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Veröffentlicht am 18.11.2025

Ein Leben in Wien zwischen Gemeindebau und Grand Hotel

Fabula Rasa oder Die Königin des Grand Hotels
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Eine tolle, ausufernd erzählte Lebensgeschichte liefert uns Vea Kaiser in diesem Buch. Angelika Moser, aufgewachsen in einem Gemeindebau, in dem ihre Mutter Hausmeisterin war, schafft letztendlich den ...

Eine tolle, ausufernd erzählte Lebensgeschichte liefert uns Vea Kaiser in diesem Buch. Angelika Moser, aufgewachsen in einem Gemeindebau, in dem ihre Mutter Hausmeisterin war, schafft letztendlich den sozialen Aufstieg durch ihren Job als Buchhalterin im Grand Hotel, wenn auch mit unlauteren Mitteln.
Ursprünglich hatte der Hoteldirektor sie um eine kreative Buchhaltung gebeten, um das Hotel aus einer finanziellen Schieflage zu retten. So hatte sie - mit offiziellem Segen - gelernt wie man das macht. Und peu à peu „leiht“ sie sich im Laufe der Jahre immer mehr aus der Kasse des Hotels und fliegt ewig lange nicht damit auf. Denn sie ist eine geschätzte Mitarbeiterin, der man vertraut.
Dass sie irgendwann erwischt wird, weiß man aus dem Klappentext, aber das passiert erst ganz am Ende des Buches und zwar auf relativ undramatische, fast antiklimaktische Weise.
Vorher haben wir teil an Angelikas Leben, das uns in großer Ausführlichkeit geschildert wird. Das hemmungslose Fabulieren ist Vea Kaisers großes Talent, wir erfahren sehr viel über Angelika und zahlreiche Personen aus ihrem Umfeld, die alle zum Leben erwachen, realitätsnah und humorvoll beschrieben.
Als Angelika viele Jahre später mit ihrem Sohn den Wiener Opernball besucht, hat sie das Gefühl, endlich angekommen zu sein und merkt dann doch, dass sie immer noch nicht dazugehört.
Auch wenn die Protagonistin über beträchtliche kriminelle Energien verfügt, wächst sie einem doch ans Herz und man kann bis zu einem gewissen Punkt ihr Handeln nachvollziehen. Mit beeindruckendem Kampfgeist pariert sie alle Schicksalsschläge und bedient sich immer exzessiver aus der Hotelkasse.
Die Autorin zeichnet ein gesellschaftskritisches Sittenbild des Wiens der Achtziger Jahre bis in die Jetztzeit, lebendig, authentisch, humorvoll und unterhaltsam. Als Grundlage dient eine wahre Begebenheit, die aber mit weitgehender künstlerischer Freiheit dargestellt wurde.
Ich habe den Roman insgesamt mit großem Vergnügen gelesen, auch wenn er teilweise ein wenig zu weitschweifig wurde, was aber andererseits zum besseren Verständnis der handelnden Personen beitrug. Ich hatte bisher nur den „Rückwärtswalzer“ von Kaiser gelesen, der mir noch eine Spur besser gefallen hat als Fabula Rasa, kann aber auch dieses Buch als lebenspralle Familiensaga mit Wiener Flair wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 31.10.2025

Landhauskrimi - leider mehr gewollt als gekonnt!

Die Einladung – Mord nur für geladene Gäste
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Das Setting und die Grundidee sind nicht schlecht, aber insgesamt hat mich dieser Cosy Krimi nicht überzeugen können. Ein interessantes Ermittlerinnen-Duo, bestehend aus verwitweter Großmutter (Mimi) und ...

Das Setting und die Grundidee sind nicht schlecht, aber insgesamt hat mich dieser Cosy Krimi nicht überzeugen können. Ein interessantes Ermittlerinnen-Duo, bestehend aus verwitweter Großmutter (Mimi) und deren Enkelin. Addie, die Enkelin, hat mit ihrem Freund/Geschäftspartner Brian ein höchst erfolgreiches Videospiel kreiert, ist dann von diesem aber gnadenlos über den Tisch gezogen und ausgebootet worden.

