Profilbild von skiaddict7

skiaddict7

Lesejury Star
offline

skiaddict7 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit skiaddict7 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.02.2020

Schonungsloser Bericht

Rückkehr nach Birkenau
0

„Bis jetzt waren wir noch menschliche Wesen. Nun sind wir nichts mehr.“

Ginette Kolinka wird Anfang 1944 von Avignon nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Mit dabei sind ihr Vater, ihr Bruder und ihr Neffe. ...

„Bis jetzt waren wir noch menschliche Wesen. Nun sind wir nichts mehr.“

Ginette Kolinka wird Anfang 1944 von Avignon nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Mit dabei sind ihr Vater, ihr Bruder und ihr Neffe. Doch sie kehrt allein zurück… Die 94-jährige lebt mittlerweile in Paris. Jahrzehnte schwieg sie über das Erlebte. Als für „Schindlers Liste“ die Geschichten von Überlebenden gesucht wurden, beschloss sie das erste Mal, ihre eigenen Erlebnisse zu teilen. Sie fuhr nach Birkenau, um dort zu Schülern über das Leben im KZ zu sprechen. Mit diesem Buch teilt sie ihre Geschichte mit der Nachwelt.

Das kleine Büchlein hat es in sich: etwas zerstückelt und nicht ganz chronologisch teilt Kolinka Erinnerungen aus dem KZ. Schonungslos und ehrlich wird dem Leser die Geschichte nähergebracht. Hunger, Entwürdigung und Misshandlung sind an der Tagesordnung. „Es gibt keine Erläuterungen, keine Bedienungsanleitung, man lernt oder stirbt.“, berichtet die Autorin. Der Schreibstil besteht aus kurzen, prägnanten Sätzen, die dem Leser durch Mark und Bein gehen. Ich finde es schade, dass die Autorin sich so kurzhält, denn ich habe das Gefühl, es gäbe noch viel mehr zu erzählen. Ich bin dankbar, dass sie nach so vielen Jahren doch entschlossen hat, ihre Geschichte zu teilen und finde, jeder sollte dieses Buch lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.02.2020

Die Droge Instagram

UNFOLLOW!
0

„Denn eines ist sicher: Die wahren Glücksmomente passieren nur offline.“ (S.218)

Die 27-jährige Nena Schink ist Journalistin. Für ein Experiment sollte sie „Influencerin“ auf Instagram werden – und fand ...

„Denn eines ist sicher: Die wahren Glücksmomente passieren nur offline.“ (S.218)

Die 27-jährige Nena Schink ist Journalistin. Für ein Experiment sollte sie „Influencerin“ auf Instagram werden – und fand sich prompt in einer Spirale aus scrollen, hunderte von Fotos zu machen, um das perfekte Bild zu finden, regelmäßig zu posten, folgen und liken… Nun berichtet sie, wie sie es wieder herausgeschafft hat. Schink beginnt mit ihrem eigenen Bezug zu Instagram, behandelt dann verschiedene Influencer, welche sie teils auch interviewt hat, und schließt mit ihrer Suche nach der „Instagram-Lösung“, wie sie es nennt. Sie redet davon, dass sie selbst Influencerin war, obwohl man das im eigentlichen Sinn wohl nicht so behaupten kann, ihre Follower-Zahl lag gemäß Angaben im Buch bei knapp 5000. Die Interviews mit Influencern und Schinks Beobachtungen dazu waren teils interessant zu lesen. Auch der letzte Abschnitt gefiel mir, sie schlägt ein digitales Ausmisten mit Hilfe folgender Fragen vor: Warum folge ich dieser Person? Inspiriert mich diese Person? Welchen Mehrwert bieten mir ihre Stories? Bringt es mich in der Realität weiter, dieser Person auf Instagram zu folgen?

Ich finde das Thema Instagram Sucht aktuell und hochinteressant, und einige Punkte, die Nena in ihrem Buch behandelt, sind gut gewählt und regen zum Nachdenken an. Trotzdem konnte mich der Schreibstil nicht so mitreißen. Die Sprache ist sehr einfach gehalten, Schink bringt viele Beispiele – ich hätte mir einen professionelleren Stil erhofft. Dennoch brachten mich viele Punkte zum Nachdenken, sodass auch in Zukunft meine Instagram Nutzung überdenken will. Ich war etwas überrascht, dass Schink die App nach wie vor nutzt, wenn auch anders als früher. Denn: wäre uns Süchtigen nicht am Meisten geholfen, wenn wir die App einfach löschen? Insgesamt ist das Thema nicht schlecht umgesetzt, aber ich hatte mir mehr erhofft.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.02.2020

Ich singe mir mein Miroloi

Miroloi
0

"Wenn Menschen die heilige Schrift der Götter so einfach umschreiben können, heißt das dann, dass die Khorabel gar nicht heilig ist?"

Zu einer nicht näher benannten Zeit, auf einer weit entfernten griechischen ...

"Wenn Menschen die heilige Schrift der Götter so einfach umschreiben können, heißt das dann, dass die Khorabel gar nicht heilig ist?"

Zu einer nicht näher benannten Zeit, auf einer weit entfernten griechischen Insel, in einem Bergdorf, das „das schöne Dorf“ genannt wird. Hier spielt „Miroloi“ von Karen Köhler. Eine strenge patriarchalische Gesellschaft, die von der Welt abgeschnitten ist und nach ihren eigenen Regeln funktioniert. Hier gibt es keinen Strom, kein fließendes Wasser, keine eigene Meinung. Hier wächst die sechzehnjährige namenlose Protagonistin auf. Sie wurde als Säugling gefunden und vom Bethaus Vater aufgenommen und aufgezogen. Ihre Wurzeln kennt sie nicht, weshalb sie von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. „Alles hat hier einen Namen, nur ich habe keinen“, sagt die Protagonistin. Wir begleiten sie, auf ihrem Weg zum Erwachsen werden, bei der ersten Liebe, beim Brechen von Regeln, bei ihrer Befreiung.

Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen. Die Sprache ist etwas speziell, vor allem da das Buch in Strophen wie eine Art Lied angeordnet ist, außerdem entspricht die Sprache einer sechzehnjährigen, die gerade Lesen und Schreiben lernt. Für mich hat diese Sprache gut gepasst. Ich finde das Buch ausgezeichnet aufgebaut, in dieser eigenen Gesellschaft, die uns so fremd ist und erst nach und nach etwas klarer wird. Die Protagonistin hat mich in ihren Bann gezogen. Köhler hat aus den großen Weltreligionen eine Art neue Religion gebastelt, die auf der „Khorabel“ basiert. Trotz, dass das Buch in so einer fernen Welt spielt sind die meisten Themen hochaktuell – sexuelle Unterdrückung, Fremdenhass, das Patriarchat, und vieles mehr. Dieses Buch hat sehr viele schlechte Bewertungen erhalten, welche ich nicht nachvollziehen kann. Auch ein Vergleich mit „Der Report der Magd“ verstehe ich nicht, da die Unterdrückung der Frauen und die tiefe Religiosität die einzigen Parallelen scheinen. Ich finde dieses Buch sehr gut aufgebaut und durchaus lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.02.2020

Die Geschichte einer Schwangerschaft

Cherubino
0

„Etwas Besseres habe ich noch nie getan; sich vom Samen eines Mannes befruchten zu lassen, war ihre größte bisherige Errungenschaft als Tochter.“

Iris Schiffer ist neununddreißig, semi-erfolgreiche Opernsängerin, ...

„Etwas Besseres habe ich noch nie getan; sich vom Samen eines Mannes befruchten zu lassen, war ihre größte bisherige Errungenschaft als Tochter.“

Iris Schiffer ist neununddreißig, semi-erfolgreiche Opernsängerin, als sie zwei sehr vielversprechende Angebote bekommt: einerseits bekommt sie die Chance, am Met den Cherubino in Mozarts Figaro zu singen, danach soll sie an den Salzburger Festspielen die Sophie aus Sophies Welt singen. Da gibt es nur ein kleines Problem: sie ist schwanger, der Test war positiv. Andererseits kann man heutzutage als Frau alles schaffen, oder etwa nicht? Man kann gleichzeitig Opern singen und einen „kleinen Astronauten“ in sich heranreifen, wie Iris es ausdrückt. Und da gibt es noch ein weiteres Problem – das Kind hat zwei mögliche Väter. Einerseits Ludwig, der ruhige, erfolgreiche, analytische Ludwig, den Iris über alles liebt und mit dem sie gerne zusammen wäre – nur ist er verheiratet, hat nicht besonders viel Interesse an ihr und schon gar nicht an dem Kind, und wird seine Frau nicht verlassen. Andererseits ist da Sergio, erfolgreicher Sänger, impulsiv und etwas kindlich, mit dem sie seit einigen Jahren zusammen ist und der Iris abgöttisch liebt.

Andrea Grill erzählt die Geschichte der Schwangerschaft vom positiven Test bis zur Geburt- inklusive der Darstellung von Ängsten vor einer Fehlgeburt oder Missbildungen, und dem Stress dem berufstätige Frauen in der Schwangerschaft ausgesetzt sind. Die Geschichte ist gut zu lesen. Immer wieder enthält sie von Iris abgewandelte Liedtexte und Gedanken. Das ganze Buch leitet hin zur Geburt, wo es ein abruptes Ende nimmt – und den Leser etwas verwirrt allein lässt. Mich hätte interessiert, wie es nach der Geburt weitergeht, aber das bleibt wohl unserer Fantasie überlassen. Das Buch basiert auf interessanten Ideen und hätte ein Durchbruch werden können, leider hapert es an der Umsetzung. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.02.2020

Über die Angst

Nix passiert
0

"Es ist erstaunlich, wie lange man etwas für sich behalten kann, das einen so quält, das so zehrt an der Kraft, eigentlich alle Energie verbraucht, während man trotzdem einfach so weiterlebt, als hätte ...

"Es ist erstaunlich, wie lange man etwas für sich behalten kann, das einen so quält, das so zehrt an der Kraft, eigentlich alle Energie verbraucht, während man trotzdem einfach so weiterlebt, als hätte man noch einen geheimen Reservetank, der nur dafür da ist, zu funktionieren, wenn eigentlich gar nichts mehr geht. Und dann, eines Tages, in einem völlig unscheinbaren Moment, ist er aufgebraucht, dieser Reservetank, und das ganze System versagt, alle Lichter aus, ciao."

Alex ist verlassen worden. Etwas über ein Jahr waren er und Jenny zusammen. Jenny, seine absolute Traumfrau. Er kann nicht fassen, dass er die Beziehung so falsch gedeutet hat, er war doch so glücklich. Oder?
Alex beschließt kurzerhand, die Eltern zu besuchen. Nach Jahren in Berlin zurück in die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Obwohl er eigentlich nie wieder dorthin zurück wollte...

Kathrin Weßling überzeugt wieder einmal mit ihrem modernen, sarkastischen und provokativen Schreibstil. Ich war am Anfang des Buches etwas verwirrt, wohin die Erzählung hingehen wird, weil das eigentliche Thema zumindest mir erst mit der Zeit klar wurde. Wer dran bleibt und weiterliest wird nicht enttäuscht: Weßling beschreibt einfühlsam und detaillreich, wie sich ein Leben mit Angst/Panikattacken anfühlt und regt wieder einmal zum Nachdenken an. Klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere