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Veröffentlicht am 22.10.2020

Hat noch Luft nach oben

Jigsaw Man - Im Zeichen des Killers
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Über die Bloggerjury durfte ich das Debüt der englischen Autorin Nadine Matheson lesen. Der Klappentext hörte sich mega spannend und blutig an und das hält der Thriller teilweise auch...aber eben nur teilweise. ...

Über die Bloggerjury durfte ich das Debüt der englischen Autorin Nadine Matheson lesen. Der Klappentext hörte sich mega spannend und blutig an und das hält der Thriller teilweise auch...aber eben nur teilweise. Für ein Debüt finde ich ihn aber gut gelungen und ich werde sicherlich auch den nächsten Teil lesen, der im Frühjahr erscheinen wird.

Am Ufer der Themse wird ein kopfloser Torso gefunden, kurze Zeit später meldet man den Fund eines abgetrennten Beines. Das Bein gehört jedoch nicht zum gefunden Torso...und wo ist der Kopf?
Detective Inspector Anjelica Henley von der Serial Crime Unite (SCU) wurde vor Jahren von einem Serienkiller, dem Jigsaw Man, schwer attackiert. Nach psychologischer Behandlung arbeitet sie jetzt im Innendienst. Doch dann werden erneut zerstückelte Leichenteile gefunden, die sich an den Mordmethoden des Jigsaw Man orientieren, während dieser im Gefängnis seine Strafe absitzt. DI Henley wird vom Schreibtisch wieder direkt auf Londons Straßen geholt, um zu ermitteln. Sie bekommt Trainee Detective Salim Ramouter, einen jungen frisch gefangen Ermittler, an ihre Seite gestellt. Obwohl New Scotland Yard vor hat die SCU komplett aufzulösen, werden Henley und Ramouter auf den Nachahmungstäter angesetzt.

Als Leser wird man direkt in Geschichte geworfen. Zu Beginn sind es etwas zu viele Personen aufeinmal, aber sehr bald bekommt man einen guten Überblick. Der Spannungsbogen ist zu Beginn sehr hoch, flacht danach aber ab.
DI Henley schleppt - wie leider in den meisten Krimis und Thrillers - eine Menge private Probleme mit sich herum. Ihr Mann Rob stellt ihr ein Ultimatum: keine Mordermittlungen mehr und mehr Zeit für ihn und die gemeinsame Tochter. Wir wissen, dass dies in diesem Job kaum möglich ist. Trotzdem verstand ich Anjelicas Verhalten manchmal nicht wirklich. Ich fand aber auch Rob nicht ganz fair, denn wenn die Rollenverteilung andersherum gewesen wäre, hätten viel weniger (auch Leser) ein Problem darin gesehen. Aber ich schweife ab...
Während Henley etwas polarisiert, ist Salim ein sympathischer junger Mann, der interessante Ideen mitbringt. Ich hoffe er bleibt dem Team erhalten, denn er bereicherte den Fall ungemein.

Obwohl Polizeiarbeit hier eine große Rolle spielt, ist das Buch doch ziemlich brutal. Von Langeweile, die ich in manchen Rezensionen gelesen habe, kann ich nicht wirklich sprechen. Einzig der Mittelteil zieht sich etwas und dreht sich im Kreise - wie die Ermittlungen. Doch der Nachahmungstäter macht keine Pause und mordet in sehr kurzen Abständen.
Als Leser bekommt man einen Einblick in die kranke Psyche eines Mörders, indem Henley Peter Olivier, den verurteilten Jigsaw Man, im Gefängnis besucht. Ich erinnere mich dabei immer ein bisschen an "Das Schweigen der Lämmer" und bekomme alleine bei dem Gedanken schon Gänsehaut. Wir bekommen aber auch kurze Einblicke in die Sicht des kranken Nachahmungstäter.

Manchmal hatte ich das Gefühl keinen ersten Teil zu lesen, denn die Autorin erwähnt immer wieder Geschehnisse aus der Vergangenheit ohne weiter darauf einzugehen. Man bekommt deshalb den Eindruck etwas verpasst zu haben. Deswegen muss ich auch einen halben Stern dafür abziehen.

