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Veröffentlicht am 17.11.2019

Magische Lektüre

Die Spiegelreisende 2 - Die Verschwundenen vom Mondscheinpalast
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Ophelia, die über ganz besondere Begabungen verfügt, wurde gegen ihren Willen von ihrem Klan mit Thorn von der Arche Pol verlobt. Nun wird sie offiziell im Mondscheinpalast an Faruks Hof eingeführt und ...

Ophelia, die über ganz besondere Begabungen verfügt, wurde gegen ihren Willen von ihrem Klan mit Thorn von der Arche Pol verlobt. Nun wird sie offiziell im Mondscheinpalast an Faruks Hof eingeführt und zur Vorleserin des vergesslichen Familiengeistes ernannt. Sie arrangiert sich und gewinnt sogar Freunde. Doch eines Tages verschwinden ranghohe Minister spurlos, und auch Ophelia erhält Drohbriefe…
In diesem zweiten Band ihrer Tetralogie entwickelt Dabos eine außerordentliche Fülle an Fantasie. So ist dieser Teil der Spiegelreisenden-Geschichte meiner Meinung nach um einiges facettenreicher als der erste und enthält wesentlich mehr phantastische Elemente. Auch die Spannung ist hier deutlich gesteigert. Ebenso flüssig und bildhaft geschrieben wie „Die Verlobten des Winters“ zeigt der Roman ein ausgeprägteres Bild von Faruks Arche, dem Pol, und dem dortigen Leben als wir es im ersten Band von der Arche Anima erhalten haben. Hier kommt der Leser dem Geheimnis um die Familiengeister und ihre Vergangenheit zwar näher, doch neue Rätsel tauchen auf. Warum hat Faruks Buch, das er so sorgfältig hütet, einen solch immensen Einfluss auf ihn? Welche Rolle spielt er?
Wer einmal für ein paar Stunden in eine Fantasiewelt abtauchen und die Realität vergessen will, ist bei der „Spiegelreisenden“ mit Sicherheit gut aufgehoben.


Veröffentlicht am 17.11.2019

Fantastische Weltern

Die Spiegelreisende 1 - Die Verlobten des Winters
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Sie ist eine junge Frau mit ganz speziellen Fähigkeiten: Ophelia kann sich durch Spiegel aller Art an ihren Wunschort begeben; ihre zweite und vielleicht wichtigste Gabe ist das Lesen von Gegenständen: ...

Sie ist eine junge Frau mit ganz speziellen Fähigkeiten: Ophelia kann sich durch Spiegel aller Art an ihren Wunschort begeben; ihre zweite und vielleicht wichtigste Gabe ist das Lesen von Gegenständen: allein durch ihre Berührung ist sie in der Lage zu erkennen, wer ihn je in der Hand gehabt hat und was ihn bewegt hat. Doch Ophelias ruhiges Leben auf der Arche Anima wird jäh unterbrochen, als sie gegen ihren Willen mit Thorn, einem jungen Mann vom Pol, verlobt wird und diesem in seine eisige Heimat folgen muss.
Es ist eine interessante Welt, die Christelle Dabos vor uns ausbreitet. In Andeutungen erfahren wir von einem Riss, der die alte Erde zerstörte und mehrere „Archen“ möglich machte, künstliche Gebilde, auf denen verschiedene Klans mit sehr unterschiedlichen Begabungen leben. Dabei kam mir die Vorstellung von bewohnbaren Gebilden in den Sinn, die sich wie Raumschiffe durch den Weltraum bewegen.
Ophelias Reise zum Pol, ihre Bemühungen, die Hochzeit mit Thorn möglicherweise doch noch zu verhindern und die abenteuerlichen Aufgaben, die ihr bevorstehen, ziehen den Leser in so manches Geheimnis hinein. Fantastisch erscheinen auch die bizarren Charaktere, die Dabos beschreibt. Packend schreibt die Autorin, sehr gefällig und als Abgrenzung zur heutigen Zeit übernimmt sie das antiquierte höfliche „Ihr“ als Anrede.
Sie lässt das Buch ausklingen mit vielen Fragen - die hoffentlich nach und nach in den folgenden drei Bänden beantwortet werden.

Veröffentlicht am 12.11.2019

"I´m a free American girl..."

Nellie Bly
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Was heute als ganz selbstverständlich gilt, war Mitte des 19. Jahrhunderts eher ungewöhnlich: Elizabeth Jane Cochran will ihr Leben selbst bestimmen und keinesfalls eine Ehe eingehen, nur um finanziell ...