Mimi hat eine erpresserische Einladung zu einer exklusiven Hausparty inklusive Auktion erhalten, ist verunsichert und nimmt Addie daher dorthin mit. Die Gastgeberin wird ermordet und alle Gäste könnten ein Motiv für diesen Mord haben. Das Wetter (ein Schneesturm) zwingt die Gäste dort zu bleiben. Im weiteren Verlauf gibt es noch 2 Tote und Mimi und Addie übernehmen die Rolle der Ermittler, denn die Polizei kann bei diesem Wetter auch nicht dorthin gelangen.

Über Addie und Mimi erfahren wir Leser eine ganze Menge, aber die restlichen Protagonisten bleiben recht blass und farblos. Daher hatte ich bis zum Ende keine Theorie über den möglichen Täter. Die beiden interviewen sämtliche Anwesenden, kommen aber nicht wirklich weiter. Erst ganz am Ende werden alle zusammengerufen und Addie und Mimi enthüllen in Poirotscher Manier allerlei Fakten und überführen den - völlig unerwarteten - Täter. Das wirkt alles etwas überhastet und wir haben als Leser an diesen plötzlich aus dem Hut gezauberten Erkenntnissen vorher nicht teilgehabt.

Positiv anzumerken sind der flüssige Schreibstil, die teilweise recht witzigen Dialoge und die Bezüge zur Gamer-Welt. Auch gibt es literarische Zitate, denn Addie ist eine eingefleischte Krimileserin und auch bei ihrem Videospiel handelt es sich um eine Mörderjagd. In einem Nebenstrang geht es um die Gründe für die Erpressbarkeit der Gäste, die alle erpresst wurden, an der Party und der Auktion teilzunehmen. Besonders die Geschichte von Mimi gibt ein interessantes Thema ab.

Also eine ganz nette Lektüre für zwischendurch, aber insgesamt doch irgendwie unrund. Und die Leser bekommen nicht genug Informationen, um erfolgreich miträtseln zu können.

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Veröffentlicht am 31.10.2025

Immer noch in Hochform

Der Donnerstagsmordclub und der unlösbare Code (Die Mordclub-Serie 5)
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Das betagte Ermittler-Quartett hatte ja eine Weile Pause, da der Autor eine neue Krimireihe aus der Wiege gehoben hat, aber am Tag der Hochzeitsfeier von Joyce' Tochter Joana, geht es wieder los mit einem ...

