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Veröffentlicht am 31.07.2020

Idole für die Freiheit

Tage des Aufbruchs
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Der Name Garibaldi dürfte jeder schon einmal gehört haben, doch kaum jemand außerhalb Italiens kennt den italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi.
Karin Seemayer hat sich seinem abenteuerlichen ...

Der Name Garibaldi dürfte jeder schon einmal gehört haben, doch kaum jemand außerhalb Italiens kennt den italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi.
Karin Seemayer hat sich seinem abenteuerlichen Leben gewidmet. Im Fokus steht aber nicht Giuseppe selbst, sondern Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva, seine spätere Gefährtin.

Wir befinden uns im Jahre 1859 in Brasilien. Ana Maria wurde bereits mit 14 Jahren von ihrer Mutter mit einem wesentlich älteren Mann zwangsverheiratet. Nach nur wenigen Jahren verließ er sie, weil sich kein Nachwuchs einstellte. Als der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi in Laguna eintrifft, ist es Liebe auf den ersten Blick. Anita, wie Garibaldi sie liebevoll nennt, kämpft fortan an seiner Seite....

Obwohl historisch fundiert war mir die anfängliche Liebesgeschichte etwas zu kittschig geraten. Ich wäre bei den Worten "Du musst mein sein" sicherlich nicht in seine kräftigen Arme gesunken ;)
Doch Anita ist mit ihren erst 18 Jahren nicht nur schwer verliebt, sondern sie setzt sich über sämtliche Konventionen hinweg. Die mutige junge Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, muss sich selbst durchs Leben schlagen. Deshalb hat sie auch nichts zu verlieren und verlässt gemeinsam mit Giuseppe ihre Heimatstadt Laguna, um an seiner Seite zu kämpfen. Ihr Mut, die Leidenschaft und ihre Entschlossenheit ihrem Geliebten zu folgen und seine Ideen zu unterstützen, sind bemerkenswert. Giuseppe ist ein leidenschaftlicher Verfechter für die Freiheit und gegen die politischen Ungerechtigkeiten. Seine Ziele bestimmen sein ganzes Leben. Mit Anita hat er die Frau gefunden, die seine Visionen teilt und ihren Mann steht. Es ist unfassbar, was die beiden und ihre Anhänger alles erleben und erdulden mussten, um für die gewünschte Freiheit zu kämpfen. Es ist unglaublich, was Anita in ihrer kurzen Lebenszeit alles erlebte, doch das müsst ihr selbst lesen.
Würde man sich als Autor diese Geschichte ausdenken, würden wir Leser ziemlich sicher kritisieren, dass die Ereignisse zu unrealstisch wirken. Doch die besten Geschichten schreibt noch immer das Leben selbst.

Karin Seemayer erzählt die Lebensgeschichte von Anita sehr anschaulich und informativ. Die faszinierenden Landschaftsbeschreibungen ließen mich von Brasilien, Uruguay und später von Italien träumen. Die historischen Begegenheiten sind fundiert und werden im Nachwort nochmals genauer von der Autorin erklärt. Zusatzlich erzählt sie am Ende in "Fakten und Vision" wo sie Kleinigkeiten verändert hat, welche Figuren und Schlachten genauso passiert sind und was ihrer eigenen Fantasie entsprungen ist. Am Beginn des Buches findet man eine Liste von historischen Peronen im Roman und eine Karte von Südamerika bzw. Brasilien. Darauf ist auch der Weg der Beiden durch das Land gekenntzeichnet.

Fazit:
Eine faszinierende Reise einer mutigen Frau, die die große Liebe findet und mit ihrem Mann für die Freiheit kämpft. Die Beiden sind in Italien zum Idol geworden. Giuseppe war der Vorkämpfer für eine neue italienische Nation. Sein Name ziert nicht nur Euromünzen, sondern auch ein Schiff, ein Asteroid,ein Fjord und Gletscher usw. Karin Seemayer hat darüber einen spannenden Roman geschrieben, den ich gerne weiterempfehle!

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Veröffentlicht am 29.07.2020

Mordserie im Saarland

Zappeduschder
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Von der Autorin habe ich bisher ihren Thriller "Hillmoor Cross" unter ihrem Pseudonym Shannon Crowley gelesen, den ich mit fünf Sternen bewertet habe und richtig gut fand. Unter ihrem Klarnamen schreibt ...

Von der Autorin habe ich bisher ihren Thriller "Hillmoor Cross" unter ihrem Pseudonym Shannon Crowley gelesen, den ich mit fünf Sternen bewertet habe und richtig gut fand. Unter ihrem Klarnamen schreibt die Autorin Krimis, die nicht minder spannend sind.

"Zappeduschder" ist der zweite Teil um ihre Kriminalkommissarin Kristina Herbich, die nicht unbedingt zu den sympathischten Ermittlern gehört. Da ich aber Band 1 "Tod im Fichtelgebirge" nicht kenne, kann es auch daran liegen. Mit ihrem Kollegen versteht sie sich gut, aber die Zusammenarbeit ist trotzdem etwas distanziert.
Kurz vor Kristina Herbichs geplanten Urlaub passiert ein spektakulärer Mord in einer Bayreuther Tanzbar. Ein Mann wird mit einem vergifteten Brieföffner erstochen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Konrad Breuer nimmt sie die Ermittlungen auf. Unter den Gästen des Lokals ist auch ein gewisser Philipp, der als Kurgast in der Stadt ist. Obwohl gar nicht ihre Art, verliebt sich Kristina in den Mann aus dem Saarland und die beiden tauschen ihre Nummern aus. Da ihr Kollege alleine mit dem Mordfall zurechtkommt, nimmt Kristina ihren geplanten Urlaub und ist auch schon auf den Weg zu Philipp ins Saarland. Auf einer Autobahnraststätte spricht sie ein Mädchen an, das gerne ein Stück mitfahren würde. Ihre pampige Art schreckt Kristina ab und außerdem nimmt sie generell keine Autostopper mit. Kurze Zeit später wird die Leiche der jungen Frau gefunden. Kristina macht sich Vorwürfe und das schlechte Gewissen nagt an ihr. Als Zeugin muss sie bei ihrem Kollegen vor Ort aussagen. Dieser nutzt die Chance und bittet sie um Mithilfe. Kristina forscht nach und findet dabei herraus, dass in letzter Zeit einige junge Frauen, die trampten, in der Gegend verschwunden sind. So wird der geplante Urlaub bald wieder von Arbeit überschattet.....

Jacqueline Lochmüller erzählt ihren Saarlandkrimi in mehreren Erzählsträngen. Neben den Ermittlungen, die Breuer in Bayreuth führt, soll Kristina vor Ort ihrem Kollegen helfen. Zusätzlich begleiten wir einige junge Tramperinnen und eine alte Dame in einem Seniorenheim, die lange Rätsel aufgibt.
Die Spannung ist von Beginn an hoch und endet in einem fulminaten Showdown, der keine Fragen offen lässt.

Schreibstil:
Die Autorin schreibt fesselnd und mit viel Lokalkolorit. Die Charaktere sind lebendig und facettenreich beschrieben. Auch wenn nicht alle richtig sympathisch sind, wirken sie authentisch.

Fazit:
Ein facettenreicher und spannender Krimi mit viel Lokalkolorit, dem es nicht an Nervenkitzel mangelt. Ich werde mir nun auch Band Eins kaufen und lesen, denn die Reihe scheint vielversprechend.

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Veröffentlicht am 27.07.2020

Halali im Darknet

Das Spiel – Es geht um Dein Leben
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Auf Instagram habe ich vom Morawa Verlag in Wien das Vorabexemplar zu "Das Spiel" gewonnen. Vielen herzlichen Dank! Unter dem Pseudonym Jan Beck versteckt sich der österreichische Autor Joe Fischler, der ...

Auf Instagram habe ich vom Morawa Verlag in Wien das Vorabexemplar zu "Das Spiel" gewonnen. Vielen herzlichen Dank! Unter dem Pseudonym Jan Beck versteckt sich der österreichische Autor Joe Fischler, der hier einen Thriller abgeliefert hat, der im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht. Genau dort befindet sich nämlich bei einigen Menschen ein Skorpion-Tatoo, das nur bei UV-Licht sichtbar wird. Keiner der Personen, weiß darüber Bescheid oder sie entdecken es zufällig, wie die 14jährige Mavie, die bei einer Party plötzlich von ihren Mitschülern umringt wird. Noch ahnt sie nicht, dass sie damit zur Zielscheibe eines perfiden Spiels wird. Denn im Darknet ist das Jagdfieber ausgebrochen. Der todkranke Journalist Werner Krakauer wittert endlich eine Story, die ihn über seinen Tod hinaus berühmt werden könnte. Er loggt sich ebenfalls ins Darknet ein und will als vermeintlicher Mitspieler der Sache auf den Grund gehen. Doch so einfach, wie er sich denkt, läuft das nicht....

