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Veröffentlicht am 06.07.2021

Befreite Sklaven - und der Versuch die Scherben ihrer Existenz zusammenzusetzen

Die Glasperlenmädchen
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Die 18jährige Hannie Gossett ist frei, aber es mit ihrer Freiheit hat sich wenig verändert. Es ist 1875, zehn Jahre nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Immer noch schuftet sie für ihren ehemaligen ...

Die 18jährige Hannie Gossett ist frei, aber es mit ihrer Freiheit hat sich wenig verändert. Es ist 1875, zehn Jahre nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs. Immer noch schuftet sie für ihren ehemaligen Besitzer, in der Hoffnung, dass sie nach vielen Jahren harter Arbeit ein eigenes Stück Land besitzen darf. Dieses Vorhaben ist gefährdet, da ihr gutwilliger Herr verschwunden ist und seine Frau ihr das versprochene Land nicht geben will. Als sie erfährt, dass die zwei Töchter des Plantagenbesitzers ihn suchen wollen, findet sie einen Weg sie heimlich zu begleiten.

Diese beiden Töchter könnten kaum unterschiedlicher sein. Lavinia entstammt der rechtmäßigen Ehe des Herrn Gossett. Sie ist weiß und verwöhnt. Juneau Jane stammt von seiner Mätresse ab. Sie ist vielleicht das Einzige seiner Kinder, die den Vater wirklich von Herzen liebt.

Die Reise, die eigentlich nur ein kurzer Ausflug sein soll, wird zu einem gefährlichen Abenteuer. Die Suche nach Herrn Gossett führt die drei Mädchen bis nach Texas. Auf dem Weg begegnen ihnen viele ehemalige Sklaven, die verzweifelt nach Familienangehörigen suchen. Es wurden in den Zeiten der Sklaverei sehr oft Familien auseinandergerissen, da die Besitzer mit diesen Menschen verfahren konnten, wie sie wollten. Die drei Mädchen machen es sich zur Aufgabe Angaben über vermisste Personen zu sammeln, damit sie auf ihrer Reise helfen können Familien zusammenzuführen.

In einem zweiten Erzählstrang lernt der Leser die Lehrerin Benedetta im Jahr 1987 kennen. Sie unterrichtet an einer Stelle, die keiner haben will. Ihre Schüler stammen aus der Unterschicht und kommen oft hungrig in die Schule. Ihre Leistungen sind sehr schwach, sie sind unmotiviert und schwer zu bändigen. Jeder Tag an der Schule wird zu einem Überlebenskampf. Dabei möchte Benedetta sie so gern für die Welt der Bücher begeistern. Außerdem ahnt sie, dass es in diesem kleinen Ort wichtige Geschichten gibt, die nicht vergessen werden sollten.

In jedem Kapitel wird abwechselnd von Hannie und Benedetta berichtet. Es wird immer deutlicher, wie beiden Welten zusammenhängen. Die zwei weiblichen Protagonisten wachsen über sich heraus, vor allem Hannie.

Die Handlung ist spannend, allerdings fällt der Einstieg schwer. Obwohl es viele liebenswerte Nebencharaktere gibt, sind die Beweggründe von Hannie und Benedetta nicht immer nachvollziehbar. Benedetta ringt um Heilung für ihre zerrüttete Kindheit und zweifelt an ihrer Beziehungsfähigkeit. Bei Hannies Kampf geht es vor allem um die Veränderung ihres Denkens, damit sie als freier Menschen leben kann.

Fazit: Ein bewegendes Buch über das große Unrecht der Sklaverei, dem Besitz von Menschenleben. Es wird deutlich, wie viel Schmerz und Verletzung noch viele Jahre später bleiben. Empfehlenswert, vor allem für Menschen, die historische Romane lieben.

Veröffentlicht am 06.07.2021

„Iss‘ doch einfach eine Schnitte Brot, Kind!“

Aus dem Leben gefallen
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Von außen betrachtet ist es schwer zu verstehen, wie sich ein Mensch freiwillig zu Tode hungern kann. Und doch ist Anorexie eins der tödlichsten Krankheiten, die es gibt. Wie kommt es dazu? Welche Gedanken ...

Von außen betrachtet ist es schwer zu verstehen, wie sich ein Mensch freiwillig zu Tode hungern kann. Und doch ist Anorexie eins der tödlichsten Krankheiten, die es gibt. Wie kommt es dazu? Welche Gedanken bewegen eine Person, die mit dieser Krankheit kämpft? Wie geht es dabei der Familie? Und warum verschwindet diese Krankheit nicht sofort, wenn ein Mensch sein Leben Gott übergibt?