Das betagte Ermittler-Quartett hatte ja eine Weile Pause, da der Autor eine neue Krimireihe aus der Wiege gehoben hat, aber am Tag der Hochzeitsfeier von Joyce' Tochter Joana, geht es wieder los mit einem neuen Fall.
Elizabeth, die ein Jahr nach dem Tod ihres Ehemanns erste Schritte wagt, um allmählich aus ihrer Trauerstarre wieder aufzutauchen, ist tatsächlich zur Hochzeitsfeier gekommen und wird dort von Nick, dem Trauzeugen des Bräutigams angesprochen, der über ihre ehemalige Agententätigkeit im Bilde ist. Er fürchtet um sein Leben, hat eine unter seinem Auto montierte Bombe entdeckt. Er bringt das in Zusammenhang mit einem sehr hohen Betrag in Bitcoins, den er und seine Geschäftspartnerin Holly unter Aufbietung höchster Sicherheitsmaßnahmen in einem unterirdischen Tresor aufbewahren, jetzt aber veräussern wollten. Offensichtlich will jemand dieses Vermögen an sich bringen. Am nächsten Tag ist Nick verschwunden, ist möglicherweise entführt worden. Und als der Donnerstagsmordclub sich ein paar Tage später mit Holly trifft, kommt diese bei ihrer Abfahrt von Coopers Chase durch eine Autobombe ums Leben. Jetzt geht es also um eine Mordermittlung.
Die Krimihandlung ist dieses Mal nicht so spannend, sie ist aber auch nicht das Wichtigste. Der Roman ist wie ein Wiedersehen mit alten Freunden, es gibt auch noch einige private Nebenstränge: Joanas Hochzeit und Joyce' Freude darüber, jetzt Schwiegermutter zu sein, eine vorsichtige Annäherung zwischen Mutter und Tochter; Probleme in Rons Familie, seine Tochter hat einen gewalttätigen Mann geheiratet, und wir lernen Rons Sohn Jason und seinen Enkel Kendrick besser kennen; Ibrahim versucht die kriminelle Connie zu therapieren und erzielt nicht unbedingt die geplanten Ergebnisse und Connie betätigt sich als Tutorin für eine kriminelle Teenagerin, Tia, die wir bestimmt auch wieder treffen werden. Und Elizabeth wird allmählich wieder die alte und lernt, sich wieder dem Leben zuzuwenden. Alle auftretenden skurrilen Figuren sind liebevoll beobachtet und fein gezeichnet. Osman mag seine Protagonisten, sie liegen ihm am Herzen und das überträgt sich auch auf uns, die Leserschaft.
Besonders die Kapitel mit Joyce' Tagebucheinträgen sind hochamüsant. Osman schafft es, seinem – meist schwarzen – Humor eine gewisse Wehmut und Melancholie entgegenzusetzen. Er behandelt en passent zwischenmenschliche Themen wie Freundschaft und Loyalität auf herzerwärmende, aber nie kitschige Weise, schreibt herrliche Dialoge, animiert zum Nachdenken und unterhält bestens. Weit besser als viele, literarisch weniger anspruchsvolle Cosy-Krimis. Volle Punktzahl und uneingeschränkte Empfehlung.
P.S. Neueinsteiger in die Reihe sollten die 5 Bände lieber in chronologischer Reihenfolge lesen, da die Lektüre einfach mehr Spaß macht, wenn man die Entwicklung der einzelnen Personen kennt. Natürlich kann man die Bände auch einzeln verstehen, aber in gewisser Weise bauen sie aufeinander auf, und es würde einem einiges entgehen.

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Veröffentlicht am 07.10.2025

Trotz des schweren Themas mit großer Leichtigkeit geschrieben

Der Absturz
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Ich hatte schon von Édouard Louis gehört, aber bisher noch nie etwas von diesem jungen Meister der Autofiktion gelesen. Dieser letzte Band seiner Familien-Chronik ist tatsächlich auch als Einzelband gut ...