Von Joe Fischler habe ich bereits einige Teile seiner Valerie Mauser Krimis gelesen, die mir aber im Laufe der Zeit zu humorig wurden. Bei "Das Spiel" ist das ganz bestimmt nicht der Fall, deshalb auch das Pseudonym...denke ich. Mit diesem Thriller reiht sich Joe Fischler/Jan Beck in die Riege der deutschsprachigen Thrillerautoren ein, wie Andreas Winkelmann oder Max Bentow.

Obwohl man von der ersten Seite an im Spiel ist, ist der Thriller zu Beginn etwas verwirrend, denn es gibt jede Menge Figuren und Handlungsorte. Doch mit der Zeit ist dies kein Problem mehr. Mit Christian Brand, der zum österreichischen Einsatzkommando Cobra gehört und der Schwedin Inga Björk, die bei Europol ermittelt, hat der Autor ein interessantes Pärchen erschaffen, welches wohl noch weiter in Reihe ermitteln darf. Brand wird als Aufpasser für Björk zu Europol geholt, die zuvor bei einer Ermittlung ihre Partnerin verloren hat. Erst mit der Zeit erfährt er was eigentlich Sache ist und welchen Fall er zugeteilt wurde.
Inga Björk ist eine spannende Frau, die eine interessante Vergangenheit hat. Zusätzlich hat sie eine ganz besondere Eigenschaft: sie ist ein Super-Recognizer - ein Mensch, der sich ein Gesicht, das er nur einmal gesehen hat, für immer merkt und es erkennt.
Neben dem Ermittlerpaar verfolgen wir noch Mavie in Hamburg und den Journalisten Werner Krakauer, aber auch die Psychotherapeutin Marlies Bauer und einige zukünftige Opfer. Als Leser erleben wir die Handlung aus der Sicht der Jäger, der Gejagden und der Ermittler und die sind oftmals nichts für schwache Nerven.
Das Ende ist blutig und ein richtiges Finale....fast ein bisschen too much. Ich bin gespannt, wie es mit der Reihe weitergehen wird und werde sie auf jeden Fall weiter verfolgen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist, verglichen mit den Veilchen-Krimis, komplett anders und man hat wahrlich das Gefühl hier schreibt nicht derselbe Autor, was aber auch dem Genre zuzuführen ist. Es wird brutal und spannend. Die Figuren und Orte sind sehr lebendig beschrieben, was ich bereits vom Autor kenne.
Ständige Ortswechel, Zeitangaben, sowie Datum und Name des Protagonisten stehen zu Beginn jedes Kapitels. Diese sind eher kurz gehalten und fordern dazu auf immer noch ein weiteres Kapitel zu lesen. Der Spanungsbogen ist von Anfang an hoch und bleibt auf diesem Niveau.

Nicht passend finde ich das Cover. Der Skorpion ist im ganzen Buch über Thema und hätte als Cover viel besser gepasst, als eine Eule. Sicher ist die Eule auch Jägerin im Dunkeln...trotzdem hätte ich den Skorpion besser gefunden.

Fazit:
Ein spannender und brutaler Thriller, der die menschlichen Abgründe in uns aufzeigt. Der Plot fesselte mich wahrlich ans Buch, das mit grausamen Details nicht spart. Ich werde diese Reihe auf jeden Fall weiterverfolgen.

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Veröffentlicht am 24.07.2020

Zwei Frauen auf der Suche nach Wahrheit

Zwei fremde Leben
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Was für ein Roman! Ich habe das neue Buch von Frank Goldammer vorablesen dürfen und wahrlich verschlungen. Ich konnte einmal angefangen, kaum aufhören zu lesen!
Normaler Weise schreibt der Autor historische ...

Was für ein Roman! Ich habe das neue Buch von Frank Goldammer vorablesen dürfen und wahrlich verschlungen. Ich konnte einmal angefangen, kaum aufhören zu lesen!
Normaler Weise schreibt der Autor historische Krimis, die in der Nachkriegszeit spielen. Nun hat er sich an eine andere Zeit gewagt und ein anderes Genre, auch wenn hier ein bisschen Kriminalität durchbricht....denn dreißig Jahre nach dem Mauerfall gibt es noch mehr als genung Aufarbeitung und Themen, die sich für Romane eignen....