Ariatani und ihre drei Geschwister wachsen in einer Pastorenfamilie in Hamburg auf. Als die 14jährige Ariatani in der Schule gemobbt wird, beschließt sie abzunehmen, damit sie keine negative Bemerkungen über ihr Gewicht mehr hören muss. Das funktioniert sehr gut, doch mit der Zeit entwickelt dieses Abnehmen eine Eigendynamik. Ariatani genießt es diszipliniert zu leben und Kontrolle über ihr Leben zu haben. Sie entsagt sich fast allen Lebensmitteln und treibt wie verrückt Sport. So nimmt sie immer weiter ab und kann damit nicht aufhören. Schließlich muss sie in eine Klinik, denn ihr Leben steht auf dem Spiel.

Im Laufe der nächsten Jahre geht es auf und ab. In den Kliniken muss Ariatani lernen Nahrung zu sich zu nehmen. Erst mit einem bestimmten Gewicht kann sie entlassen werden. Sie nimmt auch an Gesprächstherapien teil, die aber nur zum Teil hilfreich sind. Es dauert Jahre, bis sie die Ursache ihrer Probleme erkennt. Erst dann gelingt es ihr eigenständig Verantwortung für eine vernünftige Ernährung zu übernehmen.

Sehr ehrlich berichtet die Autorin von ihren schweren Jahren im Kampf gegen ihre verhasste Freundin und Feindin, die sie „Ana“ nennt, die Anorexie. Sie gewährt einen Einblick in ihre Gedanken und Beweggründe und hilft Außenstehende zu verstehen, wie diese Krankheit eine solche Macht bekommen kann. Ihre Eltern kommen ebenfalls zu Wort. Beide berichten offen aus ihrer Perspektive, wie sie diese Jahre erlebt haben. Sie teilen ihre Sorgen und ihre Verzweiflung mit - von der verzweifelten Angst um das Leben ihrer Tochter bis hin zur Wut, weil es doch so leicht scheint, einfach etwas zu essen. Dabei fragen Ariatani und ihre Eltern als Christen immer wieder welche Rolle Gott in dem allen spielt. Sie wünschen sich sein sofortiges Eingreifen und hadern damit, dass der Kampf so lange andauert. Und doch bekennen sie, auch wenn das Leid groß war, Gott gab ihnen immer die Kraft, die nötig war, um diese schweren Jahre zu überstehen.

Fazit: Ein kluger und hilfreicher Blick auf die Ursachen und Auswirkungen von Anorexie im Leben einer jungen Christin. Dieser ehrliche Bericht hilft nicht nur Menschen mit diesem Krankheitsbild zu verstehen, er enthält auch wertvolle Gedanken über Selbstannahme und das Festhalten an Gottes Liebe in schweren Zeiten. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 29.06.2021

Mit Abstand das beste Buch über die Rolle der Frau in der Gemeinde

Frausein zur Ehre Gottes
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Christliche Gemeinden, die sich nach der Bibel richten, kommen bei der Frage nach der Mitarbeit von Frauen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Leider gibt es oft Streit und Gemeinden werden gespalten - oder ...

Christliche Gemeinden, die sich nach der Bibel richten, kommen bei der Frage nach der Mitarbeit von Frauen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Leider gibt es oft Streit und Gemeinden werden gespalten - oder Christen bleiben allein, ohne Gemeindeanschluss, weil die einzige Gemeinde in der Nähe bei dieser Frage eine andere Position vertritt. Wie wichtig ist darum eine gute, sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema!

Dieses Buch beginnt mit der Frage nach der Hermeneutik. Die Autorin erklärt warum Christen dieselben Bibelstellen lesen und doch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. In einem zweiten Teil geht es um die Frau in ihrem kulturellen Kontext. In einem dritten, umfangreichen Teil untersucht die Autorin alle relevanten Bibelstellen zur Rolle der Frau. Sie beginnt mit der Schöpfung, dem Sündenfall und der Zeit des Alten Testaments, um anschließend anzusehen, wie Jesus mit Frauen umgeht und was wir in der Apostelgeschichte über ihre Mitarbeit erfahren. Zum Schluss geht sie auf die Schlüsselabschnitte zu diesem Streitthema ein. Dabei betrachtet sie sowohl die sprachlichen Besonderheiten dieser Verse wie auch den kulturellen Hintergrund der Menschen, an die diese Worte gerichtet wurden. Im vierten Teil geht es um Frauen in der Geschichte der Kirche, und in einem fünften um konkrete Vorschläge für das Gespräch über dieses Thema.