Ich hatte schon von Édouard Louis gehört, aber bisher noch nie etwas von diesem jungen Meister der Autofiktion gelesen. Dieser letzte Band seiner Familien-Chronik ist tatsächlich auch als Einzelband gut zu lesen und animiert mich dazu, auch seine früheren Werke zu lesen.
Der Autor berichtet distanziert, aber auch zärtlich über das Leben seines älteren, ungeliebten Stiefbruders. Er versucht zu verstehen, wie genau es zu der Abwärtsspirale in dessen Leben kam und auch, zu ergründen, inwieweit er sich daran mitschuldig gemacht hat. Die beiden Brüder könnten unterschiedlicher nicht sein: Der Autor hat es geschafft, die prekären Lebensumstände seiner Herkunftsfamilie hinter sich zu lassen, entgegen aller Widrigkeiten die Schule abzuschließen, zu studieren und zum Star der französischen Literaturszene zu werden. Mit seiner Literatur schafft er es, sich mit seiner Familie auseinanderzusetzen und über sie hinauszuwachsen. Ganz anders der ältere Bruder - sein leiblicher Vater hat sich früh abgesetzt und zeigt nicht das geringste Interesse an seinem Sohn, der Stiefvater verhöhnt ihn, bezeichnet ihn als Loser und die Mutter tritt aus Angst vor ihrem Mann nicht für den Sohn ein. Der Bruder verfügt aus diesem Grund über ein schwaches Selbstwertgefühl, flüchtet sich in unrealistische Träumereien, wird alkoholabhängig und gerät in schlechte Gesellschaft. Ihm fehlt die Resilienz, mit der es sein jüngerer Bruder geschafft hat, sich zu befreien.
Édouard Louis lässt auch andere Stimmen zu Wort kommen, z.B. die von Freundinnen seines Bruders, die viel Gutes über ihn zu sagen haben, obwohl sie unter seiner Gewaltbereitschaft zu leiden hatten. Und auch der Autor selbst hat einige wenige positive Erinnerungen an seinen Bruder, die sich von seinem Bild des rohen Grobians und Säufers abheben.
Eine hoch interessante Lektüre, die einen dank des grandiosen Schreibstils nicht so deprimiert, wie man es erwarten könnte und einen zum Nachdenken anregt über die Ursachen der Entwicklung eines Menschen (ist es die Umgebung? Sind es die Gene?). Ein ungewöhnliches Buch, sehr zu empfehlen!

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Veröffentlicht am 17.08.2025

Konnte leider nicht halten, was der Klappentext versprach

The Island - Auf der Flucht
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Eine gute Idee (im Prinzip ein bissschen wie bei Downton Abbey und Eaton Place: die oben und die unten) die vielen Mitarbeiter, die ein Luxus-Ressort am Laufen halten, in den Mittelpunkt der Handlung zu ...

Eine gute Idee (im Prinzip ein bissschen wie bei Downton Abbey und Eaton Place: die oben und die unten) die vielen Mitarbeiter, die ein Luxus-Ressort am Laufen halten, in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Als ich den Klappentext las, reichten mir fast schon die Stichworte Hongkong und Karibik, und eine weibliche Hauptfigur als Ermittlerin, um mir Appetit auf dieses Buch zu machen.
Lola, die aus anfänglich dem Leser unbekannt bleibenden Gründen, Hongkong, ihren dortigen Hoteljob und ihren Freund fluchtartig verlassen muss, ist mit Hilfe ihres Ex-Kollegen und guten Freundes Moxham nun auf der winzigen Insel Keeper Island in der Karibik gelandet. Kip Clement (Platz 44 in der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt) residiert selbst dort und betreibt ein Edel-Ressort für die anderen Superreichen dieser Welt. Moxham ist dort Geschäftsführer und hat Lola als seine Stellvertreterin engagiert. Das Boot, dass sie dorthin bringt, transportiert auch Champagner, Beluga-Kaviar und ähnliche Delikatessen für die verwöhnten Gäste. Schon am Tag nach Lolas Ankunft wird Moxham tot aufgefunden. Lola kann sich mit der Erklärung "Unfall" nicht zufriedengeben und fängt an, herumzuschnüffeln, womit sie sich prompt selber in große Gefahr bringt. Das entwickelt sich leider nicht so spannend, wie man denken könnte, sondern liest sich streckenweise aüßerst zäh. Ich war aber doch neugierig auf den Ausgang und habe deshalb weitergelesen, es wurde auch gegen Ende etwas spannender, aber die Geschichte war doch insgesamt nicht sonderlich mitreißend und die Auflösung überzeugte mich auch nicht. Lola funktionierte nicht als Identifikationsfigur für mich und auch die anderen Figuren erwachten nicht wirklich zum Leben. Interessant war es, die Hotelabläufe aus der Sicht des Personals geschildert zu bekommen. Am ehesten noch zu empfehlen für Leute, die in einem Luxus-Ressort Urlaub machen. Ansonsten: kann man lesen, muss man aber nicht!

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