Nadine Matheson hat hier auf den 480 Seiten für die Leser ein Puzzle hinterlassen, das sich erst Stück für Stück zusammensetzt bis man am Ende ein vollkommendes Bild erhält. Der Spannungsbogen steigt zum Ende hin wieder an und ich konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Einen Verdacht, wer der Täter sein könnte, hatte ich bereits - und lag richtig. Das Motiv war mir allerdings unklar. Die Auflösung ist schlüssig und schreit nach Fortsetzung.

Für den nächsten Band gibt es noch Luft nach oben. Den knackigen und detaillierten Schreibstil der Autorin mochte ich sehr, deswegen werde ich die Reihe weiter verfolgen. Man wird sehen, wie sich diese Reihe entwickeln wird. Potenzial hat sie auf jeden Fall.


Fazit:
Ein blutiger Thriller mit noch etwas Luft nach oben und einer Ermittlerin, die polarisiert. Den Fall fand ich spannend und den Schreibstil knackig und detailliert. Für mich war es etwas zuviel Privatleben, das in der Mitte des Buches den Spannungsbogen senkte. Nadine Matheson hat mich trotzdem neugierig auf den Nachfolgeband gemacht. Ich werde der Autorin auf jeden Fall noch eine weitere Chance geben, denn ich finde hier steckt noch genug Potenzial drinnen.

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Veröffentlicht am 20.10.2020

Ein Cold Case, der Aufsehen erregt

Wenn das Licht gefriert
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Roman Klementovic ist für mich ein "alter" Bekannter. Ich habe alle seine Thriller, die im Gmeiner Verlag erschienen sind, gelesen und habe ihn auch bei einer Lesung in der Stadtbücherei St. Pölten kennengelernt. ...

Roman Klementovic ist für mich ein "alter" Bekannter. Ich habe alle seine Thriller, die im Gmeiner Verlag erschienen sind, gelesen und habe ihn auch bei einer Lesung in der Stadtbücherei St. Pölten kennengelernt. Umso mehr habe ich mich auf seinen neuen Thriller "Wenn das Licht gefriert" gefreut. Schon der Klappentext klingt unheimlich gruselig und hat mich total gefesselt...

Als der an Alzheimer erkrankte Friedrich vor dem Fernseher im Wohnzimmer sitzt, wird die reißerische Sendung "Mörder im Visier" gerade gesendet. Diesmal wird über den brutalen Mord an der besten Freundin von Friedrichs und Elisabeths Tochter Valerie berichtet, der 22 Jahre zurückliegt. Elisabeth bleibt fast das Herz stehen, als Friedrich plötzlich etwas von der Unterwäsche des Opfers vor sich hin brabbelt....ein Detail, das weder in der Sendung erwähnt wurde, noch er kennen dürfte. In Elisabeth beginnt ein fürchterlicher Verdacht aufzukommen...

Schon von der ersten Seite an packt dem Leser die düstere und subtile Stimmung. Der Prolog beginnt mit dem Verschwinden von Anna im Jahr 1997 und wird aus der Sicht ihrer Eltern Thomas und Monika erzählt. Danach springen wir 22 Jahre später in die Gegenwart. Der Fall wurde nie aufgeklärt und wird durch die TV-Sendung "Mörder im Visier" wieder "aktuell". Als die Sendung ausgestrahlt wird, ist in der Kleinstadt nichts mehr, wie es war....

Gekonnt setzt der Autor wieder seine sehr bildhaften Beschreibungen der Umgebung und des Wetters ein. Nebel, Nieselregen und das fallende Laub....dazu die immer wieder schrecklichen Gedanken, die Elisabeth beunruhigen, halten den Leser sofort gefangen. Sie liebt ihren Mann nach vierzig Jahren Ehe noch immer, obwohl ihr seine Krankheit schwer zu schaffen macht. Elisabeth kann ihn kaum aus den Augen lassen und muss seine Launen und Gemeinheiten ertragen.
Klementovic gelingt es hervorragend diese schlimme Krankheit realitätsnah darzustellen. Sie ist sowohl für den Kranken, der zu Beginn noch mitbekommt, wie er langsam sein Gedächtnis verliert, als auch für seine Angehörigen, die besonders an den Folgen leiden müssen und plötzlich einen ganz anderen Menschen gegenüberstehen, einfach nur schrecklich. Oftmals kommt auch Elisabeth an die Grenze ihrer Belastbarkeit.
Ihr lässt Friedrichs Aussage keine Ruhe und sie beginnt Nachforschungen anzustellen. Sie muss wissen, ob Friedrich der Täter ist oder an der Tat beteiligt war. Dabei gerät sie bald selbst in Gefahr, denn der Täter läuft nach wie vor noch unbehelligt herum...
Obwohl der Personenkreis sehr klein gehalten wird, hatte ich mehr als eine Person in Verdacht und musste meine Theorie kurze später wieder völlig verwerfen. Der Autor spielt mit der Psyche des Lesers und führt ihn immer wieder gekonnt auf falsche Fährten. Das Tatmotiv bleibt lange Zeit völlig unklar.