Dieses Buch wurde ursprünglich als Doktorarbeit geschrieben, darum sind alle Aussagen gut recherchiert und begründet. Die Autorin geht auf eine Vielzahl von anderen Veröffentlichungen zur Frauenfrage ein, und informiert über wissenschaftliche Erkenntnisse über das kulturelle Umfeld zur Zeit des Neuen Testaments. Obwohl die Autorin ihre Position deutlich vertritt, spricht sie niemals herablassend oder negativ über ihre Kontrahenten. Ihre Worte haben stets einen liebevollen, sachlichen Ton. Ihr Anliegen ist nicht Entzweiung, sondern ein versöhntes Miteinander.

Mich persönlich bewegt dieses Thema sehr. Ich kenne die entsprechenden Bibelstellen gut und frage mich schon lange, wie das Gebot, dass Frauen in der Gemeinde schweigen sollen, heutzutage verstanden werden muss. Ich glaube, dass Gott mir die Gabe des Lehrens gegeben hat, aber wie kann ich diese Gabe zu seiner Ehre einsetzen?

Ich habe sehr viele Bücher zu diesem Thema gelesen, vor allem englische, doch dieses Buch ist meiner Meinung nach bei weitem das Beste. Die umfassende, sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema, der logische Aufbau, die Berücksichtigung der Kultur, und der Bezug zur Praxis sind einige der Stärken dieses Buchs. Zum ersten Mal habe ich durch dieses Buch wirklich Frieden gefunden, wenn es um meine Rolle in der Gemeinde geht.

Fazit: Dieses Buch verdient viel mehr als fünf Sterne. Umfassend, fundiert, sachlich, klug und liebevoll beantwortet es die wichtige Frage nach der Rolle der Frau in christlichen Gemeinden. Ein wertvoller und überzeugender Beitrag zu einem wichtigen, aktuellen Thema, das unbedingt von Männern und Frauen in unseren Gemeinden gelesen werden sollte!

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Veröffentlicht am 14.06.2021

Selbstversorgung für Anfänger

Homefarming
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Judith Rakers, Journalistin und Fernsehmoderatorin, erzählt in diesem Buch von ihren Erfahrungen mit einem Selbstversorger-Garten und der Hühnerzucht. Praktische Tipps, ansprechende Fotos und ein unterhaltsamer ...

Judith Rakers, Journalistin und Fernsehmoderatorin, erzählt in diesem Buch von ihren Erfahrungen mit einem Selbstversorger-Garten und der Hühnerzucht. Praktische Tipps, ansprechende Fotos und ein unterhaltsamer Schreibstil zeichnen dieses Buch aus, das sich vor allem an Menschen richtet, die erste Kenntnisse über das Gärtnern und die Hühnerzucht erhalten wollen.

„Dieses Buch richtet sich an Menschen, wie ich es war: An Menschen ohne grünen Daumen, die keine Ahnung haben von Gemüseanbau, Hühnerhaltung und Kochen. Die aber gern essen und gutes Essen genießen können. An Menschen, die berufstätig und voll eingespannt sind, urban leben, aber trotzdem Sehnsucht nach Natur und Landleben spüren. Und die irgendwie das Gefühl haben, dass man doch zumindest versuchen könnte, etwas nachhaltiger und bewusster zu leben – ohne gleich ein Super-Öko zu sein.“

Es geht los mit wichtigen Vorüberlegungen. Was brauche ich, um selbst Gemüse anzubauen? In welcher Jahreszeit geht es los, und wie groß ist der Zeitaufwand? Ob in der Wohnung, auf dem Balkon oder im Garten, die Autorin geht kurz auf jede Variante eines Gartens ein. Hochbeet oder Gewächshaus, Fruchtwechsel oder Mischkultur, zu jedem Thema erzählt die Autorin von ihren Erfahrungen als Lernende in Sachen Garten.

Im zweiten Teil des Buchs geht es um die Hühnerzucht, ein Thema, für das sich die Autorin besonders begeistert. Dabei geht es nicht nur um den richtigen Stall und das Futter, interessant sind auch die Informationen über das Wunderwerk Ei; zum Beispiel wie ein Ei entsteht, und was man über das Brüten wissen muss.

Eine nette Beigabe sind die Rezepte im letzten Teil des Buchs. Da gibt es beispielsweise Rezepte für Schafskäse, Bratäpfel oder Holunderblütensirup.

Der Stil dieses Buchs erinnert an einen Bericht oder an einen Blog. Es ist in einem sehr persönlichen Stil geschrieben. Das vermittelte Wissen ist grundlegend; wer schon Erfahrung mit dem Gärtnern oder der Hühnerzucht hat, findet vermutlich nicht viel Neues. Die Gestaltung ist sehr ansprechend. Mit den vielen Fotos macht es Spaß durch das Buch zu blättern.