Wir befinden uns in den 1970er Jahren in der DDR. Thomas Rust, Polizist und werdender Vater, erhält die Nachricht, dass seine Frau wegen frühzeitiger Wehen im Krankhaus liegt. Als er im Garten der Dresdner Klinik eine Rauchpause macht, trifft er auf Steffen, der verzweifelt zu seinem Auto geht. Thomas Rust spricht ihn an und erfährt, dass das gemeinsame Kind, das Steffens Verlobte Ricards zur Welt gebracht hat, verstorben ist. Er musste eben eine Unterschrift unter das Formular für die Bestattung setzen. Laut Vorschrift darf die Mutter ihr totes Kind nicht sehen, doch Ricarda glaubt nicht an den Tod ihres Babies. Ihr Vater, ein renommierter Arzt an der Klinik, hat das Kind gesund entbunden und weggebracht. Er war gegen die Beziehung von Ricarda zu Steffen. Sie vermutet, dass ihr Baby zwangsadoptiert wurde. Auch Thomas Rust hegt diesen Verdacht, denn während er eine weitere Zigarette rauchte, beobachtete er einige seltsame Vorgänge beim Hinterausgang des Krankenhauses....

Frank Goldammer hat sich einem Thema angenommen, das mir Gänsehaut beschert: Zwangsadoption. Darüber habe ich bereits in einigen Romanen aus dem Zweiten Weltkrieg gelesen, wie den sogenannten Lebensborn-Einrichtungen. Aber auch in der DDR war dies ein Prozess, der vorallem bei Frauen, die als Staatsfeinde angesehen wurden und im Gefängnis saßen, gehandhabt wurde. Schließlich sollten die Kinder zu sozialistischen Mitmenschen erzogen werden, die das Regime nicht in Frage stellten...
Zusätzlich geht es um Furcht, Misstrauen und Angst...drei Dinge, mit der die Stasi Macht ausübte.

Bereits die ersten Seiten haben mich an das Buch gefesselt. Goldammer schreibt im Hauptstrang der Geschichte aus der Sicht von Ricarda. Ihr Leiden und die feste Überzeugung, dass ihr Kind noch lebt, wird vom Autor großartig dargestellt. Ricarda lässt nichts unversucht ihr Kind zu finden. Dabei kann man als Leser ihre Verzweiflung, aber auch ihren Mut und ihre Stärke fühlen, vorallem weil sich mit der Zeit wirklich alle gegen sie stellen....
In einem weiteren Handlungsstrang begleiten wir Thomas Rust. Der linientreue Polizist, der sich zu Beginn aus Neugierde der Sache annimmt und einen Kunstfehler oder Schlamperei hinter dem Tod des Kindes vermutet, verbeißt sich in den Fall. Hätte er sich trotzdem der Angelegenheit angenommen, wenn er zu Beginn gewusst hätte, dass er Jahrzehnte damit beschäftigt sein wird? Oder er am System zu zweifeln beginnt?

In einem dritten Handlungsstrang lernen wir Claudia Behling kennen, die 1989 beim Versuch aus der DDR zu flüchten, erwischt wird. Ihr Vater ist ein hohes Tier im Außenhandel und bekommt eine eindringliche Warnung von den Genossen. Im Zuge eines Streites rutscht Claudias Mutter heraus, dass sie gar nicht ihr Kind ist, sondern adoptiert wurde. Daraufhin nutzt Claudia kurz vor der Maueröffnung die Chance abzuhauen und ihre wahren Eltern zu suchen. Doch die Stasi hat bereits viele Unterlagen erfolgreich vernichtet. Auch nach der Öffnung lässt sich kaum rekonstruieren wo und wann Claudia geboren wurde....

Wer nun denkt, der Klappentext verrät doch schon einiges, der irrt! Es dauert 45 Jahre bis Ricarda und Claudia endlich mehr über ihre Vergangenheit erfahren. Ich will nicht vorausgreifen und auch nicht spoilern, aber der Autor lässt auf den 400 Seiten noch die eine oder andere überaschende Wendung einfließen. Das Tempo ist hoch, die Spannungskurve bleibt konstant. Ich kann diesen starken Roman einfach nur mit voller Überzeugung weiterempfehlen!

Fazit:
Ein packender und beeindruckender Roman, der für mich auf jeden Fall zu den Highlights dieses Jahres gehört. Liest selbst!

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Veröffentlicht am 22.07.2020

Abschied von der Kindheit

Schatten der Welt
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Mit seinem neuen Roman ist Andreas Izquierdo einen etwas anderen Weg gegangen, als in seinen letzten Büchern. "Schatten der Welt" ist ein Mix aus historischem und Coming-of-Age Roman, der mich mit seinen ...