Roman Klementovic schreibt im Präsens und die meiste Zeit aus der Sicht von Elisabeth. Man erhält dabei einen tiefen Einblick in ihre Gefühlswelt und ihre Gedanken. Die Sätze und Kapitel sind eher kurz gehalten. Die unterschwellige Spannung ist immer spürbar und bleibt bis zur letzten Seite aufrecht, fällt aber in der Mitte etwas ab. Die Figuren sind facettenreich.
Der Schreibstil ist temporeich und oftmals hat man am Ende des Kapitels einen kleinen Cliffhanger, der dazu führt, dass man unbedingt noch ein weiteres Kapitel lesen "muss".
Das Ende hält einige Überraschungen für den Leser bereit und erklärt den Titel des Buches.

Fazit:
Wieder ein Thriller des Autors, der mit der Psyche des Lesers spielt und eine sehr düstere Grundstimmung hat. Spannend und beklemmend erzählt und mit einem Finale, das einem sicherlich in Erinnerung bleiben wird. Ich freue mich schon auf den nächsten Thriller des sympathischen Autors.

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Absolute Leseempfehlung!

Kinder ihrer Zeit
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Der Zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende zu. Die Russen überrennen Preußen. Rosa Lichtenberg ist mit ihren Zwillingstöchtern Emma und Alice auf der Flucht. Es ist Winter und Rosa kommt mit ihrem Handwagen ...

Der Zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende zu. Die Russen überrennen Preußen. Rosa Lichtenberg ist mit ihren Zwillingstöchtern Emma und Alice auf der Flucht. Es ist Winter und Rosa kommt mit ihrem Handwagen und den Kleinkindern nur sehr langsam voran. Dann erkrankt Alice. Eine alte Bäuerin gewährt ihnen Unterschlupf, doch die Russen überfallen das Dorf und brennen alles nieder. Alice und Emma werden getrennt und leben fortan im Glauben, dass die andere Schwester nicht überlebt hat....

Berlin war, wie auch unsere österreichische Hauptstadt Wien, in vier Sektoren aufgeteilt: Franzosen, Engländer, Russen und Amerikaner teilten sich diese auf. Ostberlin wurde von der Sowjetunion kontrolliert und während es anfangs noch möglich war zwischen Ost- und West-Berlin zu reisen, wurde die Grenze von der Ostseite her eines Tages geschlossen. Familien und Paare wurden auseinandergerissen - unglaubliches Leid und der Mauerbau im August 1961 waren die Folge.

Claire Winter erzählt die Geschichte von Emma und Alice bis zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Mauerbau. Während Rosa und Emma in West-Berlin Zuflucht finden, wird Alice von einem russischen Soldaten gerettet und wächst im Waisenhaus auf. Sie lernen zwei völlig unterschiedliche Systemen kennen und sind in diesen stark verwurzelt. Als Alice zufällig herausfindet, dass ihre Mutter und Emma den Überfall der Russen damals überlebt haben und heute in Westberlin wohnen, versucht sie Kontakt aufzunehmen. Sie findet tatsächlich Emma, doch schon bald merken die Zwillinge, dass sie sehr unterschiedliche Lebensweisen haben. Jede lebt ihr eigene Ideologie und denkt sie wäre im besseren System aufgewachsen. So kommt es immer wieder zu Konflikten und Missverständnissen.

Alice schwankt zwischen der Liebe zu ihrer Schwester und der Pflicht gegenüber dem DDR-Regime, das sie immer mehr unter Druck setzt. Emma möchte vorallem, dass Alice nach West-Berlin kommt. Durch sie lernt sie den ostdeutschen Physiker Julius kennen und lieben. Bald geraten alle drei in den Fokus der Geheimdienste und finden sich den perfiden Machtspielen der Besatzungsmächte ausgesetzt. Verrat, Betrug und Misstrauen sind tägliche Begleiter. Als erste Gerüchte über einen Mauerbau auftauchen spitzt sich die Lage immer mehr zu...