Was heute als ganz selbstverständlich gilt, war Mitte des 19. Jahrhunderts eher ungewöhnlich: Elizabeth Jane Cochran will ihr Leben selbst bestimmen und keinesfalls eine Ehe eingehen, nur um finanziell versorgt zu sein. Zielstrebig, mutig, auch wenn ihr manchmal nicht so zumute ist, beschließt sie, sich weiterzubilden und einen Beruf zu ergreifen. Nach einigen Enttäuschungen kommen ihr der Zufall und etwas Glück zu Hilfe. Ein Leserbrief, den sie an die Zeitung "Pittsburgh Dispatch" verfasst, öffnet ihr schließlich die Tür zum Beruf der Journalistin, in dem sie unter dem Pseudonym "Nellie Bly" ihre Artikel veröffentlicht. Natürlich begegnet sie hier, in einer von Männern dominierten Arbeitswelt, ebenso Vorurteilen und Problemen. Doch sie verfügt über Ausdauer und hat eine Idee, die der Chefredakteur nicht ausschlagen kann: für einen Zeitungsbericht ermittelt sie undercover in einer bekannten New Yorker Irrenanstalt. Weitere sensationelle Reportagen folgen, die sie über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen - am meisten sicherlich ihre Arbeit als Kriegsberichterstatterin im Ersten Weltkrieg.
Nicola Attadios Biografie über diese ungewöhnliche Frau ist in einem sachlichen, zurückhaltenden Stil abgefasst, aber dennoch spürt der Leser seine Empathie. Sehr anschaulich gibt er den historischen Hintergrund des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wieder, der Nellys Situation verdeutlicht. Zitate und Auszüge aus Berichten Nellie Blys und ihrer Zeitgenossen geben zusätzlich Einblick in ihr Denken und Fühlen und vervollständigen das Lebensbild. Attadio ist es gelungen, ein sehr eindrückliches Porträt von Nelly, dem „free American girl“, wiederzugeben; einer Frau, die sich Zeit ihres Lebens bemühte, ohne die (fianzielle) Unterstützung eines Mannes zurechtkommen, aber stets ein großes Herz für jene bewies, die ihre Hilfe nötig hatten.

Veröffentlicht am 08.11.2019

Ein besonderes Leseerlebnis

Nichts weniger als ein Wunder
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Es ist sicher keine leichte Kost, die uns Markus Zusak hier in mehr als sechshundert Seiten vorsetzt. Eine Geschichte, die sich sprunghaft - mal rückblickend, mal gegenwartsbezogen - auf ihr Ziel zubewegt: ...

Es ist sicher keine leichte Kost, die uns Markus Zusak hier in mehr als sechshundert Seiten vorsetzt. Eine Geschichte, die sich sprunghaft - mal rückblickend, mal gegenwartsbezogen - auf ihr Ziel zubewegt: die Erklärung dessen, was der Autor als „Nichts weniger als ein Wunder“ betitelt.
Matthew, der älteste der fünf Dunbar-Brüder, rollt die komplette Geschichte der „Bruchbude von einer Familie“ auf und lässt dabei dem stillen Clay, dem Zweitjüngsten, eine Hauptrolle zukommen. Geprägt vom frühen Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden des Vaters bemühen sich die Brüder, allein zurechtzukommen. Ganz authentisch und nachvollziehbar beschreibt Zusak, wie die Jungen ihre Trauer mit einem rauhen Umgangston überspielen und ihre Gefühle in Wettkämpfen und Prügeleien ausdrücken. Die griechischen Klassiker, die sie schon als Kinder geliebt haben, halten die Brüder zusammen, Ilias und Odyssee sind auch passende Namengeber für die Haustiere der fünf. Den wichtigsten Platz nimmt hier Achilles, das Maultier, ein. Als eines Tages der Vater der Söhne, stets als „der Mörder“ bezeichnet, wieder auftaucht, beschließt Clay, ihm zu folgen und mit ihm gemeinsam ein Projekt durchzuführen: eine Brücke.
Empathisch, aber keineswegs sentimental lässt Zusak wechselweise Ereignisse der Vergangenheit und die Situationen der Gegenwart lebendig werden, so dass nach und nach deutlich wird, wie untrennbar beide miteinander verflochten sind. Er bedient sich einer nüchternen, klaren Sprache, jongliert mit den Worten, setzt sie neu zusammen. Diese ungewöhnlichen Wortkombinationen lassen im Kopf des Lesers fantasievolle Bilder entstehen. Ein Leseerlebnis der besonderen Sorte.

Veröffentlicht am 06.11.2019

Terror und Kontrolle

Exit Now!
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„Um eine Gesellschaft wirklich zu einen, braucht man einen Sündenbock.“ Das zynische Statement einer führenden Politikerin, die in diesem Jugendroman zu Wort kommt, hat Folgen für die englische Gesellschaft ...


„Um eine Gesellschaft wirklich zu einen, braucht man einen Sündenbock.“ Das zynische Statement einer führenden Politikerin, die in diesem Jugendroman zu Wort kommt, hat Folgen für die englische Gesellschaft im Jahre 2024. Nach dem erfolgten Brexit geht es mit der Wirtschaft immer mehr bergab; die Kluft zwischen Arm und Reich, Angehörigen privilegierter Klassen und unterer Schichten vertieft sich. Das sich drastisch verändernde soziale Klima begünstigt das Entstehen radikaler Gruppen Jugendlicher, die mit Gewalt Veränderungen herbeiführen wollen.
Mitten im Geschehen stehen Ava und Sam, zwei junge Mädchen aus ganz unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sehr bald in den Strudel der Ereignisse geraten. Aus ihrer Perspektive beschreibt die Autorin, wie sich das politische Klima verändert und ihren Alltag bestimmt, wobei sich ihre Sichtweisen ergänzen. Teri Terry lässt beide abwechselnd erzählen, sie versteht es, packend von den Maßnahmen der Regierung zu berichten, um die Kontrolle wieder zu erlangen. Dabei bedient sie sich eines für jeden gut verständlichen, unkomplizierten Schreibstils. Sie schafft es, eine düstere Atmosphäre zu beschwören, die zunehmend bedrohlicher wirkt.
„Exit now!“ ist eigentlich als Prequel zu Terrys Buchreihe „Gelöscht“ (erstmals erschienen 2013/2014) gedacht, kann aber ganz unabhängig davon gelesen und verstanden werden. Denn eigentlich könnte ein solches Szenario, wie Terry es schildert, auch in jedem anderen abgeschotteten Land entstehen.