Mit seinem neuen Roman ist Andreas Izquierdo einen etwas anderen Weg gegangen, als in seinen letzten Büchern. "Schatten der Welt" ist ein Mix aus historischem und Coming-of-Age Roman, der mich mit seinen über 500 Seiten wahrlich beeindruckte.

Wir befinden uns in Thorn in Westpreußen und schreiben das Jahr 1910. Carl und Artur sind beste Freunde. Während der schüchterne Carl, Sohn eines jüdischen Schneidermeisters, seinem Freund in der Schule hilft, bietet Artur, der bereits großgewachsen und stark ist, Carl Schutz vor einigen rüpelhaften Mitschülern. Die grundverschiedenen Jungs werden beste Freunde, als unverhofft die rotzfreche Isi zur Gruppe stößt. Carl und Artur sind von dem Mädchen hingerissen und die Drei werden bald ein unschlagbares Trio.

Während Carls Vater sich wünscht, dass sein Sohn nach der Schule in seine Schneiderei einsteigt, träumt Carl vom Fotografieren seit er den Laden des zugegezogenen Fotografen entdeckt hat. Er ist fasziniert von der neuen Technik Bilder von Menschen auf Papier zu bringen. Wie gerne hätte er ein Foto seiner verstorbenen Mutter gehabt, die er nie kennenlernen durfte. Artur hat ebenfalls keine Lust bei seinem Vater in der Wagnerei zu arbeiten. Gemeinsam mit Isi heckt er immer wieder verrückte Ideen aus, wie den Verkauf von Pillen gegen den Weltuntergang, angekündigt durch den Halleyschen Kometen. Artur hat Geschäftssinn und Isi immer wieder neue Ideen.

In der Zwischenzeit spitzt sich die weltpolitische Lage immer mehr zu. Auch in Thorn haben die Einwohner langsam genug von der Ausbeutung des einzigen Großgrundbesitzers Boysen, der die Geschehnisse im Ort lenkt. Isi und Artur lehnen sich beide auf ihre Art gegen die Boysens auf, manchmal mit schwerwiegenden Folgen.

Doch dann beginnt der Erste Weltkrieg und die mehr oder weniger unbeschwerte Kindheit ist vorbei. Carl und Artur werden eingezogen und Isi erlebt ihr ganz persönliches Grauen.

Izquierdo schildert mit viel Liebe und Detail aus dem ersten Jahrzehnt des letztes Jahrhunderts - einer Zeit, die von großen Umwälzungen geprägt war. Nicht nur neue technische Errungenschaften und Erfindungen, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen standen an. Aber auch Westpreußen, das im heutigen Polen liegt, mit seinem damaligen "Glanz" und den Menschen, die dort lebten, wurde sehr bildhaft dargestellt. Die Hierarchien in der Gesellschaft und die Fassade, die oftmals nach außen hin aufrecht erhalten bleiben musste...

Im Großen und Ganzen fand ich diesen Roman wundervoll. Er lässt sich schwer in ein einziges Genre einordnen, wobei er aber auf jeden Fall dem historischen Genre zuzuordnen ist. Die Geschichte versprüht sehr viel Charme und bleibt im Gedächnis. Nur zu Beginn dauerte es mir etwas zu lange bis Fahrt aufgenommen wurde und am Ende war es mir fast zu übereilt. Doch dazwischen war ich in der Geschichte versunken und konnte mich total fallenlassen.

Schreibstil:
Andreas Iquierdo erzählt detailliert, mitreißend, einfühlsam und bildhaft.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Carl und durch einen allwissenden Erzähler, der die Beschreibung von Artur und Isi übernimmt. Die Charaktere der drei Hauptprotagonisten hat der Autor wunderbar herausgearbeitet. Sie sind facettenreich und entwickeln sich weiter....sie werden erwachsen.
Ich hatte von Carl, Artur und Isi ein detailliertes Bild vor Augen und hoffte und bangte mit ihnen.
Auch die Kriegsszenen sind sehr eindringlich dargestellt - vorallem die beiden Seiten der Kriegsberichterstattung durch die Medien/Fotografien.

Fazit:
Ein berührender und mitreißender Coming-of-Age Roman mit historischem Setting, der vorallem durch seine lebendigen Figuren und deren Entwicklung glänzt. Toll erzählt, aber auch mit kleinen Schwächen am Anfang. Ein Roman, der im Gedächtnis bleibt und den ich gerne weiterempfehle!

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