Die Geschichte ist wahnsinnig spannend und spiegelt das Schicksal vieler Menschen, die zu dieser Zeit in Berlin und Ostdeutschland gelebt haben, wieder. Claire Winter versteht es großartig alle Sichtweisen so darzustellen, dass man sich selbst beim Lesen wie in einem Strudel der Machenschaften fühlt. Die Figuren sind authentisch und sehr lebendig dargestellt. Man erkennt, wie blind die jungen Frauen in die Falle tappen und man bangt die ganzen 576 Seiten um ihr Leben. Der Beginn des Kalten Krieges und der Spionage aller vier Besatzungsmächte ausgesetzt, erleben die Menschen schicksalshafte Zeiten in Berlin. Inmitten dieses Chaoses versuchen Emma und Alice an ihre frühere Verbundenheit anzuknüpfen. Doch das gelingt nur schwer...
Claire Winter hat hervorragend recherchiert und die Stimmung der Nachkriegszeit sehr gut eingefangen. Ich habe mit Emma und Alice gebangt und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Wieder eine absolute Lese-Empfehlung!

Schreibstil:
Ich liebe den Schreibstil der Autorin. Immer wieder bin ich gefangen in ihren Romanen. Sie schreibt bildgewaltig und fesselnd. Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht verschiedener Charaktere erzählt. Die dazugehörigen Namen findet man am Kapitelanfang. Man spürt die Zerissenheit der Figuren und die oftmals auswegslose Situation.

Am Ende des Buches erklärt die Autorin über Wahreit und Fiktion auf. Auf der Klappe des Covers beantwortet Claire Winter noch drei Fragen zu ihrem Roman.
Auf der Innenseite des Hardcovers findet man eine Karte von Europa nach der Teilung Deutschlands....eine Karte, die auch ich im Schulunterricht vor mir hatte.
Fazit:
Wieder ein absolutes Highlight und ein Buch, das von mir den "Lieblingsbuch-Status" erhält. Es hat mich von der ersten bis zu letzten Seite begeistert. Ein spannendes Stück deutsch-deutscher Zeitgeschichte, grandios und fesselnd erzählt. Ich bin einfach nur begeistert von den Büchern der Autorin. Auch hier gibt es wieder eine große Lese-Empfehlung!

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Veröffentlicht am 16.10.2020

Jeder Mensch trauert anders

Der Moment zwischen den Zeiten
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Die katalanische Autorin Marta Orriols spricht in ihrem Roman "Der Moment zwischen den Zeiten" das Thema Trauer und Verlust an. Ein Thema, mit dem sich jeder Mensch früher oder später auseinandersetzen ...

Die katalanische Autorin Marta Orriols spricht in ihrem Roman "Der Moment zwischen den Zeiten" das Thema Trauer und Verlust an. Ein Thema, mit dem sich jeder Mensch früher oder später auseinandersetzen muss.
Paula Cid ist Ärztin auf der Frühgeburtenstation in einem Krankenhaus in Barcelona. Ihr Lebensgefährte Mauro eröffnet ihr eines Tages beim gemeinsamen Restaurantbesuch, dass er eine andere Frau kennen- und lieben gelernt hat. Er möchte die Trennung. Nur wenige Stunden später ist tot. Ein Unfall. Paula steht mit ihrer Wut und Trauer alleine da.

Jeder geht anders mit Trauer um. Bei Paula kommt noch der Schmerz des Verrats ihrer gemeinsamen Liebe hinzu. Mauro hätte sie sowieso verlassen, aber nun ist es endgültig, denn er ist tot.
Nach dem frühen Tod der Mutter wurde Paula vom Vater großgezogen. Es fehlte oftmals an körperlichen Zuwendung. Sie hat mit dem Tod der Mutter bis heute nicht richtig abgeschlossen und nun verlässt sie auch ihre große Liebe und das gleich zweimal: einmal für eine andere Frau und kurz darauf für immer durch seinen Tod. Freunde und Kollegen bemühen sich sehr. Doch Paula stößt sie alle von sich, denn sie kann nicht mit den Menschen über den Verrat von Mauro sprechen. Jeder spricht sie nur auf den Tod an und wie sehr sich die Beiden geliebt haben. Doch Mauro hat sie schon vorher verlassen. Sie bemerkt sehr schnell, dass ihre gemeinsamen Freunde sich aufteilen.

