kritik allzu überspitzt dargestellt wurde. Aber ich gehe davon aus, dass ganz viel Realität dahinter steckt.

Folgendes Zitat passt perfekt dazu:
"Doch jetzt verstehe ich, dass die Mühen der Autorin gar nichts mit dem Erfolg eines Buches zu tun haben. Bestseller werden auserkoren. Es ist egal, was du tust. Du kannst die Reise einfach genießen." (Seite 92)

Ich habe die Protagonistin June nicht als nervig empfunden, sondern eher bewundernswert und zugleich grotesk, wie sie die Gegebenheiten so zurecht gelegt hat, dass sie ihr am meisten nutzen und sie dadurch immer weiter in den Strudel ihrer Lügen gezogen wird.

Ich konnte Junes Ängste sehr gut nachvollziehen. Welche/r Autor/in möchte nicht einen weiteren Bestseller schreiben? Wer möchte von der Verlagswelt und der Leserschaft vergessen werden? Wer möchte auf das Geld und den Ruhm verzichten? Wer einmal ganz oben war, möchte da auch bleiben. Verständlich oder?

Dies hat mir auch der Schluss des Buches gezeigt, den ich als so absurd und doch so passend empfand...

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Veröffentlicht am 19.04.2024

Kraft und Zuversicht

Der Brighton-Schwimmclub
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Dem Brighton-Schwimmclub gehören die "Sea-Gals" (Seemädchen) Dominica, deren Mann vor kurzem an Corona verstorben ist, Helga, die Älteste und Weiseste in der Gruppe, sowie Tor, die sich sozial engagiert ...

Dem Brighton-Schwimmclub gehören die "Sea-Gals" (Seemädchen) Dominica, deren Mann vor kurzem an Corona verstorben ist, Helga, die Älteste und Weiseste in der Gruppe, sowie Tor, die sich sozial engagiert und lesbische Beziehung vor ihrer Familie geheim hält, an. Irgendwann stoßen Claire, die von ihrer Familie nicht ernst genommen wird und wenig Selbstvertrauen hat, und Maddy, die gerade erfahren hat, dass ihr Ehemann sie seit Jahren betrügt, dazu. Die beiden Neulinge werden offen und warmherzig in die Gruppe aufgenommen und behutsam in das Meeresschwimmen eingeführt.

Die Frauen stürzen sich jeden Tag - egal bei welcher Wetterlage und bei welchen Temperaturen - in das kühle Nass, tauschen sich über ihre Ängste und Sorgen aus, helfen und unterstützen sich gegenseitig, sei es durch Worte oder durch Taten. Die Entwicklung der Frauenfreundschaften habe ich gern verfolgt. Doch nicht nur die Frauen geben sich untereinander Halt, auch das Meer trägt dazu bei, dass die Frauen abschalten und neue Kraft tanken können.

"Sie hätte nie geglaubt, dass sie so süchtig nach dem Wasser werden könnte, aber der Blick auf die blaue Weite gibt ihr das Gefühl, als hätte sie einen Schatz entdeckt." (Seite 239)

Die Autorin lebt selbst seit einigen Jahren in Brighton und geht mit ihren Schwimmgruppen regelmäßig im Meer schwimmen. Ihre Erfahrungen hat sie sehr gut in ihren Roman einfließen lassen; ihre Beschreibungen mit welchem Equipment man ins Wasser gehen und wie lange man sich dort aufhalten sollte, über Gezeitenpläne und Strömungen sind nachvollziehbar und authentisch.

Zu Beginn hatte ich ein wenig Probleme mich in den Schreibstil und die Geschichte einzufinden, aber das war nach den ersten Kapiteln vergessen. Der Roman hat mir schöne Lesestunden beschert; ein unterhaltsames Buch für zwischendurch.

Sollte ich irgendwann mal am Meer wohnen, halte ich Ausschau nach anderen "Sea-Gals" oder gründe meinen eigene Schwimmgruppe.

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Veröffentlicht am 07.04.2024

Lese-Highlight

Die Mitternachtsbibliothek
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Wir erfahren in den letzten 27 Stunden bevor Nora beschloss, sich das Leben zu nehmen, welche Gründe und Umstände sie zu dieser schrecklichen Tat veranlasst haben. Nora muss sich jedoch nicht sofort ins ...

Wir erfahren in den letzten 27 Stunden bevor Nora beschloss, sich das Leben zu nehmen, welche Gründe und Umstände sie zu dieser schrecklichen Tat veranlasst haben. Nora muss sich jedoch nicht sofort ins Jenseits verabschieden, sondern bekommt die Möglichkeit in der Mitternachtsbibliothek - ein Ort zwischen Leben und Tod - verschiedene Leben auszuprobieren. Leben, die sie hätte führen können, wenn sie die entsprechenden Entscheidungen getroffen hätte.

Findet Nora IHR Leben, in dem sie glücklich ist und keine ihrer Entscheidungen bereut? Wird sie die Mitternachtsbibliothek verlassen und weiterleben?

Meine Erwartungen hat das Buch auf jeden Fall erfüllt. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig. Die Geschichte ist sehr emotional, tiefgründig und regt zum Nachdenken an. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!

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