Fazit: Eine gute Einführung für Menschen, die erste Kenntnisse zu dem Thema Selbstversorgung suchen. Es wird kein Wissen vorausgesetzt, die Autorin nimmt den Leser von der ersten Idee an mit. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 02.06.2021

Ein philosophischer Blick auf unsere heutige Digitalisierung

Verloren im Cyberspace. Auf dem Weg zur posthumanen Gesellschaft
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Cyberspace, das ist eine von Computern erzeugte virtuelle Scheinwelt. In diesem Buch geht es nicht nur um diese Scheinwelt, sondern noch viel mehr um den Cybermensch, das Wesen, das diese pseudoreale Welt ...

Cyberspace, das ist eine von Computern erzeugte virtuelle Scheinwelt. In diesem Buch geht es nicht nur um diese Scheinwelt, sondern noch viel mehr um den Cybermensch, das Wesen, das diese pseudoreale Welt bevölkert.

Der Philosoph und Journalist Joachim Köhler möchte mit diesem Buch wachrütteln. Er warnt vor den Gefahren des Internets und zeigt, wie sehr wir alle manipuliert werden. Er geht auf Gefahren und auf aktuelle Skandale ein, und zum Schluss gibt er einige Hinweise zu einem bewussten Umgang mit dem Netz.

„Die Cyberwelt bietet sich als universale Dienstleistung an, die so gut wie nichts kostet. Sie präsentiert sich als allgegenwärtige Alternative zur wirklichen Welt. … Man glaubt am Steuerhebel seines eigenen Lebens zu sitzen. Und ist doch unmerklich selbst gesteuert: Was einem als ureigenstes Interesse erscheint, wird einem von diesem Wunderland der Wünschbarkeiten selbst nahegelegt. Man glaubt, sich mittels Maus, Tastatur oder Touchscreen die Welt untertan zu machen, wird aber selbst mit einem einzigen Mausklick zum Untertanen der Betreiber.“

„Der Cybermensch ist auch deshalb Sklave, weil die Cyberwelt keine Pausen kennt. Sie fordert, ohne zu fördern. Das Internet steht immer zur Verfügung, verlangt aber auch ständige Aufmerksamkeit. Man muss immer bereitstehen und auf die Zeichen achten, die eine schnelle Reaktion erfordern.“

Von den Anfängen in Kalifornien bis zur heutigen Beeinflussung von Wahlen oder dem Kämpfen mit Drohnen, zeigt der Autor das Schreckensbild einer Technologie, die droht uns zu beherrschen. War das Internet am Anfang eine hilfreiche Vernetzung mit dem Motto, „Tue nichts Böses,“ geht es heute vor allem um Profit und Manipulation.

Der Autor geht in den einzelnen Kapiteln auf verschiedene Aspekte des Themas ein. Mal geht es um Computerspiele und um die psychologische Trinks, die eingesetzt werden, um Konsumenten zu binden, mal geht es um Fake News und die Folgen, oder um Trolls in Chatrooms. Mit feuriger und leidenschaftlicher Sprache warnt der Autor vor der Vereinnahmung, die uns droht. Leider fehlen für viele Aussagen Belege. Außerdem scheint es als würde der Autor im Eifer des Gefechts manche Aussagen übertreiben.

Eine solche Vereinnahmung, wie wir sie erleben, wäre ohne den Verbraucher nicht möglich. Mehrmals betont der Autor, wie sehr wir uns einnebeln lassen, beispielsweise von den Versprechen einer sofortigen Wunscherfüllung oder dem gigantischen Wissensschatz, der uns in Sekundenschnelle zur Verfügung steht. Dieser Reiz führt dazu, dass wir das wirkliche Leben nicht mehr leben, befinden wir uns doch ständig in einer Scheinwelt. Die schreckliche Vision einer Welt, in der jeder alleine in seinem winzigen Wohnraum vegetiert und sich alle Wünsche digital erfüllen lässt, zieht sich durch das Buch.

Mit kurzen Worten zeigt der Autor am Schluss als Antwort den Wert der Gelassenheit, der Stille, des Nichtstuns – der Freiheit von dem Zwang immer online zu sein.

Fazit: Ein wertvolles und bewegendes Buch, das über die Gefahren der Cyberwelt aufklärt. Der wortgewandte Autor zeigt auf, wie wir die Opfer der Mächtigen sind, denen es um Profit und Manipulation geht. Trotz einiger Wiederholungen ein sehr empfehlenswertes Buch!