"Wenn einer stirbt, teilt sich der Freundeskreis wieder in die Freunde des Verstorbenen und die eigenen Freunde"

Paula sucht Nähe, nutzt jedoch eher One-Night-Stands für die gesuchte emotionale Bindung, was natürlich daneben geht. Aber auch den einen Mann, der sich mehr für sie interessiert, stößt sie weg.
Sehr gefallen haben mir die Abschnitt auf der Früchenstation. Paula ist eine sehr einfühlsame Neonatologin. Hier findet sie Liebe und gibt den Kleinen Geborgenheit. Auch ihre Kollegen und Kolleginnen sind sehr einfühlsame Menschen, die Paula den Raum geben mit der Trauer umzugehen. Sie stürzt sich aber lieber in die Arbeit, um alles auszublenden, statt sich selbst zu finden. Erst im Laufe der Geschichte erkennt sie, was das Leben ausmacht.
Ich muss zugeben, ich habe mir mehr erwartet. Der Funke ist nicht ganz übergesprungen, aber einige Abschnitte haben mir sehr gut gefallen. Paula konnte ich nicht immer verstehen, aber jeder geht anders mit der Trauer um.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist einerseits poetisch, aber manchmal auch etwas derb. Ich fragte mich öfters, ob es an der Übersetzung liegt oder doch am Schreibstil der Autorin. Die Geschichte selbst wird aus der Sicht von Paula erzählt. Man erlebt ihre Gefühlswelt direkt mit. Paulas Wut und Trauer konnte ich spüren, verstehen konnte ich sie jedoch nicht immer. In einigen Kapiteln wendet sich Paula direkt an den verstorbenen Mauro. Die Autorin verwendet dabei die "Du-Form".
Die anderen Charaktere lernt man leider nur sehr wenig kennen. Sie bleiben total an der Oberfläche, was ich sehr schade finde. Gerne hätte ich mehr über Paulas beste Freundin oder Mauros besten Freund erfahren.
Das Setting Barcelona und Umgebung mochte ich hingegen sehr. Ich finde die Stadt, die ich bereits besucht habe, sehr bunt und individuell. Hier hätte es gerne noch mehr sein können....

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Planzen spielten für Mauro eine besonderse Rolle. Diese finden sich auch auf den internationelen Covern wieder. Auch die Titel sind darauf bezogen. Der spanische Titel heißt übersetzt soviel wie "Lerne die Sprache der Pflanzen kennen" oder "Lerne mit den Pflanzen zu sprechen", wie es auf Englisch heißt.


Fazit:
Ein Roman, der mich etwas zwiegespalten zurücklässt. Paulas Gefühlswelt wird sehr anschaulich dargestellt und ich konnte ihre Trauer und ihre Wut sehr gut fühlen - verstehen konnte ich sie aber nicht immer. Gerne hätte ich noch mehr über die weiteren Charaktere erfahren, die sehr oberflächlich blieben. Ich denke aber, dass die Autorin den Fokus alleine auf die Hauptprotagonistein und ihre Gefühlswelt legen wollte. Alles in allem ein gutes Buch, von dem ich mir aber etwas mehr erhofft hatte.

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Veröffentlicht am 14.10.2020

Herzog Ulrich und sein treuer Freund

Der Getreue des Herzogs
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Johanna von Wild hat sich in ihrem neuen Roman Ulrich, Herzog von Württemberg, gewidmet. Der sehr umtriebige Herrscher, der während seiner Regierungszeit viele weitreichende Entscheidungen für seinen Landstrich ...

Johanna von Wild hat sich in ihrem neuen Roman Ulrich, Herzog von Württemberg, gewidmet. Der sehr umtriebige Herrscher, der während seiner Regierungszeit viele weitreichende Entscheidungen für seinen Landstrich getroffen hat, war kein einfacher Regent.

Der titelgebende Getreue von Ulrich ist Johannes. Er ist Küchenjunge im Anwesen von Ulrichs Onkel Eberhart im Bart. Der sechsjährige Ulrich langweilt sich auf der Burg und fordert Johannes auf mit ihm zu spielen. An die Kosequenzen für Johannes denkt der herrische Junge erstmals nicht. Doch die beiden unterschiedlichen Buben werden Freunde, denn Ulrich setzt durch, dass Johannes sein Spielgefährte wird. Dieser verspricht dem Onkel seines zukünftigen Landesherren die immerwährende Treue. Das ihm dieser Schwur sein ganzes Leben lang begleiten und viele seine Entscheidungen beeinflussen wird, ahnt er noch nicht. Johannes ist begabt und Ulrichs Onkel ermöglicht ihm ein Medizinstudium. Während sich Johannes unsterblich in Sophie Breuning verliebt, muss er mitansehen wie sie mit dem grausamen Ambrosius Volland verheiratet wird, der an Ulrichs Hofe immer weiter aufsteigt und sein Berater wird. Ulrich lebt zügellos und setzt seine Macht bedenkenlos ein. Seine Verschwendungssucht und seine Untertanen sind im egal, wobei ihm Johannes immer wieder versucht ins Gewissen zureden. Doch Widerspruch ist gefährlich. Nicht umsonst lässt Ulrich auch treue Begleiter ermorden, wenn er denkt, sie hätten ihm falsch beraten. Seine ansteigenden Schulden treibt er bei den bereits am Hungertuch nagenden Bauern ein, was schlussendlich zu Aufständen führt....

Nachdem mir Johanna von Wilds erster historischer Roman "Die Erleuchtung der Welt" sehr gut gefallen hat, hatte ich diesmal etwas Schwierigkeiten beim Einstieg. Die vielen Figuren und auch einige größere Zeitsprünge haben mich schwer in die Geschichte eintauchen lassen. Das am Buchanfang angeführte Personenverzeichnis hat zwar etwas geholfen, aber nur bedingt. Erst mit der Zeit kam ich dann in die Handlung und habe die beiden sehr unterschiedlichen Protagonisten gerne begleitet.

Johannes ist ein sehr sympathischer junger Mann. Als späterer Leibarzt des Herzogs begleiten wir ihn bei Hof, aber auch im Armenhaus, bei Bauern und Taglöhner und sogar in einem Pesthaus. Er ist ein gutmütiger Mann mit einem großen Herz, den ich sehr mochte. Oftmals war er mir aber auch zu entscheidungsunfreudig, was allerdings mit seinem Treueschwur zusammenhing. Die Heilkunst der damaligen Zeit wird ebenso durch Johannes lebendig und ist einer der roten Fäden durch die Geschichte.

Ulrich ist ein sehr eigenwilliger Charakter, jähzornig und spontan. Das kann schnell jemand den Kopf kosten. Er lebt in Saus und Braus und sieht dies als Selbstverständlichkeit an, wie fast alle Herrscher - egal ob vor 500 Jahren oder in der Gegenwart. Johannes ein Sympathieträger ist, Ulrich nicht.

Die damaligen Lebensumstände, der Religionskonflikt und die Willkür der Herzöge hat die Autorin wunderbar anschaulich beschrieben. Vorallem die Reformation bekommt im letzten Drittel sehr viel Platz. Ulrich stellt sich auf die Seite von Philipp von Hessen und den Reformern.
Die Geschichte nimmt seinen Lauf....und die hat die Autorin beeindruckend recherchiert und erzählt. Manche Ereignisse waren mir allerdings zu schnell abgehandelt. Aufgrund der Fülle von Informationen und dem sehr ereignisreichen Leben Ulrichs ist es jedoch schwierig hier den richtigen Fokus zu finden...

Schreibstil:
Wie bereits erwähnt schreibt die Autorin sehr bildgewaltig und atmosphärisch. Die Sprache ist der Zeit angepasst. Die Perspektivwechsel von Ulrich und Johannes fand ich gelungen. An den Kapitelanfängen steht die Jahreszahl der kommenden Ereignisse.

Fazit:
Ein sehr interessanter historischer Roman, der mich in das frühe 16. Jahrhundert geführt hat. Leider kommt der neue Roman für mich nicht ganz an "Die Erleutung der Welt" heran. Trotzdem habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt und habe geschichtlich wieder eine Menge dazugelernt. Genauso mag ich es!

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